— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1526 Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 15. Juli 2014 Kita-Besuch von Kindern im Drogenumfeld „Kevin, Chantal und Yagmur haben in den letzten Jahren bundesweit traurige Bekanntheit erlangt. Sie wurden bereits im Drogenumfeld geboren und von ihren drogenabhängigen Eltern bzw. Pflegeeltern misshandelt und zu Tode geprügelt. In allen Fällen zeigte sich, dass die zuständigen Jugendämter u. a. aufgrund von Arbeitsüberlastung , mangelnden Informationsaustausches und fehlenden oder nichtbeachteten fachlichen Weisungen zu spät oder gar nicht reagierten. Obwohl es inzwischen sowohl in Bremen, als auch auf Bundesebene zu deutlichen gesetzlichen Nachbesserungen im Bereich Kinder im Drogenumfeld gekommen ist, weisen aktuelle Haarproben aus Bremen und Bremerhaven immer wieder darauf hin, dass Kinder im Drogenumfeld bis heute nicht ausreichend geschützt sind. Die erschreckenden Zahlen über betroffene Kinder legen den Schluss nahe, dass das Kontrollsystem nach wie vor Mängel aufweist und Kinder und Jugendliche durch den Drogenkonsum ihrer Eltern nach wie vor akuten Gefährdungen ausgesetzt sind. Insbesondere den Bereich Prävention betreffend stellte auch der am 6. Juni 2014 in der staatlichen Deputation für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen vorgelegte Dreijahresbericht zum Stand und zur Weiterentwicklung der Hilfen zur Erziehung am Projektstandort Walle und zur Übertragung der Ergebnisse des Projekts in andere Sozialzentren fest: „Die häufig zu geringe personelle und finanzielle Ausstattung der Jugendämter hat derzeit oft zur Folge, dass im Bereich der Prävention und in wichtigen Phasen der Hilfeplanung sowohl die Bedarfserhebung im Einzelfall, als auch die strukturelle Jungendhilfeplanung unzulänglich sind. Diagnostik und Fallsteuerung sind daher oft mangelhaft und lassen Hilfepotenziale im Sozialraum unberücksichtigt.“ Im Fall Yagmur im benachbarten Hamburg zeigte sich zudem, welche kriminelle Energie drogenabhängige Eltern aufbringen, um Gewalt gegenüber ihren Kindern zu verdecken. Nachdem die Kindertageseinrichtung, die Yagmur besuchte, auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung aufmerksam gemacht hatte, wurde das Kind von seinen Eltern umgehend dort abgemeldet und besuchte fortan keine Einrichtung mehr. Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse plant der Hamburger Senator für Arbeit, Soziales, Familie und Integration deshalb eine Krippen- bzw. Kindergartenpflicht für Kinder unter sechs Jahren aus Familien, bei denen Sorge um das Kindeswohl besteht, einzuführen. Sollten die Eltern nicht freiwillig einwilligen, ist vorgesehen, entsprechende Urteile beim zuständigen Familiengericht zu erwirken. Die Rolle der Kindertageseinrichtungen im Frühwarnsystem zur und bei der Prävention von Kindeswohlgefährdung soll zudem insgesamt gestärkt werden. Wir fragen den Senat: 1. Wie viele Kinder unter sechs Jahren werden derzeit in Bremen und Bremerhaven wegen ihres familiären Drogenumfeldes von den Jugendämtern betreut (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? 2. Wie viele dieser Kinder besuchen derzeit regelmäßig und in welchem Umfang eine Kindertageseinrichtung, einen Spielkreis oder eine Tagesmutter (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden und Einrichtungen)? — 2 — 3. Wie werden Erzieherinnen bzw. Tagesmütter und andere Mitarbeiter von Betreuungseinrichtungen derzeit für den Bereich Kindeswohlgefährdung sensibilisiert? Wie viele Auffälligkeiten wurden aus den Einrichtungen seit 2011 jeweils an die Jugendämter weitergegeben? Welche datenschutzrechtlichen Probleme bestehen (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? 