— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1798 (zu Drs. 18/1740) 24. 03. 15 Mitteilung des Senats vom 24. März 2015 Was genau hat die Bürgerschaft mit der Aufnahme der „Schuldenbremse“ in die Landesverfassung eigentlich beschlossen? Die Fraktion DIE LINKE hat unter Drucksache 18/1740 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet. Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt: Die Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE „Was genau hat die Bürgerschaft mit der Aufnahme der ,Schuldenbremse’ in die Landesverfassung eigentlich beschlossen?“ setzt grundsätzliche Anmerkungen zum Verhältnis von Bundesrecht und der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen (LV) voraus. Artikel 31 Grundgesetz bestimmt: „Bundesrecht bricht Landesrecht“. Danach haben das Grundgesetz (GG) und ebenso einfaches Bundesrecht Geltungsvorrang vor jeglichem Landesrecht, also auch vor der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen . Die in der Großen Anfrage angesprochenen Bestimmungen des Artikels 143d GG, das Gesetz zur Gewährung von Konsolidierungshilfen vom 10. August 2009 (Konsolidierungshilfengesetz), die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Freien Hansestadt Bremen geschlossene Verwaltungsvereinbarung zum Gesetz zur Gewährung von Konsolidierungshilfen vom 15. April 2011 (Konsolidierungshilfenvereinbarung ) sowie das Gesetz zur Errichtung eines Stabilitätsrates und zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen vom 10. August 2009 (Stabilitätsratsgesetz) gelten also unmittelbar und nicht erst vermittelt über Artikel 131b LV. Davon ging auch der Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen in seinem Urteil vom 24. August 2011 – St 1/11 im Normenkontrollverfahren zum Haushaltsgesetz 2011 – aus. Dort ist festgestellt, dass die Überschreitung der durch die Summe der Investitionen festgelegten Obergrenze der Neuverschuldung zur Bewältigung einer extremen Haushaltsnotlage zulässig war, weil mit dem auf Artikel 143d Absatz 2 GG, dem Konsolidierungshilfengesetz und dem danach von Bremen mit dem Bund vereinbarten Konsolidierungsplan beruhenden Regime der Haushaltskonsolidierung die gebotene zeitliche Begrenzung und rechtliche Kontrolle der Notlagemaßnahmen gegeben war. Das bedeutet, dass auch ohne die Bestimmung des Artikel 131b LV jede nicht unter die Ausnahmeregelungen nach Artikel 131a Absatz 2 und 3 LV fallende einnahmenüberschreitende, zur Bewältigung einer extremen Haushaltsnotlage dienende Kreditaufnahme nur im Rahmen der nach Artikel 143d Absatz 2 GG übernommenen Konsolidierungsverpflichtung zulässig wäre. Mit Artikel 131b LV wird folglich nicht, wie die Fragestellung andeuten will, Bundesrecht oder darauf beruhenden Vereinbarungen der Rang von Landesverfassungsrecht verliehen, sondern es werden nur deklaratorisch die Voraussetzungen benannt, unter denen die Inanspruchnahme der in Artikel 131b LV genannten Ausnahme vom Grundsatz des Artikel 131a Absatz 1 LV, dass Einnahmen und Ausnahmen ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind, zulässig ist. Die Regelungen des Konsolidierungshilfegesetzes und der Konsolidierungshilfenvereinbarung werden damit als Tatbestandsmerkmale des Artikels 131b LV übernommen. Die Große Anfrage deutet zudem an, dass ein Bezug zwischen Artikel 131b LV und der Sanierungsvereinbarung