— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1095 Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 10. September 2013 Dürfen ehrliche Finder von Mobiltelefonen und Computern leer ausgehen § 973 BGB regelt eindeutig, dass nach Ablauf einer sechsmonatigen Frist nach Anzeige eines Fundes, das Eigentum auf den Finder übergeht, soweit nicht vorher ein Empfangsberechtigter dem Finder bekanntgeworden ist. Trotz des bestehenden Eigentumsverschaffungsanspruches verweigert zumindestens das Fundamt Bremerhaven die Herausgabe von Mobiltelefonen und Computern an ehrliche Finder mit der Begründung, die Datenschutzinteressen des ursprünglichen Eigentümers wahren zu wollen. Wir fragen den Senat: 1. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage wird trotz des gesetzlichen Erlöschens aller sonstigen Rechte des ursprünglichen Eigentümers an der Sache in das Eigentum des Finders eingegriffen? 2. Soweit es hierfür eine die Fundämter bindende Rechtsgrundlage geben sollte, hält der Senat eine solche Entscheidung in Anbetracht dessen, dass die Daten auf solchen Geräten einfach zu löschen sind, für verhältnismäßig? 3. Legt der Senat einen vergleichbaren Maßstab (kein Eigentumsübergang von Geräten an Dritte bei potenziell gespeicherten Daten) auch in anderen Bereichen an? Kommt es zu Veräußerungen von staatsanwaltschaftlich eingezogenen Geräten, von im Rahmen der Zwangsvollstreckung verwerteten Geräten oder von Altgeräte aus dem Anlagevermögen von Städten und Land? Wenn ja, was unterscheidet diesen Eigentumsübergang durch Kauf oder Versteigerung vom Eigentumserwerb durch Fund? 4. Was unternehmen die Fundämter, um den ursprünglichen Eigentümer zu ermitteln ? 5. Falls nach der bisherigen Gesetzeslage, dieses beschriebene Vorgehen der Fundämter rechtlich zwingend sein sollte, wie müsste eine gesetzlich klarstellende Regelung lauten, die ehrlichen Finder den Eigentumsanspruch nach § 973 BGB sichert? Sükrü Senkal, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD D a z u Antwort des Senats vom 15. Oktober 2013 1. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage wird trotz des gesetzlichen Erlöschens aller sonstigen Rechte des ursprünglichen Eigentümers an der Sache in das Eigentum des Finders eingegriffen? Vor der Herausgabe einer Fundsache ist zu prüfen, ob der Herausgabe Belange der öffentlichen Sicherheit entgegenstehen. Zu diesen Belangen zählt auch die Gewährleistung datenschutzrechtlicher Belange des Verlierers, die in dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verfassungsrechtlich sichergestellt — 2 — sind. Mit Ablieferung der Fundsache beim Fundamt wird dieses die datenschutzrechtlich verantwortliche öffentliche Stelle für die auf der Fundsache gespeicherten Daten. Nach § 17 in Verbindung mit § 12 Bremisches Datenschutzgesetz darf das Fundamt diese Daten nicht an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs , also auch nicht an den Finder, übermitteln. Auch die Übergabe von Geräten , auf denen personenbezogene Daten gespeichert sind, stellt eine Übermittlung von Daten im Sinne des Bremischen Datenschutzgesetzes dar. Der Eigentumserwerb des Finders wird davon nicht berührt. Nur die Herausgabe der Fundsache ist rechtlich gehindert, solange keine sichere Löschung der auf der Fundsache gespeicherten Daten erfolgen kann. Ähnlich wäre es z. B., wenn eine gefundene Waffe aus waffenrechtlichen Gründen , gefundene apothekenpflichtige Arzneimittel aus arzneimittelrechtlichen Gründen oder, bei einem minderjährigen Finder, gefundene Alkoholika oder Tabakwaren aus Gründen des Jugendschutzes nicht herausgegeben werden können. 2. Soweit es hierfür eine die Fundämter bindende Rechtsgrundlage geben sollte, hält der Senat eine solche Entscheidung in Anbetracht dessen, dass die Daten auf solchen Geräten einfach zu löschen sind, für verhältnismäßig? Es besteht gemäß § 985 BGB ein genereller Herausgabeanspruch des Finders gegenüber dem Fundbüro. Enthält die Fundsache personenbezogene Daten (davon kann bei mobilen Endgeräten regelmäßig ausgegangen werden), obliegt der zuständigen Stelle die Verpflichtung zu prüfen, ob Belange der öffentlichen Sicherheit, wie beispielsweise datenschutzrechtliche Belange, der Herausgabe bzw. Versteigerung der Fundsache entgegenstehen. Stehen der Herausgabe an den Finder oder der Versteigerung datenschutzrechtliche Belange des Verlierers gegenüber, bleibt nur die datenschutzgerechte Entsorgung oder die datenschutzgerechte Löschung der personenbezogenen Daten. Dabei wird unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes der Löschung als gleich geeignete, aber weniger einschneidende Maßnahme grundsätzlich der Vorrang gegenüber der Entsorgung einzuräumen sein, da allein durch die Löschung der Bestand der Fundsache und dadurch auch fremde Eigentumsrechte gewahrt bleiben. Wichtig dabei ist, dass die personenbezogenen Daten irreversibel gelöscht werden. Nach Auffassung der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit kann in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass