— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1785 Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 6.Februar 2015 Änderung der Nutzungsentgelte des Netzbetreibers: höhere Grundpreise für private Stromkundinnen und Stromkunden? Der Strompreis für Privatkundinnen und Privatkunden setzt sich aus einem Grundpreis und dem Arbeitspreis je verbrauchter Kilowattstunde (kWh) zusammen. Seit der Liberalisierung des Strommarkts kann jedes Unternehmen seinen Strom überall in Deutschland anbieten und verkaufen. Da die Stromnetze nicht im Besitz der Anbieterunternehmen sind, zahlen die Unternehmen Netznutzungsentgelte an die Netzeigentümer. In Bremen betreiben die wesernetz Bremen GmbH und die wesernetz Bremerhaven GmbH die Wasser- und Energienetze. Diese Unternehmen gehören zum swb-Konzern. Bremen bzw. Bremerhaven sind mit jeweils 25,1 % an den beiden kommunalen Netzbetreibern beteiligt. Für Kleinverbraucherinnen und Kleinverbraucher wurde bis Ende 2014 das Netznutzungsentgelt ausschließlich pro Kilowattstunde berechnet. Zum 1. Januar 2015 haben die bremischen Netzbetreiber wesernetz Bremen GmbH und wesernetz Bremerhaven GmbH ihre Netznutzungsentgelte geändert: Zwar sanken die Arbeitstarife , im gleichen Zug wird jedoch ein zusätzlicher Bruttogrundpreis von 29,75 ‡ pro Jahr auf alle Kleinkundinnen und Kleinkunden erhoben. Für Verbraucherinnen und Verbraucher, die weniger als ungefähr 2 900 kWh Strom pro Jahr beziehen, sind damit die Netznutzungsentgelte gestiegen. Einige Unternehmen haben dies zum Anlass genommen, den gestiegenen Grundpreis an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben . Dies hat dann für sparsame Kleinverbraucherinnen und Kleinverbraucher (insbesondere Singlehaushalte) steigende Stromkosten zur Folge, auch wenn der Verbrauch gleich geblieben ist. Das Leitbild gerechter Strompreise für Haushalte und Industrie, das schon bei der Befreiung von EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz) und Stromsteuern keine Anwendung findet (Stichwort „Industrierabatte“), wird damit weiter untergraben. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Welche Initiativen auf Bundesebene hat der Senat unternommen bzw. unterstützt , um dem Ziel gerechter Strompreise, wie von der Bürgerschaft (Landtag) beschlossen (Drs. 18/598 vom 10. Oktober 2012), näherzukommen? 2. Mit welcher Begründung haben die bremischen Netzbetreiber (wesernetz Bremen GmbH und wesernetz Bremerhaven GmbH) einen Grundpreis für die Netznutzung für Kleinkundinnen und Kleinkunden eingeführt? 3. Rechnen die bremischen Netzbetreiber durch die geänderte Entgeltordnung insgesamt mit höheren Einnahmen? 4. Wie stellen sich die Netznutzungsentgelte in Bremen und Bremerhaven im nationalen Vergleich dar? 5. Haben die bremischen Kommunen als Anteilseignerinnen Einfluss auf die Gestaltung der Entgeltordnung der Netzbetreiber? 6. Wie müsste aus Sicht des Senats die Regulierung der Netznutzungsentgelte (geregelt in der Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen ) weiterentwickelt werden, damit das Ziel verursachergerechter Strompreise erreicht werden kann? — 2 — 7. Wie bewertet der Senat in diesem Zusammenhang die Forderung nach leistungsabhängigen Netznutzungsentgelten, insbesondere für stromintensive Unternehmen , die die Netze besonders belasten? Dr. Anne Schierenbeck, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen D a z u Antwort des Senats vom 17. März 2015 1. Welche Initiativen auf Bundesebene hat der Senat unternommen