— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Stadtbürgerschaft 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 125 S Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 14. März 2012 Jugendbeteiligung in den Stadtteilen Die verbesserte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf lokaler Ebene ist von zentraler Bedeutung um Politikverdrossenheit bei jungen Menschen entgegen zu wirken und ihnen ein positives Gefühl für Demokratie und bürgerschaftliche Verantwortungsübernahme zu vermitteln. Deshalb wollen wir in den Stadtteilen ein besonderes Augenmerk auf die Beteiligung junger Menschen richten. In den Beiratsbereichen können Jugendbeiräte gewählt werden, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen im Stadtteil eigenverantwortlich wahrnehmen und vertreten. Die Beiräte sollen auf der Grundlage des neuen Ortsbeirätegesetzes das kommunalpolitische Engagement von Jugendlichen im Beiratsbereich fördern und unterstützen. Sie können hierbei die Vergabe von Geldern für Projekte im Jugendbereich unter direkter Beteiligung der Jugendlichen vornehmen. Dies gilt auch für die Vergabe der Mittel im Bereich der freien Kinder- und Jugendhilfe in den sogenannten Controlling-Ausschüssen. Jugendliche können darüber hinaus eigene Anträge an die Beiräte stellen. Ferner können Kinder und Jugendliche an der Planung von konkreten Vorhaben im Bereich Schule, Freizeit und Sport, z. B. durch die Durchführung von Jugendforen, beteiligt werden. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist bereits in einigen Stadtteilen erfolgreich erprobt worden. Andere Stadtteile können und sollten von solchen BestPractice -Beispielen lernen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Welche Beiräte haben begonnen, die nach dem neuen Beirätegesetz geforderte verstärkte Beteiligung von Kinder- und Jugendlichen umzusetzen, und mit welchen Projekten? 2. In welchen Beiratsbereichen wurden bereits Jugendbeiräte gegründet? 3. Wie ist das Verhältnis von Jungen und Mädchen in den Jugendbeiräten, wie ist die Altersstruktur und der Bildungshintergrund? 4. Welche Jugendbeiräte verfügen bereits über einen Finanzetat, und wie wird gewährleistet , dass die Beschlüsse von Jugendbeiräten über Haushaltsmittel rechtlich abgesichert werden? 5. Welche Beteiligungsformen bieten die besten Chancen für eine erfolgreiche Jugendbeteiligung , und welche dieser Beteiligungsformen wurden bereits in den Stadtteilen erprobt? 6. Welche Schulen verfügen bereits über Projekte zur Kinder- und Jugendbeteiligung ? 7. Wie wird in den Stadtteilen das Internet für Jugendbeteiligung genutzt? Helmut Weigelt, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD — 2 — D a z u Antwort des Senats vom 24. April 2012 Vorbemerkung Der Senat teilt die in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage zum Ausdruck kommende Auffassung, dass vielfältige Mitsprache-, Mitwirkungs- und Mitentscheidungsrechte unverzichtbare Bestandteile einer lebendigen Demokratie sind. Ihr Stellenwert besteht nicht allein im Erreichen eines höheren Maßes an Akzeptanz von Entscheidungen , sondern auch in der demokratischen Gestaltung von Entscheidungen und der Verbesserung ihrer Qualität. Der Senat legt im Rahmen der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern besonderen Wert auf die Beteiligung junger Menschen. Dementsprechend wurde die Partizipation von Kindern und Jugendlichen nach der Veränderung des Beirätegesetzes verstärkt zur Aufgabe von Beiräten und Ortsämtern. Die stadtteilübergreifende Koordination und Beratung sowie den Informationsaustausch unterstützt die Senatskanzlei auch personell. Im Jahr 2011 fand auf Einladung des Bürgermeisters ein erster gesamtstädtischer Austausch mit engagierten Jugendlichen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den Ortsämtern und der Jugendhilfe statt. Die Ergebnisse sind dokumentiert (vergleiche http://jubis-bremen.de/artikel.php/777/52953). Ein regelmäßiger direkter Austausch der engagierten Jugendlichen auf Stadtebene hat begonnen. Im Jahr 2012 wählten die Jugendbeiräte erstmals eine Jugendvertretung bei ihrem Treffen im Rathaus für die Beirätekonferenz. 