— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1176 Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 23. September 2013 Überwachung durch Funkzellenabfragen Seit 2008 erlaubt die Strafprozessordnung die zeitlich wie räumlich beschränkte Abfrage von Telekommunikationsverbindungsdaten (§ 100g StPO). Diese sogenannte Funkzellenabfrage dokumentiert die mobilfunkgestützte Kommunikation und gibt Aufschluss, wer wann in der räumlich bezeichneten Funkzelle mit wem in Kontakt stand. Eine technische Variante der Funkzellenabfrage ist der sogenannte IMSICatcher (International Mobile Subscriber Identity). IMSI-Catcher ermöglichen die Erstellung von Bewegungsprofilen, das Abhören von Gesprächen und das Mitlesen von SMS. Die rechtliche Grundlage dieser Maßnahme ergibt sich aus § 100i StPO. Die Betroffenen müssten nachträglich über die Erfassung ihrer Verbindungsdaten informiert werden. Grundrechtsorganisationen und Datenschützerinnen/Datenschützer kritisieren die Funkzellenabfragen als unverhältnismäßige Handy-Rasterfahndung. Weil es bisher keine bundeseinheitliche aussagefähige Statistik über diese Überwachungsmaßnahme gibt, haben netzpolitische Aktivistinnen/Aktivisten einen Fragekatalog erarbeitet (Quelle: netzpolitik.org). Wir fragen den Senat: 1. In wie vielen Verfahren wurden seit 2009 von bremischen Landesbehörden Funkzelleabfragen (FZA) vorgenommen? 2. Wie viele FZA wurden seit 2009 insgesamt durchgeführt? 3. Wie viele Verbindungsdatensätze sind dabei angefallen? 4. Wie viele Anschlüsse waren davon betroffen? 5. Wie viele Anschlussinhaberinnen-/Anschlussinhaberfeststellungen wurden vorgenommen ? 6. In wie vielen Verfahren konnten durch die FZA neue Ermittlungsanhalte gewonnen werden? 7. In wie vielen Verfahren haben die Daten der FZA zu einer Verurteilung geführt? 8. Bei welchen Straftaten wurden FZAs durchgeführt? 9. Waren alle Straftaten auch im Einzelfall von erheblicher Bedeutung? 10. In wie vielen Fällen wurden die Daten wieder gelöscht? Nach welcher Frist? 11. Wie viele der betroffenen Personen wurden über die Maßnahme nachträglich benachrichtigt? 12. Wurde die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall geprüft? 13. Welche bremischen Behörden verfügen über IMSI-Catcher? 14. Wie viele IMSI-Catcher sind in Gebrauch? 15. Welche Baureihen von IMSI-Catchern werden verwendet? 16. Wie oft kamen IMSI-Catcher seit 2009 zum Einsatz? — 2 — 17. Wieviele Verbindungsdatensätze sind dabei angefallen? 18. Wie viele Anschlüsse waren davon betroffen? Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE D a z u Antwort des Senats vom 26. November 2013 Vorbemerkung Auch wenn es sich bei der Ortspolizeibehörde (OPB) Bremerhaven um keine Landesbehörde im Sinne der Anfrage handelt, wird diese bei der Beantwortung einbezogen . Maßnahmen des Landesamtes für Verfassungsschutz können ausschließlich dem zuständigen Kontrollgremium der Bremischen Bürgerschaft berichtet werden. 1. In wie vielen Verfahren wurden seit 2009 von bremischen Landesbehörden Funkzelleabfragen (FZA) vorgenommen? 2. Wie viele FZA wurden seit 2009 insgesamt durchgeführt? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet: Funkzellenabfragen, die auf Grundlage der Strafprozessordnung erfolgen, stellen ein polizeiliches Ermittlungsinstrument dar. In der Ortspolizeibehörde Bremerhaven wurde zum 1. Dezember 2012 die Organisationseinheit „technische Einsatz- und Ermittlungsunterstützung“ (tEEU) gegründet. Diese Dienststelle ist seitdem unter anderem zentral für die Anforderung , Abfrage und Auswertung von Funkzellendaten zuständig. Eine valide Aussage kann somit nur für das Jahr 2013 getroffen werden, da die Daten aus den vorherigen Jahren analog zur Polizei Bremen statistisch und zentral nicht erfasst wurden. Seit Januar 2013 wurden von der OPB Bremerhaven insgesamt 16 