— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1809 Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 19. Februar 2015 Hinterlegung von Nachlässen mit unbekannten Erben Das Nachlassgericht stellt die wichtigste Instanz in allen Belangen und Fragen rund um das Erbrecht dar, von der Verwahrung des Testaments über die Sicherung des Nachlasses und der Ermittlung der Erben, sofern die Erbfolge unbekannt oder unklar ist und wertvoller Nachlass vorhanden ist, bis hin zur Testamentseröffnung. In Fällen von unbekannten Erben übernimmt der Staat die Verwahrung von Geld, Wertpapieren oder sonstiger Wertgegenstände auch langfristig. Im Hinterlegungsgesetz sind als Hinterlegungsstelle die Amtsgerichte bestimmt. Eine Veröffentlichung von Hinterlegungen findet nicht statt. Potenzielle Anspruchsberechtigte haben in der Regel keine Kenntnis von diesen Hinterlegungen, sodass ihre Ansprüche verjähren können. Nach Ablauf der Fristen zur Meldung von Ansprüchen nach §§ 27 ff. Hinterlegungsgesetz geht die Hinterlegungsmasse im Rahmen des Staatserbrechts an das Land über. Wir fragen den Senat: 1. Wie und mit welchem Aufwand werden im Land Bremen bei Nachlassfällen Erben ermittelt und über ihre Erbschaft informiert? 2. Wie viele Nachlässe mit unbekannten Erben sind momentan bei den Amtsgerichten im Land Bremen hinterlegt, und wie lange sind diese schon hinterlegt? 3. Wie hoch ist der Wert der aktuellen Hinterlegungen? 4. Welchen Wert hatte die Erbmasse in den letzten zehn Jahren, in denen die Ansprüche eventueller Erben verjährt sind? 5. Sieht der Senat einen Änderungsbedarf im Umgang mit solchen Hinterlegungen? 6. Wie beurteilt der Senat eine eventuelle Veröffentlichung solcher Hinterlegungen, beispielsweise auf einem entsprechenden Internetportal? 7. Welche Summen haben das Land und die beiden Stadtgemeinden in den vergangenen fünf Jahren aus welchen Anlässen geerbt? Gabriela Piontkowski, Thomas Röwekamp und Fraktion der CDU D a z u Antwort des Senats vom 7. April 2015 1. Wie und mit welchem Aufwand werden im Land Bremen bei Nachlassfällen Erben ermittelt und über ihre Erbschaft informiert? Nach Eingang der Sterbefallmitteilung des Standesamtes wird geprüft, ob der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat. Sollte dies der Fall sein, erfolgt die Eröffnung der Verfügung von Todes wegen und die benannten Erben werden von Amts wegen über den Inhalt benachrichtigt. Liegt keine Verfügung von Todes wegen vor und teilt das Standesamt im Rahmen der Beurkundung des Sterbefalls einen Auskunftgeber mit, wird dieser gemäß — 2 — § 1960 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) angeschrieben. Der Auskunftgeber soll mitteilen, ob ihm Verwandte des Erblassers bekannt sind und ob diese eventuell bereits Kenntnis über den Tod des Erblassers haben sowie ob Verfügungen von Todes wegen bekannt sind und sicherungsbedürftiger Nachlass vorhanden ist. Soweit Verwandte bekannt sind, die sich um die Abwicklung des Nachlasses kümmern und weitergehende Informationen zum Wert des Nachlasses vorliegen, wird das Verfahren weggelegt. Erbenermittlungen aufgrund des Eintritts der gesetzlichen Erbfolge erfolgen nicht. Wenn Erben gänzlich unbekannt sind, erfolgt eine Ermittlung, wenn ein Bedürfnis zur Sicherung des Nachlasses besteht. Besteht ein Sicherungsbedürfnis wird gemäß § 1961 BGB eine Nachlasspflegschaft