— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1463 (zu Drs. 18/1408) 01. 07. 14 Mitteilung des Senats vom 1. Juli 2014 Bedeutung und Potenziale von Migrantenorganisationen im Land Bremen Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD haben unter Drucksache 18/1408 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet. Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt: 1. Welche Potenziale zur Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe von Migrantinnen und Migranten rechnet der Senat dem Engagement und der Arbeit der Bremer und Bremerhavener Migrantenorganisationen zu und setzt sie bei seiner Integrationsarbeit ein? Das Land Bremen verfügt über eine lange Tradition in der Unterstützung des Engagements von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen1). Der Senat hat lange vor dem oben genannten bundesweiten Paradigmenwechsel auf die Unterstützung von und für Migrantinnen-/Migrantenorganisationen auf der Landesund kommunalen Ebene gesetzt. Die Gründung des Dachverbands der Ausländerkulturvereine (DAB) z. B., mit seinen über 20 Mitgliedsorganisationen, 1983, hat der Senat von Beginn an unterstützt und gefördert. Ebenfalls seit Mitte der Achtzigerjahre hat sich in Bremen die Unterstützung von Selbsthilfeaktivitäten durch Migrantinnen-/Migrantenorganisationen etabliert . Mit der Einrichtung eines Fonds zur verstärkten Förderung von Selbsthilfe wurde damals der Förderschwerpunkt zugunsten von „Ausländervereinen und deutsch-ausländischen Initiativen“ verfolgt. Schon 1986 wurden über 20 Initiativen für vielfältige Aktivitäten gefördert. Ausgehend von diesen Ansätzen verfolgt der Senat auch heute eine offensive Teilhabe- und Integrationspolitik – wie im „Entwicklungsplan Partizipation und Integration“ formuliert –, und erkennt die große Bedeutung von Migrantinnen und Migranten für die gesellschaftliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung des Landes Bremen an. Teilhabe und Beteiligung sind im Verständnis des Senats wesentliche Elemente integrationspolitischer Prozesse. Die Perspektiven von Vereinen und Initiativen, die vorrangig von Migrantinnen und Migranten gegründet und getragen werden, also den Migrantinnen-/Migrantenorganisationen , spielen hierbei eine bedeutsame Rolle. Der Senat schätzt das große Engagement, das in Migrantinnen-/Migrantenorganisationen in den meisten Fällen ehrenamtlich geleistet wird. Der Senat ist sich der Tatsache bewusst, dass Migrantinnen-/Migrantenorganisationen vielfach Anlauf- und Bezugspunkt für (neu) zugewanderte Menschen sind. Sie leisten einen wertvollen Beitrag dazu, Menschen Orientierung und Information anzubieten , die ihnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Land erleichtern . Zugleich schätzt der Senat, dass Migrantinnen-/Migrantenorganisationen Interessen formulieren und hörbar machen. Sie tragen in vielfältigen Bezügen dazu bei, den Blick dorthin zu richten, wo die interkulturelle Öffnung in unseren Regelsystemen der Bearbeitung bedarf und Teilhabehürden existieren. Zugleich bieten sie Raum zur Pflege kultureller Identität. ––––––– 1) In der Fachpolitik gibt es eine rege Diskussion um die geeignete Begrifflichkeit: Neben der Frage, ob mit „Migrantenorganisation“ oder „Migrantinnenorganisation“ genderspezifische Vereinigungen gemeint sind, wird auch die Bedeutung des Begriffs „Migrationsorganisation“ diskutiert. In dieser Großen Anfrage wird vor diesem Hintergrund der Begriff „Migrantinnen-/ Migrantenorganisation“ verwendet, der genderspezifische Organisationen ebenso umfassen kann wie genderübergreifende Vereinigungen. — 2 — Der Senat hält die interkulturelle Öffnung des gesellschaftlichen Lebens weiterhin für ein wesentliches integrationspolitisches Ziel, um die Potenziale, die in der Vielfalt stecken, zu nutzen. Dies gilt insbesondere für Regeldienste, Träger, Einrichtungen, Vereine und Verbände sowie für