— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1420 Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 30. April 2014 Polizeiliche Beweissicherung bei mutmaßlichen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz Am 7. Januar 2005 verstarb Laye Conde an den Folgen eines polizeilichen Brechmitteleinsatzes . Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte am 11. Juli 2006, dass die in einigen deutschen Bundesländern durchgeführte Zwangsverabreichung von Brechmitteln gegen das Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt. Die juristische Aufarbeitung des Todes von Laye Conde ist wegen der Einstellung des mittlerweile dritten Prozesses aufgrund von Verhandlungsunfähigkeit des angeklagten Polizeiarztes beendet. Der Bremer Polizeipräsident hat sich mittlerweile öffentlich entschuldigt. Fast zehn Jahre nach dem Tod Condes werden immer noch Zwangsmittel bei Verdachtsfällen angewendet, u. a. im Zusammenhang mit BtM-Verdachtsfällen (Betäubungsmittel ), die zu teilweise schweren Verletzungen führen können oder tief in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen. Eine Anfrage bei verschiedenen Bremer Strafverteidigerinnen/Strafverteidigern hat ergeben, dass die im Folgenden genannten Zwangsmittel und polizeilichen Maßnahmen Anwendung finden. Wir fragen den Senat: 1. Welche speziellen Maßnahmen und Techniken zur Beweissicherung im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln werden von der Polizei Bremen aktuell angewendet ? a) Welche Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Erlasse usw. regeln die Anwendung dieser Maßnahmen und Techniken? b) Werden die durchgeführten Maßnahmen dokumentiert und statistisch erhoben ? Wenn ja, welche Auskunft kann der Senat über Art und Anzahl der jeweiligen Maßnahmen machen? c) Gibt es spezielle Module oder Seminare der Aus- und Fortbildung, in denen die Beweissicherung bei BtM-Verdachtsmomenten geschult und trainiert wird? Welche inhaltlichen Schwerpunkte haben diese Module oder Seminare? 2. Wird der sogenannte Kehlkopf- oder Würgegriff von der Polizei angewandt? a) Wie oft, in welchen Situationen, mit welchem Zweck und auf welcher rechtlichen Grundlage wurde der Griff seit 2010 angewandt? Wie viele der Betroffenen haben einen Migrationshintergrund, und welche Staatsangehörigkeiten haben die Betroffenen? b) Gehört das Erlernen und Trainieren dieses Griffs zur polizeilichen Aus- oder Fortbildung in Bremen oder in anderen Bundesländern? c) In wie vielen Fällen kam es während der Anwendung des Griffs zu Abwehr - bzw. Widerstandshandlungen seitens der Beschuldigten? d) In wie vielen Fällen wurden die Beschuldigten wegen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ (§§113 f. StGB) angezeigt, in wie vielen Fällen verurteilt ? — 2 — e) Wie beurteilt der Senat die Maßnahme im Hinblick auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ? 3. Ist dem Senat bekannt, dass sich Beschuldigte im Zusammenhang mit BtMVerdachtsfällen im Polizeigewahrsam teilweise vollständig entkleiden müssen? a) In wie vielen Fällen und auf welcher rechtlichen Grundlage wurde seit 2010 zu dieser Maßnahme gegriffen? Wie viele der Betroffenen haben einen Migrationshintergrund, und welche Staatsangehörigkeiten haben die Betroffenen ? b) In welchen Fällen wird von der Maßnahme abgesehen? 4. Ist dem Senat bekannt, dass in Fällen, in denen sich Beschuldigte entkleiden müssen, diese teilweise auch über einen längeren Zeitraum ohne Kleider bleiben müssen? a) Wie viele solcher Fälle sind dem Senat bekannt, und wie lange blieben die Beschuldigten dabei unbekleidet? Wie viele der Betroffenen haben einen Migrationshintergrund, und welche Staatsangehörigkeiten haben die Betroffenen ? b) Aus welchem Grund wird diese Maßnahme angewandt, womit begründet sich die Notwendigkeit, Beschuldigte über einen längeren Zeitraum unbekleidet zu lassen? c) Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgt die Maßnahme? 