— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 188 Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 2. November 2011 Anonyme Spurensicherungsmöglichkeit für Opfer sexualisierter Gewalt Opfer sexualisierter Gewaltdelikte sind oft durch die Tat schwer traumatisiert und stehen direkt nach der Tat unter einem Schockzustand, sodass sie sich nicht vorstellen können, das Erlebte im Detail der Polizei zu schildern. Anderen ist zwar deutlich bewusst, dass sie Opfer einer Straftat geworden sind, dennoch zweifeln sie, ob sie die Tat zur Anzeige bringen sollen, weil sie zum Beispiel Angst haben, dass man ihnen nicht glauben wird und/oder sie fürchten den Belastungen, die ein Strafverfahren oftmals mit sich bringt, nicht gewachsen zu sein. Viele Betroffene entscheiden sich deshalb erst einige Tage, Wochen oder Monate nach der Tat dazu, eine Anzeige zu machen. Tatspuren und Verletzungen können aber nur zeitnah nach der Tat festgestellt und dokumentiert werden, doch gerade sie sind für die erfolgreiche Strafverfolgung oft von erheblicher Bedeutung. Damit diese wichtigen Beweismittel nicht für ein späteres Strafverfahren verloren gehen, wurde in Bremen ein Projekt zur anonymen Spurensicherung initiiert und gestartet. So soll Opfern von sexualisierten Gewaltdelikten die Möglichkeit gegeben werden, sich in einem Krankenhaus untersuchen zu lassen , ohne die Tat direkt zur Anzeige zu bringen. Hierbei werden Tatspuren aufgenommen , gesichert und eingelagert, sodass sie für den Fall, dass die Person sich zur Anzeige entschließt, für das Strafverfahren als Beweismittel zur Verfügung stehen. Wir fragen den Senat: 1. Wie ist die anonyme Spurensicherung für Opfer sexualisierter Gewaltdelikte in Bremen organisiert, und welche Organisationen sind daran beteiligt? 2. Wie hoch sind die hierfür entstehenden Kosten, und woraus werden sie finanziert ? 3. Wie wird die Möglichkeit der anonymen Spurensicherung in Bremen bekannt gemacht und insbesondere, dass die beteiligten Institutionen zur Vertraulichkeit verpflichtet sind? 4. Sind die bisher gewählten oder zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel wirklich geeignet, das Angebot umfassend in Bremen bekannt zu machen? Welche Mittel würden gegebenenfalls zur verbesserten Kommunikation benötigt ? 5. Ist beabsichtigt, den Erfolg des Projekts in absehbarer Zeit zu evaluieren? Sybille Böschen, Insa Peters-Rehwinkel, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD D a z u Antwort des Senats vom 10. Januar 2012 1. Wie ist die anonyme Spurensicherung für Opfer sexualisierter Gewaltdelikte in Bremen organisiert, und welche Organisationen sind daran beteiligt? Die Ermöglichung einer anonymen Spurensicherung (ASS) für Opfer sexualisierter Gewaltdelikte ist ein Projekt des „Arbeitskreises Bremer Modell“. In die- — 2 — sem Arbeitskreis treffen sich seit über 20 Jahren regelmäßig Vertreter und Vertreterinnen verschiedener Berufsgruppen, die mit Opfern sexueller Gewalt zu tun haben, d. h. Frauenärzte/Ärzte/-innen der Bremer Krankenhäuser, Rechtsanwälte /-innen/Nebenklagevertreter/-innen, Staatsanwälte/-innen aus dem Sonderdezernat für Sexualdelikte, Polizisten/-innen des Kommissariats für Sexualdelikte (K32), eine forensische DNA-Analytikerin des Landeskriminalamtes und Mitarbeiterinnen der Psychologischen Beratungsstelle des Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen e. V. Freiwillige aus diesem Kreis haben sich zu einer weiteren Arbeitsgruppe zusammengeschlossen , um ein Konzept für die Etablierung der ASS Bremen zu erarbeiten . Ziel der ASS ist eine bessere Beweisbarkeit vor Gericht sowie die Aufhellung des Dunkelfelds unter Maßgabe der besonderen zeitlichen Entscheidungsfreiheit des Opfers, wann es eine Strafanzeige erstatten möchte/kann. Durch die Option der ASS werden die Opfer entlastet, da sie einen höheren