1. Welche Beiräte haben begonnen, die nach dem neuen Beirätegesetz geforderte verstärkte Beteiligung von Kinder- und Jugendlichen umzusetzen, und mit welchen Projekten? In fast allen Beiratsgebieten wurde – in unterschiedlichen Formen – mit der Umsetzung von Maßnahmen der Kinder- und Jugendbeteiligung begonnen: In den Beiratsgebieten Burglesum, Gröpelingen, Huchting, Neustadt und Osterholz existieren Jugendbeiräte oder vergleichbare Gremien. In Schwachhausen war ein Jugendbeirat gegründet worden, inzwischen wurde dessen Arbeit eingestellt . In einer Reihe von Stadtteilen gibt es Ansätze zur Einrichtung eines Jugendbeirats . In Blumenthal, Findorff, Hemelingen, Mitte/Östliche Vorstadt und Vegesack gab es bisher Kinder- und Jugendforen unterschiedlicher Ausprägung. In einigen Beiräten wird oder wurde das Thema „Jugendbeteiligung“ diskutiert bzw. sind Jugendprojekte in Vorbereitung, so z. B. in Borgfeld, Horn, Oberneuland , Obervieland, Vahr und Woltmershausen. In Schwachhausen wurde eine Spielleitplanung durchgeführt. Bezogen auf Interessen von Jugendlichen wurden Projektideen mit Jugendlichen entwickelt und realisiert. Dadurch entstanden Filmprojekte, kulturelle Aktivitäten, z. B. mit Graffiti-Wänden u. ä. Im Stadtteil Walle ist ein Sportpark in der Überseestadt unter Beteiligung junger Menschen geplant. Das dortige Konzept ist vergleichbar mit dem in der Pauliner Marsch beheimateten Sportgarten e. V. An diesem Standort wird die Beteiligung Jugendlicher in vorbildlicher Weise umgesetzt und im Rahmen der sogenannten Sportakademie auch in die Schulen der östlichen Vorstadt hineingetragen. Auch bezogen auf einzelne Planungen im Stadtteil wurden junge Menschen angesprochen und beteiligt. So in Blumenthal bei der Renovierung des Freibades und in der Östlichen Vorstadt zur Entwicklung des „Neuen Hulsberg“, bei der die Ideen Jugendlicher in die Stadtentwicklung einfließen sollen. 2. In welchen Beiratsbereichen wurden bereits Jugendbeiräte gegründet? Folgende Jugendbeiräte wurden gegründet: Kinder- und Jugendbeirat Burglesum, Jugendparlament Gröpelingen-Oslebshausen , Jugendbeirat Huchting, Jugendbeirat Neustadt, Jugendbeirat Osterholz und Jugendbeirat Schwachhausen (eingestellt). — 3 — 3. Wie ist das Verhältnis von Jungen und Mädchen in den Jugendbeiräten, wie ist die Altersstruktur und der Bildungshintergrund? Über Geschlechterverhältnis, Altersstruktur und Bildungshintergrund der Jugendlichen liegen folgende Informationen vor: In den Jugendbeiräten sind 30 Mädchen und 27 Jungen als ordentliche Mitglieder aktiv. Teils hat sich der ausgewogene Anteil von Jungen und Mädchen im Selbstlauf ergeben, teils gab es mit dem Reißverschlussprinzip eine Mädchen- und eine Jungenliste. Der Vorschlag zu getrennten Listen kam aus einigen Stadtteilbeiräten . Ganz überwiegend gehören die Jugendbeiratsmitglieder der Altersgruppe von 14 bis 18 Jahren an. Wenige sind knapp über 18 Jahre alt, ein Jugendlicher ist unter 14 Jahren. Der Bildungshintergrund der Jugendlichen variiert von Stadtteil zu Stadtteil. Mehrheitlich besuchen die Jugendlichen das Gymnasium oder die Oberschule. 