— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 213 Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 2. November 2011 Steuerliche Privilegien von Schützenvereinen für das Schießen mit großkalibrigen Waffen In den letzten 20 Jahren sind in Deutschland über 100 Menschen mit legalen Schuss waffen getötet worden. Gemäß Bundeswaffengesetz berechtigt neben der Jagdaus übung vor allem der Schießsport zum legalen Besitz von Schusswaffen. Der Bundes gesetzgeber hat sich in der Abwägung zwischen individuellen Freizeitinteressen der Sportschützen und öffentlicher Sicherheit und dem Schutz von Leib und Leben, für eine liberale Regelung zugunsten des Schießsports und der Waffenbesitzer entschie den, die in vielfältiger Weise nach den Amokläufen der letzten Jahre kritisiert wurde. Darüber hinaus privilegiert der Bundesgesetzgeber Schützenvereine steuerrechtlich dadurch, dass er ihnen die Gemeinnützigkeit zuerkennt, weil sie die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet fördern würden, was andererseits bei spielsweise Skatvereinen nicht zugestanden wird. Dabei wird bei der Privilegierung der Schützenvereine bisher nicht zwischen der Ausübung olympischer Sportarten und dem Schießen mit großkalibrigen Waffen unterschieden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Schützenvereine im Lande Bremen werden im Sinne des § 52 AO als gemeinnützig behandelt? Wie viele Mitglieder haben die Vereine? 2. Gibt es darüber hinaus Schützenvereine oder Schießsportunternehmen im Lande Bremen, die nicht als gemeinnützig im Sinne des § 52 AO behandelt werden? Wenn ja, mit welcher Begründung? 3. In welchem quantitativen Umfang (Anzahl der Mitglieder) wird in den Vereinen Schießsport in nicht olympischen Disziplinen betrieben? Um welche Disziplinen handelt es sich? Wie ist das quantitative Verhältnis zu den olympischen Diszi plinen? 4. In welchem finanziellen Umfang werden steuerpflichtige Spenden und Förder mitgliedschaftsbeiträge für gemeinnützige Schützenvereine bei der Lohn oder Einkommensteuererklärung geltend gemacht bzw. anerkannt? In welchem finanziellen Umfang wird hierdurch das Steueraufkommen im Land Bremen gemindert? 5. Sieht der Senat bei der Feststellung oder Versagung der Gemeinnützigkeit von Schützenvereinen einen Ermessensspielraum der Finanzämter im Lande Bremen im Hinblick auf a) die Ausübung und Förderung von nicht olympischen Schießsportdisziplinen mit großkalibrigen Waffen? b) die Bewertung des Schießsportes als die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet fördernde Tätigkeit? 6. Soweit der Senat keinen Ermessensspielraum sehen sollte, hält er landesrechtli che Regelungen für zulässig, Schützenvereinen in Abweichung zu § 52 Absatz 2 Nummer 21 AO bzw. zum AEAO die Anerkennung als gemeinnützig zu versa gen, soweit diese nicht olympische Disziplinen betreiben? Max Liess, Sükrü Senkal, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD — 2 — D a z u Antwort des Senats vom 24. Januar 2012 1. Wie viele Schützenvereine im Lande Bremen werden im Sinne des § 52 AO als gemeinnützig behandelt? Wie viele Mitglieder haben die Vereine? In Bremen und Bremerhaven gibt es 30 als gemeinnützig anerkannte Schüt zenvereine. Im Fachverband Schießen im Landessportbund Bremen e. V., der allerdings satzungsgemäß nicht auf das Bundesland Bremen beschränkt ist, sind 36 Schießsport treibende Vereine oder Vereinsgliederungen organisiert. Neben dem Aspekt der Brauchtumspflege in den Schützenvereinen, die im Bremer Schützenbund mit rund 5 000 Mitgliedern organisiert sind, steht bei den Sportschützen der sportliche Wettkampf im Mittelpunkt der Vereinsarbeit. Diese sind im Fachverband Schießen, dem Dachverband der Bremer und Bremerha vener Sportschützen im Landessportbund, mit derzeit rund 3 200 Mitgliedern organisiert. Da weder der Fachverband Schießen als Mitglied im Landessportbund Bremen, noch der Bremer Schützenbund bislang eine differenzierte Übersicht über ihre Mitgliederzahlen vorgelegt haben, sind diese Zahlen allerdings nur ungenau. Durch die Tatsache, dass die erwähnten Landesverbände zum Teil aus histo rischen Gründen ebenfalls für Mitgliedsvereine aus dem niedersächsischen Umland zuständig sind, ist eine genaue Differenzierung hier nicht möglich. 