4. Wie viele dieser Kinder wurden seit 2011 von ihren Eltern vom Besuch einer Einrichtung in Bremen und Bremerhaven abgemeldet (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Welche Mechanismen bestehen, damit diese Kinder den Kita-Besuch fortsetzen, und nicht wie im Fall Yagmur aus dem staatlichen Betreuungssystem verschwinden (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? 5. Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen für die Jugendämter in Zusammenarbeit mit den Familiengerichten auf den Besuch einer Betreuungseinrichtung hinzuwirken? In wie vielen Fällen wurde seit 2011 jeweils ein Kita-Besuch angeordnet (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und Stadtgemeinden)? 6. Mit welchen Mitteln wird derzeit von verschiedenen Akteuren des staatlichen Hilfesystems auf Eltern aus dem Drogenumfeld eingewirkt, um sie von den Vorteilen eines frühzeitigen Kita-Besuches ihrer Kinder und einer Anmeldung zu überzeugen? Welche Probleme treten dabei auf (bitte jeweils aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? 7. Wie wird derzeit in Bremen und Bremerhaven versucht, die Eltern von Kindern aus dem Drogenumfeld in die Elternarbeit in den Kindertageseinrichtungen einzubinden? Welche gemeinsamen Angebote für Eltern und Kinder bestehen? Welche Probleme treten dabei auf (bitte jeweils aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden )? 8. Wie gestaltet sich derzeit die Kooperation zwischen den Jugendämtern in Bremen und Bremerhaven und den Kindertageseinrichtungen? Welche verbindlichen Strukturen einer Zusammenarbeit sind im Bereich Kindeswohlgefährdung festgelegt? Sieht der Senat an dieser Stelle Defizite? 9. Wie bewertet der Senat die Vorschläge des Hamburger Senats, eine Krippenbzw . Kita-Pflicht für gefährdete Kinder aus dem Drogenumfeld einzuführen? Sandra Ahrens, Silvia Neumeyer, Thomas Röwekamp und Fraktion der CDU D a z u Antwort des Senats vom 26. August 2014 Vorbemerkungen Gemäß § 24 Absatz 1 Ziffer 1 SGB VIII ist bereits mit Wirkung zum 1. August 2013 gesetzlich geregelt, dass ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern ist, wenn diese Leistung für seine Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist. Diese für Kinder mit besonderen Entwicklungs- und Förderbedarfen geltende Rechtsvorschrift ist in Abstimmung zwischen Bund und Ländern, insbesondere auch unter den Aspekten Kinderschutz und Prävention, ins Sozialgesetzbuch SGB VIII aufgenommen worden. § 5 des Ortsgesetzes zur Aufnahme von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege der Stadtgemeinde Bremen (Aufnahmeortsgesetz – BremAOG vom 28. Januar 2014) sieht dementsprechend vor, dass auch Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in eine Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege aufzunehmen sind, wenn das Amt für Soziale Dienste bestätigt, dass diese Leistung für die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist. Die Kinder werden auch dann in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege aufgenommen, wenn die Eltern nicht erwerbstätig oder in Ausbildung/Qualifizierung sind. Kindern mit Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung ab dem ersten Lebensjahr oder einen Kindergartenplatz wird der tägliche Betreuungsumfang gewährt, der aus Sicht des Jugendamtes erforderlich ist. Erhält — 3 — eine Einrichtung insgesamt mehr Anmeldungen, als Plätze zu vergeben sind, sind die betreffenden Kinder gemäß § 6 des BremAOG vorrangig aufzunehmen. Dabei sind nach § 4 des Bremischen Tageseinrichtungs- und Kindertagespflegegesetzes für Kinder unter drei Jahren insbesondere Krippen sowie alterserweiterte Kindergartengruppen geeignet, die der Betreuung und Förderung von Kindern dienen, die aus individuellen oder familialen Gründen ein umfassendes und verlässliches sozialpädagogisches Angebot benötigen. 