die Daten auf den mobilen Endgeräten bei der Nutzung der durch das Betriebssystem innewohnenden Löschfunktion auch wirklich unumkehrbar gelöscht werden. Vielmehr wird meist der durch die Daten belegte Speicherplatz freigegeben. Ähnliches gilt für das Zurücksetzen des mobilen Endgeräts in den Werkszustand. Dabei kann ebenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass die Daten tatsächlich und unwiderruflich gelöscht sind. Die Löschung kann im Rahmen einer Auftragsdatenverarbeitung gemäß § 9 Bremisches Datenschutzgesetz durch Dritte erfolgen; die verantwortliche Stelle bleibt dabei das Fundbüro. Für die Löschung soll keine Einsichtnahme in die gespeicherten personenbezogenen Daten erfolgen . Bislang wird in den beiden Kommunen Bremen und Bremerhaven in Bezug auf die Herausgabe gefundener mobiler Endgeräte unterschiedlich verfahren: Gegenwärtig werden in Bremen die Daten auf mobilen Endgeräten nach den Richtlinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie irreversibel gelöscht, um eine Aushändigung an den Finder zu ermöglichen. Monatlich handelt es sich um durchschnittlich zwei Geräte. Die Löschungskosten werden dem Finder bisher nicht in Rechnung gestellt. Geprüft wird darüber hinaus die Möglichkeit der Versteigerung von gefundenen Geräten, sofern die Löschungskosten die voraussichtlich über die Versteigerung zu erzielenden Einnahmen nicht überschreiten. In Bremerhaven wurde wegen der mangelnden Möglichkeit datenschutzgerechter und kostenvermeidender Löschung bisher der Weg gewählt, auf die Herausgabe der Datenträger an den Finder zu verzichten. — 3 — Druck: Anker-Druck Bremen Der Senat strebt jedoch eine einheitliche Vorgehensweise an und wirkt auf eine Neuregelung des Verfahrens hin. Die Einzelheiten hierzu werden bei der Beantwortung der Frage 5 dargestellt. 3. Legt der Senat einen vergleichbaren Maßstab (kein Eigentumsübergang von Geräten an Dritte bei potenziell gespeicherten Daten) auch in anderen Bereichen an? Kommt es zu Veräußerungen von staatsanwaltschaftlich eingezogenen Geräten, von im Rahmen der Zwangsvollstreckung verwerteten Geräten oder von Altgeräte aus dem Anlagevermögen von Städten und Land? Wenn ja, was unterscheidet diesen Eigentumsübergang durch Kauf oder Versteigerung vom Eigentumserwerb durch Fund? Eine Pfändung und Verwertung von Mobiltelefonen, Smartphones, Laptops, PC usw. ist zwar unter Beachtung der §§ 803 II, 811 und 812 ZPO rechtlich möglich, erfolgt in der Praxis aber äußerst selten. Die Kosten der Zwangsvollstreckung (Pfändung, Abholung, Einlagerung, Versteigerung und Löschung der auf dem Gerät befindlichen Daten durch eine Fachfirma) übertreffen in den allermeisten Fällen den voraussichtlichen Erlös eines solchen Pfandstücks. Die Rechtslage zu den auf den Geräten gespeicherten Daten ist die gleiche wie bei den Fundsachen : Eine Übermittlung an Dritte ist nicht zulässig. Sofern es im Einzelfall doch zu einer Pfändung kommt, fordert der Gerichtsvollzieher den Schuldner zur Löschung bzw. Übernahme seiner Daten auf ein anderes Medium auf. Mobiltelefone, Computer und ähnliche Geräte, die von der Staatsanwaltschaft eingezogen werden, werden aus Gründen des Datenschutzes nicht verwertet. Die Staatsanwaltschaft lässt derartige Geräte regelmäßig von einer Fachfirma vernichten. 4. Was unternehmen die Fundämter, um den ursprünglichen Eigentümer zu ermitteln ? Jeder Verlierer hat die Möglichkeit, Fundsachen über die Online-Suche des Fundamtes oder durch persönliche Nachfrage beim Fundamt zu suchen. Es werden keine Ermittlungen seitens der Fundämter nach dem ursprünglichen Eigentümer durchgeführt. 5. Falls nach der bisherigen Gesetzeslage dieses beschriebene Vorgehen der Fundämter rechtlich zwingend sein sollte, wie müsste eine gesetzlich klarstellende Regelung lauten, die ehrlichen Finder den Eigentumsanspruch nach § 973 BGB sichert? Der Senat hält eine gesetzliche Klarstellung nicht für erforderlich. Der datenschutzrechtlich gebotene Schutz personenbezogener Daten schließt eine Herausgabe ohne vorherige Löschung der Daten aus. Eine Löschung auf Veranlassung und Kosten des Finders, um die Herausgabe von Datenträgern zu ermöglichen, ist auch ohne ergänzende gesetzliche Regelung möglich. Hierzu kommt folgende Vorgehensweise in Betracht, die dem Finder künftig angeboten werden soll: Das Fundamt bietet dem Finder die Möglichkeit an, auf seine Kosten die Daten irreversibel von einer Fachfirma auf dem Gerät löschen zu lassen. Hierzu müsste der Finder beim Fundamt in Vorkasse gehen. Dabei findet das Bremische Gebühren- und Beitragsgesetz Anwendung, das vorsieht, dass Kosten besonderer Auflagen (hier: ordnungsgemäße Löschung der Daten) zu erstatten sind. Aus verwaltungsökonomischen Gründen wird hierbei eine pauschalierende Regelung angestrebt. Lehnt der Finder die Kostenübernahme für die fachgerechte Löschung der Daten ab, wird das Gerät vom Fundamt datenschutzgerecht entsorgt oder in der Erwartung, dass die Versteigerungserlöse die Löschungskosten übersteigen, versteigert .