besteht. Über den Verweis auf Artikel 143d Absatz 2 GG wird in Artikel 131b LV jedoch kein Bezug hergestellt zur Vereinbarung zum Sanierungsprogramm nach § 5 Stabilitätsratsgesetz, die am 1. Dezember 2011 zwi- — 2 — schen der Freien Hansestadt Bremen und dem Stabilitätsrat geschlossen wurde. Verfassungsrechtliche Grundlage für die Vereinbarung zum Sanierungsprogramm ist vielmehr Artikel 109a GG. Ebenso wenig wird in dem Konsolidierungshilfengesetz und der Konsolidierungshilfenvereinbarung auf die Vereinbarung zum Sanierungsprogramm nach § 5 Stabilitätsratsgesetz verwiesen. 1. Wäre es künftig ein Verfassungsbruch, wenn die Freie Hansestadt Bremen die im Konsolidierungshilfegesetz festgelegten jährlichen Obergrenzen des strukturellen Haushaltsdefizits nicht einhält? Seit dem 30. Januar 2015 sind die Artikel 131a ff. der LV in Kraft (durch Gesetz vom 27. Januar 2015 [Brem.GBl. S. 23]). Danach gilt gemäß Artikel 131a Absatz 1 LV, dass Einnahmen und Ausgaben grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Artikel 131a Absatz 2 und 3 LV sowie Artikel 131b LV formulieren Ausnahmetatbestände zu Artikel 131a Absatz 1 LV. Gemäß Artikel 131a Absatz 2 LV sind bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung die Auswirkungen auf den Haushalt im Aufund Abschwung symmetrisch zu berücksichtigen. Gemäß Artikel 131a Absatz 3 LV kann von dem grundsätzlichen Kreditaufnahmeverbot abgewichen werden, wenn eine Naturkatastrophe oder eine außergewöhnliche Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht oder die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt , vorliegen. Artikel 131b LV sieht vor, dass bis zum Ablauf des Haushaltsjahres 2019 Abweichungen von Artikel 131a Absatz 1 LV im Rahmen der gemäß Artikel 143d Absatz 2 GG übernommenen Verpflichtung zulässig sind. Nach Auffassung des Senats wird durch Artikel 131b LV zusätzlich zu den in Artikel 131a Absatz 2 und 3 LV vorgesehenen Ausnahmentatbeständen ein weiterer Ausnahmetatbestand von der Regel des Artikel 131a Absatz 1 LV formuliert, dessen Gültigkeit am 31. Dezember 2019 erlischt. Diese Ausnahme wird bundesrechtlich durch Artikel 143d Absatz 2 GG begrenzt. Dort ist geregelt, dass Bremen neben den Ländern Berlin, Saarland, SachsenAnhalt und Schleswig-Holstein für den Zeitraum 2011 bis 2019 Konsolidierungshilfen gewährt werden. Im Gegenzug musste Bremen sich dazu verpflichten, seine Finanzierungsdefizite bis zum Jahresende 2020 abzubauen. Einfachgesetzlich werden die Gewährung der Hilfe sowie der Abbau der Finanzierungsdefizite im Konsolidierungshilfengesetz sowie in der Konsolidierungshilfenvereinbarung geregelt. Die jährlichen Obergrenzen des strukturellen Finanzierungsdefizites gemäß § 2 Absatz 1 Konsolidierungshilfengesetz sind in § 4 der Verwaltungsvereinbarung festgelegt. Nach Artikel 131b LV sind Kreditaufnahmen demnach bis zum 31. Dezember 2019 abweichend von der Regel des Artikels 131a Absatz 1 LV zulässig, solange diese Kredite in der Höhe die im Konsolidierungshilfengesetz in Verbindung mit der Konsolidierungshilfenvereinbarung festgelegten Obergrenzen nicht überschreiten . Sollte die Freie Hansestadt Bremen Kredite aufnehmen, die der Höhe nach die im Konsolidierungshilfengesetz festgelegten Obergrenzen überschreiten und die nicht zum Ausgleich einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung oder zur Deckung von