Funkzellenabfragen durchgeführt. Bei elf Verfahren handelte es sich um Seriendelikte mit mehreren Tatorten und Tatzeiten, die letztendlich zu insgesamt fünf Verfahren zusammengefasst wurden. Bei der Polizei Bremen liegen die technischen Voraussetzungen zur zentralen Erfassung erst seit Oktober 2013 vor. Eine Auswertung der vorherigen Ermittlungsverfahren ist daher mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht zu erstellen . Eine Schätzung der Fachkommissariate der Polizei Bremen hat aber ergeben, dass in dem Zeitraum insgesamt ca. 47 Funkzellenabfragen durchgeführt worden sind. 3. Wie viele Verbindungsdatensätze sind dabei angefallen? Bei dem Ermittlungsinstrument der nicht individualisierten Verkehrsdatenerhebung handelt es sich um eine Abfrage von Daten mit dem Ziel, Tatverdächtige zu identifizieren. Ermächtigungsgrundlage ist § 100g Abs. 2 Satz 2 StPO. Die in §100g Abs. 4 StPO normierte Erhebungs- und Berichtspflicht bezieht sich nur auf Maßnahmen nach § 100g Abs. 1 StPO und gilt somit nicht für die nicht individualisierte Funkzellenabfrage. In den genannten Verfahren der Ortspolizeibehörde Bremerhaven sind ca. 1 Mio. anonymisierte Datensätze angefallen. Die zur Beantwortung der Frage erforderlichen Daten werden bei der Polizei Bremen nicht zentral erfasst. Eine Einzelauswertung aller Ermittlungsverfahren ist mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht zu erreichen. Gleiches gilt für die Beantwortung der Fragen 4 und 5. — 3 — 4. Wie viele Anschlüsse waren davon betroffen? Die zuvor genannten rund 1 Mio. anonymisierten Verbindungsdatensätze wurden durch rund 132 000 anonymisierte Anschlüsse erzeugt. Die Menge der Datensätze hängt dabei von mehreren Faktoren ab, wie beispielsweise dem Ort, der Uhrzeit, der Dauer und der Frequentierung des Bereichs. Bei der anschließenden Auswertung der anonymisierten Daten werden diverse Filter gesetzt, die letztlich zu einer enormen Reduzierung der Anschlüsse und erfahrungsgemäß im Ergebnis zu einer einstelligen Anzahl relevanter Anschlüsse führen. 5. Wie viele Anschlussinhaberinnen-/Anschlussinhaberfeststellungen wurden vorgenommen ? Die Ortspolizeibehörde Bremerhaven hat im Jahr 2013 insgesamt 32 Anschlussinhaberfeststellungen durchgeführt. Zuvor wurden diese nicht zentral erfasst. 6. In wie vielen Verfahren konnten durch die FZA neue Ermittlungsanhalte gewonnen werden? Nach einer Schätzung der Polizei Bremen hat die Maßnahme bei 16 Verfahren wegen Raubdelikten in acht Fällen zur Ermittlung eines Tatverdächtigen geführt . In fünf Verfahren wegen Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung führte die Maßnahme in einem Fall zur Ermittlung eines Tatverdächtigen. Durch die Ortspolizeibehörde Bremerhaven konnten durch die FZA in 15 von 16 Fällen neue Ermittlungsansätze gewonnen werden. 7. In wie vielen Verfahren haben die Daten der FZA zu einer Verurteilung geführt? Bei der Staatsanwaltschaft werden die erforderlichen Daten statistisch nicht erfasst . Eine Einzelauswertung ist mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht zu leisten. 8. Bei welchen Straftaten wurden FZA durchgeführt? Die Zulässigkeit von Funkzellenabfragen ergibt sich aus § 100g StPO. In Bremen wurden nach einer Schätzung bei folgenden Straftaten Funkzellenabfragen durchgeführt: • 16 Maßnahmen im Zusammenhang mit Raubdelikten, • fünf Maßnahmen im Zusammenhang mit Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung , • zwei Maßnahmen im Bereich der Kapitaldelikte, • ca. 24 Maßnahmen (etwa zwölf im Jahr 2011 und zwölf im Jahr 2012) bei Straftaten zum Nachteil älterer Menschen. Die Ermittlungsmaßnahme Funkzellenabfrage bei Straftaten zum Nachteil älterer Menschen kommt dabei ausschließlich bei vollendeten Taten zur Anwendung . Das Ziel ist, die Rufnummer des Tatverdächtigen zu identifizieren und