— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1786 Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 9. Februar 2015 Strategien zur Bekämpfung von Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft Deutschland hat sich international verpflichtet, gegen Menschenhandel vorzugehen und sich für die Rechte der Betroffenen auf Schadenersatz für erlittene Verletzungen oder Lohn für geleistete Arbeit einzusetzen. Diese Rechte gelten auf Grundlage der allgemeinen Menschenrechte unabhängig vom Aufenthaltsstatus oder von der Arbeitserlaubnis . 2005 wurde der Straftatbestand § 233 Strafgesetzbuch (StGB) Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft eingeführt (MH/A). Dieser ist erfüllt, wenn eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der „auslandsspezifischen Hilflosigkeit“ in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse gebracht wird. Insbesondere in unregulierten Bereichen mit niedrigen Löhnen und einem hohen Anteil an Leiharbeit wie der Bauwirtschaft, dem Pflegebereich oder der Fleischverarbeitung gibt es ein hohes Risiko für Beschäftigte innerhalb ohnehin schon ausbeuterischer Beschäftigungsverhältnisse diese extremste Form von Arbeitsausbeutung zu erfahren . Der Kenntnisstand zur tatsächlichen Ausprägung und zum Ausmaß der komplexen Problematik ist gering. In der Praxis kommt diese Strafvorschrift kaum zur Anwendung . Experten führen in Untersuchungen als Gründe für die geringe Fallzahl u. a. hohe Anforderungen an die Nachweisbarkeit des Straftatbestands sowie unzureichende Unterstützungsangebote mit zu hohen Zugangshürden für Betroffene an (Cyrus 2005, Cyrus u. a. 2010, KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e. V. 2011). Aufgrund dieser massiven Kritik ist auf Bundesebene nun eine umfassende Neukonzeption des Tatbestands Menschenhandel und die Einführung eines eigenständigen differenzierteren Tatbestands der (schweren) Arbeitsausbeutung geplant. Auch Bremen sollte diese Problematik stärker als bisher in den Blick nehmen und nachhaltige Maßnahmen zur Bekämpfung und Prävention von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung entwickeln und Betroffene bei der Durchsetzung ihrer Rechte und Ansprüche unterstützen. Wir fragen den Senat: 1. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik ist im Jahr 2013 im Land Bremen lediglich ein Verfahren aufgrund des Verdachts des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft eingeleitet worden. Wie war der Ausgang des Verfahrens ? 2. Wie viele Verfahren aufgrund des Verdachts des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft sind 2014 im Land Bremen eingeleitet worden? 3. Welche Unterstützungsstrukturen gibt es im Land Bremen derzeit speziell für Betroffene von MH/A? 4. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, sich stärker für die Stärkung der Chancen der Betroffenen auf Durchsetzung ihrer rechtlichen Ansprüche einzusetzen? 5. Was unternimmt die Landesregierung zur Gewährleistung der notwendigen Sensibilisierung und Weiterbildung relevanter Akteure (Behörden, Gewerkschaf- — 2 — ten, Beratungsstellen für Migrantinnen/Migranten, Arbeitsagenturen) für die Einhaltung von Verpflichtungen, die in der EU zur strafrechtlichen Verfolgung von MH/A und zur Unterstützung Betroffener bei Durchsetzung ihrer Rechte bestehen ? 6. Welche Branchen sind nach Auffassung des Senats im Land Bremen besonders anfällig für extreme Arbeitsausbeutung und sollten daher vorrangig in einen präventiven Ansatz einbezogen werden? 7. Aus welchen Gründen wurde beim runden Tisch „Menschenhandel“ in Bremen der Arbeitsschwerpunkt bislang ausschließlich auf das Problemfeld Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gelegt? 8. Gibt es Pläne, die Arbeitsschwerpunkte des rundes Tisches „Menschenhandel“ um das Problemfeld Arbeitsausbeutung zu erweitern oder hierfür einen gesonderten runden Tisch einzurichten? 9. Welche Maßnahmen hat der Senat auf Bundesebene ergriffen, um sich zur Stärkung des Opferschutzes für eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes dahingehend einzusetzen, dass Betroffenen ein vom Strafverfahren und der Aussagebereitschaft unabhängiger Aufenthaltstitel erteilt wird (siehe Mitteilung des Senats vom 8. Oktober 2013, Drs. 18/1085)? 