5. Findet eine Beweismittelsicherung mittels der Verabreichung von Brechmitteln – auf „freiwilliger“ Basis – noch statt, und durch wen wird sie vorgenommen? a) In wie vielen Fällen war dies seit Änderung der Praxis im Jahr 2006 der Fall? Wie viele der Betroffenen haben einen Migrationshintergrund, und welche Staatsangehörigkeiten haben die Betroffenen? b) Welche Gesundheitsrisiken birgt diese Form der Beweismittelsicherung? c) Wie wird die Brechmittelverabreichung medizinisch bzw. ärztlich begleitet und überwacht? 6. Ist dem Senat bekannt, dass das Bargeld, das Beschuldigte bei einer Ingewahrsamnahme bzw. Festnahme bei sich tragen, teilweise beschlagnahmt wird? a) In wie vielen Fällen und auf welcher rechtlichen Grundlage wurden diese Beschlagnahmungen vorgenommen? Wie viele der Betroffenen haben einen Migrationshintergrund, und welche Staatsangehörigkeiten haben die Betroffenen? b) Was wurde den Beschuldigten vorgeworfen? c) Wo wird das beschlagnahmte Geld verwahrt? d) Innerhalb welcher Zeiträume wurde das Geld zurückgezahlt? e) Sieht der Senat einen statistischen Zusammenhang zwischen beschlagnahmter Summe und der Höhe der jeweils erteilten Strafbefehle, und in wie vielen Fällen sind beide Summen identisch? 7. Auf welcher Rechtsgrundlage ordnen Staatsanwaltschaft und Gerichte die Beweismittelsicherung mit Hilfe der sogenannten Drogentoilette und der damit verbundenen Verbringung in die JVA an? 8. In wie vielen Fällen wurden seit 2010 Personen aufgegriffen, die im Verdacht standen, Drogenpäckchen verschluckt zu haben? In wie vielen Fällen kam es mit welchen Ergebnissen zur Nutzung der sogenannten Drogentoilette, und was geschah in den übrigen Fällen? Wie viele der Betroffenen haben einen Migrationshintergrund , und welche Staatsangehörigkeiten haben die Betroffenen? 9. Gab es Fälle, in denen die Beantragung eines Haftbefehls bzw. ein Antrag nach § 81a Strafprozessordnung (StPO) von der Staatsanwaltschaft oder der Erlass eines Haftbefehls von den Gerichten abgelehnt wurde, wenn ja, wie häufig kam dies vor, und was waren jeweils die Gründe für die Ablehnung? 10. Wo wird die Untersuchung der Beweismittel im Zusammenhang mit BtM-Delikten und entsprechenden Verdachtsmomenten durchgeführt? — 3 — 11. Wie lange war bei den Tatverdächtigen im Zusammenhang mit BTM-Delikten, für die eine Untersuchungshaft angeordnet wurde, die Verweildauer in Untersuchungshaft ? 12. In wie vielen Fällen wurde nachträglich eine rechtswidrige Inhaftierung gerichtlich festgestellt? a) Was wurde den jeweiligen Beschuldigten dabei ursprünglich vorgeworfen? b) Wie lange hat die rechtswidrige Inhaftierung jeweils gedauert? c) Wurde Haftentschädigung gezahlt, und wenn ja, in wie vielen Fällen? Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE D a z u Antwort des Senats vom 3. Juni 2014 1. Welche speziellen Maßnahmen und Techniken zur Beweissicherung im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln werden von der Polizei Bremen aktuell angewendet ? Als spezielle Maßnahmen zur Sicherung von Drogen als Beweismittel kommen die Exkorporation verschluckter Betäubungsmittel mithilfe freiwilliger Einnahme eines Brechmittels und die Verbringung des Tatverdächtigen in einen besonders gesicherten Haftraum mit einer sogenannten Drogentoilette – gegebenenfalls in Verbindung mit der freiwilligen Einnahme eines Abführmittels – in Betracht. Die Beweissicherung mittels freiwilliger Einnahme von Brechmitteln ist bei minderjährigen Beschuldigten untersagt. a) Welche Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Erlasse usw. regeln die