— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1346 Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 28. Februar 2014 Bessere Hilfe in Notfällen mit dem neuen Notfallsanitätergesetz? Für die Bürgerinnen und Bürger soll in medizinischen Notfällen ein Anspruch auf eine qualifizierte und flächendeckende Hilfe auf dem aktuellen Stand von Wissen und Technik gegeben sein. Um die zu gewährleisten, wird qualifiziertes Personal benötigt. Dazu gehören neben den Notärztinnen und Notärzten die Rettungsassistenten und -assistentinnen. Der Bundestag hatte im März 2013 das Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (NotSanG) beschlossen. Damit wurde eine umfassende Modernisierung der noch aus dem Jahr 1989 stammenden Rettungsassistentenausbildung vorgenommen. Ziel des Gesetzgebers war es unter anderem, die unterschiedlichen Vorgaben für Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten zu vereinheitlichen. So ist es bundesweit unterschiedlich geregelt, ob sie zum Beispiel eigenverantwortlich Schmerzmittel geben können, wenn der Notarzt oder die Notärztin noch nicht vor Ort ist. Kernpunkte des neuen Notfallsanitätergesetzes sind die Verlängerung der Ausbildungsdauer von zwei Jahren auf drei Jahre, eine Modernisierung des Berufsbildes und die Festlegung von Qualitätsanforderungen an die Schulen und die Praxis. Dies soll auch für die Bürgerinnen und Bürger kenntlich gemacht werden. Darum wird die neue Berufsbezeichnung der „Notfallsanitäterin“ und des „Notfallsanitäters“ eingeführt. Im Ausbildungsziel dieses Berufs wird beschrieben, über welche Kompetenzen die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter verfügen müssen, um auch schwierige Einsatzsituationen zu meistern. Das NotSanG führt einen Anspruch auf Zahlung einer Ausbildungsvergütung über die gesamte Ausbildungsdauer ein. Um Nachwuchsprobleme in diesem für alle wichtigen Beruf zu vermeiden, ist eine kostenfreie Ausbildung erforderlich. Wir fragen den Senat: 1. Wie beurteilt der Senat die Bestrebungen, bundeseinheitliche Vorgaben für alle Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter zu erarbeiten? 2. Auf welche Weise soll nach Ansicht des Senats künftig die Beurteilung des Gesundheitszustands von erkrankten und verletzten Personen, insbesondere das Erkennen einer vitalen Bedrohung und die Entscheidung über die Notwendigkeit , notärztliche Hilfe nachzufordern, umgesetzt werden? 3. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, diagnosebezogene oder symptombezogene Leitlinien zu erstellen (bitte beide Möglichkeiten getrennt bewerten)? 4. Wie sollen die unter § 4 Absatz 1 (Ziele) und 2 (Befähigungen) im Notfallsanitätergesetz aufgeführten Inhalte in Bremen und Bremerhaven geregelt werden? Doris Hoch, Björn Fecker, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen — 2 — D a z u Antwort des Senats vom 1. April 2014 1. Wie beurteilt der Senat die Bestrebungen, bundeseinheitliche Vorgaben für alle Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter zu erarbeiten? Der länderübergreifende Ausschuss Rettungswesen, als Unterarbeitsgruppe des Arbeitskreises V der Innenministerkonferenz und der Arbeitsgemeinschaft „Berufe im Gesundheitswesen“ der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehören (AOLG) befassen sich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten mit der Fortentwicklung des Notfallsanitätergesetzes und werden die entsprechenden Ergebnisse zusammenführen. Auf dieser Basis sollen so weit wie möglich einheitliche Vorgaben abgestimmt werden. Unter Berücksichtigung der zum Teil erheblichen regionalen Unterschiede wird dies jedoch voraussichtlich nicht vollständig gelingen. Es ist aber vorgesehen, dass sich die beiden Länder Bremen und Niedersachsen bei den zu treffenden Vorgaben besonders eng abstimmen. 2. Auf welche Weise soll nach Ansicht des Senats künftig die Beurteilung des Gesundheitszustands von erkrankten und verletzten Personen, insbesondere das Erkennen einer vitalen Bedrohung und die Entscheidung über die Notwendigkeit , notärztliche Hilfe nachzufordern, umgesetzt werden? Die Beurteilung des Gesundheitszustands von erkrankten und verletzen Personen , insbesondere das Erkennen einer vitalen Bedrohung und die Entscheidung über die Notwendigkeit, notärztliche Hilfe nachzufordern, ist bereits langjähriger Standard im Rettungsdienst der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven. In der Stadtgemeinde Bremen wird darüber hinaus seit dem Jahr 2000 die „Bremer Fibel – Therapieleitlinien