Ausgaben, die durch Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen entstanden sind, erfolgen, so würde sie damit bis zum 31. Dezember 2019 grundsätzlich gegen Artikel 131a Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 131b LV verstoßen. Zugleich – auch wenn es die Bezugnahme auf die Konsolidierungshilfenverpflichtung in Artikel 131b LV nicht gäbe – würde die Freie Hansestadt Bremen damit grundsätzlich gegen das Konsolidierungshilfengesetz und die -vereinbarung verstoßen. Seit Beginn der Gewährung der Konsolidierungshilfen im April 2011 hat die Freie Hansestadt Bremen bei der Kreditaufnahme die jährlichen Obergrenzen jedoch immer eingehalten. — 3 — Ab dem 1. Januar 2020 wird nach gegenwärtigem Stand die Beurteilung, ob die Kreditaufnahme zulässig ist, nur davon abhängen, ob ein Ausnahmetatbestand nach Artikel 131a Absatz 2 und Absatz 3 LV vorliegt. 2. Wäre es künftig ein Verfassungsbruch, wenn die Freie Hansestadt Bremen die (im) Konsolidierungshilfe(n)gesetz festgelegten jährlichen Obergrenzen des strukturellen Haushaltsdefizits nicht einhält, wenn sie zuvor oder gleichzeitig die Sanierungsvereinbarung kündigt? Sollte die Freie Hansestadt Bremen die Vereinbarung zum Sanierungsprogramm nach § 5 Stabilitätsratsgesetz kündigen, hätte dies keinerlei Auswirkung auf die Einhaltung der Landeserfassung der Freien Hansestadt Bremen (siehe Vorbemerkung ). Wenn die Freie Hansestadt Bremen die im Konsolidierungshilfengesetz festgelegten Obergrenzen überschreitet, verstößt sie damit bis zum 31. Dezember 2019 grundsätzlich gegen Artikel 131a in Verbindung mit Artikel 131b LV. Zugleich – auch wenn es die Bezugnahme auf die Konsolidierungshilfenvereinbarung in Artikel 131b LV nicht gäbe – liegt darin grundsätzlich ein Verstoß gegen das Konsolidierungshilfengesetz und die Konsolidierungshilfenvereinbarung. 3. Wäre es künftig ein Verfassungsbruch, wenn die Freie Hansestadt Bremen die (im) Konsolidierungshilfengesetz festgelegten jährlichen Obergrenzen des strukturellen Haushaltsdefizits nicht einhält, auch wenn der Stabilitätsrat dies im konkreten Fall als unvermeidlich anerkennt und billigt? Nach § 2 Absatz 2 Satz 2 Konsolidierungshilfengesetz in Verbindung mit § 6 Konsolidierungshilfenvereinbarung kann der Stabilitätsrat in begründeten Ausnahmenfällen feststellen, dass eine Überschreitung der Obergrenzen des Finanzierungssaldos nach § 2 Absatz 1 Satz 2 bis 5 Konsolidierungshilfengesetz unbeachtlich ist. Der Senat geht davon aus, dass die Freie Hansestadt Bremen bis zum 31. Dezember 2019 nicht gegen Artikel 131a in Verbindung mit Artikel 131b LV verstoßen würde, wenn sie zwar Kredite aufnimmt, die die im Konsolidierungshilfengesetz festgelegten Obergrenzen überschreiten, der Stabilitätsrat aber auf Antrag der Freien Hansestadt Bremen die Unbeachtlichkeit dieser Überschreitung feststellt. 4. Wäre es künftig ein Verfassungsbruch, wenn die Freie Hansestadt Bremen die mit dem Stabilitätsrat geschlossene Sanierungsvereinbarung in irgendeiner Weise nicht einhält? Wenn die Freie Hansestadt Bremen die mit dem Stabilitätsrat getroffene Sanierungsvereinbarung nicht einhält, liegt darin kein Verstoß gegen Artikel 131a in Verbindung mit Artikel 131b LV (siehe Ausführungen in der Vorbemerkung). 