die Verwaltungen. Migrantinnen-/ Migrantenorganisationen können in diesem Prozess Mittler im interkulturellen Dialog sein. Sie können Experten für Integration und den Umgang mit Vielfalt sein und dabei zur interkulturellen Öffnung gesellschaftlicher Lebensbereiche beitragen. Migrantinnen-/Migrantenorganisationen verfügen oft über einen guten Zugang zu Zuwanderungsgruppen und tragen als Brückenbauer zu gelingender Integration und zum Zusammenleben bei. Der Senat betrachtet Migrantinnen-/ Migrantenorganisationen daher als wichtige Akteure im Kreis der Integrationsarbeit und Beförderer eines harmonischen, gesellschaftlichen Zusammenlebens. Auch bundesweit ist seit einigen Jahren ein spürbarer Wandel mit Blick auf Migrantinnen-/Migrantenorganisationen zu verzeichnen. Inzwischen hat sich auch in der bundesweiten gesellschafts- und integrationspolitischen Debatte durchgesetzt, dass Migrantinnen-/Migrantenorganisationen zivilgesellschaftlich bedeutsame Partner sind und wertvolle Potenziale haben. Im Nationalen Aktionsplan Integration wurde daher festgehalten, dass Integrationspolitik auf die aktive Mitarbeit von Organisationen der Zivilgesellschaft angewiesen ist und landesweit organisierte und herkunftsheterogene Migrantinnen-/Migrantenorganisationen dazu geeignete Kooperationspartner sind. 2. Welche Kooperationen zwischen dem Senat und Migrantinnen-/Migrantenorganisationen bestehen im Bundesland Bremen bereits, und als wie erfolgreich werden sie bewertet? Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass Migrantinnen-/Migrantenorganisationen stark variieren in ihrer Organisationsform, ihrer Zusammensetzung, ihren Zielen und ihrer Ausrichtung. Der Begriff Migrantinnen-/Migrantenorganisation bezeichnet eine äußerst heterogene Akteurslandschaft. Auch im Land Bremen existieren religiöse Gemeinschaften, kulturelle oder politische Vereine und Organisationen ebenso wie Vereine bestimmter Zuwanderungsgruppen, Vertriebenenverbände, Studierendenvereinigungen, Sportvereine, Unternehmensverbände oder themenfokussierte Verbünde oder Vereine, die sich als Migrantinnen-/Migrantenorganisationen begreifen. Migrantinnen-/Migrantenorganisationen können in ihrer Zusammensetzung Vereinigungen ausschließlich von Frauen, Müttern, Männern, Vätern, Eltern, Senioren oder Jugendlichen sein; sie können herkunftsbezogen, eine oder mehrere Ethnien abbilden oder interkulturell übergreifend verfasst sein. Zugleich sind Migrantinnen-/Migrantenorganisationen und die sogenannten etablierten Träger nicht immer klar voneinander abzugrenzen. Diese Heterogenität muss bei Verwendung des vermeintlich homogenen Begriffs Migrantinnen-/Migrantenorganisation im Folgenden bedacht bleiben. Es existieren eine Vielfalt von Beispielen der Zusammenarbeit zwischen Senat und Migrantinnen-/Migrantenorganisationen. Ein vollständiger Überblick über solche Kooperationen kann hier nicht gegeben werden. Durch die Benennung einiger Beispiele soll jedoch ein Eindruck zur Vielfältigkeit der Kooperationsfelder und -erfahrungen gegeben werden: • Ältere Migrantinnen und Migranten nutzen die Angebote der Altenhilfe nicht proportional zu ihrem Anteil an der Bremer Bevölkerung. Ein guter Zugangsweg ist die Beratung von älteren Migrantinnen und Migranten zu Fragen der Pflege und Unterstützung, die durch geschulte jüngere Freiwillige mit Migrationshintergrund geleistet wird. Diese können Informationen muttersprachlich und ohne ethnisch-kulturelle Barrieren in ihren sozialen Zusammenhängen weitergeben. In mehreren Stadtteilen wird unter dem Titel „köprü“, dem türkischen Wort für Brücke, ein Projekt mit dieser Zielsetzung durch eine Migrantinnen-/Migrantenorganisation organisiert und vom Senat gefördert. • Die ressortübergreifende Ausbildungskampagne „Du bist der Schlüssel . . .