— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1445 Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 23. April 2014 Vorkaufsrechte an Vitus-Beständen In mehreren Ortsteilen und Quartieren wechseln derzeit wieder erhebliche Wohnbestände von einer Investmentgesellschaft zur nächsten. Etwa 9 500 Wohnungen in Bremen werden durch die „Integration“ der Vitus-Gruppe von der Deutschen Annington übernommen. Ursprünglich gehörten diese Wohnungen zur Bremischen Gesellschaft für Stadterneuerung, Stadtentwicklung und Wohnungsbau („Bremische“) bzw. zur Beamten-Baugesellschaft Bremen („Beamtenbau“). Die Bestände weisen derzeit in vielen Fällen bauliche Mängel auf. Andererseits gehören sie zu den Beständen, die für das Angebot preiswerten Wohnraums in Bremen von erheblicher Bedeutung sind. Es besteht daher ein besonderes öffentliches Interesse , die Bestände zu erhalten, in guten Zustand zu versetzen, aber gleichzeitig Mietsteigerungen durch überzogene Modernisierung zu verhindern. Dies ist am besten durch Rückführung in öffentliches Eigentum zu gewährleisten, entweder direkt oder über die GEWOBA. Wir fragen den Senat: 1. Existieren Vorkaufsrechte des Landes, der Stadt oder der GEWOBA an Wohnungen , die ehemals zum Bestand der Bremischen oder der Beamtenbau gehörten und derzeit als „Vitus-Gruppe“ an die Deutsche Annington verkauft werden sollen? Wenn ja, welche? 2. Existieren Sozialbindungen für Wohnungen, die ehemals zum Bestand der Bremischen oder der Beamtenbau gehörten und derzeit als „Vitus-Gruppe“ an die Deutsche Annington verkauft werden sollen? Wenn ja, welche? 3. Für welche sonstigen Wohnbestände besitzen Land, Stadtgemeinden oder GEWOBA ein Vorkaufsrecht? Unter welchen Bedingungen? 4. Wer prüft und entscheidet in welchem Verfahren, ob solche Vorkaufsrechte in Anspruch genommen werden? In welcher Weise werden dabei Beiräte, Deputationen und Bürgerschaft informiert und einbezogen? 5. Wie schätzt der Senat das laufende Kartellrechtverfahren zum Verkauf der Vitus-Bestände an die Deutsche Annington ein? 6. Von welchen weiteren Voraussetzungen hängt nach Kenntnis des Senats die für das vierte Quartal 2014 geplante Realisierung des Verkaufs ab? 7. Von welchen Beiräten, Stadtteilversammlungen, Quartiersmanagern oder Stadtteilprojekten liegen welche Stellungnahmen zum geplanten Eigentümerwechsel der Vitus-Bestände in Bremen vor? Claudia Bernhard, Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE D a z u Antwort des Senats vom 17. Juni 2014 1. Existieren Vorkaufsrechte des Landes, der Stadt oder der GEWOBA an Wohnungen , die ehemals zum Bestand der Bremischen oder der Beamtenbau gehörten und derzeit als „Vitus-Gruppe“ an die Deutsche Annington verkauft werden sollen? Wenn ja, welche? — 2 — In fünf bremischen Sanierungsgebieten liegen ca. 360 Wohneinheiten der „Vitus-Gruppe“, deren Bestand in Bremen insgesamt ca. 11 000 Wohneinheiten umfasst. In den fünf Sanierungsgebieten besteht ein Vorkaufsrecht der Stadtgemeinde , das allerdings nur dann ausgeübt werden kann, wenn tatsächlich ein Grundstückskaufvertrag abgeschlossen wird. 2. Existieren Sozialbindungen für Wohnungen, die ehemals zum Bestand der Bremischen oder der Beamtenbau gehörten und derzeit als „Vitus-Gruppe“ an die Deutsche Annington verkauft werden sollen? Wenn ja, welche? Zur Vitus-Gruppe gehören die in Bremen ansässigen Wohnungsgesellschaften „Bremische Gesellschaft für Stadterneuerung, Stadtentwicklung und Wohnungsbau mbH – Bremische“ und die „Beamten-Baugesellschaft Bremen GmbH“. Von den Wohnungsbeständen der Vitus-Gruppe unterliegen noch rd. 2 400 Sozialbindungen . Diese Bindungen bleiben nach dem Verkauf der Vitus-Gruppe unverändert bestehen. 