1. Wie viele Kinder unter sechs Jahren werden derzeit in Bremen und Bremerhaven wegen ihres familiären Drogenumfeldes von den Jugendämtern betreut (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Wie der Senat zu vorausgegangenen Anfragen betreffend Kinder im Drogenumfeld (z. B. Drucksache 18/1203) dargelegt hat, stehen über die technischen Erfassungssysteme der Stadtgemeinde Bremen zu Hilfen und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt keine zielgruppenspezifischen Auswertungsmerkmale zur Verfügung. Diese wären zudem datenschutzrechtlich unzulässig. Auch Daten zur zielgruppenspezifischen Anzahl von Kindeswohlgefährdungsmeldungen werden bisher im Datenverarbeitungssystem OK.JUG des Amtes für Soziale Dienste nicht gesondert erfasst und liegen daher nicht vor. 2. Wie viele dieser Kinder besuchen derzeit regelmäßig und in welchem Umfang eine Kindertageseinrichtung, einen Spielkreis oder eine Tagesmutter (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden und Einrichtungen)? Siehe Antwort zu Frage 1. Gleiches gilt für Auswertungen zu einzelnen Meldergruppen wie z. B. Einrichtungen der Kindertagesbetreuung. Die Weitergabe von Sozialdaten im Sinne des § 8a SGB VIII durch Einrichtungen der Kindertagesbetreuung an das Jugendamt im Vorfeld von (vermuteter) Kindeswohlgefährdung finden in beiden Stadtgemeinden bisher ausschließlich im Rahmen von gemeinsamen Gesprächen im Zuge der Hilfeplanung statt. Aus oben genannten Gründen liegen keine Einzelfallauswertungen über die Anzahl dieser Kontakte vor. Auf Grundlage des zum 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Bundeskinderschutzgesetzes werden nach Auswertung der erstmals in 2013 durchgängig erfassten Meldungen zur Bundesstatistik zukünftig in beiden Stadtgemeinden Datenreihen nach Meldergruppen zur Verfügung stehen. Auch diese werden jedoch keine Zuordnung zu einzelnen Zielgruppen der Kinder- und Jugendhilfe ermöglichen. 3. Wie werden Erzieherinnen bzw. Tagesmütter und andere Mitarbeiter von Betreuungseinrichtungen derzeit für den Bereich Kindeswohlgefährdung sensibilisiert? Wie viele Auffälligkeiten wurden aus den Einrichtungen seit 2011 jeweils an die Jugendämter weitergegeben? Welche datenschutzrechtlichen Probleme bestehen (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Das Thema Kindeswohlsicherung ist Bestandteil sowohl im trägerübergreifenden Fortbildungsprogramm zur frühkindlichen Bildung, als auch in der trägerinternen Fachberatung und Fortbildung der Stadtgemeinde Bremen. Anknüpfend an die vom zuständigen Fachressort zum Handlungsfeld Kinderschutz erarbeiteten Handlungsorientierungen und Richtlinien „Bremer Qualitätsstandard – Zusammenarbeit im Kinderschutz (2009)“ und „Das Bremer Konzept (2010)“ sowie die Vereinbarung zur „Sicherstellung des Schutzauftrags nach § 8a Absatz 2 SGB VIII zwischen dem Amt für Soziale Dienste – Jugendamt der Stadtgemeinde Bremen – und den freien Trägern der Jugendhilfe/Leistungsanbietern für die Einrichtungen der Kindertagesbetreuung der Stadtgemeinde Bremen (Juni 2010)“, hat beispielweise der Eigenbetrieb KiTa Bremen die Projektgruppe „Kinderschutz bei KiTa