“ der Freien Hansestadt Bremen verfolgt unter anderem das Ziel, die Anzahl an Auszubildenden mit einem Migrationshintergrund im bremischen öf- — 3 — fentlichen Dienst zu erhöhen, auch um damit einen Beitrag zur interkulturellen Öffnung durch Ausbildung zu leisten. Um Menschen mit Migrationshintergrund für eine Ausbildung bei der Freien Hansestadt Bremen zu interessieren und den Bekanntsheitsgrad der Kampagne zu erhöhen, wurden in den letzten Jahren in Kooperation mit Migrantinnen-/Migrantenorganisationen unterschiedliche Aktivitäten initiiert. Beispielhaft können hier die Präsentation der Kampagne im Rahmen des African Football Cups, der Afrika-Messe oder die Durchführung von Berufsinformationsveranstaltungen mit Communities genannt werden. • Die parallel zur HanseLife durchgeführten Afrika-Messen 2011 und 2012 sowie der Afrikakongress im Loydhof 2013 sind auf Initiative und in Kooperation mit afrikanischen Migrantinnen und Migranten durchgeführt worden . Gerade im Hinblick auf die damit einhergehende Vernetzung mit der afrikanischen Gemeinschaft in Bremen und darüber hinaus waren diese Messen ein voller Erfolg. Zugleich wurde damit die Funktion vieler Migrantinnen /Migranten als „Brückenbauer“ zwischen ihren Herkunftsländern und Deutschland deutlich. Hier sind Potenziale vorhanden, die zukünftig im Bereich der internationalen Beziehungen und der Entwicklungszusammenarbeit stärker mit einbezogen werden können. • Beispiel einer Kooperation ist auch der Vertrag zwischen den islamischen Religionsgemeinschaften und dem Senat. 3. Welche Herausforderungen und Möglichkeiten sieht der Senat im Hinblick darauf , die Zusammenarbeit mit Migrantinnen-/Migrantenorganisationen zu intensivieren ? Verbesserungs- und Intensivierungspotenzial in der Zusammenarbeit liegt nach Auffassung des Senats insbesondere in einer stetigen Unterstützung der Vernetzung und Zusammenarbeit der vielfältigen Akteure. Dies gilt sowohl bezogen auf die Zusammenarbeit von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen und Kooperationen untereinander, als auch für die Beförderung der Kooperationen mit den sogenannten etablierten Einrichtungen, Trägern und Vereinen, die sich dem Prozess der interkulturellen Öffnung stellen und stellen müssen. Bei allen Anforderungen und Zielsetzungen muss im Blick bleiben, dass die große Mehrheit der Migrantinnen-/Migrantenorganisationen ehrenamtlich tätig ist und diese Ehrenamtlichkeit Grenzen in der Erfüllung und Einbindung von Aufgaben setzt. Viele Migrantinnen-/Migrantenorganisationen würden sich eine finanzielle (institutionelle) Förderung wünschen, um ihr Engagement zu professionalisieren und zu systematisieren. Eine Steigerung ist hier angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen jedoch auf Landes- und kommunaler Ebene nicht zu erwarten. Vielmehr gilt es, die verfügbaren Instrumente zu nutzen. Über den eingangs erwähnten Förderbereich „Selbsthilfe- und Projektförderung von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen“ werden über 70 Gruppen und Vereine im Rahmen niedrigschwelliger Projekte gefördert, was in Verbindung mit ehrenamtlichem Engagement große Wirkungen erzielt. Insgesamt sollen Migrantinnen-/Migrantenorganisationen in den verschiedenen Politik- und Förderfeldern entsprechend ihrer jeweiligen fachpolitischen Bedeutung im Rahmen der haushaltsrechtlichen Vorgaben als Zuwendungsempfänger einbezogen werden. Grundsätzlich haben viele Migrantinnen-/Migrantenorganisationen keine oder nur wenig Erfahrung hinsichtlich der Anforderungen und Abläufe bei der Beantragung öffentlicher Projektfördermittel. Im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeiten werden Migrantinnen-/Migrantenorganisationen bei der Beantragung von Fördermitteln unterstützt. Der Senat bemüht sich, Migrantinnen-/Migrantenorganisationen mit Information und Beratung bei der Projektgestaltung und -beantragung gegenüber anderen Mittelgeber, z. B. dem Bund, zu unterstützen. Dies ist in den letzten Jahren bereits