10. Wie bewertet der Senat Vorschläge von Experten, den bisherigen Tatbestand „Förderung des Menschenhandels“ (§ 233a) als neuen § 232 StGB (Menschenhandel ) zu fassen, ergänzt durch Normen zu den einzelnen Ausbeutungsformen sowie die Einführung der Tatbestände „Arbeitsausbeutung“ (als § 291 StGB) und „schwere Arbeitsausbeutung“ (als § 291a) (Renzikowski 2014)? 11. Wie bewertet der Senat die Empfehlungen aus einer Studie für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales für einen breiteren Unterstützungsansatz für Betroffene, der auch minderschwere Fälle mit einbezieht, die strafrechtlich nicht den Tatbestand des Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung erfüllen mögen, und einen Schwerpunkt auf die Stärkung der Rechtssicherheit und Konfliktfähigkeit der Betroffenen und eine vermehrte aufsuchende Hilfe legt (Cyrus und Gatzke 2011)? 12. Wie bewertet der Senat Forderungen nach Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Betroffene beim Bundesamt für Justiz? Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE D a z u Antwort des Senats vom 17. März 2015 1. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik ist im Jahr 2013 im Land Bremen lediglich ein Verfahren aufgrund des Verdachts des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft eingeleitet worden. Wie war der Ausgang des Verfahrens ? Die Staatsanwaltschaft Bremen hat kein Verfahren wegen des Vorwurfs des Menschenhandels zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft nach § 233 StGB eingeleitet. Das Verfahren wurde vielmehr wegen Förderung des Menschenhandels nach § 233a StGB geführt, wobei der Beschuldigte verdächtig war, einem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB) Vorschub geleistet zu haben. Das Verfahren ist nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden, weil dem Beschuldigten die Tat nicht nachgewiesen werden konnte. 2. Wie viele Verfahren aufgrund des Verdachts des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft sind 2014 im Land Bremen eingeleitet worden? Im Jahr 2014 ist kein Verfahren aufgrund des Verdachts des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft eingeleitet worden. 3. Welche Unterstützungsstrukturen gibt es im Land Bremen derzeit speziell für Betroffene von MH/A? — 3 — Auf Initiative des Bundeskriminalamts finden seit 2006 turnusmäßig Fachtagungen der Leiterinnen beziehungsweise Leiter der für die Bekämpfung des Menschenhandels zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft zuständigen Fachdienststellen der Landeskriminalämter statt, an denen für das Landeskriminalamt Bremen jeweils die Sachgebietsleitung des Fachkommissariats K 54 (Migrations- und Arbeitsmarktdelikte) teilgenommen hat. Zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Fachtagungen gehören zudem Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Beratungsstellen (z. B. KOK Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e. V.), Gewerkschaften (IG Bau, NGG), kirchlicher Verbände und weiterer Behörden. Anlässlich der Fachtagung im Jahr 2010 haben sich die Tagungsteilnehmenden dafür ausgesprochen, den jeweiligen Gegebenheiten entsprechend „runde Tische “ mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Behörden und von Nichtregierungsorganisationen ins Leben zu rufen. Dem folgend hat das K 54 im Jahr 2010 mit dem Diakonischen Werk Bremen e. V. (Beratungsstelle gegen Arbeitsausbeutung ) zur Identifizierung und Unterstützung potenzieller Opfer und zum Erkennen von Tatstrukturen eine Zusammenarbeit mit festen Ansprechpartnern auf beiden Seiten vereinbart. In diesem Kontext haben bereits mehrere Veranstaltungen zum gegenseitigen Informationsaustausch stattgefunden. Konkrete Sachverhalte des Menschenhandels zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft , in denen es zu einer fallbezogenen Zusammenarbeit und Opferbetreuung gekommen ist, haben bisher nicht vorgelegen. Daneben besteht bereits seit 2008 eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit und Informationsaustausch mit dem Hauptzollamt Bremen, Fachabteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS). Das Deliktsfeld Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft wird in Bremerhaven grundsätzlich vom Zoll (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) bearbeitet. Daneben hat der Präventionsrat in Bremerhaven eine AG Menschenhandel eingerichtet, die auf der Ausarbeitung des runden Tisches basierend feststellen wird, ob und in welcher Form sich der Präventionsrat in diesem Themenfeld engagieren kann. 4. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, sich stärker für die Stärkung der Chancen der Betroffenen auf Durchsetzung ihrer rechtlichen Ansprüche einzusetzen? Soweit es sich um arbeitsrechtliche Ansprüche handelt, sind diese grundsätzlich individuell durchzusetzen. Ein Problem besteht darin, dass die Durchsetzung von Rechten aufgrund von besonderen Zwangslagen erschwert oder faktisch verwehrt sein kann. Soweit Behörden Kenntnis von solchen Zwangslagen erhalten , handeln sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Möglichkeiten. Beispielsweise zielt die Arbeit der für den Arbeitsschutz zuständigen Gewerbeaufsicht originär auf die Kontrolle der Vorgaben arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Erkrankungen ab. Weiterhin umfasst die Arbeit die Beratung des Arbeitgebers zu seinen Pflichten und zur rechtskonformen Anwendung der Vorschriften. Die Arbeitsschutzbehörden sind nach § 23 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet , bei konkreten Anhaltspunkten für Verstöße gegen sonstiges Recht mit anderen Behörden zu kooperieren. So arbeitet die Gewerbeaufsicht z. B. beim Thema Schwarzarbeit mit dem Zoll zusammen und gibt in Verdachtsfällen entsprechende Hinweise. Dies gilt auch bei Verdacht von Verstößen gegen bestehende Regelungen zum Aufenthalt oder zur Arbeitnehmerüberlassung. 5. Was unternimmt die Landesregierung zur Gewährleistung der notwendigen Sensibilisierung und Weiterbildung relevanter Akteure (Behörden, Gewerkschaften , Beratungsstellen für Migrantinnen/Migranten, Arbeitsagenturen) für die Einhaltung von Verpflichtungen, die in der EU zur strafrechtlichen Verfolgung von MH/A und zur Unterstützung Betroffener bei Durchsetzung ihrer Rechte bestehen ? Anlässlich der in der Antwort zu Frage 3 erwähnten Fachtagung im Jahr 2010 wurde vereinbart, dass das Bundeskriminalamt in Abstimmung mit den Fachdienststellen der Landeskriminalämter für den polizeilichen Bereich eine Broschüre und einen Flyer (ähnlich der aus anderen Phänomenbereichen bekannten Taschenkarte) entwirft. Dieser wird den örtlichen zuständigen Einsatzkräften — 4 — über die Landeskriminalämter zur Verfügung gestellt, um sie über den Phänomenbereich Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft zu informieren und zu sensibilisieren. Außerdem sollen ihnen Indikatoren zum Erkennen von Fällen des Menschenhandels zum Zwecke der Arbeitsausbeutung im Zuge von Kontrollmaßnahmen oder anderweitigen polizeilichen Einsätzen an die Hand gegeben werden. Die Unterlagen stehen mittlerweile seit 2012 zur Verfügung. Den Polizeien Bremen und Bremerhaven (überwiegend Dienststellen des schutzpolizeilichen Einsatzdienstes und der Kriminalpolizei) sind nach vorheriger Bedarfserhebung vom K 54 insgesamt 180 Broschüren und 830 Flyer zur Verfügung gestellt worden. Begleitend wurde auf Veranlassung des K 54 eine Mitarbeiterinformation in das Intranet der Polizei eingestellt. Darüber hinaus wurden die Unterlagen der Fachabteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Hauptzollamts Bremen sowie den regionalen Beratungsstellen des Diakonischen Werkes Bremen e. V. zur internen Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter durch das Fachkommissariat zur Verfügung gestellt. In den Jahren 2011 und 2015 hat jeweils ein Mitarbeiter des K 54 an dem vom Bundeskriminalamt ausgerichteten Speziallehrgang Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft teilgenommen, die ihre Kenntnisse im Zuge der dienststelleninternen Aus- und Fortbildung als Multiplikatoren weitervermitteln . 