eingerichtet, wobei sich der Aufgabenkreis des Nachlasspflegers neben der Sicherung des Nachlasses in aller Regel auch auf die Ermittlung der Erben erstreckt. Die Ermittlung der Erben erfolgt in erster Linie, indem der Nachlasspfleger Personenstandsurkunden von den zuständigen Standesämtern einholt. Die den Urkunden zu entnehmenden Informationen dienen als Grundlage der Ermittlung etwaiger Verwandte. Bei gewichtigen Nachlässen werden gelegentlich Erbenermittlungsbüros vom Nachlasspfleger beauftragt. In einfach gelagerten Fällen, in denen ein Sicherungsbedürfnis des Nachlasses nicht gesehen wird (z. B. wenn nur ein einziges Kontoguthaben vorhanden ist), wird regelmäßig anstelle der Anordnung einer Nachlasspflegschaft, weil deren Kosten den Wert des Nachlasses in der Regel übersteigen würden, die Hinterlegung zugunsten der unbekannten Erben angeordnet. 2. Wie viele Nachlässe mit unbekannten Erben sind momentan bei den Amtsgerichten im Land Bremen hinterlegt, und wie lange sind diese schon hinterlegt? Die Hinterlegung eines Nachlasses endet mit der Auszahlung an den Berechtigten oder durch Erlöschen des Anspruchs auf Herausgabe nach Ablauf von 30 Jahren seit der Hinterlegung (§ 28 Hinterbliebenengesetz [HintG]). Bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Bremen wurde das Hinterlegungsregister bis einschließlich 2010 in Buchform geführt. Es wurden lediglich Angaben über den Hinterleger, den hinterlegten Betrag oder die hinterlegte Wertsache und das Datum der Hinterlegung erfasst. Die Hinterlegungen für unbekannte Erben wurden dabei nicht gesondert ausgewiesen. Für die Ermittlung der bis 2010 für unbekannte Erben vorgenommenen Hinterlegungen und der noch nicht ausgezahlten oder erloschenen Hinterlegungsmassen wäre eine Durchsicht aller laufenden Hinterlegungsverfahren von 1984 bis einschließlich 2010 erforderlich. Die Ermittlung der Daten ist deshalb mit einem vertretbaren Aufwand nicht möglich. Seit 2011 werden die Hinterlegungsfälle beim Amtsgericht Bremen in einer Datenbank erfasst. Der Datenbank können folgende Angaben zu Hinterlegungen von Nachlässen mit unbekannten Erben entnommen werden: Jahr Fälle in € Hinterlegter Betrag in € Erledigte Fälle in € Ausgezahlte Beträge in € Noch hinterlegt in € 2011 281 452 583,99 46 160 807,46 291 776,53 davon Werthinterlegungen mit unbekannten Werten 50 2012 249 1 583 625,51 54 505 855,58 1 077 769,93 davon Werthinterlegungen mit unbekannten Werten 34 2013 212 801 383,62 55 249 246,26 552 137,36 davon Werthinterlegungen mit unbekannten Werten 5 2014 244 1 121 461,00 35 71 869,13 1 049 591,87 davon Werthinterlegungen mit unbekannten Werten 1 — 3 — Die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Bremerhaven führt das Hinterlegungsregister weiterhin in Buchform, sodass Daten aus Bremerhaven aus den oben genannten Gründen nicht ermittelt werden können. Die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal schätzt die Anzahl der momentan hinterlegten Nachlässe mit unbekannten Erben auf ca. 1 000 Fälle. Eine statistische Erfassung erfolgt dort ebenfalls nicht. Die Schätzung basiert auf der Kenntnis, dass in den Jahren 1984 bis 2014 insgesamt 1 721 Hinterlegungen anhängig geworden sind. Der Anteil der Hinterlegungen zugunsten unbekannter Erben sei früher gering (ca. 50 %) gewesen und habe sich mit den seit rd. zehn Jahren steigenden Hinterlegungsfallzahlen auf über 90 % erhöht. 