erfolgreich geschehen. Da der Bund im Rahmen der Umsetzung verschiedener Programme die unmittelbare Einbeziehung von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen mittlerweile als Bewilligungsvoraussetzung festgeschrieben hat, konnten im Land Bremen Migrantinnen-/Migrantenorganisationen zum Erfolg einer Reihe von geförderten Projekten einen wichtigen Beitrag leisten. Beispiele für solche Bundesprojekte — 4 — sind das Bremer und Bremerhavener IntegrationsNetz (BIN), das auf eine verbesserte Arbeitsmarktintegration von Bleibeberechtigten und auf die Unterstützung von Flüchtlingen mit Arbeitserlaubnis zielt sowie das Projekt „Bildung ist Reichtum“ mit Angeboten zur Begleitung und Beratung für Eltern und Schulen. Im Bereich der bürgerschaftlichen Engagements bestehen Potenziale, die Zusammenarbeit zu intensivieren, um eine höherere Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund zu erreichen. Der „Runde Tisch Ehrenamt im Sozialbereich “ wird im Oktober 2014 im Rahmen der Integrationswoche gemeinsam mit der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen, dem Referat Bürgerengagement , einen Fachtag organisieren. Thema werden die Rolle und Erwartungen Zugewanderter sein sowie die der Organisationen an das Engagement von und für Migrantinnen und Migranten. 4. Welche Angebote im Bereich der Partizipation und gesellschaftlichen Teilhabe werden von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen in Bremen und Bremerhaven in eigener Regie vorgehalten? Die Angebote sind durch die Vielfalt der Akteure und den oft informellen Charakter in der Gesamtheit nicht abzubilden. Grundsätzlich bieten Migrantinnen-/ Migrantenorganisationen Raum zur Interessenvertretung, Verortung und Orientierung . Die Angebote reichen von konkreten Beratungsangeboten in individuellen Lebensfragen hin zur Schaffung eines Umfelds zur Ausübung der kulturellen Identität des Herkunftslandes. Typische Engagementformen sind Beratungen , Dolmetscherdienste, Begleitung bei behördlichen Gängen etc. Neben diesen individuell auf den Einzelnen oder die einzelne Familie orientierte Unterstützung sind Migrantinnen-/Migrantenorganisationen auch bemüht, spezifische Angebote zur Information an Gruppen zu geben. Hierbei stehen oftmals die Vernetzung und damit Chancen zur Informationsweitergabe in sozialen Fragestellungen , bei Bildungsthemen der Kinder, in rechtlichen Fragestellungen und vieles mehr im Zentrum. In manchen Zusammenhängen, so z. B. in vielen Moscheen , wird ein Unterstützungsangebot mit dem sehr umfänglichen Anspruch zugrunde gelegt, den Mitgliedern der Gemeinde in allen Fragen des Lebens hilfreich zu sein. 5. Welchen Bedarf sieht der Senat für Fortbildungsangebote, um die Arbeit der Migrantinnen-/Migrantenorganisationen gegebenenfalls zu professionalisieren? Welche Fortbildungs- bzw. Qualifikationsangebote gibt es bereits für Multiplikatoren in Migrantinnen-/Migrantenorganisationen, und welche Möglichkeiten sieht der Senat, solche Angebote gegebenenfalls zu fördern? Bereits seit vielen Jahren werden Fortbildungsangebote für Migrantinnen-/ Migrantenorganisationen und Multiplikatoren vorgehalten. So wird über das „Netzwerk Selbsthilfe e. V.“ die Initiierung von Selbsthilfegruppen von Migrantinnen für Migranten unterstützt. Ziel ist es, den Selbsthilfebereich für Menschen mit Migrationshintergrund zu öffnen. Das „Netzwerk Selbsthilfe e. V.“ qualifiziert, begleitet und unterstützt Menschen, die Selbsthilfegruppen in ihrer jeweiligen Muttersprache gründen und begleiten. Aufgrund ihrer soziokulturellen Hintergründe fungieren sie als „Türöffnerinnen/Türöffner“ in bisher nicht erreichbare Personengruppen und tragen das Prinzip der Selbsthilfe dort hinein. Ebenfalls seit Jahren unterstützt das Paritätische Bildungswerk im Rahmen von Fortbildungsangeboten im Selbsthilfebereich Migrantinnen-/Migrantenorganisationen . Einige Migrantinnen-/Migrantenorganisationen sind auch direkt als Mitgliedsorganisation im Paritätischen Bildungswerk organisiert. Auch der Bremer Qualifizierungsfonds für Freiwillige (BQF) im Land Bremen kann von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen genutzt werden. In diesem Zusammenhang berät die Freiwilligen-Agentur Bremen gemeinützige Organisationen , Vereine, Initiativen, verwaltet und vergibt die Qualifizierungszuschüsse. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterstützt Multiplikatorinnen-/ Multiplikatorenschulungen zur Weiterqualifizierung von ehrenamtlich Engagierten in der Integrationsarbeit. Die Förderung richtet sich grundsätzlich an Vereine und Organisationen der Integrationsarbeit, in denen Ehrenamtliche tätig sind. Einen besonderen Schwerpunkt setzt das Bundesamt dabei auf die Unterstützung von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen, die selbst Integrationsmaßnahmen durchführen möchten und hierzu noch Professionalisierungs- und — 5 — Qualifizierungsbedarf haben. Auch in Bremen haben Migrantinnen-/Migrantenorganisationen von diesem Angebot profitiert. Ein anderes aus Bundesmitteln gefördertes Projekt „BEAS“ ist ein Qualifizierungsprojekt für afrikanische Migrantinnen und Migranten zur Unterstützung ihrer Gemeinwesen- und Netzwerkarbeit in Bremen, das u. a. einen Expertinnen -/Expertenpool, an den Bildungsträger sich wenden können, hervorgebracht hat. Der Senat beabsichtigt auch zukünftig, entsprechende Angebote vorzuhalten und sich auf Bundesebene zur Fortführung der Programme bzw. Programmausrichtungen einzusetzen. 6. Welchen Vernetzungsgrad haben die Migrantinnen-/Migrantenorganisationen im Land Bremen erreicht, und sind öffentliche Stellen (kommunal und auf Landesebene ) an solchen Netzwerken beteiligt? Welche Aktivitäten zur Vernetzung haben seitens des Senats in der Vergangenheit stattgefunden? Die Vernetzung hat sich im Verlauf der letzten Jahre stetig intensiviert. Der Senat versteht sich als Ansprechpartner für Migrantinnen-/Migrantenorganisationen . Hierbei steht meist Unterstützung bei Vernetzung und Informationszugängen innerhalb und außerhalb der Verwaltung im Vordergrund, um die Organisationen in ihrer Rollenwahrnehmung zu stärken. Einen wichtigen Beitrag für die Zusammenarbeit und Vernetzung mit Migrantinnen -/Migrantenorganisationen leistet seit 2005 der Bremer Rat für Integration . In diesem Gremium engagieren sich Ehrenamtliche aus allen gesellschaftlichen Bereichen für ein gelingendes Zusammenleben im Land Bremen und als Interessenvertretung für eine gleichberechtige Teilhabe von Migrantinnen und Migranten. Unter den im Rat aktiven Personen sind auch Menschen, die sich Migrantinnen-/Migrantenorganisationen zugehörig fühlen. Durch die Initiierung von Veranstaltungen und Seminaren sowie die Diskussionen und Stellungnahmen in den Arbeitsgruppen des Bremer Rats trägt er zur Förderung der politischen Beteiligung von Migrantinnen und Migranten bei. Die Mitarbeit in den Arbeitsgruppen des Rats steht allen Interessierten offen und befördert daher die aktiven Beteiligung und Zusammenarbeit aller bremischen Akteure, einschließlich interessierter Migrantinnen-/Migrantenorganisationen. Dasselbe gilt für den Rat ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Stadt Bremerhaven als die aufgrund einer städtischen Satzung gewählte Interessenvertretung . Zudem werden die Netzwerke für Zuwanderinnen und Zuwanderer in Bremen und Bremerhaven von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen genutzt. Das Landesnetzwerk versteht sich als freier Zusammenschluss von Vertreterinnen und Vertretern öffentlicher und freier Träger und anderer aktiv an der Integration von zugewanderten Menschen beteiligter Vereine, Organisationen, Institutionen und Verbände. Seitens verschiedenster Akteure werden immer wieder Veranstaltungen, Fachtagungen oder Foren veranstaltet, die zur