Bremen – Prävention und Intervention bei Kindeswohlgefährdung“ gebildet. In drei Teilprojekten wurde die Qualifizierung der Leitungskräfte in der Zentrale, der Fachberatungen sowie der Leitungs- und pädagogischen Fachkräfte in den Einrichtungen geplant; eine empirische Untersuchung durchgeführt und die Prozessqualität entwickelt. Die Materialien und Informationen aus der Projektgruppe wurden veröffentlicht (2010 bis 2013). Es wurden bei KiTa Bremen zehn insoweit erfahrene Fachkräfte für den Kinderschutz qualifiziert, die die Einrichtungen auf Anfrage beraten und unterstützen. — 4 — Auch in der Stadtgemeinde Bremerhaven hat das Jugendamt mit allen Kooperationspartnerinnen /Kooperationspartnern bereits 2010 eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen, in der die verbindlichen Abläufe festgelegt sind. Zusätzlich wurden in der Stadtgemeinde bereits 34 Fachkräfte aus den städtischen Kindertageseinrichtungen/Betreuungseinrichtungen für Kinder und 25 Fachkräfte aus den Einrichtungen der freien Träger zu insoweit erfahrenen Fachkräften nach § 8a SGB VIII weitergebildet, die die Einrichtungen beraten und unterstützen. Die genannten Vereinbarungen zum Kinderschutz sind seinerzeit mit der Landesdatenschutzbeauftragten abgestimmt worden. Im Übrigen gelten die gesetzlichen Regelungen zum Sozialdatenschutz, die Bestimmungen zur Zusammenarbeit im Kinderschutz nach § 8a SGB VIII sowie nach § 4 KKG. Ein darüber hinausgehendes datenschutzrechtliches Problem ist dem Senat nicht bekannt. 4. Wie viele dieser Kinder wurden seit 2011 von ihren Eltern vom Besuch einer Einrichtung in Bremen und Bremerhaven abgemeldet (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Welche Mechanismen bestehen, damit diese Kinder den Kita-Besuch fortsetzen, und nicht wie im Fall Yagmur, aus dem staatlichen Betreuungssystem verschwinden (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Zu den erfragten Daten bestehen in beiden Stadtgemeinden keine gesonderten Erfassungs- und Dokumentationssysteme. Vergleiche auch Antworten zu den Fragen 1 und 2. In beiden Stadtgemeinden wird gemäß § 24 Absatz 1 Ziffer 1 SGB VIII über die Jugendämter dafür Sorge getragen, dass Kinder der Zielgruppe im Rahmen der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII für Hilfen zur Erziehung einen verbindlichen Zugang zur Kindertagesbetreuung erhalten. In der Stadtgemeinde Bremen wurde seitens der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen bereits vor Inkrafttreten der Neuregelungen zu § 24 SGB VIII ein Fachverfahren zur Sicherstellung der Kindertagesbetreuung entwickelt, das insbesondere auch für Kinder substituierter und drogenabhängiger Eltern Anwendung findet. Das Verfahren regelt die Zugangssteuerung für das Casemanagement und ist Teil des zielgruppenspezifischen Handlungskonzeptes des Ressorts. Wie zu vorausgegangenen parlamentarischen Anfragen und in den zuständigen Fachgremien dargelegt, schließt das Jugendamt auf Grundlage der für diesen Arbeitsbereich geltenden fachlichen Weisungen – soweit bekannt bereits vor der Geburt eines Kindes – mit den Eltern/Personensorgeberechtigten zudem einen verbindlichen Kontrakt zur Sicherung des Kindeswohls. Dieser Kontrakt ist Bestandteil der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII und wird – unter Einbeziehung weiterer Fachdienste und Beteiligter – regelmäßig überprüft und fortgeschrieben. Soweit das Kind in einer Kindertagesbetreuung (Krippe, Kindergartengruppe, Tagespflege oder Ähnliches) betreut wird, gehört die datenschutzrechtlich abgesicherte Rückmeldung zwischen den beteiligten Institutionen und Fachkräften über die Einhaltung des Kontraktes zu den Fachstandards und Aufgaben des Casemanagement. In Bremerhaven schließt das Amt für Jugend, Familie und Frauen hierzu Kontrollverträge mit den betroffenen Eltern ab. Der Besuch einer öffentlichen Einrichtung ist Bestandteil dieses Vertrages und wird durch das Jugendamt sehr engmaschig überwacht. 5. Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen für die Jugendämter in Zusammenarbeit mit den Familiengerichten auf den Besuch einer Betreuungseinrichtung hinzuwirken? In wie vielen Fällen wurde seit 2011 jeweils ein Kita-Besuch angeordnet (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und Stadtgemeinden)? Im Gegensatz zur allgemeinen Schulpflicht besteht keine allgemeine Pflicht für Eltern, ihre Kinder in eine Tagesbetreuung zu schicken. Das in Familienrechtsangelegenheiten für die Familiengerichte einschlägige Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ermöglicht den Familienrichterinnen und — 5 — Familienrichtern, gegenüber den Eltern bzw. Personensorgeberechtigten eine Vielzahl von Auflagen und Pflichten zur Sicherstellung des Kindeswohls auszusprechen . Die im Verfahren beteiligten Jugendämter sprechen dem Gericht gegenüber ihre Empfehlungen und Erwartungen im Rahmen der Hilfeplanung aus. Über die Anzahl von Auflagen gegenüber der Zielgruppe, eine Betreuungseinrichtung in Anspruch zu nehmen, liegen weder in den Jugendämtern, noch bei den Familiengerichten Dokumentationssysteme oder Sonderauswertungen vor. Da der Besuch einer Betreuungseinrichtung bzw. die Inanspruchnahme einer Kindertagespflege in der Regel auch aus Sicht der Eltern/Personensorgeberechtigten eine Entlastung darstellt und als eine gute frühe Fördermöglichkeit für ihr Kind gesehen wird, wird dieses Angebot gern in Anspruch genommen. Sollten sich Eltern aufgrund einer Suchterkrankung in Bezug auf den Besuch des Angebotes als nicht zuverlässig erweisen, erfolgt auf Grundlage der mit den Leistungserbringern getroffenen Vereinbarungen nach § 8a SGB VIII eine entsprechende unterstützende Hilfe bzw. eine Gefährdungsmeldung und Intervention der Jugendämter. Diese kann zu einer vorübergehenden Herausnahme des Kindes durch Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII bis hin zu einem Antrag der Jugendämter auf Sorgerechtsentzug durch das Familiengericht reichen. 6. Mit welchen Mitteln wird derzeit von verschiedenen Akteuren des staatlichen Hilfesystems auf Eltern aus dem Drogenumfeld eingewirkt, um sie von den Vorteilen eines frühzeitigen Kita-Besuches ihrer Kinder und einer Anmeldung zu überzeugen? Welche Probleme treten dabei auf (bitte jeweils aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Siehe Antworten zu den Fragen 4 und 5. Über den im Zusammenhang mit der fachlichen Weisung „Umgang mit Kindern substituierter bzw. drogenabhängiger Mütter/Väter bzw. Eltern“ vom 1. März 2009 etablierten Fachbeirat Drogen sind in der Stadtgemeinde Bremen alle für das zielgruppenspezifische Netzwerk relevanten Kooperationspartner und Fachdienste des Jugendhilfe- und Gesundheitssystems sowie der Drogenhilfe über die Hilfemöglichkeiten der Kinder- und Jugendhilfe unterrichtet, in deren Umsetzung eingebunden und an der fortlaufenden Qualitätssicherung beteiligt. Dies sichert ein bereichsübergreifend und interdisziplinär abgestimmtes gemeinsames fachliches Vorgehen. Die Bereitstellung eines Betreuungsangebotes zur Kindertagesbetreuung gehört einvernehmlich zu den notwendigen und geeigneten Angeboten. Auf der Grundlage des § 36 SGB VIII gilt dies auch für die Stadtgemeinde Bremerhaven . 