3. Wie hoch ist der Wert der aktuellen Hinterlegungen? Über die Angaben zu Frage 2 hinaus liegen keine Erkenntnisse über die Wertsummen vor. 4. Welchen Wert hatte die Erbmasse in den letzten zehn Jahren, in denen die Ansprüche eventueller Erben verjährt sind? Über den Wert der aufgrund des Erlöschens des Herausgabeanspruchs dem bremischen Fiskus zugefallenen Erbmassen liegen keine Daten vor. Aus den zu Frage 2 genannten Gründen ist eine Ermittlung des Werts mit einem vertretbaren Aufwand nicht leistbar. 5. Sieht der Senat einen Änderungsbedarf im Umgang mit solchen Hinterlegungen? Ein Änderungsbedarf im Umgang mit Hinterlegungen wird nicht gesehen. Die erforderlichen Ermittlungen zur Feststellung eventueller Erben erfolgen durch die Nachlasspflegschaften. 6. Wie beurteilt der Senat eine eventuelle Veröffentlichung solcher Hinterlegungen, beispielsweise auf einem entsprechenden Internetportal? Da auch die Daten Verstorbener dem Datenschutz unterliegen, wäre eine solche Veröffentlichung ohne gesetzliche Grundlage nicht zulässig. Außerdem erscheint der Nutzen einer Veröffentlichung solcher Hinterlegungen eher gering. Ohne Kenntnis vom Tod eines Erblassers wird ein potenzieller Erbe kaum Veranlassung sehen, ein solches Internetportal einzusehen. Ist einem möglichen Erben der Todesfall bekannt und wird vermutet, dass Erbmasse vorhanden ist, wird in der Regel direkt der Weg zum Nachlassgericht gesucht. 7. Welche Summen haben das Land und die beiden Stadtgemeinden in den vergangenen fünf Jahren aus welchen Anlässen geerbt? Die Stadt Bremerhaven hat in den letzten fünf Jahren zwei Summen in Höhe von insgesamt 155 164,26 € testamentarisch geerbt. Der Erblasser, der der Stadt Bremerhaven einen Betrag in Höhe von 132 079,25 € vererbte, verfügte in seinem Testament, dass das Erbe ausschließlich für Tierschutzzwecke verwendet werden dürfe. Der Betrag wurde daher von der Stadt Bremerhaven dem Tierschutzverein Bremerhaven e. V. zur Verfügung gestellt. Die Erblasserin, die der Stadt Bremerhaven den Betrag in Höhe von 23 085,01 € vererbte, knüpfte die Annahme des Erbes an die Bedingung, dass die Stadt Bremerhaven für die Beerdigungs- und Grabpflegekosten aufkommt. Die Stadt Bremerhaven hat das Erbe unter der genannten Bedingung angenommen. Für die Stadtgemeinde Bremen liegen Daten zu testamentarischer Erbeinsetzung nicht vor. Das Land Bremen hat durch Feststellung der Erbvermutung nach § 1964 BGB in den vergangenen fünf Jahren Beträge in Höhe von insgesamt rd. 2,45 Mio. € in 789 Fällen geerbt. Nach Abzug der Ausgaben und Verwaltungskosten verbleibt ein Nettobetrag in Höhe von insgesamt rd. 1,458 Mio. €. Die Jahreswerte der Nachlässe für die Jahre 2010 bis 2014 lassen sich der folgenden Tabelle entnehmen: — 4 — *) Bei den Ergebnissen für 2014 handelt es sich nicht um die endgültigen Werte, da der Jahresabschluss zur Zeit noch erstellt wird. ** ) Verwaltungskosten ohne Besoldungserhöhung. Druck: Anker-Druck Bremen Jahr Einnahme in € Ausgabe in € Verwaltungskosten in € Nettoertrag in € Zahl der Fälle in € 2010 411 077,33 142 242,42 51 268,00 217 566,91 159 2011 238 212,56 142 242,42 51 339,00 93 506,19 137 2012 560 314,85 127 261,75 52 014,00 381 039,10 117 2013 389 489,90 221 643,35 52 750,00 115 096,55 148 2014*) 850 979,65 146 831,25 52 893,00** ) 651 255,40 228