Verbesserung der Vernetzung beitragen sollen. Die Integrationswoche bzw. Tage der Integration sind leicht zugängliche Formate, die von Initiativen und Integrationsakteuren aller Art, auch den Migrantinnen-/Migrantenorganisationen, genutzt werden, um mit den behördlichen Partnern, aber auch mit anderen Integrationsakteuren den Kontakt zu intensivieren. Vielfach sind Migrantinnen-/Migrantenorganisationen Teil von Vernetzungsarbeit auch auf Stadtteil- und Quartiersebene. Mütterzentren, Stadtteilgruppen, Häuser der Familie, Kultureinrichtungen, Vereine von Migrantinnen/Migranten, interkulturelle Gesprächskreise und vieles mehr finden sich in kooperativen Arbeits - und Austauschbeziehungen miteinander. Die Senatskanzlei und das IQ Netzwerk Bremen haben im November 2013 eine Veranstaltung initiiert, die spezifisch auf die Rolle von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen im Integrationsprozess fokussierte. Auch hier wurden Informationsbedarfe und Vernetzungsbedürfnisse deutlich, die der Senat in seinen weiteren Aktivitäten und Planungen berücksichtigen wird. 7. Welche Unterschiede gibt es hinsichtlich der Herkunftsländer der Migrantinnen und Migranten im Hinblick auf den Grad und die Art der Aktivität in Migrantin- — 6 — nen-/Migrantenorganisationen? Wie verhält es sich in diesem Zusammenhang mit der Partizipation von Frauen in Migrantinnen-/Migrantenselbstorganisationen ? Zwischen herkunftsbezogenen Migrantinnen-/Migrantenorganisationen sind Unterschiede in der Ausrichtung und den Organisationsformen zu beobachten. Das bundesweit zu beobachtende Phänomen, dass die Frage der Dauer der Beheimatung für das Selbstverständnis und demzufolge eigene Aktivitätsschwerpunkte für Migrantinnen-/Migrantenorganisationen relevant sind, ist auch im Land Bremen zu beobachten. Langjährig im Land Bremen etablierte Gruppen, wie die Zuwanderungsgruppen und ihre Familien aus den früheren Gastarbeiter -Herkunftsländern, wenden sich erkennbar Themen zu, die durch die demografische Entwicklung an Bedeutung gewinnen. Beispielhaft seien hier die Fragen der Teilhabe älterer Migrantinnen und Migranten erwähnt, die sich verstärkt Fragen der Gesundheit, Pflege und Beratung zu Leben im Alter zuwenden . Migrantinnen-/Migrantenorganisationen sind nicht nur eigenständige zivilgesellschaftliche Akteure der Integrationspolitik, sondern engagieren sich häufig auch für ihre Herkunftsländer, indem sie dort Entwicklungsprojekte durchführen oder entwicklungspolitische Bildungs- und Informationsarbeit leisten. Dieses Verständnis zweier Hauptaufgaben ist zum Beispiel bei vielen afrikastämmigen Organisationen stark ausgeprägt. In der jüngeren Vergangenheit sind insbesondere afrikanische Gruppen sehr aktiv, sich in diesem Rahmen einzubringen . Eine Einbindung in die entwicklungspolitische Bildungsarbeit, die in Bremen insbesondere durch zivilgesellschaftlichen entwicklungspolitische NROs (Nichtregierungsorganisation) durchgeführt wird, erfolgt seit langem themenund anlassbezogen, d. h. es werden bremische Referentinnen und Referenten mit Migrationshintergrund aus lateinamerikanischen, afrikanischen und asiatischen Ländern eingebunden. Zur generellen Beteiligung von Frauen an Migrantinnen-/Migrantenorganisationen liegen dem Senat keine detaillierten Erkenntnisse vor. Bekannt sind jedoch frauenspezifische Organisationen, die sich aus Frauen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Herkunft, religiöser und politischer Zugehörigkeit zusammensetzen . Die Zielsetzung ist, durch Veranstaltungen, Projekte und Bildungsarbeit , Menschen mit Migrationshintergrund in ihrem Integrationsprozess zu unterstützen und als Sprachrohr für Migrantinnen zu agieren. Dabei unterstützt die internationale Zusammensetzung die Frauen unterschiedlicher kultureller und sozialer Herkunft, sich mit unterschiedlichen Denk- und Handlungsweisen auseinanderzusetzen und