7. Wie wird derzeit in Bremen und Bremerhaven versucht, die Eltern von Kindern aus dem Drogenumfeld in die Elternarbeit in den Kindertageseinrichtungen einzubinden? Welche gemeinsamen Angebote für Eltern und Kinder bestehen? Welche Probleme treten dabei auf (bitte jeweils aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden )? Die Zusammenarbeit mit allen Eltern spielt für eine kontinuierliche Bildung und Betreuung von Kindern im Elementarbereich eine zentrale Rolle. Sie hat zum Ziel, eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Kindertageseinrichtung und Elternhaus zum Wohl des Kindes zu etablieren und lebendig zu gestalten. Das Thema Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Einrichtung ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal der frühkindlichen Bildung. Die Elternarbeit der Kindertageseinrichtungen bezieht dementsprechend alle Eltern ein und differenziert nicht danach, ob bei einem Elternteil eine Drogenabhängigkeit vorliegt oder nicht. Dies gilt auch für die vielen Angebote in Kindertageseinrichtungen, die Eltern wie Kinder gleichermaßen einbeziehen (z. B. Festlichkeiten, Ausflüge). Unabhängig davon findet einzelfallbezogen eine enge Kooperation im Rahmen der Hilfeplanung statt, sofern es Hinweise auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung gibt (siehe Antwort zu Frage 8). Darüber hinausgehende Probleme in Bezug auf die allgemeine Elternarbeit sind dem Senat nicht bekannt. In dem für beide Stadtgemeinden entwickelten „Bremer Rahmenplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich“ werden die verschiedenen Facetten — 6 — der Zusammenarbeit im Kapitel 6 (Die Arbeit der Fachkräfte) dargestellt und erläutert. An die pädagogischen Fachkräfte werden hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Eltern hohe Anforderungen gestellt, sie benötigen daher spezifische Kompetenzen , um den damit verbundenen Aufgaben angemessen begegnen zu können. Im Rahmen des trägerübergreifenden Fortbildungsprogramms werden diverse Fortbildungen zum Thema Zusammenarbeit mit Eltern /Erziehungspartnerschaft angeboten. 8. Wie gestaltet sich derzeit die Kooperation zwischen den Jugendämtern in Bremen und Bremerhaven und den Kindertageseinrichtungen? Welche verbindlichen Strukturen einer Zusammenarbeit sind im Bereich Kindeswohlgefährdung festgelegt? Sieht der Senat an dieser Stelle Defizite? Zu den bestehenden fachspezifischen Handreichungen und Vereinbarungen zwischen den Jugendämtern der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven und den Trägern der Kindertagesbetreuung siehe Antwort zu Frage 3. Nach diesen Vereinbarungen gestaltet sich die Kooperation in der Praxis. Die gemäß § 8a Absatz 4 SGB VIII in der Stadtgemeinde Bremen mit den Trägern geschlossene flächendeckende Rahmenvereinbarung enthält gesetzliche Hinweise, Verfahrensregelungen sowie altersspezifische Beobachtungsbögen bzw. Vordrucke zur Gefährdungsdiagnostik und weiteres Informationsmaterial zum Kinderschutz und ist damit eine fachlich fundierte Basis der verbindlichen Zusammenarbeit zur Umsetzung der Schutzmaßnahmen nach § 8a SGB VIII. Wie unter Frage 3 berichtet, hat z. B. KiTa Bremen zusätzliche trägerinterne Qualitätssicherungsverfahren entwickelt. Über die dargestellten Fortbildungsmaßnahmen erfolgt bei allen Trägern eine fortlaufende Qualitätsentwicklung. Zusätzlich ist über die Arbeitsgemeinschaft „Kindertagesbetreuung“ nach § 78 SGB VIII eine trägerübergreifende Rückkopplung gewährleistet und erfolgt im Bedarfsfall eine