Anwendung dieser Maßnahmen und Techniken? Gesetzliche Grundlagen für die Maßnahmen gegenüber Beschuldigten im Strafverfahren sind die Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) über die körperliche Untersuchung (§ 81a StPO) und die Untersuchungshaft (§§ 112 ff StPO). Weitere Bestimmungen sind: • der „Gemeinsame Erlass der Senatoren für Justiz und Verfassung und für Inneres und Sport ,Exkorporation von Betäubungsmitteln’“ vom 1. Dezember 2005. • die Verfügung der Justizvollzugsanstalt Bremen zur Exkorporation von Rauschgift bei Tatverdächtigen, die der JVA von der Polizei zugeführt werden, vom 7. Januar 2013. • die „Dienstanweisung der Polizei Bremen über die Exkorporation von Betäubungsmitteln“ aus dem Januar 2008 inklusive Anlagen. • das interne Anweisungsschreiben der Polizei Bremen über die „Einschränkung von Exkorporationsmaßnahmen für minderjährige Straftäter “ vom 9. Oktober 2007. • das interne Anweisungsschreiben der Polizei Bremen zum Verbot der Maßnahme „Griff an den Hals oder Kiefer“ vom 22. September 2011. b) Werden die durchgeführten Maßnahmen dokumentiert und statistisch erhoben ? Wenn ja, welche Auskunft kann der Senat über Art und Anzahl der jeweiligen Maßnahmen machen? Durchgeführte Maßnahmen werden schriftlich im Rahmen der Fertigung einer Strafanzeige dokumentiert. Zur Anzahl der durchgeführten Maßnahmen wird auf die Antworten zu den Fragen 5 und 8 verwiesen. Eine getrennte statistische Erfassung erfolgt nicht. c) Gibt es spezielle Module oder Seminare der Aus- und Fortbildung, in denen die Beweissicherung bei BtM-Verdachtsmomenten geschult und trainiert wird? Welche inhaltlichen Schwerpunkte haben diese Module oder Seminare? — 4 — Spezielle Aus- und Fortbildungsmodule mit der Thematik „Beweismittelsicherung bei BtM-Verdachtsmomenten“ gibt es nicht. Die Beweismittelsicherung wird im Rahmen des Studiums unter den Vorschriften der Einziehung und des Verfalls nach den Bestimmungen der StPO und des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) behandelt. Im Rahmen der Fortbildung werden pro Jahr zwei Seminare zum Oberthema Beweismittelsicherung und Beschlagnahme von Einziehungs-und Verfallsgegenständen angeboten. Das Fortbildungsinstitut der Polizei im Land Bremen bietet bei Bedarf einen Grundlehrgang für Beamtinnen und Beamte des zivilen Einsatzdienstes der Schutzpolizei an. Neben rechtlichen Aspekten ist die Sicherung von Beweismitteln (u. a. auch Drogen bzw. Drogenutensilien für Gebrauch und Transport) aus kriminaltechnischer Sicht Thema dieser Schulung. Personendurchsuchungen werden sowohl in der fachpraktischen Ausbildung als auch in der fachpraktischen Fortbildung gelehrt und trainiert. In der Fortbildung gehören sie zum verpflichtenden Inhalt des „Systemischen Einsatztrainings“, an dem jede Beamtin, jeder Beamte, mindestens alle vier Jahre für insgesamt vier Tage teilnehmen muss. 2. Wird der sogenannte Kehlkopf- oder Würgegriff von der Polizei angewandt? In der Polizei Bremen wird der sogenannte Kehlkopf- oder Würgegriff nicht angewendet . Mit Weisung des Polizeipräsidenten vom 22. September 2011 ist dies untersagt. Einzelfälle vor dieser Weisung wurden im Rahmen des § 102 StPO (Durchsuchung bei Beschuldigten) unter besonderer Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sowie des Übermaßverbots vorgenommen. a) Wie oft, in welchen Situationen, mit welchem Zweck, und auf welcher rechtlichen Grundlage wurde der Griff seit 2010 angewandt? Wie viele der Betroffenen haben einen Migrationshintergrund, und welche Staatsangehörigkeiten haben die Betroffenen? Die zur Beantwortung der Frage erforderlichen Daten wurden statistisch nicht erfasst. Eine Beantwortung wäre nur durch Einzelauswertung aller Strafsachen nach dem BtmG möglich. Dies ist