5. Wäre es künftig ein Verfassungsbruch, wenn die Freie Hansestadt Bremen eine künftige Sanierungsvereinbarung mit dem Stabilitätsrat nicht einhält, die z. B. für die Jahre 2017 bis 2019 neu abgeschlossen würde (da die derzeitige Sanierungsvereinbarung auf den Zeitraum 2012 bis 2016 begrenzt ist)? Nein, ein solcher Zusammenhang zwischen der Sanierungsvereinbarung und der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen besteht nicht. 6. Wäre es künftig ein Verfassungsbruch, wenn die Freie Hansestadt Bremen zwar die im Konsolidierungs(hilfen)gesetz festgelegten Obergrenzen der Nettoneuverschuldung einhält, aber steuerliche Mehreinnahmen nicht zur darüber hinausgehenden Verringerung der Neuverschuldung, sondern für andere öffentliche Aufgaben einsetzt? Nach dem Konsolidierungshilfengesetz in Verbindung mit der Konsolidierungshilfenvereinbarung ist die Freie Hansestadt Bremen gehalten, bei der Kreditaufnahme nicht die in dem Gesetz festgelegten jährlichen Obergrenzen für das strukturelle Finanzierungsdefizit zu überschreiten. Die Verwendung von Steuermehreinnahmen für Ausgaben führt – isoliert betrachtet – zu einer Erhöhung der Finanzierungsdefizite. Handelt es sich bei diesen um dauerhafte, nicht nur einmalige Ausgaben, erschwert dies zusätzlich die Einhaltung des Konsolidierungspfads zukünftiger Haushaltsjahre. — 4 — Solange die Freie Hansestadt Bremen bei der Nettokreditaufnahme die jährlichen Obergrenzen für das strukturelle Finanzierungsdefizit einhält, verhält sie sich bis zum 31. Dezember 2019 gemäß den Vorgaben des Artikel 131a in Verbindung mit Artikel 131b LV. Sofern mit der Frage auf die in der Sanierungsvereinbarung implizit enthaltene Verpflichtung der Freien Hansestadt Bremens, Steuermehreinnahmen nicht für Ausgaben zu verwenden, gezielt wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen nicht auf diese Sanierungsvereinbarung verweist (siehe Vorbemerkung). 7. Welche anderen Vereinbarungen außer der Sanierungsvereinbarung bestehen derzeit bezüglich der Verwendung steuerlicher Mehreinnahmen zwischen der Freien Hansestadt Bremen und dem Bund? Außer der Vereinbarung zum Sanierungsprogramm nach § 5 Stabilitätsratsgesetz bestehen keine weiteren Vereinbarungen bezüglich der Verwendung steuerlicher Mehreinnahmen zwischen der Freien Hansestadt Bremen und dem Bund. 8. Welche Bestandteile des Sanierungsprogramms 2012 bis 2016 und der Verwaltungsvereinbarung mit dem Stabilitätsrat vom 1. Dezember 2011 haben durch die „Schuldenbremse“ in der Landesverfassung künftig Verfassungsrang? Aus den genannten Regelwerken haben keinerlei Bestandteile den Rang von Recht nach der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen. 9. Welche Gesellschaften, Sondervermögen oder andere Entitäten fallen derzeit unter die Bestimmung in Artikel 131a Absatz 5 LV: „juristische Personen, auf die das Land aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann“? Bitte die Gesellschaften etc. auflisten und die Art des beherrschenden Einflusses angeben. Das Land kann aufgrund der eingegangenen Mehrheitsbeteiligung auf folgende Gesellschaften unmittelbar beherrschenden Einfluss ausüben: a) Fischerei-Betriebsgesellschaft mbH (FBG). Das Land Bremen hält 100 % der Anteile. b) Performa Nord GmbH. Das Land Bremen hält 100 % der Anteile. c) Wirtschaftsförderung Bremen GmbH (WFB). Das Land Bremen hält 92,27 % der Anteile. Die WFB hat diverse Unterbeteiligungen. Soweit der Anteil der WFB an diesen Tochtergesellschaften über 50 % liegt, kann das Land mittelbar ebenfalls beherrschenden Einfluss ausüben. Dabei handelt es sich um folgende Gesellschaften: I. Bremer Aufbau-Bank GmbH (100 %), II. BTZ Bremer Touristik-Zentrale Gesellschaft für Marketing und Service mbH (51 %), III. CEON GmbH (51 %), IV. Glocke Veranstaltungs-GmbH (100 %), V. H.A.G.E.