— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1357 (zu Drs. 18/1310) 22. 04. 14 Mitteilung des Senats vom 22. April 2014 Salafistische Bestrebungen im Land Bremen Die Fraktion der CDU hat unter Drucksache 18/1310 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet. Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt: 1. Nach welchen Kriterien ordnet der Senat bestimmte Gruppen, Vereine und Personen dem Salafismus zu, und wie schätzt der Senat den Salafismus ein? Der Verfassungsschutzverbund hat 2011 die „Salafistischen Bestrebungen“ zum bundesweiten Beobachtungsobjekt erklärt und dabei die Kriterien festgelegt, die eine Zuordnung zum Salafismus ermöglichen. Ausschlaggebend ist die Vermittlung der salafistischen Ideologie, der ein reformnegierendes und wortwörtliches Verständnis der islamischen Quellen zugrunde liegt. Der Salafismus wird deshalb als gefährlich erachtet, da er einerseits den Nährboden für religiös motivierte Gewalt darstellen kann aber auch schon jenseits von Gewaltanwendung soziale Polarisation und Abschottungstendenzen fördert. 2. Wie viele Salafisten gibt es im Land Bremen, aufgeteilt nach Geschlecht, Altersgruppe , Staatsangehörigkeit und ausländerrechtlichem Status? Wie viele davon sind Konvertiten? In Bremen werden ca. 360 Personen der salafistischen Szene zugeordnet. Über personenbezogene Daten bzw. nähere Einzelheiten unterrichtet der Senator für Inneres und Sport, Landesamt für Verfassungsschutz, die zuständigen Gremien der Bremischen Bürgerschaft in vertraulicher Sitzung. 3. Gegen wie viele der im Land Bremen lebenden Salafisten sind bisher strafrechtliche Ermittlungen geführt worden, und wie sind die Verfahren ausgegangen (aufgeteilt nach Einstellungen, Straftaten, Anklagen und Verurteilungen)? Die zur Beantwortung der Frage 3 erforderlichen Daten werden in den Justizstatistiken nicht erfasst. Dies gilt namentlich für die Einordnung eines Beschuldigten als Salafist. Eine Beantwortung der Frage würde mithin eine Einzelfallauswertung der bei der Staatsanwaltschaft Bremen eingetragenen Ermittlungsverfahren erfordern. Dies würde letztlich, bezogen lediglich auf einen Zeitraum von einem Jahr, die Auswertung von nahezu 60 000 bei der Staatsanwaltschaft Bremen eingegangen Ermittlungsverfahren erfordern. Dies ist mit einem vertretbaren personellen Verwaltungsaufwand auch in der für eine Große Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten. 4. Inwiefern gibt es regelmäßige Reisetätigkeit der im Land Bremen lebenden Salafisten ins Ausland? In welche Länder finden diese Reisen überwiegend statt? Welche Gründe sind zu diesen Reisen bekannt? Regelmäßige Reisetätigkeiten können insbesondere nach Saudi-Arabien aber auch nach Ägypten, die Türkei und weitere Heimatländer festgestellt werden. Sie dienen in erster Linie zur Kontaktpflege und zur religiösen oder sprachlichen Weiterbildung. Über weitere personenbezogene Daten bzw. nähere Einzelheiten unterrichtet der Senator für Inneres und Sport, Landesamt für Verfassungsschutz , die zuständigen Gremien der Bremischen Bürgerschaft in vertraulicher Sitzung. — 2 — 5. Welche Moscheen suchen die Salafisten im Land Bremen auf? Welche Kulturzentren , Vereine oder Teestuben sind als Treffpunkte der Salafisten im Land Bremen bekannt? Derzeit können in Bremen hauptsächlich zwei Moscheen dem Salafismus zugeordnet werden, das „Islamische Kulturzentrum Bremen“ (IKZ) und der „Kultur und Familienverein“ (KuF). Beide Vereine sind Beobachtungsobjekte des Landesamts für Verfassungsschutz Bremen. 