mit einem vertretbaren personellen Aufwand nicht möglich. b) Gehört das Erlernen und Trainieren dieses Griffes zur polizeilichen Ausoder Fortbildung in Bremen oder in anderen Bundesländern? Der „Kehlkopf- oder „Würgegriff“ war zu keinem Zeitpunkt Aus- und Fortbildungsbestandteil der Polizei Bremen. Über die gängige Praxis in anderen Bundesländern liegen keine Erkenntnisse vor. c) In wie vielen Fällen kam es während der Anwendung des Griffs zu Abwehr - bzw. Widerstandshandlungen seitens der Beschuldigten? Die zur Beantwortung der Frage erforderlichen Daten wurden statistisch nicht erfasst. Eine Beantwortung wäre nur durch Einzelauswertung aller Straftaten nach dem BtmG möglich. Dies ist mit einem vertretbaren personellen Aufwand nicht möglich. d) In wie vielen Fällen wurden die Beschuldigten wegen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ (§§113 f. StGB) angezeigt, in wie vielen Fällen verurteilt ? Siehe Antwort zu Frage 2 c). e) Wie beurteilt der Senat die Maßnahme in Hinblick auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit? Der Senat beurteilt die Maßnahme im Hinblick auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als grundsätzlich ungeeignet. Eine entsprechende Weisungslage besteht seit 2011. 3. Ist dem Senat bekannt, dass sich Beschuldigte im Zusammenhang mit BtMVerdachtsfällen im Polizeigewahrsam teilweise vollständig entkleiden müssen? a) In wie vielen Fällen und auf welcher rechtlichen Grundlage wurde seit 2010 zu dieser Maßnahme gegriffen? Wie viele der Betroffenen haben einen — 5 — Migrationshintergrund, und welche Staatsangehörigkeiten haben die Betroffenen ? b) In welchen Fällen wird von der Maßnahme abgesehen? Dem Senat ist die Tatsache bekannt, dass sich Beschuldigte im Zusammenhang mit BtM-Verdachtsfällen teilweise vollständig entkleiden müssen. Beschuldigte, denen Betäubungsmitteldelikte vorgeworfen werden, tragen häufig Betäubungsmittel direkt an oder in ihrem Körper. Gelegentlich ist es mittels Pflaster oder Ähnlichem am Körper fixiert. Auch werden Betäubungsmittel im Intimbereich verwahrt. In der „Szene“ hat sich diese Praxis etabliert. Sie dient dazu, ein Auffinden der Betäubungsmittel durch Polizeibeamte zu verhindern oder zu erschweren. Daher werden Beschuldigte an Polizeistandorten vorgeführt und gemäß § 102 StPO durchsucht. Zu diesem Zweck müssen sich die Beschuldigten teilweise oder je nach Sachlage auch vollständig entkleiden. Die Dokumentation erfolgt in den jeweiligen Berichten/Strafanzeigen. Daten zum Migrationshintergrund und zur Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit Durchsuchungen werden statistisch nicht erfasst und könnten nur durch eine Einzelauswertung aller Straftaten gegen das BtmG erhoben werden. Dies ist mit einem vertretbaren personellen Aufwand nicht möglich . In welchen Fällen von dieser Maßnahme abgesehen werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann daher nicht allgemein beantwortet werden. 4. Ist dem Senat bekannt, dass in Fällen, in denen sich Beschuldigte entkleiden müssen, diese teilweise auch über einen längeren Zeitraum ohne Kleider bleiben müssen? a) Wie viele solcher Fälle sind dem Senat bekannt, und wie lange blieben die Beschuldigten dabei unbekleidet? Wie viele der Betroffenen haben einen Migrationshintergrund, und welche Staatsangehörigkeiten haben die Betroffenen ? b) Aus welchem Grund wird diese Maßnahme angewandt, womit begründet sich die Notwendigkeit, Beschuldigte über einen längeren Zeitraum unbekleidet zu lassen? c) Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgt die Maßnahme? Dem Senat sind keine Fälle bekannt, in denen Beschuldigte über einen längeren Zeitraum ohne Kleider bleiben mussten oder müssen. Sollte es im Rahmen einer Beweissicherung dazu