bzw. unterstützt , um dem Ziel gerechter Strompreise, wie von der Bürgerschaft (Landtag) beschlossen (Drs. 18/598 vom 10. Oktober 2012), näherzukommen? Die Bürgerschaft (Landtag) hat den Senat mit dem damaligen Beschluss aufgefordert , bei Novellierungen des EEG, KWKG (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) und des EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) darauf hinzuwirken, dass alle Verbrauchergruppen angemessen an den Kosten für erneuerbare Energien, KraftWärme -Kopplung, Netzausbau und Netznutzung beteiligt werden. Ausnahmeregelungen sollten nach transparenten Kriterien auf stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb begrenzt und die teure „Marktprämie“ aus dem EEG gestrichen werden. Mit der Novellierung des EEG in 2014 wurde die bisher zusätzlich zur Einspeisevergütung gewährte Prämie bei einer Direktvermarktung (Managementprämie oder Marktprämie) abgeschafft. Für Neuanlagen ist die Direktvermarktung weitgehend verpflichtend geworden. Auch die Ausnahmeregelungen für energieintensive Unternehmen bei der Zahlung der EEG-Umlage wurden geändert. Der Senat hat im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für das EEG verschiedene Änderungsanträge unterstützt, die das Ziel verfolgt haben, die Ausnahmetatbestände auf das wirklich notwendige Maß zu reduzieren und damit die Lasten besser zu verteilen. Die Novelle des KWKG steht noch aus. Die Bundesregierung hat diese für Ende 2015 angekündigt. Die Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) ist bereits 2013 novelliert worden. Vorausgegangen war eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, nach der eine vollständige Befreiung von den Netzentgelten nach dem Energiewirtschaftsgesetz nicht zulässig ist und auch europarechtlich eine nicht diskriminierende und kostenbezogene Regelung der Netzentgelte geboten ist. Statt der vollständigen Befreiung wurde ein nach der Höhe der jährlichen Benutzungsstunden gestaffeltes Mindestentgelt von 10 % bis 20 % des Netzentgelts eingeführt . Außerdem wird bei der Berechnung der Höhe des individuellen Netzentgelts berücksichtigt, welchen Entlastungsbeitrag bei den Netzkosten die stromintensiven Verbraucher tatsächlich leisten. 2. Mit welcher Begründung haben die bremischen Netzbetreiber (wesernetz Bremen GmbH und wesernetz Bremerhaven GmbH) einen Grundpreis für die Netznutzung für Kleinkunden und Kleinkundinnen eingeführt? Die swb AG hat hierzu mitgeteilt, dass die wesernetz Bremen GmbH und wesernetz Bremerhaven GmbH bei den Netzentgelten einen Grundpreis für Strom eingeführt haben, um eine größere Verursachergerechtigkeit bei den Netzentgelten zu bewirken. Die gesamten Bereitstellungskosten seien durch eine Kombination von Grundpreis (verbrauchsunabhängig) und Arbeitspreis (verbrauchsabhängig ) gedeckt. Da die Bereitstellung der Netze auch unabhängig von den durchgeleiteten Strommengen Kosten verursache, sei ein Grundpreis sachgerecht . Die Einführung des Grundpreises sei ausdrücklich im § 17 der Stromnetzentgeltverordnung erlaubt und vorgesehen. Grund- und Arbeitspreis müssten in einem angemessenen Verhältnis stehen. Deshalb sei ein niedriger branchenüblicher Grundpreis gewählt worden. — 3 — Druck: Anker-Druck Bremen 3. Rechnen die bremischen Netzbetreiber durch die geänderte Entgeltordnung insgesamt mit höheren Einnahmen? Die swb AG hat hierzu mitgeteilt, dass aufgrund der Änderung der Entgeltsystematik keine Mehr- oder Mindererlöse generiert würden. Die Einführung des Grundpreises diene lediglich der höheren Verursachergerechtigkeit. Die von der Bundesnetzagentur auf Basis der gesetzlichen Bestimmungen genehmigten Erlöse für das Jahr 2015 hätten sich durch die Einführung der Grundpreise nicht geändert. 