darüber ein neues Selbst- und Fremdverständnis zu entwickeln. Daneben gibt es stadtteil- und herkunftsbezogen z. B. auch Frauengruppen in Moschee-Vereinen oder in interkulturellen Treffpunkten, wie Mütterzentren , Häusern der Familie oder anderen Stadtteilinstitutionen. Grundsätzlich trägt die Organisation von Frauen innerhalb von Migrantinnen-/ Migrantenorganisationen zur besseren Vernetzung und Informationslage der Frauen und Familien bei. Dies kann zur Stärkung der Rolle von Frauen, ihrem Aktivierungspotenzial und ihrer Teilhabe bedeuten. Festzuhalten ist, dass Frauen die Instrumente der Selbsthilfe nutzen: die Mehrzahl der geförderten Projekte aus dem Fonds zur Selbsthilfe und Förderung von Migrantinnen-/ Migrantenorganisationen und zur Förderung interkultureller Projekte betreffen Projekte von Frauen für Frauen. Nichtsdestotrotz erweist sich der Zugang zu frauenspezifischen Gruppen – zu differenzieren nach kulturellen und Herkunftszusammenhängen – oftmals als schwierig. Hier müssten Erkenntnisse aus der Weiterbildung und Bildung genutzt werden, um Zugangswege zu befördern. 8. Gibt es Unterschiede hinsichtlich der Anzahl und der Art der Migrantinnen-/ Migrantenorganisationen zwischen Bremen und Bremerhaven? Konkrete Erhebungen oder Daten zur Erfassung von Migrantinnen-/Migrantenorganiationen liegen für die beiden Städte nicht vor. Nach Einschätzung des Senats und des Magistrats sind keine grundlegenden Unterschiede zwischen Bremen und Bremerhaven erkennbar. 9. In welcher Organisationsform treten Migrantinnen-/Migrantenorganisationen in der Regel auf? — 7 — Migrantinnen-/Migrantenorganisationen organisieren sich häufig als Vereine. Daneben existieren auch viele informelle Organisationsformen. Eine statistische Erfassung erfolgt nicht. 10. Welche Rolle können diese Organisationen im Rahmen der Bemühungen um Bildungsintegration spielen, insbesondere bei den Aufgaben der Sprachförderung und der Mehrsprachigkeit? Die Kultusministerinnen und Kultusminister der Bundesrepublik Deutschland, der Bremer Senat sowie die Migrantinnen-/Migrantenorganisationen in Deutschland sehen sich gemeinsam in der Verantwortung für die Bildung von Kindern und Jugendlichen. Sie erkennen die große Bedeutung der Eltern für eine erfolgreiche Bildungsbiografie von Kindern und Jugendlichen und deren Bildungsbeteiligung an. Die gemeinsame Erklärung der Kultusministerkonferenz (KMK) mit den Migrantinnen-/Migrantenorganisationen in Deutschland legt daher den Schwerpunkt auf die Entwicklung von Bildungs- und Erziehungspartnerschaften zwischen Schulen und Eltern. Diese gemeinsame Erklärung ist unter der Federführung des Landes Bremens entstanden. Die genannte Empfehlung sowie Erklärungen der KMK sowie des nationalen Integrationsplans etc. werden vom Bremer Senat aktiv aufgegriffen und finden Eingang in den Entwicklungsplan Migration und Bildung. Der Bremer Senat und die Migrantinnen-/Migrantenorganisationen haben in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Weiterentwicklung von Bildungs- und Erziehungspartnerschaften intensiviert bzw. auf den Weg gebracht. Sie verbindet der Grundsatz, die soziale, kulturelle und ethnische Vielfalt in der Schule als Chance zu sehen und im Rahmen der interkulturellen Öffnung pädagogisch zur Entfaltung zu bringen. Die Migrantinnen-/Migrantenorganisationen sind in diesem Prozess wichtige Impulsgeber und Kooperationspartner für die Bildungsbehörde und die Schulen. Sie engagieren sich mit dem Ziel, die Bildungssituation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu verbessern. Gemeinsam mit den Migrantinnen-/Migrantenorganisationen führte die Bildungsbehörde im Zuge der Umsetzung der Bremer Schulreform eine Reihe von zielgruppenspezifischen Informationsveranstaltungen für Eltern durch. Zudem wurden gemeinsam Veranstaltungen durchgeführt, die die Bildungsbeteiligung und den Bildungserfolg einzelner