— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1535 Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 15. Juli 2014 Wassersperren für Mieter zukünftig vermeiden Neben den Stromsperren ist in Bremen und in Bremerhaven in den letzten Jahren auch die Zahl der Wassersperren deutlich angestiegen. Dabei wird Mietern von Mehrfamilienhäusern oft unverschuldet das Wasser abgesperrt, weil ihr Vermieter die von ihnen geleisteten Abschläge nicht an die Stadtwerke Bremen AG (swb AG) weitergeleitet hat. Für die betroffenen Menschen bedeutet eine Wassersperre allerdings , dass sie ohne Trinkwasser und sanitäre Anlagen leben müssen und auf die Hilfe von Nachbarn und Freiwilligen angewiesen sind. In der Antwort auf die Kleine Anfrage „Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht“ (Drs. 18/1016) teilte der Senat dazu Folgendes mit: „Bei einer (drohenden) Sperrung der Wasserzufuhr ist grundsätzlich von einer faktischen Unbewohnbarkeit einer Wohnung auszugehen und damit von einer Notlage, die der bei (drohender) Wohnungslosigkeit entspricht.“ Im jüngsten Fall einer Wassersperre in Aumund leben seit rund drei Monaten etwa 25 Personen, darunter viele Kinder, ohne Wasserversorgung. Eine Lösung scheint schwierig, da der Vermieter nicht in der Lage ist, die Nachforderungen der swb AG zu begleichen. Einzellösungen mit den Mietern scheiterten ebenfalls daran, dass die Mieter die Vorauszahlungen der swb AG aufgrund ihrer persönlichen Lebenslage nicht leisten können. Vor diesem Hintergrund ist deshalb generell zu klären, wie Wassersperren, besonders mit Blick auf säumige Vermieter, in Zukunft vermieden werden können. Wir fragen den Senat: 1. Wie viele Fälle von Wassersperren gab es seit 2011 in Bremen und Bremerhaven? In wie vielen Fällen ist das Wasser aktuell gesperrt (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden und Stadtteilen)? 2. Wie oft wurde das Wasser gesperrt, weil ein Vermieter die Wasserabschläge der Mieter Abschläge nicht an die swb AG weitergeleitet hatte (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? 3. Wie viele Wohneinheiten und wie viele Menschen waren durchschnittlich von Wassersperren betroffen, die durch Vermieter verursacht wurden? Wie viele von ihnen waren Kinder und Jugendliche (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden )? 4. Wie lange dauerten diese Wassersperren? Welche Gründe führten seit 2011 jeweils zur Aufhebung einer solchen Wassersperre in Bremen und Bremerhaven (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? 5. In welcher Höhe haben die swb Bremen bzw. Bremerhaven derzeit Ausstände durch nicht bezahlte Wasserlieferungen? Auf welchem Weg wird in der Regel versucht, diese Ausstände beizutreiben? Wie viel Prozent dieser Ausstände wurden jeweils durch Wassersperren und die nachfolgenden Formalitäten verursacht (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? 6. Welche Kosten müssen von säumigen Kunden durchschnittlich nachbezahlt werden , um die Wassersperren zu beheben? Gibt es dabei Unterschiede zwischen Bremen und Bremerhaven? — 2 — 7. In wie vielen Fällen von Wassersperren war die Sozialsenatorin oder der Sozialdezernent der Stadt Bremerhaven seit 2011 vermittelnd tätig, und mit welchen Ergebnissen? 8. In wie vielen Fällen mussten die betroffenen Mieter in neuen Wohnraum umziehen ? Wie vielen Mietern wurden durch das Amt für Soziale Dienste Wohnungen vermittelt? Wie viele Mieter suchten sich selbst eine Wohnung? Wer bezahlte jeweils für den Umzug der Mieter? 9. Hält der Senat die Schaffung eines Härtefallfonds nach dem Vorbild Hannovers, auch nach Gesprächen mit der swb AG, für praktikabel? Wie und durch wen sollte ein solcher Fonds nach Ansicht des Senats in Bremen in Anspruch genommen werden können? Wie hoch müsste ein solcher Fonds in Bremen sein? Sigrid Grönert, Silvia Neumeyer, Thomas Röwekamp und Fraktion der CDU D a z u Antwort des Senats vom 2. September 2014 1. Wie viele Fälle von Wassersperren gab es seit 2011 in Bremen und Bremerhaven? In wie vielen Fällen ist das Wasser aktuell gesperrt (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden und Stadtteilen)? Jährliche Zahlen der Sperren in Bremen und Bremerhaven: Davon Sperrungen Wasser Freie Hanse- Davon gesamt stadt Bremen Bremerhaven 2011 601 494 107 2012 689 561 128 2013 847 711 136 Die Zahl der Sperren ist nicht gleichbedeutend mit der Anzahl betroffener Haushalte . Es kommt häufiger vor, dass ein und derselbe Haushalt mehrmals im Jahr gesperrt wird. Das reduziert die Anzahl der tatsächlich betroffenen Haushalte. Anderseits können in einem Mehrfamilienhaus durch eine Wassersperre mehrere Wohneinheiten gleichzeitig betroffen sein. Eine Auswertung nach Stadtteilen erfolgt nicht. Zur Zahl der aktuellen Sperrungen kann nach Auskunft der swb keine derzeit verlässliche Aussage getroffen werden, da sich diese täglich ändert. 