6. Welche Erkenntnisse gibt es in diesen Moscheen bzw. Treffpunkten zu sogenannten Hasspredigern, die als Ziel die weitere Radikalisierung der Salafisten haben? Inwiefern findet eine Radikalisierung statt? Werden im Land Bremen sogenannte Islamseminare angeboten? Hasspredigten bzw. offene, direkte Aufrufe zu Gewalt konnten in den letzten Jahren nicht festgestellt werden. Die Radikalisierung findet vermehrt in geschlossenen Räumen und über das Internet statt. Im Jahr 2013 wurden im „Islamischen Kulturzentrum Bremen“ zwei Islamseminare angeboten. 7. Welche Maßnahmen zur Anwerbung weiterer Salafisten gibt es, und durch wen und mit welchem Ziel werden diese durchgeführt? Werden dabei auch gezielt Personen für Kampfhandlungen im Ausland angeworben? Welche weiteren an die allgemeine Öffentlichkeit gerichteten Aktivitäten mit werbendem und einflussnehmenden Charakter sind dem Senat bekannt, welche Ziele wurden dabei konkret verfolgt, und an wen richten sie sich im Schwerpunkt? Das „Islamische Kulturzentrum Bremen“ sowie auch der „Kultur und Familienverein “ geben sich in der Öffentlichkeit, so auch auf ihren Homepages, neuen Besuchern gegenüber aufgeschlossen. Vor allem erfolgt die Anwerbung neuer Anhänger über persönliche Kontakte. Eine gezielte Anwerbung für Kampfhandlungen im Ausland seitens der Vereinsvorstände ist dem Senat nicht bekannt. Dennoch sind 2014 fünf Personen aus dem „Kultur und Familienverein“ nach Syrien ausgereist. 2013 wurden in der Bremer Innenstadt erneut durch Angehörige des salafistischen Spektrums kostenlose Korane verteilt. Die Verteilung selbst ist vor dem Hintergrund der Religionsfreiheit unproblematisch. Grundsätzlich verfolgen Salafisten, ähnlich wie andere extremistische Gruppierungen, jedoch das Ziel, vor allem junge Menschen an sich zu binden und diese von ihrem bisherigen Umfeld abzuschotten. 8. Inwiefern werden Kinder und Jugendliche gezielt in Schulen und in deren Umfeld (Hausaufgabenbetreuung, Nachmittagsbetreuung, spezielle Kinder- und Jugendangebote u. ä.) von Salafisten angesprochen oder sogar für ihre religiöse Orientierung geworben? Welchen Inhalts sind diese Ansprachen und welche „Angebote oder Versprechen“ werden dabei gegebenenfalls gemacht? Sind bestimmte Schulen besonders betroffen? Haben Schulen Hinweise auf ein solches Vorgehen von Salafisten und Islamisten gegeben? Welche Maßnahmen werden seitens des Senats zur Verhinderung dieser Anwerbung ergriffen? Im schulischen Umfeld sind keine gezielten Ansprachen von Schülerinnen und Schülern durch Salafisten sowie eine gezielte religiöse Orientierung für salafistische Sichtweisen bekannt. An zwei Schulen ist bekannt geworden, dass einzelne Jugendliche eine sehr fundamentale Auslegung des Islam offensiv in die Schule tragen. Diese Schüler sollen versucht haben, Einfluss auf Gestaltung und Inhalte des Unterrichts zu nehmen oder andere muslimische Schülerinnen und Schüler in ihrem Verhalten und ihrer Kleidung im Sinne ihrer Grundhaltung zu beeinflussen. Grundsätzlich sind Schulen verpflichtet, in der Gestaltung des Schullebens und in den Unterrichtsinhalten auf eine klare, demokratische Orientierung der Schülerinnen und Schüler zu achten. Sie sollen nach den im Schulgesetz formulierten Bildungszielen außerdem darauf hinwirken, dass alle am Schulleben Beteiligten respektvoll und tolerant miteinander umgehen. Diesen Verpflichtungen kommen die Schulen durch die Gestaltung des Unterrichts sowie des Schullebens nach. Wenn es in Schulen Hinweise auf extremistische Äußerungen oder Verhaltensweisen bei Schülerinnen und Schülern gibt, nehmen Schulen diese Hinweise — 3 — sehr ernst und ergreifen im Rahmen ihres Präventions- und Interventionsauftrags geeignete Maßnahmen. Dazu gehören die Durchführung von Präventionsprojekten, Fortbildungsmaßnahmen , Kontakte zu Erziehungsberechtigten, Beratungsstellen, Abstimmung des Vorgehens mit der Schulaufsicht sowie gegebenenfalls Kontakte zur Polizei oder dem Landesamt für Verfassungsschutz. 