Migrantinnen-/Migrantengruppen thematisierten . Im Rahmen des Entwicklungsplans Migration und Bildung wurden Migrantinnen-/ Migrantenorganisationen besonders im Bereich der Konzepterstellung für die Elternpartizipation aktiv mit einbezogen. Anlassbezogen eingebunden werden sie zudem bei der Erstellung und Abstimmung von Bildungsplänen. Im Rahmen von Lernen vor Ort wurden eine Reihe von Projekten und Veranstaltungen gemeinsam mit Migrantinnen-/Migrantenorganisationen konzipiert und erfolgreich an Schulen durchgeführt. Bei interkulturellen Konflikten innerhalb der Schulen werden von Schulbehörde und Schulen anlassbezogen Migrantinnen-/Migrantenorganisationen bei der Suche nach Lösungen mit einbezogen und als hilfreiche Partner geschätzt. Sämtliche herkunftsprachliche Angebote an Schulen werden von der Bildungsbehörde mit Migrantinnen-/Migrantenorganisationen abgestimmt, die besonders bei der Entwicklung von herkunftssprachlichen Angeboten sehr wichtige Impulse gesetzt haben. Dies trifft insbesondere für die Qualitätsentwicklung des Türkischunterrichts zu. Einzelne Migrantinnen-/Migrantenorganisationen führen Projekte an einer Reihe von Schulen durch, um die Bildungsbeteiligung und den Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund zu verbessern. Einige Schulen führen über Geldmittel für sozialintegrative Maßnahmen seit Jahren gemeinsame Projekte für Schülerinnen und Schüler durch. Ebenso bieten eine Vielzahl von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen Angebote wie Hausaufgabenhilfen etc. an. — 8 — 11. Welche Rolle können Migrantinnen-/Migrantenorganisationen in Bremen und Bremerhaven, insbesondere bei der Erleichterung des Zugangs zum Arbeitsmarkt , für Migrantinnen und Migranten spielen? In die Planung und Steuerung des ESF ist der Bremer Rat für Integration systematisch u. a. als offizielles Mitglied des ESF-Begleitausschusses eingebunden. Der Einbezug von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen in den Planungsund Steuerungsprozess ist in der neuen ESF-Förderperiode ab 2014 bis 2020 themenbezogen verstärkt geplant. Dabei soll an die guten Erfahrungen der ausgelaufenen Förderperiode angeknüpft werden. Hier wurden u. a. mit Vertreterinnen und Vertretern von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen, der Bürgerschaft , des Jobcenters und arbeitsmarktpolitischer Dienstleister im Stadtteil Gröpelingen die Gründe für die begrenzte Zielerreichung bei langzeitarbeitslosen Menschen mit Migrationshintergrund sowie entsprechende Verbesserungsmöglichkeiten und -strategien erörtert. Ansonsten sollen die Erfahrungen und Kompetenzen von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen bei zielgruppenspezifischen Modellprojekten einbezogen werden. Als ein Beispiel guter Einbindung von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen kann ein aus ESF-Mitteln gefördertes Modellprojekt in Gröpelingen angeführt werden. Es bietet arbeitslosen Migrantinnen und Migranten Beschäftigungsmöglichkeiten in verschiedenen Tätigkeitsfeldern. Übergeordnetes Ziel ist es, den Anteil von Migrantinnen und Migranten an Maßnahmen der beruflichen Bildung zu erhöhen sowie den Transfer von Know-how über Durchführungsanforderungen des ESF und der Beschäftigungsförderung und Qualifizierung Langzeitarbeitsloser an Migrantinnen-/Migrantenorganisationen einzuleiten. Durch die direkte Einbeziehung von wohnortnahen Migrantinnen-/Migrantenorganisationen konnten erste Erfolge erzielt werden. Die Chancengleichheit von Menschen mit Migrationshintergrund ist sowohl ein Querschnittsziel des Europäischen Sozialfonds im Land Bremen als auch des Beschäftigungspolitischen Aktionsprogramms. Die Einbeziehung des Know-how von Migrantinnen-/Migrantenorganisationen in die Planung und Umsetzung von vor allem lokal ausgerichteten Aktivitäten in diesem Rahmen ist eine Bedingung für deren Erfolg. Druck: Anker-Druck Bremen