Entscheidungsfreiraum bezüglich einer Anzeigenerstattung bekommen. Tätern wird es schwerer gemacht, wenn nicht mehr nur Aussage gegen Aussage steht, wenn Einschüchterungen seitens des Täters weniger Wirkung zeigen, da zunächst ohne Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden Spuren gesichert werden können . Die Opfer können dann später entscheiden, ob sie bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft Anzeige erstatten wollen. Die Vorbereitungen zur Umsetzung des Konzeptes sind weitgehend abgeschlossen , sodass voraussichtlich zeitnah mit der Umsetzung begonnen werden kann. Nach dem Konzept ist folgender Ablauf geplant: Die ASS soll zunächst als Pilotprojekt in drei Krankenhäusern der Gesundheit Nord Klinikverbund Bremen durchgeführt werden. Die gynäkologischen Abteilungen der Krankenhäuser Links der Weser, Bremen-Mitte und Bremen-Nord haben bereits ihre Teilnahme zugesichert. Betroffene können sich dann anonym an eines der drei Krankenhäuser wenden und ihre Spuren anonym sichern lassen . Diese werden dort über zehn Jahre aufbewahrt. Mittlerweile wurden die gynäkologischen Fachärztinnen der drei Kliniken, die die Spurensicherungen durchführen werden, von Fachkräften aus dem Arbeitskreis ASS geschult. Die letzte Schulung wurde von der Ärztekammer organisiert und war auch zugänglich für niedergelassene Gynäkologen. Bei Bedarf (z. B. Verletzungen außerhalb des Intimbereichs wie Hämatome oder Würgemale) wird von den Ärztinnen für die Spurensicherung der Ärztliche Beweissicherungsdienst (ÄBD) hinzugezogen. Derzeit wird in Bremerhaven geprüft, ob im Klinikum Reinkenheide ebenfalls das Angebot einer ASS eingeführt werden kann. 2. Wie hoch sind die hierfür entstehenden Kosten, und woraus werden sie finanziert ? Die Finanzierung der Untersuchungen in den Krankenhäusern und die fachgerechte Lagerung der Spuren über zehn Jahre ist durch den Gesundheit Nord Klinikverbund Bremen sichergestellt. Weitere Kosten entstehen durch die Hinzuziehung des ÄBD (ca. 80 ‡ pro Spurensicherung ). Die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit hat im Sinne einer Anschubfinanzierung 2000 ‡ zur Verfügung gestellt. Diese Mittel stehen für die Tätigkeit des ÄBD sowie darüber hinaus anfallende Kosten zur Verfügung. 3. Wie wird die Möglichkeit der anonymen Spurensicherung in Bremen bekannt gemacht und insbesondere, dass die beteiligten Institutionen zur Vertraulichkeit verpflichtet sind? Über spezifische Öffentlichkeitsarbeit wird in Kürze vom Arbeitskreis entschieden . Nach den bisherigen Überlegungen wird eine aktive Öffentlichkeitsarbeit angestrebt, die sich sowohl an die Fachöffentlichkeit als auch an die Bevölkerung richten soll und die Bereitstellung von Informationsmaterial ebenso umfasst wie eine breit angelegte Pressearbeit. Die geschulten Ärztinnen und das Pflegepersonal, die mit den Betroffenen in Kontakt kommen, unterliegen der Schweigepflicht. — 3 — Druck: Anker-Druck Bremen 4. Sind die bisher gewählten oder zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel wirklich geeignet, das Angebot umfassend in Bremen bekannt zu machen? Welche Mittel würden gegebenenfalls zur verbesserten Kommunikation benötigt ? Siehe Antwort zu Frage 3. Derzeit arbeitet die Arbeitsgruppe an einem Konzept für eine effektive und umfassende Öffentlichkeitsarbeit bzw. Kommunikationsarbeit. 5. Ist beabsichtigt den Erfolg des Projekts in absehbarer Zeit zu evaluieren? Es ist vorgesehen, dass im Frühjahr 2012 das Angebot der ASS in Anspruch genommen werden kann. Ein Jahr später soll eine Evaluation durchgeführt werden. Hier werden insbesondere Fragen der Akzeptanz der ASS und Anzahl der Opfer, die ASS in Anspruch genommen haben fokussiert. Ob das Projekt langfristig Erfolg hat, kann sich erst herausstellen, wenn die ersten Fälle zu einer Anzeige kommen und vor Gericht verhandelt werden.