kommen, dass Kleidungsstücke beschlagnahmt werden, liegt an den Polizeistandorten Ersatzbekleidung in Form von Einmalanzügen und Decken vor. Rechtsgrundlagen sind die §§ 81a und 102 StPO. 5. Findet eine Beweismittelsicherung mittels der Verabreichung von Brechmitteln – auf „freiwilliger“ Basis – noch statt, und durch wen wird sie vorgenommen? a) In wie vielen Fällen war dies seit Änderung der Praxis im Jahr 2006 der Fall? Wie viele der Betroffenen haben einen Migrationshintergrund, und welche Staatsangehörigkeiten haben die Betroffenen? In den Jahren 2006 bis 2010 wurde in sieben Fällen auf freiwilliger Basis Brechsirup zur Beweismittelsicherung eingesetzt. Im Einzelnen: 2006: fünf Fälle mit je einem Tatverdächtigen aus Sansibar, Sierra Leone, Guinea, Kasachstan und Deutschland, 2007: ein deutscher Tatverdächtiger, 2010: ein deutscher Tatverdächtiger. Danach gab es keine weiteren Fälle der freiwilligen Einnahme von Brechsirup . — 6 — b) Welche Gesundheitsrisiken birgt diese Form der Beweismittelsicherung? Das Mittel ist als Arzneimittel in Deutschland zugelassen. Es verursacht heftigen Brechreiz. Die Risiken bei freiwilliger Einnahme des Sirups Ipecacuanha werden als gering eingeschätzt. Als Vorbedingung für die Anwendung gilt, dass kein Bewusstseinsverlust vorliegt. Unerwünschte Wirkungen können in Form einer lokalen Reizung und Entzündung des Magens auftreten. c) Wie wird die Brechmittelverabreichung medizinisch bzw. ärztlich begleitet und überwacht? Die Verabreichung des Brechsirups erfolgte ausschließlich durch den ärztlichen Beweissicherungsdienst in den dafür hergerichteten Räumen des Polizeigewahrsams . 6. Ist dem Senat bekannt, dass das Bargeld, das Beschuldigte bei einer Ingewahrsamnahme bzw. Festnahme bei sich tragen, teilweise beschlagnahmt wird? Bargeld, welches Beschuldigte bei einer Ingewahrsamnahme bzw. Festnahme mitführen, wird beschlagnahmt, soweit es sich um Beweismittel, Einziehungsoder Verfallsgegenstände handelt. Es ist das erklärte Ziel, Täterinnen sowie Tätern das kriminell erlangte Vermögen nicht zu belassen. Die Abschöpfung dieses Vermögens dient einer effektiven Kriminalitätsbekämpfung. a) In wie vielen Fällen und auf welcher rechtlichen Grundlage wurden diese Beschlagnahmungen vorgenommen? Wie viele der Betroffenen haben einen Migrationshintergrund, und welche Staatsangehörigkeiten haben die Betroffenen? Die Beschlagnahmen wurden auf Basis der Rechtsvorschriften über die Sicherstellung und Beschlagnahme gemäß den §§ 94, 98, 111b ff. StPO sowie in Verbindung mit den Rechtsvorschriften über den Verfall und die Einziehung gemäß §§ 73 ff. des StGB bzw. des § 33 BtMG vorgenommen. Anzahl Bargeldbeschlagnahmen zu BtmG-Delikten 2010 2011 2012 2013 2014 Gesamt Nichtdeutsche 152 167 165 198 80 762 Deutsche 171 200 153 214 59 797 Summe 323 367 318 412 139 1 559 Weitere auswertbare Daten zur Unterscheidung nach Staatsangehörigkeiten im Zusammenhang mit einzelnen Deliktsfeldern liegen nicht vor. b) Was wurde den Beschuldigten vorgeworfen? Den Beschuldigten werden Handlungen vorgeworfen die nach dem Betäubungsmittelgesetz als Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen sind. c) Wo wird das beschlagnahmte Geld verwahrt? Das beschlagnahmte Geld zahlt die Polizei im Land Bremen unverzüglich auf das Verwahrkonto der Staatsanwaltschaft Bremen für Vermögensabschöpfung ein. d) Innerhalb welcher Zeiträume wurde das Geld zurückgezahlt? Die Hausverfügung der Staatsanwaltschaft Bremen zur Vermögensabschöpfung sieht vor, dass die beschlagnahmten Gelder auf dem Verwahrkonto „Vermögensabschöpfung“ solange verwahrt werden, bis eine endgültige Entscheidung über die weitere Verwendung der Gelder herbeigeführt worden ist. Erhebungen über die Zeiträume der Beschlagnahmen bis