6. Welche Branchen sind nach Auffassung des Senats im Land Bremen besonders anfällig für extreme Arbeitsausbeutung und sollten daher vorrangig in einen präventiven Ansatz einbezogen werden? Allgemein gelten vor allem die Branchen Gastronomie, Baugewerbe, kommerzieller Gemüseanbau (Erntehelfer) und industrielle Tierschlachtung (Schlachthöfe ) als besonders anfällig für Arbeitsausbeutung. Konkrete, auf das Land Bremen bezogene, Erkenntnisse liegen den Behörden nicht vor. 7. Aus welchen Gründen wurde beim runden Tisch „Menschenhandel“ in Bremen der Arbeitsschwerpunkt bislang ausschließlich auf das Problemfeld Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung gelegt? Die Befassung des runden Tisches „Menschenhandel“ zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung ist historisch gewachsen und hat sich wie auch andere runde Tische und die Bund-Länder-AG Menschenhandel zunächst auf diesen Schwerpunkt verständigt. Der runde Tisch „Menschenhandel“ in Bremen hat die Aufgabe , zur Verbesserung der Lebenslagen von Betroffenen von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung beizutragen sowie die Beratungsarbeit der Beratungsstelle für Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution (BBMeZ) im Verein für Innere Mission in Bremen zu unterstützen. Ausgerichtet wird der runde Tisch von der Beratungsstelle BBMeZ. Der Vorsitz liegt zurzeit beim Diakonischen Werk. Die für den runden Tisch nötigen Ressourcen stellen die benannten Einrichtungen. Der runde Tisch besteht aus etwa 20 bis 25 Personen , was positiv für die Arbeitsfähigkeit ist. 8. Gibt es Pläne, die Arbeitsschwerpunkte des rundes Tisches „Menschenhandel“ um das Problemfeld Arbeitsausbeutung zu erweitern oder hierfür einen gesonderten runden Tisch einzurichten? Menschenhandel, vor allem Frauenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung , ist und war ein großer Teilbereich von Menschenhandel insgesamt. In Bremen hat es eine engagierte Initiative für von Frauenhandel und Zwangsprostitution betroffene Frauen gegeben. Inzwischen ist auch das Thema Menschenhandel und Arbeitsausbeutung auf unterschiedlichen Ebenen stärker im Fokus. So gibt es Fachleute aus dem runden Tisch, die aus anderen Zusammenhängen mit der erweiterten Thematik zu tun haben und diese Aspekte auch immer wieder einbringen. So hat beispielsweise das Diakonische Werk ein Modellprojekt durchgeführt und ist auch weiterhin an der Thematik interessiert. Der runde Tisch hat in seiner Sitzung vom 13. Februar 2015 darüber diskutiert, seinen Arbeitsschwerpunkt zu erweitern. Dabei wurde die Fokussierung auf den — 5 — bestehenden Schwerpunkt beschlossen. Für eine Beibehaltung des Schwerpunkts waren folgende Überlegungen ausschlaggebend: Eine Erweiterung kann dazu führen, dass das Thema Frauenhandel mit seinen besonderen Anforderungen nicht mehr angemessen bearbeitet werden kann. Bei einer Erweiterung müssten viele weitere Akteure hinzugezogen werden. Dies würde die Arbeitsfähigkeit des runden Tisches infrage stellen. Ob ein eigener runder Tisch für den Bereich Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft eingesetzt werden soll, ist noch nicht abschließend geklärt. Zur Klärung dieser Frage ist eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des bestehenden runden Tisches eingesetzt worden. 9. Welche Maßnahmen hat der Senat auf Bundesebene ergriffen, um sich zur Stärkung des Opferschutzes für eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes dahingehend einzusetzen, dass Betroffenen ein vom Strafverfahren und der Aussagebereitschaft unabhängiger Aufenthaltstitel erteilt wird (siehe Mitteilung des Senats vom 8. Oktober 2013, Drs. 18/1085)? Der geltende § 25 Abs. 4a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) sieht vor, dass ausländischen Opfern von Menschenhandel unter bestimmten Voraussetzungen, zu denen u. a. gehört, dass der Aufenthalt in Deutschland von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht im Hinblick auf das Strafverfahren gegen die Täter für sachgerecht erachtet wird und Aussagebereitschaft vorliegt, eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Der Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 29. Dezember 2014 (BR-Drs. 642/14) sieht hier mehrere Erleichterungen für die Betroffenen vor, u. a. die Möglichkeit, die Aufenthaltserlaubnis auch nach Beendigung des Strafverfahrens zu verlängern und somit einen dauerhaften Aufenthalt zu ermöglichen. Bremen hat im Bundesrat einer Empfehlung zugestimmt, die fordert, diesen Gesetzentwurf so zu ändern, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch unabhängig von einem Strafverfahren und der Aussagebereitschaft möglich ist (BR-Drs. 642/14 [B], Ziffer 12). 