-Grundstückverwaltungsgesellschaft mbH (100 %), VI. Hanse Vermögensverwaltungs-Gesellschaft mbH (100 %). Des Weiteren fallen die öffentlich-rechtlichen Stiftungen – das Übersee-Museum und das Focke-Museum – unter die Regelung des Artikels 131a LV. Sondervermögen stehen im Eigentum der Gebietskörperschaften und verfügen über keine eigene Rechtsfähigkeit. Gemäß Nr. 2.1 der Verwaltungsvorschrift zu § 26 Landeshaushaltsordnung (LHO) sind sie rechtlich unselbstständige abgesonderte Teile des Vermögens der Freien Hansestadt Bremen. Nach Auffassung des Senats gelten für Sondervermögen die für die Gebietskörperschaften (Land und über den Artikel 146 LV auch die Stadtgemeinden) geltenden Regeln der Schuldenbremse unmittelbar. Seit 2011 erhalten Sondervermögen zudem gemäß § 1 der Konsolidierungshilfenvereinbarung keine Kreditermächtigung. — 5 — 10. Gelten die Regelungen in Artikel 131 a Absatz 5 LV entsprechend auch für Gesellschaften , Sondervermögen etc., auf die nicht das Land, sondern eine der beiden Stadtgemeinden „beherrschenden Einfluss“ hat? Ja, gemäß Artikel 146 LV gelten die Bestimmungen des Artikels 131a LV für das Finanzwesen der beiden Gemeinden entsprechend. Zu Sondervermögen siehe die Antwort auf die Frage 9. 11. Können gemäß Artikel 131a Absatz 5 LV auch Gesellschaften oder Sondervermögen , auf die das Land beherrschenden Einfluss hat, beliebig Kredite aufnehmen , solange das Land nicht für Zinsen und Tilgung aufkommt? Spielt es eine Rolle, ob das Land (oder die Stadtgemeinde) die Gesellschaft oder das Sondervermögen durch Zuwendungen unterstützt, die nicht explizit an die Aufwendungen für Zinsen und Tilgung gebunden sind? Im Artikel 131a Absatz 5 LV sind die einzelnen Tatbestandsmerkmale kumulativ aufgelistet. Neben den anderen Voraussetzungen gilt demnach, dass auch Zins und Tilgung aus dem Landeshaushalt zu erbringen sind. Werden Zins und Tilgung aus Eigenmitteln der Gesellschaft erbracht, so unterliegen diese insoweit betroffenen Darlehen nicht den Regularien der Schuldenbremse im Sinne des Artikels 131a LV. Gleiches gilt, wenn eine Gebietskörperschaft abstrakt und ohne konkrete Zweckbindung für Zins und Tilgung für Darlehen einer Eigengesellschaft Finanzmittel als Kapitaleinlage durch Gesellschafterbeschluss oder im Wege eines Zuwendungsbescheids zur Verfügung stellt. Zu Sondervermögen siehe die Antwort auf die Frage 9. 12. Spielt es eine Rolle für die Anwendbarkeit des Artikels 131a LV, ob das Land (oder die Stadtgemeinde) die Kreditaufnahme einer beherrschten Gesellschaft durch Bürgschaften unterstützt? Ein solcher Zusammenhang ist nicht gegeben, da es sich bei Bürgschaftsübernahmen um Eventualverpflichtungen handelt, welche keine Auswirkungen auf die Höhe des Schuldenstands haben. Nach der Verwaltungsvorschrift zur Landeshaushaltsordnung in Verbindung mit der Bürgschaftsrichtlinie, übernehmen die Gebietskörperschaften Bürgschaften nur, wenn das Ausfallrisiko nicht höher als 50 % ist. 13. Aufgrund seiner besonders hohen Zinsbelastung, der strukturellen