9. Wie viele Personen aus dem salafistischen Umfeld haben seit 2011 das Land Bremen verlassen, um sich radikalen Gruppen im In- und Ausland anzuschließen ? Wie viele davon wurden bzw. werden an Waffen oder Sprengstoff ausgebildet bzw. nehmen im Ausland an Kampfhandlungen teil? Wo und wie wurden diese Personen „geworben“? Welche Reaktionen und Aktivitäten sind dem Senat aus dem familiären Umfeld bekannt, um Informationen über das Schicksal der betroffenen Personen zu gewinnen? Welche Initiativen haben Behörden in der Verantwortung des Senats eventuell selbst ergriffen, um Erkenntnisse zu gewinnen oder die Familien zu unterstützen? In den Jahren 2011 bis 2013 gab es wechselseitige Besuche in salafistisch geprägten Moscheen im In- und Ausland sowie Familien- und Fortbildungsreisen in die Türkei, Saudi-Arabien, Ägypten, Tunesien und Marokko. Im ersten Quartal 2014 sind fünf Personen in das türkisch-syrische Grenzgebiet ausgereist mit dem Ziel, im Anschluss an eine militärische Ausbildung an den aktuellen Kampfhandlungen im syrischen Bürgerkrieg teilzunehmen. Angehörige von drei Personen der Ausgereisten haben sich intensiv um die Rückkehr der Ausgereisten bemüht. Die Familien haben sich an Printmedien und an das Fernsehen (Radio Bremen) gewandt. Hierzu gab es eine „Demonstration“ am 7. März 2014 vor dem Kultur- und Familienververein in Bremen-Gröpelingen. Es wurde seitens des polizeilichen Staatsschutzes Kontakt mit den Angehörigen der Familien aufgenommen. Ferner wurden gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen (u. a. Passentziehung und Ausreiseverbote) in enger Abstimmung mit dem Stadtamt bei den Personen durchgeführt, wo es zureichende Anhaltspunkte gab, dass auch diese Personen ausreisen könnten. Darüber hinaus wurden Gefährderansprachen durchgeführt und Informationen des Beratungsnetzwerks kitab an die beteiligten Personen und Eltern ausgehändigt. Es besteht ein Ermittlungsverfahren gemäß § 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), welches bei hiesiger Staatsanwaltschaft geführt wird. 10. Gab bzw. gibt es Rückkehrer, wenn ja, welche Erkenntnisse sind zu diesen Personen vorhanden? Nach Kenntnis des Senats (Gespräche der Polizei mit der Familie) wurden auf Betreiben des Vaters Verwandte in der Türkei gebeten, Kontakte zu seinem volljährigen Sohn herzustellen. Der Kontakt kam dort zustande. Der Ausgereiste konnte nach Gesprächen dazu bewegt werden, mittels Flugzeug nach Deutschland zurückzukehren. Diese Person gehört seit Jahren zu den Mitgliedern des Bremer Kultur und Familienverein e. V. (KuF). Der KuF zeichnet sich durch eine stark extremistische Auslegung des Islam aus. Hierzu gehört das strikte Gebot, lediglich die Scharia als einzig geltendes Recht zu akzeptieren und alle Staatsformen (u. a. die freiheitlich-demokratische Grundordnung) abzulehnen und zu bekämpfen, die nicht nach dieser Ideologie leben. 11. Welche Gefahr geht von den im Land Bremen lebenden Salafisten für die innere Sicherheit aus? In einer salafistischen Gesinnung liegt die Gefahr der Begehung von religiöspolitisch motivierten Straftaten; insbesondere schwerwiegenden Straftaten im Sinne des § 100a StPO. Darüber hinaus besteht die Gefahr einer Beteiligung an aktuellen ausländischen Kampfhandlungen, z. B. im syrischen Bürgerkrieg. Nach Beendigung einer Terrorausbildung und Rückkehr nach Deutschland ist es aus Sicht des Senats nicht auszuschließen, dass mit dem erlangten Wissen Terroranschläge in Deutschland, also auch in Bremen begangen werden. Druck: Anker-Druck Bremen