3. Für welche sonstigen Wohnbestände besitzen Land, Stadtgemeinden oder GEWOBA ein Vorkaufsrecht? Unter welchen Bedingungen? Für sonstige Wohnungsbestände besitzen die Stadtgemeinden ein gesetzliches Vorkaufsrecht, sofern folgende Voraussetzungen vorliegen: Die Grundstücke müssen — in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder Entwicklungsbereich oder — im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, in dem die Flächen für eine Nutzung für öffentliche Zwecke oder für Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt sind oder — im Geltungsbereich einer Satzung zur Sicherung des Stadtumbaus und einer Erhaltungssatzung liegen. Erhebungen darüber, ob bzw. welche sonstigen Wohnungsbestände sich in den vorgenannten Bereichen befinden und für sie somit ein gesetzliches Vorkaufsrecht besteht, sind nicht vorhanden. 4. Wer prüft und entscheidet in welchem Verfahren, ob solche Vorkaufsrechte in Anspruch genommen werden? In welcher Weise werden dabei Beiräte, Deputationen und Bürgerschaft informiert und einbezogen? Werden Grundstückskaufverträge im Bereich der Stadtgemeinde Bremen geschlossen , so ist der Inhalt des Kaufvertrages der Gemeinde (hier: dem Senator für Umwelt, Bau und Verkehr) unverzüglich mitzuteilen (§ 28 Absatz 1 Satz 1 BauGB). Die Prüfung, ob an einem veräußerten Grundstück ein gesetzliches Vorkaufsrecht im Sinne des § 24 BauGB besteht, erfolgt durch die Planungsreferate beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr bzw. durch das Referat 20 des Bauamtes Bremen-Nord. Dies betrifft insbesondere Flächen, für die nach einem Bebauungsplan eine Nutzung für öffentliche Zwecke (z. B. Verkehrs- und Grünflächen) oder für Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Abs. 3 festgesetzt ist. Im Bereich von Sanierungsgebieten, Stadtumbaugebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen ist das Stadtumbaureferat zuständig für die Beurteilung. Von den Referaten wird bei bestehenden Vorkaufsrechten mitgeteilt, ob ein Ankauf befürwortet wird oder nicht. Im nächsten Schritt wird der jeweilige Bedarfsträger eingeschaltet und dieser prüft, ob inhaltlich ein Interesse am Ankauf besteht und ob finanzielle Mittel vorhanden sind. Ein Vorkaufsrecht steht einer Gemeinde, z. B. im Geltungsbereich von Bebauungsplänen , zu, soweit es sich um Flächen handelt, für die nach dem Bebauungsplan eine Nutzung für öffentliche Zwecke, wie z. B. Straßen oder für Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt sind. Gemeinden steht zudem ein allgemeines Vorkaufsrecht zum Erwerb von bebauten und unbebauten Grundstücken gemäß § 24 Absatz 1 Satz 1 Ziffer 3 und 4 BauGB in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten, städtebaulichen Entwicklungsbereichen sowie in Stadtumbaugebieten mit einer Stadtumbausicherungssatzung zu. Dies gilt auch bei Erwerb gemäß § 27a BauGB für einen Drit- — 3 — ten. Jegliche Vorkaufsrechtsausübung ist hier jedoch von nachfolgenden Voraussetzungen abhängig. Es müssen rechtswirksame Kaufverträge vorliegen. Liegt das Grundstück in einem Sanierungsgebiet, muss die sanierungsrechtliche Genehmigung erteilt sein (vergleiche § 144 Absatz 2 und § 145 Absatz 2 BauGB). Wird die sanierungsrechtliche Genehmigung z. B. wegen eines überhöhten Kaufpreises oder aus anderen Gründen versagt, wird der Vertrag unwirksam und die Ausübung eines Vorkaufsrechts kann nicht erfolgen. Ein Vorkaufsrecht kann nur bei einem „echten“ Verkaufsfall erfolgen. Häufig werden Vorkaufsrechte durch Formen des Unternehmenskaufs umgangen. Dabei erwirbt der Käufer vom