Unterfinanzierung der Stadtstaaten sowie des unzureichenden Ausgleichs von Belastungen durch Armut, Arbeitslosigkeit, Niedriglohn und Migration, wird es für Bremen besonders schwierig sein, ab 2020 die „Schuldenbremse“ im Grundgesetz einzuhalten. Mit der konkreten Ausgestaltung der Schuldenbremse in der Landesverfassung , z. B. Kreditaufnahme in Gesellschaften und Sondervermögen weit stärker zu unterbinden, als andere Bundesländer das tun, macht es sich Bremen aus eigenem Antrieb noch schwerer, als es nach der grundgesetzlichen Regelung ohnehin der Fall ist. Was spricht aus Sicht des Senats für eine solche, zusätzliche Einschränkung des haushalterischen Handlungsrahmens? Die Freie Hansestadt Bremen hat gegenwärtig einen Gesamtschuldenstand von 19,9 Mrd. ‡ und damit eine Pro-Kopf-Verschuldung von 30 197 ‡ (Stand 31. Dezember 2014). Damit hat die Freie Hansestadt Bremen von allen 16 Ländern die höchste Pro-Kopf-Verschuldung. Der Senat sieht sich in besonderer Verantwortung , die Voraussetzungen für den Schuldenabbau zu schaffen und umfassend die Kreditaufnahme zu beschränken. Ergänzend weist der Stabilitätsrat in seinen Beschlüssen zum Sanierungsverfahren nach § 5 Stabilitätsratsgesetz Bremen regelmäßig darauf hin, der Haushaltskonsolidierung höchste Priorität einzuräumen . 14. Artikel 131a LV privilegiert Public-Private-Partnership-Modelle (PPP) gegenüber Modellen, wo das Land selbst oder seine Mehrheitsgesellschaften entsprechende Vorhaben durchführen. Bei PPP-Projekten übernimmt der Staat faktisch auch die Zahlung von Zins und Tilgung, aber in Form einer zukünftigen Entgeltung von Leistungen (Miete, Service etc.). Solche Konstruktionen werden vom Artikel 131a LV nicht beschränkt. Was spricht aus Sicht des Senats für eine solche Weichenstellung zugunsten von PPP-Modellen, insbesondere angesichts der gegenläufigen Diskussion im Untersuchungsausschuss Teilersatzneubau? — 6 — Der Senat sieht durch Artikel 131a LV keine Weichenstellung für Public-PrivatePartnership -Modelle gegeben. Bei der Finanzierung von öffentlichen Projekten steht weiterhin die Wirtschaftlichkeit des Finanzierungsmodells im Vordergrund. 15. Artikel 131a LV privilegiert Investitionsvorhaben durch nicht beherrschte Gesellschaften gegenüber solchen durch öffentliche Mehrheitsgesellschaften, denn für nicht beherrschte Gesellschaften gibt es keine Beschränkungen der Kreditaufnahme . Dies hat möglicherweise Einfluss auf Entscheidungen für oder gegen Rekommunalisierung. Was spricht aus Sicht des Senats für eine solche Weichenstellung zugunsten von Unterbeteiligungen an mehrheitlich privaten Gesellschaften , insbesondere angesichts der mehrfach geäußerten Position des Senats , Auslagerungen eher zurückzunehmen und den öffentlichen Einfluss auf Investitionsvorhaben zu stärken? Der Senat geht nicht davon aus, dass der Verfassungsgeber mit der Regelung des Artikels 131a LV eine Privilegierung von Investitionsvorhaben beabsichtigt oder vorgenommen hat. Dementsprechend ist auch die in der Fragestellung unterstellte Weichenstellung nicht gegeben. 16. Der Senat hat mehrfach unterstrichen, dass nach Abzug von gesetzlich oder anderweitig verpflichteten Ausgaben die Summe frei beweglicher Haushaltsmittel bereits jetzt sehr gering ist. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, dass durch die Aufnahme der Schuldenbremse Verfassungskonflikte in dem Sinne auftreten, dass nur die Wahl besteht, ob die Verfassungsbestimmungen zur Schuldenbremse oder andere Verfassungsbestimmungen gebrochen werde(n)? Der Senat ist – ebenso wie die Bremische Bürgerschaft – gemäß Artikel 131c Satz 1 LV dazu gehalten, bei seinem Handeln im Bund und in der Europäischen Union auf eine aufgabengerechte Finanzausstattung des Landes hinzuwirken. Artikel 131c Satz 2 LV verpflichtet ihn dazu, bei seiner Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung und in Angelegenheiten der Europäischen Union sein Handeln am Ziel der Einnahmensicherung und der aufgabengerechten Finanzausstattung des Landes und seiner Gemeinden auszurichten. Zudem setzt sich der Senat im Rahmen der Neuverhandlungen zu den BundLänder -Finanzbeziehungen für eine adäquate Finanzierung der Freien Hansestadt Bremen ein. Letztendlich geht der Senat davon aus, dass der Bund die Länder hinreichend finanziell ausstatten wird, damit diese die ihnen durch Bundes- und Landesrecht zugewiesenen Aufgaben erfüllen können. 17. Im Verhältnis der Länder zum Bund gibt es keine Regelung, die – so wie Artikel 146 Abs. 2 LV – sicherstellt, dass eine Übertragung neuer Aufgaben an die Länder auch mit einer entsprechenden Finanzausstattung durch den Bund einhergehen muss. Auch gegen einnahmesenkende Bundesgesetze gibt es keinen Schutz. Ebenso würde ein Anziehen der Zinsen, wenn auch verzögert, erhebliche Mehrausgaben zur Folge haben. Was wäre die Folge, wenn auf dem einen oder anderen Wege eine zusätzliche Haushaltsbelastung in einer Größenordnung von z. B. 200 Mio. ‡ entsteht, durch die die Einhaltung der Schuldenbremse gesprengt würde a) vor 2020, b) nach 2020? a) Nach Artikel 106 Absatz 3 und 4 GG ist eine gewisse Aufgaben-AusgabenKonnexität zwischen Bund und Ländern vorgegeben. Artikel 106 Absatz 3 GG legt für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens auf Bund und Länder fest, dass Bund und Länder sowohl hinreichend zur Erfüllung ihrer notwendigen Aufgaben ausgestattet sind, als auch dass die Einnahmen gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Bewohnerinnen/Bewohner im Bundesgebiet ermöglichen. Nach Artikel 106 Absatz 4 Satz 1 GG sind die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer neu festzusetzen, wenn sich deren jeweiliges Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben („Deckungsquote “) anders entwickelt. Nach Artikel 106 Absatz 4 Satz 2 GG kann die Mehrbelastung, wenn den Ländern durch Bundesgesetz zusätz- — 7 — liche Aufgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen werden, durch Bundesgesetz ausgeglichen werden, wenn sie auf kurzen Zeitraum begrenzt ist. Bis zum 31. Dezember 2019 richtet sich das zulässige strukturelle Finanzierungsdefizit nach § 4 Konsoldierungshilfenvereinbarung in Verbindung mit § 2 Konsolidierungshilfengesetz. b) Wie die Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab 2020 ausgestaltet sein werden , ist noch nicht bekannt. Der Senat setzt sich, wie in der Antwort zu Frage 16 ausgeführt, im Rahmen der Neubestimmung der Bund-LänderFinanzbeziehungen für eine ausgabenadäquate Finanzausstattung Bremens ein. Insbesondere vertritt der Senat gerade vor dem Hintergrund des Zinsänderungsrisikos in den Verhandlungen die Notwendigkeit einer nachhaltigen und strukturell wirkenden Altschuldenregelung. Druck: Anker-Druck Bremen