Fortentwicklung. Zwischen dem Jugendamt Bremen und den Kindertageseinrichtungen gibt es darüber hinaus eine enge Kooperation sowohl auf struktureller Ebene als auch auf der Ebene des jeweiligen Einzelfalls. Die Kindertageseinrichtungen sind in die in den jeweiligen Sozialräumen bestehenden Netzwerke eingebunden, teilweise finden übergeordnete Fachtage und/oder Klausuren zum Thema Kinderschutz statt. Auch auf der Ebene des jeweiligen Einzelfalls gibt es Kooperationen zwischen dem jeweiligen Casemanagement und der Kindertageseinrichtung , die sich in der Tiefe und Frequenz aus dem jeweiligen Einzelfall definieren. Insbesondere bei Kindern aus dem Drogenumfeld findet gemäß der oben genannten fachlichen Weisung einzelfallbezogen eine enge Kooperation statt. Wie bereits ausgeführt, wird in den mit den Eltern zu schließenden Kontrakten für die entsprechende Zielgruppe als Auflage regelmäßig der Besuch einer Kindertageseinrichtung vereinbart. Bei Nichteinhaltung informieren die Kindertageseinrichtungen das Casemanagement. Bei Nichteinhaltung seitens der Sorgeberechtigten besteht die Möglichkeit Inobhutnahme und der Anrufung des Familiengerichtes (siehe auch Antwort zu Frage 5). In der Stadtgemeinde Bremerhaven findet einmal jährlich der „Runde Tisch Kinderschutz“ aller beteiligten Akteure statt, der als festen Tagesordnungspunkt auch die Reflexion über die Kooperationsvereinbarung und eventuelle Änderungen /Verbesserungen beinhaltet. Von den einzelnen Verfahrensbeteiligten sind derzeit nach Auskunft des zuständigen Fachreferates keine konkreten Änderungsbedarfe benannt. Unabhängig davon soll perspektivisch eine Gesamtauswertung und gegebenenfalls Überarbeitung der Verfahren erfolgen. 9. Wie bewertet der Senat die Vorschläge des Hamburger Senats, eine Krippenbzw . Kita-Pflicht für gefährdete Kinder aus dem Drogenumfeld einzuführen? Durch die oben genannten Verfahren, insbesondere durch die oben genannten fachlichen Weisungen bzw. Fachverfahren zum Umgang mit substituierten bzw. drogenabhängigen Eltern, ist gewährleistet, dass in beiden Stadtgemeinden durchgängig und verbindlich auf die Inanspruchnahme der Kindertagesbetreuung hingewirkt wird und der Zugang gesichert ist. Vor diesem Hintergrund sieht — 7 — der Senat keinen sachlichen Anlass für eine zielgruppenbezogene gesonderte landes- oder ortsgesetzliche Verpflichtung. Der Senat sieht sich zudem der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung verpflichtet, die das in Artikel 6 des Grundgesetzes verbriefte Elternrecht für die ihrer jeweiligen Lebenssituation entsprechende Pflege und Erziehung ihrer Kinder herausstellt und dem staatlichen Wächteramt erst dann Eingriffsbefugnisse zum Schutz des Kindeswohls gibt, wenn im besonderen Einzelfall Eltern nachweislich ihr Elternrecht missbrauchen und bei der Ausübung der elterlichen Sorge versagen. Die Gewährung von Jugendhilfeleistungen, also auch von Leistungen der Kindertagesförderung, gegen den Willen der Eltern ist demnach grundsätzlich nicht zulässig. Der Senat sieht sich jedoch in der gesellschaftspolitischen Verantwortung, möglichst früh alle Eltern für den Besuch einer Bildungseinrichtung ihrer Kinder zu gewinnen, um deren Chancengleichheit zu fördern und zu wahren. Hierbei bemüht sich der Senat besonders um die Eltern, die bisher nicht genügend erreicht werden konnten und gemäß dem oben genannten gesetzlichen Auftrag in § 24 Absatz 1 Ziffer 1 SGB VIII gezielt auch um die Kinder, für die eine Kindertagesförderung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist. Druck: Anker-Druck Bremen