4. Wie stellen sich die Netznutzungsentgelte in Bremen und Bremerhaven im nationalen Vergleich dar? Die Netzentgelte für Strom in Bremen und Bremerhaven liegen nach einer Betrachtung der Bundesnetzagentur1) für die Jahre 2009 und 2014 niedriger als in vielen anderen Netzen. Im deutschlandweiten Vergleich gehört das Netz in der Stadtgemeinde Bremen zu den wenigen Netzen mit besonders niedrigen Netzentgelten . Die Einstufung der Höhe der Netzentgelte in Bremen und Bremerhaven durch die Bundesnetzagentur hat sich im zeitlichen Vergleich 2014 zu 2009 nicht verändert. Die weit überwiegende Zahl der Netze in Deutschland ist 2014 demgegenüber einer Stufe mit höheren Netzentgelten zugeordnet worden als im Jahr 2009. 5. Haben die bremischen Kommunen als Anteilseignerinnen Einfluss auf die Gestaltung der Entgeltordnung der Netzbetreiber? In der Eigenschaft als Anteilseignerinnen haben die bremischen Kommunen keinen Einfluss auf die Gestaltung der Entgeltordnung der Netzbetreiber. 6. Wie müsste aus Sicht des Senats die Regulierung der Netznutzungsentgelte (geregelt in der Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen ) weiterentwickelt werden, damit das Ziel verursachergerechter Strompreise erreicht werden kann? § 16 Abs. 1 Satz 1 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) bestimmt bereits heute, dass die Zuteilung der Kosten auf die Netznutzer möglichst verursachungsgerecht zu erfolgen hat. Der Senat hält diesen Ansatz für sachgerecht. Entsprechend den Regulierungsvorschriften der StromNEV sind die Kosten für Errichtung , Erhaltung und Betrieb des Netzes je Spannungsebene zu ermitteln und über die Netznutzungsentgelte auf die jeweiligen Netznutzer umzulegen. Die entsprechend ermittelten Netznutzungsentgelte werden so zum Bestandteil der Strompreise aller Letztverbraucher. Im Zuge der Energiewende erfährt die Struktur der Netznutzung deutliche Änderungen . Der Ausbau der dezentralen Stromerzeugung, der Verbrauch von selbst erzeugtem Strom und ein steigender Anteil wetterbedingt fluktuierender Stromeinspeisung führen zunehmend auch zu neuen Anforderungen an die Stromnetze. Die Diskussion darüber, ob das heutige Vorgehen bei der Regulierung und darüber hinaus der durch die StromNEV in der geltenden Form gesetzte regulatorische Rahmen den neuen Anforderungen gerecht werden und ob auch unter diesen Bedingungen eine verursachergerechte Umlage der Netzkosten auf die Nutzer gewährleistet ist, hat gerade erst begonnen. 7. Wie bewertet der Senat in diesem Zusammenhang die Forderung nach leistungsabhängigen Netznutzungsentgelten, insbesondere für stromintensive Unternehmen , die die Netze besonders belasten? Nach der StromNEV besteht das Netzentgelt im Bereich der leistungsgemessenen Kunden, zu denen auch die stromintensiven Unternehmen gehören, aus einem Jahresleistungspreis in Euro je Kilowatt und einem Arbeitspreis in Cent je kWh. Die Leistungsabhängigkeit der Netzentgelte von stromintensiven Unternehmen ist damit gegeben. ––––––– 1) Siehe Bundesnetzagentur (Heinz Werner Gottlob). Ein Überblick zu den Stromverteilernetz- entgelten in Deutschland, Vortrag auf der 6. Göttinger Energietagung im März 2014, veröffentlicht unter http://www.efzn.de/uploads/media/01_Heinz_Werner_Gottlob.pdf