4. Welche Jugendbeiräte verfügen bereits über einen Finanzetat, und wie wird gewährleistet , dass die Beschlüsse von Jugendbeiräten über Haushaltsmittel rechtlich abgesichert werden? Alle derzeit existierenden Jugendbeiräte verfügen über einen Finanzetat von durchschnittlich 10.000 ‡, der aus den sogenannten Globalmitteln finanziert wird. Auch in der stadtteilbezogenen Jugendförderung ist die Mitfinanzierung von Aktivitäten aus den jeweiligen Mitteln der Stadtteilbudgets möglich, wenn die Jugendbeiräte entsprechende Anträge stellen. Überwiegend wurde der Weg zur Vergabe von Mitteln zur Realisierung der Beschlüsse des Jugendbeirats durch eine Satzung oder Geschäftsordnung geregelt, die mit dem Stadtteilbeirat vereinbart wurde. Die haushaltsrechtliche Prüfung der Vergabe von Mitteln eines Jugendbeirats obliegt, wie auch bei den Beschlüssen und Maßnahmen des Stadtteilbeirats, dem jeweiligen Ortsamt. 5. Welche Beteiligungsformen bieten die besten Chancen für eine erfolgreiche Jugendbeteiligung, und welche dieser Beteiligungsformen wurden bereits in den Stadtteilen erprobt? Der Senat verweist auf die Vielfalt von Formen und Methoden zur Beteiligung junger Menschen: repräsentative Formen, offene Formen, projektorientierte Formen, Kinder- oder Jugendbeauftragte und mediengestützte Beteiligungsprojekte unter Einbeziehung des Web 2.0 bieten unterschiedliche Ansätze zur Beteiligung junger Menschen. Diese Arbeit muss sowohl geschlechtergerecht als auch kultursensibel sein. Dies setzt eine entsprechende Qualifizierung und Kompetenzen bei denjenigen voraus, die Beteiligungsprojekte planen und umsetzen. Da Beteiligungsformen auf die Bedingungen und das Beteiligungsobjekt bezogen flexibel gestaltet werden müssen, treffen die jeweiligen Akteure vor Ort die Entscheidung über die am besten geeignete Form der Beteiligung. Gute Chancen für eine erfolgreiche Jugendbeteiligung haben kompetent durchgeführte Beteiligungsprojekte, in denen die Verantwortlichen vor Ort mit einer beteiligungsfreundlichen Grundhaltung agieren und außerdem tatsächliche Ressourcen in die Hände der Jugendlichen legen. Im Weiteren wird auf die Ausführungen in der Antwort auf Frage 1 verwiesen. 6. Welche Schulen verfügen bereits über Projekte zur Kinder- und Jugendbeteiligung ? Die Kooperation mit Schulen ist unabdingbar erforderlich, um die große Mehrheit der jungen Menschen im Stadtteil zu erreichen. Von den Schulen in Bremen wird diese Entwicklung positiv begleitet. Die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern gehört zum Standard an Schulen aller Schulstufen und Schularten in Bremen. Die Beteiligungsvorhaben sind besonders dazu geeignet, Kompetenzen im Bereich „Soziales Lernen“ im Rahmen eines handlungsorientierten Unterrichts zu entwickeln und die politische Bildung der Schülerschaft zu fördern. — 4 — Zu den etablierten Formen gehört die Wahl von Klassensprechern/-sprecherinnen , Schülervertreterinnen und -vertretern, die in Gremien der Schule mitarbeiten . An der Mehrzahl der Grundschulen wird der wöchentliche „Klassenrat“ durchgeführt , bei dem Probleme aus Schülersicht benannt und Lösungsmöglichkeiten beraten werden. An allen beruflichen Schulen wird das „Schülerfeedback“ als Instrument der Beteiligung eingesetzt. Zum Konzept jeder Schule, die als gebundene Ganztagsschule aufgestellt ist, gehört zwingend ein Partizipationskonzept, das die Einbindung von Schülerinnen und Schülern, Eltern und den Kooperationspartnern in die Gestaltung der Schule definiert. Auf der Basis dieser Konzepte entwickelt jede Schule individuell auf das Profil der Schule und das Alter ihrer Schülerschaft zugeschnittene Beteiligungsformen. Daten zu Beteiligungsprojekten werden nicht systematisch erhoben, jedoch können beispielhaft folgende Projekte benannt werden: — Insbesondere im Zusammenhang mit Bauvorhaben, Umbaumaßnahmen