2. Wie oft wurde das Wasser gesperrt, weil ein Vermieter die Wasserabschläge der Mieter Abschläge nicht an die swb AG weitergeleitet hatte (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? 3. Wie viele Wohneinheiten und wie viele Menschen waren durchschnittlich von Wassersperren betroffen, die durch Vermieter verursacht wurden? Wie viele von ihnen waren Kinder und Jugendliche (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden )? Die Fragen 2 und 3 können nicht beantwortet werden. Sowohl die swb-Gesellschaft als auch die swb Vertrieb GmbH, die für die Kundenbeziehungen verantwortlich ist, haben keinen Einblick in das Binnenverhältnis zwischen Mieter und Vermieter. Deshalb ist es swb nicht bekannt, ob Mieter ihre Wasserabschläge an den Vermieter gezahlt haben und ob der Vermieter diese ordnungsgemäß weitergeleitet hat. Vertragspartner der swb für Mehrfamilienhäuser und Mietshäuser sind entweder der Hausbesitzer oder die von ihm eingesetzte Hausverwaltung. Der Vertrag mit dem Eigentümer enthält weder Angaben zur Anzahl der Bewohner noch zu deren Alter, schon gar nicht über die Familiensituation der Haushalte . Auch wenn swb direkt Verträge aus anderen Lieferverträgen mit den Kunden hat, sammelt und speichert das Unternehmen keine Daten über die privaten Lebensverhältnisse der Haushalte. Derlei Angaben sind für die Erbringung — 3 — der Dienstleistung nicht relevant und auch aus Datenschutzgründen nicht zulässig . 4. Wie lange dauerten diese Wassersperren? Welche Gründe führten seit 2011 jeweils zur Aufhebung einer solchen Wassersperre in Bremen und Bremerhaven (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Unabhängig vom Ort dauert nach Aussage von swb eine Wassersperre unterschiedlich lang. Sie reicht von einem Tag bis hin zu mehreren Monaten. Die Dauer ist allein abhängig vom Verhalten des Kunden. Wenn sofort nach der Sperrung bezahlt wird, wird die Sperre nach einem Tag aufgehoben. Wenn keine Zahlung erfolgt, wird die Sperre aufrechterhalten. Eine Wassersperre wird aufgehoben, wenn die Schulden bezahlt werden. 5. In welcher Höhe haben die swb Bremen bzw. Bremerhaven derzeit Ausstände durch nicht bezahlte Wasserlieferungen? Auf welchem Weg wird in der Regel versucht diese Ausstände beizutreiben? Wie viel Prozent dieser Ausstände wurden jeweils durch Wassersperren und die nachfolgenden Formalitäten verursacht (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Nach Aussage der swb beziehen deren Kunden im Regelfall neben Wasser auch Erdgas/Fernwärme und Strom, für die normalerweise ein gemeinsamer monatlicher Abschlagsbetrag erhoben wird. Aufgelaufene Schulden können demzufolge nicht eindeutig einer Sparte zugeordnet werden. In Bremen und Bremerhaven belaufen sich die Abschreibungen bei swb auf uneinbringliche Forderungen für die Sparten Strom, Erdgas, Wasser und Wärme auf rund 2,7 Mio. ‡ jährlich. Die swb teilt mit, dass der Standardprozess vorsieht, dass bei säumigen Zahlern zunächst Strom gesperrt wird und erst, wenn auch dann noch keine Zahlungen erfolgen, der Wasseranschluss gesperrt wird. Folgende Kosten fallen bei swb Vertrieb für Mahnungen und Sperrungen an: • Schriftliche Mahnung bei fälligen Abschlags- oder Rechnungsbeträgen: 4,50 ‡, • Wegekosten im Rahmen eines Kassierwegs oder Sperrversuchs: 40,56 ‡, • im Falle der Unterbrechung sowie der Wiederherstellung der Versorgung: 85,76 ‡. Welchen Anteil die Sperrkosten an den Gesamtschulden haben, hängt von der Höhe der Gesamtschulden ab bzw. davon, wie schnell ein Kunde seine Angelegenheit zu regeln versucht. Die Schritte, die swb ergreift, um die Schuldner zum Zahlen zu bewegen, sind nach Rückfrage folgende: Kommt ein Kunde, aus welchen persönlichen Gründen auch immer, in Zahlungsverzug , bemüht sich die swb Vertrieb GmbH, mit ihm eine Zahlungsvereinbarung zu treffen. Um nicht erst