für den Rettungsdienst der Stadtgemeinde Bremen“ (letzte 4. Auflage 2012) mit Erfolg verwendet. Sie enthält an Symptomen und Diagnosen orientierte klare Zuordnungen zu notfallmedizinischen Krankheitsbildern und zeigt anhand strukturierter Algorithmen die erforderlichen gestuften therapeutischen Maßnahmen auf. Diese werden getrennt nach notärzlichen Vorgehensweisen und solchen des nichtärztlichen Rettungsfachpersonals im Falle des Ersteintreffens mit der Option, in Einzelfällen auch invasive Maßnahmen im Zuge der Notkompetenz durchzuführen. In Bremerhaven werden alle Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten jährlich auch in der Durchführung symptomorientierter invasiver Maßnahmen zur Behandlung von schweren gesundheitlichen Störungen geschult. Diese Maßnahmen werden den Erfordernissen des Notfallsanitätergesetzes angepasst und in bewährter Weise zukünftig dem Rettungsdienstpersonal vermittelt und trainiert. Alle Maßnahmen sind geeignet, die Zeit bis zum Eintreffen des Notarztes sinnvoll zu überbrücken. Mit dem seit 1. Januar 2014 geltenden Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters (NotSanG) sowie der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (NotSan-APrV) werden die Zuständigkeiten des künftigen nichtärztlichen Rettungsfachpersonals , hier im Besonderen in § 4 („Ausbildungsziel“) festgelegt. Diese Vorgaben – unterschieden nach Elementen der Befähigung zur Eigenverantwortlichkeit und Qualifizierungen für Maßnahmen bei der Mitwirkung der notärztlichen Versorgung – werden zu einer Aktualisierung der Vorgehensweisen in Bremen Anlass geben. In diesem Rahmen kommt es in 2014 ebenfalls zu einer Überarbeitung der zuvor genannten „Bremer Fibel“. Beide Stadtgemeinden verfügen seit dem Bremischen Hilfeleistungsgesetz bereits seit mehreren Jahren über qualifiziert besetzte „Ärztliche Leiter Rettungsdienst“ (ÄLRD)‘, deren Rolle und Kompetenz im NotSanG aufgegriffen und konkretisiert werden. 3. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, diagnosebezogene oder symptombezogene Leitlinien zu erstellen (bitte beide Möglichkeiten getrennt bewerten)? Obwohl das Erstellen von Diagnosen an eine ärztliche Approbation gekoppelt ist, ist bei Rettungsassistentinnen/Rettungsassistenten und Notfallsanitäterinnen/ Notfallsanitätern eine am rettungsdienstlichen Standard orientierte Ergänzung — 3 — von bislang üblichen symptombezogenen Leitlinien durch zugeordnete Diagnosen sinnvoll und wird in Bremen bereits praktiziert (siehe die „Bremer Fibel“ in der Antwort zu Frage 2). Jetzige Rettungsassistentinnen/Rettungsassistenten und künftige Notfallsanitäterinnen/Notfallsanitäter stellen am Notfallort bislang zwar formal keine Diagnose, sondern orientieren sich überwiegend im Rahmen der in Notfallsituationen eingeschränkten diagnostischen Möglichkeiten an wegweisenden Symptomen der Notfallmedizin. Deren Identifikation und Deutung versetzen das Rettungsfachpersonal künftig noch mehr als bisher in die Lage, je nach Einzelfall nach den erweiterten Vorgaben des Notfallsanitätergesetzes qualifiziert tätig zu werden. Die Bremer Fibel wird dementsprechend angepasst. Soweit eine Regelkompetenz für das nichtärztliche rettungsdienstliche Fachpersonal für die Durchführung notfallmedizinischer Maßnahmen kodifiziert werden sollte, muss eine grundsätzliche Evaluierung des Systems der Bremer Fibel erfolgen. Bis dahin stellt eine laufend aktualisierte Fibel ein taugliches System von Leitlinien im Sinne der Frage dar. 4. Wie sollen die unter § 4 Absatz 1 (Ziele) und 2 (Befähigungen) im Notfallsanitätergesetz aufgeführten Inhalte in Bremen und Bremerhaven geregelt werden? In § 4 Absatz 1 NotSanG ist das Generalziel des Gesetzes dargestellt. Dieses ist im Zuge der Erarbeitung der Lehrinhalte umzusetzen. Die erfolgreiche Vermittlung dieser Inhalte und damit die Erreichung des vorgegebenen Ziels ist im Rahmen der durchzuführenden staatlichen Abschlussprüfung zu überprüfen. Zurzeit werden diese Lehrinhalte erarbeitet. Mit dieser Ausbildung – mit dem in § 4 Absatz 1 NotSanG dargestellten zu erreichenden Ziel – sollen die in Absatz 2 aufgelisteten Befähigungen sichergestellt werden. Diese beinhalten eigenverantwortliche Aufgabenausführungen und Aufgabenausführungen, an denen nur mitgewirkt wird. Daneben ist an dieser Stelle die zwingende Notwendigkeit der Teamarbeit hervorgehoben. Durch die ÄLRD werden die entsprechenden Vorgaben in Fortführung der bestehenden Leitlinien zurzeit weiterentwickelt. Druck: Anker-Druck Bremen