10. Wie bewertet der Senat Vorschläge von Experten, den bisherigen Tatbestand „Förderung des Menschenhandels“ (§ 233a) als neuen § 232 StGB (Menschenhandel ) zu fassen, ergänzt durch Normen zu den einzelnen Ausbeutungsformen sowie die Einführung der Tatbestände „Arbeitsausbeutung“ (als § 291 StGB) und „schwere Arbeitsausbeutung“ (als § 291a) (Renzikowski 2014)? Der Senat verfolgt die Diskussion über die Frage der Notwendigkeit einer – in die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers – fallenden Änderung der genannten Normen des Strafgesetzbuchs. So wird teilweise die Gestaltung der Norm in ihrer geltenden Fassung als zu kompliziert kritisiert und gesagt, der Tatbestand weise zu hohe Hürden auf. Ob die Vermutung zutrifft, dass dies dazu führt, dass die Norm lediglich eine geringe praktische Relevanz hat, ist noch nicht abschließend geklärt. Dass es in der Praxis zu wenig Verfahren kommt, kann auch in der Struktur der Deliktsbegehung und der geringen Anzeigebereitschaft liegen. Die weitere fachliche Auseinandersetzung bleibt abzuwarten. Sinnvolle Initiativen für eine Verbesserung des Schutzes der Opfer wird der Senat unterstützen. 11. Wie bewertet der Senat die Empfehlungen aus einer Studie für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales für einen breiteren Unterstützungsansatz für Betroffene, der auch minder schwere Fälle mit einbezieht, die strafrechtlich nicht den Tatbestand des Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung erfüllen mögen, und einen Schwerpunkt auf die Stärkung der Rechtssicherheit und Konfliktfähigkeit der Betroffenen und eine vermehrte aufsuchende Hilfe legt (Cyrus und Gatzke 2011)? Eine verstärkte Unterstützung der von Straftaten Betroffenen sieht der Senat stets als sinnvoll an. Wie diese Hilfe konkret ausgestaltet werden kann, wird sicherlich ein Thema in der weiteren Fachdiskussion sein. Zunächst bleibt abzuwarten , ob ein neuer runder Tisch zum Thema Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft gegründet wird. Der Senat wird diese Diskussion verfolgen und dann bewerten, inwieweit das Hilfsangebot für Betroffene verändert und verstärkt werden kann. — 6 — 12. Wie bewertet der Senat Forderungen nach Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Betroffene beim Bundesamt für Justiz? Die Forderung nach einem Entschädigungsfonds kommt aus dem Kreis der Organisationen , die sich mit dem Thema Menschenhandel befassen, zusammengefasst im KOK – Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e. V. Ausgangspunkt ist die Richtlinie 2011/36/EG zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer. Dort heißt es: Artikel 17 Entschädigung der Opfer Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Opfer von Menschenhandel Zugang zu bestehenden Regelungen für die Entschädigung der Opfer von vorsätzlich begangenen Gewalttaten erhalten. Dem Wortlaut (. . . bestehenden . . .) lässt sich eine Verpflichtung zur Schaffung spezieller Entschädigung nicht entnehmen. Die Forderung knüpft an die beim Bundesamt für Justiz bestehenden und aus dem Bundeshaushalt finanzierten Fonds für Opfer terroristischer beziehungsweise extremistischer Gewalt an. Das sind aber Sachverhalte, in denen die Tat sich in der Regel zumindest auch gegen die Bevölkerung richtet und es typischerweise eine Vielzahl von Geschädigten gibt. Insofern besteht keine Parallele zum Menschenhandel. Gleichwohl wäre es zu begrüßen, wenn der Bund auch insoweit Haushaltsmittel für einen Fonds bereitstellen würde. Druck: Anker-Druck Bremen