zu den Entscheidungen über die weitere Verwendung der Gelder liegen nicht vor. e) Sieht der Senat einen statistischen Zusammenhang zwischen beschlagnahmter Summe und der Höhe der jeweils erteilten Strafbefehle, und in wie vielen Fällen sind beide Summen identisch? — 7 — Die zur Beantwortung dieser Frage erforderlichen Daten werden statistisch nicht erfasst. Eine Beantwortung würde daher eine Einzelfallauswertung sämtlicher wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz geführten Strafverfahren erfordern, in denen ein Strafbefehl beantragt worden ist. Dies ist mit einem vertretbaren personellen Verwaltungsaufwand nicht zu leisten . 7. Auf welcher Rechtsgrundlage ordnen Staatsanwaltschaft und Gerichte die Beweismittelsicherung mit Hilfe der sogenannten Drogentoilette und der damit verbundenen Verbringung in die JVA an? Staatsanwaltschaft und Gerichte handeln auf der Grundlage der Strafprozessordnung (StPO) und des Jugendgerichtsgesetzes (JGG). Je nach den Umständen des Einzelfalls kommt eine körperliche Untersuchung nach § 81a StPO oder der Erlass eines Haftbefehls wegen Verdunkelungsgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO in Betracht. 8. In wie vielen Fällen wurden seit 2010 Personen aufgegriffen, die im Verdacht standen, Drogenpäckchen verschluckt zu haben? In wie vielen Fällen kam es mit welchen Ergebnissen zur Nutzung der sogenannten Drogentoilette, und was geschah in den übrigen Fällen? Wie viele der Betroffenen haben einen Migrationshintergrund , und welche Staatsangehörigkeiten haben die Betroffenen? 2010: Insgesamt wurden im Jahr 2010 sechs Personen festgestellt, die im Verdacht standen, Rauschgift geschluckt zu haben. Zwei Tatverdächtige, einmal aus Gambia und einmal aus Sierra Leone, wurden der Drogentoilette in die JVA Bremen zugeführt. Eine Person aus Sierra Leone spuckte das BtM wieder aus. Ein Tatverdächtiger aus Deutschland und ein Tatverdächtiger aus Mauretanien haben sich unter ärztlicher Betreuung eigenständig mithilfe eines freiwillig eingenommenen Brechmittels erbrochen. Ein weiterer Tatverdächtiger aus Guinea wurden wegen fehlender Rechtsgrundlage von der Staatsanwaltschaft ohne weitere Maßnahmen entlassen. 2011: Im Jahr 2011 wurde keine Person der Drogentoilette zugeführt. Von 2012 bis heute: Im Jahr 2012 standen zwei Personen im Verdacht, Betäubungsmittel verschluckt zu haben. Eine Person aus Guinea wurde der Drogentoilette zugeführt, bei einer weiteren Person aus Deutschland wurde aufgrund der verstrichenen Zeit auf eine Exkorporation verzichtet. 9. Gab es Fälle, in denen die Beantragung eines Haftbefehls bzw. ein Antrag nach § 81a StPO von der Staatsanwaltschaft oder der Erlass eines Haftbefehls von den Gerichten abgelehnt wurde, wenn ja, wie häufig kam dies vor, und was waren jeweils die Gründe für die Ablehnung? Nein. 10. Wo wird die Untersuchung der Beweismittel im Zusammenhang mit BtM-Delikten und entsprechenden Verdachtsmomenten durchgeführt? Die BtM-Untersuchungen werden grundsätzlich durch das K 12, Kriminaltechnische Untersuchungen (KTU), vorgenommen. 11. Wie lange war bei den Tatverdächtigen im Zusammenhang mit BtM-Delikten, für die eine Untersuchungshaft angeordnet wurde, die Verweildauer in Untersuchungshaft ? Die Staatsanwaltschaft Bremen hat seit 2010 in derartigen Fällen weder Anträge auf Erlass eines Haftbefehls noch nach § 81a StPO gestellt. 12. In wie vielen Fällen wurde nachträglich eine rechtswidrige Inhaftierung gerichtlich festgestellt? — 8 — Druck: Anker-Druck Bremen a) Was wurde den jeweiligen Beschuldigten dabei ursprünglich vorgeworfen? b) Wie lange hat die rechtswidrige Inhaftierung jeweils gedauert? c) Wurde Haftentschädigung gezahlt, und wenn ja, in wie vielen Fällen? Entfällt, siehe Antwort zu Frage 11.