Verkäufer die Anteile an der zum Verkauf stehenden Gesellschaft. Dies bedeutet, dass z. B. das Wohnungsunternehmen, nicht aber die entsprechenden Immobilien des Unternehmens verkauft werden. Ein Vorkaufsrecht besteht in diesen Fällen nicht. Grundsätzlich ist bei allen Vorkaufsrechten zu beachten, dass das Vorkaufsrecht nur binnen zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrages ausgeübt werden kann. Verfahrensrechtlich erforderliche Beteiligungen anderer Stellen und äußerst knappe Personalressourcen bedeuten, dass die Einhaltung der Frist schon heute schwierig ist. Im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechtes wird im Rahmen der Beteiligung auch das jeweilige Ortsamt um Stellungnahme gebeten. Eine Beteiligung von Deputation oder Bürgerschaft erfolgt im Einzelverfahren nicht, da sich die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 24 ff. BauGB nur auf Flächen bezieht, für die ein Vorkaufsrecht durch Satzung (Bebauungsplan, Sanierungssatzung , Erhaltungssatzung etc.) – und damit durch Beschluss von Deputation und Bürgerschaft – überhaupt begründet worden ist. 5. Wie schätzt der Senat das laufende Kartellrechtverfahren zum Verkauf der VitusBestände an die Deutsche Annington ein? Das Fusionskontrollverfahren wird beim Bundeskartellamt geführt und ist auf der Internetseite des Bundeskartellamts noch unter „Laufende Verfahren“ unter dem Datum 15. April 2014 mit dem Az. B1-97/14 mit dem Vermerk „25. April 2014 (Freigabe)“ eingestellt. Da das Verfahren dort in der Liste der Fusionskontrollverfahren der sogenannten ersten Phase aufgeführt ist, ist davon auszugehen , dass das Zusammenschlussvorhaben vom Bundeskartellamt ohne Erfordernis einer vertieften Prüfung („Hauptprüfung“) formlos freigegeben wurde. In der einsehbaren Entscheidungsdatenbank des Bundeskartellamts wird die Entscheidung bei Eingabe des Aktenzeichens/von Suchbegriffen jedoch derzeit nicht angezeigt, sodass über die Inhalte keine Aussage getroffen werden kann. 6. Von welchen weiteren Voraussetzungen hängt nach Kenntnis des Senats die für das vierte Quartal 2014 geplante Realisierung des Verkaufs ab? Grundsätzliche Voraussetzungen für die Abwicklung eines Kaufvertrags sind nach Vorliegen eines notariellen Kaufvertrags neben einer Vorkaufsrechtsverzichtserklärung u. a. die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, in manchen Fällen eine Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz, nach Naturschutzrecht oder auch eine sanierungsrechtliche Genehmigung. Erst wenn ein notarieller Kaufvertrag vorliegt, ist im Einzelfall seitens der Gemeinde zu entscheiden, ob Vorkaufsrechtsvoraussetzungen vorliegen und ob ein Vorkaufsrecht ausgeübt werden soll. Im vorliegenden Fall könnte auch eine kartellrechtliche Genehmigung erforderlich sein. Ob es kartellrechtliche Voraussetzungen für die geplante Realisierung des Verkaufs gibt, kann unter Verweis auf die Antwort zu Frage 5 nicht beantwortet werden. Ob darüber hinaus weitere, privatrechtliche Voraussetzungen vorliegen, ist nicht bekannt. 7. Von welchen Beiräten, Stadtteilversammlungen, Quartiersmanagern oder Stadtteilprojekten liegen welche Stellungnahmen zum geplanten Eigentümerwechsel der Vitus-Bestände in Bremen vor? Es liegen Stellungnahmen der Beiräte und der Quartiersmanager zum geplanten Eigentümerwechsel der Vitus-Bestände aus den Stadtteilen Schweizer Viertel und Lüssum vor. — 4 — Druck: Anker-Druck Bremen Die Quartiersmanagerin aus Grohn verweist auf den Verkauf von Beständen außerhalb des WiN-Gebietes. Weitere Stellungnahmen und Hinweise zum Verkauf der Wohnungsbestände liegen nicht vor.