hieraus Ansätze für operative Maßnahmen oder über eine bundesweite Steuerung der Information Ermittlungsansätze zu gewinnen. In Bremerhaven wurden aus Anlass folgender Straftaten Funkzellenabfragen durchgeführt: • ein Fall im Zusammenhang mit einem Tötungsdelikt, • zwei Fälle nach Diebstahlsdelikten im besonders schweren Fall/Bandendiebstahl , • drei Fälle wegen Straftaten zum Nachteil älterer Menschen, • drei Fälle nach schweren Brandstiftungen, • sieben Fälle im Deliktsfeld des schweren Raubes. — 4 — 9. Waren alle Straftaten auch im Einzelfall von erheblicher Bedeutung? Gemäß § 100g Abs. 1 Nr. 1 StPO ist gesetzliche Voraussetzung für die Erhebung von Verkehrsdaten, dass es sich auch in dem konkreten Einzelfall um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt. Davon erfasst sind insbesondere Katalogstraftaten nach § 100a Abs. 2 StPO aus unterschiedlichen Deliktsbereichen , wie zum Beispiel Tötungsdelikte, Raub, Bandendiebstahl, Erpressung und Betäubungsmittelkriminalität. Die Entscheidung, ob ein Fall von erheblicher Bedeutung ist, trifft das zuständige Gericht. 10. In wie vielen Fällen wurden die Daten wieder gelöscht? Nach welcher Frist? Die Löschung der Daten ist in jedem Fall gewährleistet. Gemäß § 101 Abs. 8 Satz 1 StPO sind die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten zur Strafverfolgung und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme unverzüglich zu löschen, sobald sie nicht mehr erforderlich sind. Die Verfahren der OPB Bremerhaven aus dem Jahr 2013 sind noch nicht abgeschlossen , sodass zu den einzelnen Fristen keine Informationen vorliegen. 11. Wie viele der betroffenen Personen wurden über die Maßnahme nachträglich benachrichtigt? Die Anzahl der Personen, die über die Maßnahme nachträglich unterrichtet wurden , wird nicht erhoben. Eine Einzelauswertung ist mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht zu leisten. 12. Wurde die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall geprüft? Die Verhältnismäßigkeit ist eine Voraussetzung des § 100g StPO. Sie wird in jedem Fall durch den Sachbearbeiter der Polizei, den Dezernenten der Staatsanwaltschaft und durch das Gericht überprüft. 13. Welche bremischen Behörden verfügen über IMSI-Catcher? Die Polizei Bremen und die Ortspolizeibehörde Bremerhaven verfügen über keinen IMSI-Catcher. Im Bedarfsfall muss solch ein Einsatz im Rahmen der Amtshilfe durch Polizeibehörden anderer Bundesländer erfolgen. 14. Wie viele IMSI-Catcher sind in Gebrauch? Es wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. 15. Welche Baureihen von IMSI-Catchern werden verwendet? Da die Polizei Bremen und die Ortspolizeibehörde Bremerhaven über keine eigenen IMSI-Catcher verfügen, liegen dem Senat keine Erkenntnisse zu den Baureihen vor. 16. Wie oft kamen IMSI-Catcher seit 2009 zum Einsatz? Da die Polizei Bremen über keinen eigenen IMSI-Catcher verfügt, konnte diese Frage über den Abgleich des Haushalts beantwortet werden. Daher kann keine Gewähr auf Vollständigkeit gegeben werden: • Jahr 2009 keine abgerechneten IMSI-Catcher-Einsätze, • Jahr 2010 keine abgerechneten IMSI-Catcher-Einsätze, • Jahr 2011 drei abgerechnete IMSI-Catcher-Einsätze, • Jahr 2012 zwei abgerechnete IMSI-Catcher-Einsätze, • Jahr 2013 ein abgerechneter IMSI-Catcher-Einsatz. Bei der Ortspolizeibehörde Bremerhaven liegt für das Jahr 2013 ein IMSICatcher -Einsatz vor. In den vorherigen Jahren wurden die Einsätze nicht zentral erfasst. — 5 — 17. Wieviele Verbindungsdatensätze sind dabei angefallen? In der Ortspolizeibehörde Bremerhaven wurden durch den IMSI-Catcher-Einsatz im Jahr 2013 keine Funkzellendaten gespeichert. 18. Wie viele Anschlüsse waren davon betroffen? Bei dem IMSI-Catcher-Einsatz der Ortspolizeibehörde Bremerhaven im Jahr 2013 war ein Anschluss betroffen. Druck: Anker-Druck Bremen