große Summen auflaufen zu lassen, werden die Kunden bereits bei relativ niedrigen Rückständen (Ausbleiben einer Abschlagszahlung ) an ihre Zahlungsverpflichtung erinnert. Die swb Vertrieb GmbH empfiehlt allen Kunden, die ihre Energie- und Wasserrechnung kurzfristig nicht zahlen können, sich stets bei swb zu melden, um gemeinsam nach individuellen Lösungen zu suchen (z. B. Ratenzahlungsvereinbarungen, Wechsel in einen günstigeren Tarif). Für Kunden der swb Vertrieb GmbH ist auch die Beratung in den Kundencentern kostenlos. Dort werden u. a. Energieberater mit dem Kunden den Energie- und Wasserverbrauch systematisch analysieren und gemeinsam mit dem Kunden nach Einsparpotenzialen suchen. Mit einem reduzierten Verbrauch lassen sich die Kosten dauerhaft senken. Sollte ein Kunde jedoch auch nach der Erinnerung nicht zahlen, so erfolgt nach zwei Mahnungen die letzte Zahlungsaufforderung vor der Liefersperre. Reagiert der Kunde darauf immer noch nicht, kommt es zur Sperrung und zur Titulierung der Forderung. 6. Welche Kosten müssen von säumigen Kunden durchschnittlich nachbezahlt werden, um die Wassersperren zu beheben? Gibt es dabei Unterschiede zwischen Bremen und Bremerhaven? — 4 — Durchschnittswerte werden bei swb nicht ermittelt. Zu zahlen ist nach Aussage der swb der jeweils offene Rechnungsbetrag. Grundsätzlich müssen sämtliche angefallenen Kosten zum Stichtag beglichen werden, um die Voraussetzung zu schaffen, dass die Liefersperre aufgehoben werden kann. Dies unterscheidet sich in Bremen nicht zu Bremerhaven. 7. In wie vielen Fällen von Wassersperren war die Sozialsenatorin oder der Sozialdezernent der Stadt Bremerhaven seit 2011 vermittelnd tätig, und mit welchen Ergebnissen? Eine vermittelnde Tätigkeit des Sozialdezernenten der Stadt Bremerhaven war nicht erforderlich und hat entsprechend nicht stattgefunden. Die Behörde der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen in Bremen war in mehreren Fällen vermittelnd tätig. Das Ressort hat die im Sozialraum beteiligten Akteure zusammengebracht und beratend unterstützt. Im Falle einer angedrohten Sperre in Bremen-Huchting im Jahr 2012 konnte eine Wassersperre vermieden werden . 8. In wie vielen Fällen mussten die betroffenen Mieter in neuen Wohnraum umziehen ? Wie vielen Mietern wurden durch das Amt für Soziale Dienste Wohnungen vermittelt? Wie viele Mieter suchten sich selbst eine Wohnung? Wer bezahlte jeweils für den Umzug der Mieter? Die Frage kann nicht beantwortet werden, da die Gründe für einen Umzug nicht gesondert zahlenmäßig erfasst werden. In Einzelfällen kommt es vor, dass sich Personen an die Zentrale Fachstelle Wohnen (ZFW) des Amtes für Soziale Dienste in Bremen wenden, weil ihr Vermieter die Strom- und/oder Wasserrechnung nicht bezahlt hat. Im Rahmen der Beratung wird gegebenenfalls bei der Wohnungssuche und Neuanmietung unterstützt . Die Unterstützungsleistung für einen Umzug richtet sich nach dem Bedarf der Betroffenen. Sowohl die Jobcenter in Bremen und Bremerhaven als auch das Amt für Soziale Dienste in Bremen und das Sozialamt in Bremerhaven erkennen in derartigen Fällen Umzugserforderlichkeiten von Transferleistungsberechtigten an und übernehmen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und geltenden Weisungen die erforderlichen Umzugskosten. 9. Hält der Senat die Schaffung eines Härtefallfonds nach dem Vorbild Hannovers, auch nach Gesprächen mit der swb AG, für praktikabel? Wie und durch wen sollte ein solcher Fonds nach Ansicht des Senats in Bremen in Anspruch genommen werden können? Wie hoch müsste ein solcher Fonds in Bremen sein? Das Auflegen eines Härtefonds oder Sozialfonds zur Abwendung von Sperrungen der Wasser- und Energieversorgung ist aus Sicht der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen grundsätzlich zu begrüßen. Ein solcher Fonds kann je nach Ausgestaltung zu einer noch besseren Kooperation und Zusammenarbeit zwischen Versorgungsunternehmen und Sozialbehörden führen. Er sollte neben Privatkunden auch in Notlagen helfen können, in denen Vermieter ihren Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommen. Das Sozialressort wird mit der swb AG entsprechende Gespräche aufnehmen. Allerdings wird ein solcher Härtefallfonds ohne Beteiligung der Stadtgemeinde Bremen zu finanzieren sein (analog dem enercity Härtefonds). Druck: Anker-Druck Bremen