und der Gestaltung des Schulgeländes werden Beteiligungsmöglichkeiten für die Schülerschaft regelhaft in die Verfahren eingebunden. Die „SpielLandschaftStadt “ hat solche Beteiligungsverfahren zur Planung, Ideensammlung wie auch Konzeption von Spielgeländen an zahlreichen Bremer Schulen gestartet und realisiert (z. B. Grundschulen Landskronastraße, Alfred-FaustStraße und Witzlebenstraße, Gesamtschule Mitte, Albert-Einstein-Oberschule und Oberschule Helsinkistraße). — Die Grundschule Arsten hat einen bundesweit ausgezeichneten „Schülerrat “ eingerichtet, der beim Bundeswettbewerb „Demokratisch Handeln“ prämiert wurde. Arster Grundschülerinnen und -schüler sind in einer Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Schulleitlinien aktiv beteiligt; sie machten sich für neue Fahrradständer stark und wiesen mit Aktionen auf die gefährliche Parksituation vor ihrer Schule hin, um diese zu entschärfen. — Die Wilhelm-Focke-Oberschule konnte die Umgestaltung ihres Schulgeländes auf der Basis einer von Schülerinnen und Schülern erarbeiteten Planung und Präsentation mit dem gewonnenen Preisgeld einer Baumarktkette realisieren. — Schülerinnen und Schüler des ehemaligen Förderzentrums Rhododendronpark dokumentierten in ihrer prämierten Schülerzeitung „Das Rhododendronblatt “ ihre Befassung mit Beteiligungsrechten im Umfeld der Landtagswahl und dem Thema „Wählen mit 16“. 7. Wie wird in den Stadtteilen das Internet für Jugendbeteiligung genutzt? Es wurde eine Webseite zur Jugendbeteiligung im Stadtteil, www.jubisbremen .de, eingerichtet. Die Internetseite wird von einer Redaktionsgruppe (Jubis-Redaktion) bearbeitet, der neben Vertreterinnen und Vertretern dieser Institutionen außerdem freiwillige Jugendliche angehören. Für alle bremischen Stadtteile werden Stadtpläne mit Anlaufstellen für junge Menschen, für die überwiegende Zahl aller Stadtteile werden Projekte aus dem Stadtteil und Kontaktpersonen genannt. Außerdem werden aktuelle Informationen zum Thema „Kinder- und Jugendbeteiligung“ bezogen auf gesamtstädtische Projekte, Best-Practise-Projekte, rechtliche Informationen und Fachinformationen verbreitet. Die Webseite selbst ist ein partizipatives Projekt, denn Jugendliche aus den Jugendbeiräten können ein Passwort für ihren Stadtteil erhalten und auf diesem Wege alle Informationen zu ihren Vorhaben, Berichte oder Bilder selbst bestimmen und selbst veröffentlichen. Das Design wurde von zwei Schülerinnen des Schulzentrums Alwin-Lonke-Straße in Kooperation mit einer Designerin entwickelt. Zur Beratung über die Barrierefreiheit der Webseite wurde Kontakt aufgenommen zum Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib). Die Webseite ist ein Kooperationsprojekt der Senatskanzlei mit den Vereinen LidiceHaus, ServiceBureau und SpielLandschaftStadt Bremen. — 5 — Auf Wunsch der Jugendbeiräte wurde für die Webseite eine Profilseite bei Facebook eingerichtet. Über diese Seite wird in den Facebook-Gruppen, die alle Jugendbeiräte bereits von sich aus eingerichtet hatten, mit der JubisRedaktion kommuniziert. Dabei orientiert sich die Redaktion an den Prinzipien des Cyberwork in der aufsuchenden Jugendarbeit, indem sie z. B. die eigene Rolle transparent macht und Respekt zeigt gegenüber dem Netzwerk Jugendlicher und deren kommunikativen Regeln. Aus medienpädagogischen Gründen werden regelmäßig Informationen zu möglichen Gefahren der Nutzung von Facebook eingebracht. Das beinhaltet Warnungen vor mangelndem Datenschutz und möglichen Urheberrechtsverletzungen bei Facebook oder filmische Beiträge wie „Think before you post“, mit denen Jugendliche aufgefordert werden, sich im Netz keine Blöße zu geben. — 6 — — 7 — — 8 —Druck: Hans Krohn · Bremen