2. Gibt es darüber hinaus Schützenvereine oder Schießsportunternehmen im Lande Bremen, die nicht als gemeinnützig im Sinne des § 52 AO behandelt werden? Wenn ja, mit welcher Begründung? Schützenvereine oder Schießsportunternehmen, die nicht als gemeinnützig behandelt werden, sind in Bremen nicht bekannt. Außerhalb von Verein und Unternehmen wird z. B. im Justizvollzug zu Ausbildungs und Dienstzwecken ebenfalls mit der Waffe geübt. 3. In welchem quantitativen Umfang (Anzahl der Mitglieder) wird in den Vereinen Schießsport in nicht olympischen Disziplinen betrieben? Um welche Disziplinen handelt es sich? Wie ist das quantitative Verhältnis zu den olympischen Diszi plinen? Es gilt folgende Unterscheidung im Hinblick auf Abgrenzung von olympischen und nicht olympischen Disziplinen vorzunehmen: Art/Disziplin Kaliber Olympisch für Luftgewehr 4,5 mm Männer und Frauen KleinkaliberSportgewehr (3x20 Schuss) .22 long rifle Frauen Kleinkaliber Freigewehr (3x40 Schuss) .22 long rifle Männer Kleinkaliber Liegendkampf .22 long rifle Männer Luftpistole 4,5 mm Männer und Frauen KleinkaliberSportpistole (3x20 Schuss) .22 long rifle Frauen Freie Pistole .22 long rifle Männer Olympische Schnellfeuerpistole .22 long rifle Männer Flinte (Skeet, Trap und Doppeltrapp) 12* Männer und Frauen (*Bei Flinten weicht die Kaliberbezeichnung von anderen Schusswaffen ab. Hier bezeichnet das Kaliber die Anzahl der Bleikugeln vom Laufinnendurchmesser, die zusammen ein englisches Pfund [453,6 g] wiegen.) — 3 — Alle zuvor nicht genannten Schießsportdisziplinen sind mithin nicht olympisch. Aufgrund dessen, dass Schießsport auch von vielen Menschen ausgeübt wird, die berufsmäßig mit Waffen zu tun haben (Polizisten, Militär) gibt es auch noch eine Reihe anderer Disziplinen, die Anleihen aus diesen Bereichen aufweisen. Einige Beispiele hierfür sind „Westernschießen“ und „praktische Flinte“, die in Deutschland vom Bund der Militär und Polizeischützen und dem Bund Deutscher Sportschützen angeboten werden. In der Regel werden viele dieser Disziplinen, trotz ihrer Popularität und internationaler Wettkämpfe, nicht von nationalen Olympischen Komitees gefördert. Dies soll den Schießsport weiter vom Gedanken der „Wehrertüchtigung“ fern halten. GroßkaliberDisziplinen mit Standortänderungen sind grundsätzlich nicht im Wettkampfkatalog des Deutschen Schützenbundes enthalten. Da weder der Fachverband Schießen als Mitglied im Landessportbund Bre men, noch der Bremer Schützenbund eine differenzierte Übersicht über Ihre Mitgliederzahlen vorgelegt haben, ist eine Differenzierung nach den einzelnen Disziplinen nicht möglich. Das Verhältnis wird mit 2/3 olympisch zu 1/3 nicht olympisch geschätzt. 4. In welchem finanziellen Umfang werden steuerpflichtige Spenden und Förder mitgliedschaftsbeiträge für gemeinnützige Schützenvereine bei der Lohn oder Einkommensteuererklärung geltend gemacht bzw. anerkannt? In welchem finanziellen Umfang wird hierdurch das Steueraufkommen im Land Bremen gemindert? Spenden zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke (§§ 52 bis 54 Abgabenord nung) können insgesamt bis zu 20 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Steu erbürgers als Sonderausgaben abgezogen werden. Alternativ ist eine Obergrenze von vier Promille der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgabe berücksichtigungsfähig. Vorstehendes gilt entsprechend auch für Körperschaften (abziehbare Aufwen dungen). Zahlen darüber, in welcher Höhe Spenden an Schützenvereine in Bremen gel tend gemacht werden und wie dadurch das Steueraufkommen im Lande Bremen gemindert wird, liegen nicht vor. 5. Sieht der Senat bei der Feststellung oder Versagung der Gemeinnützigkeit von Schützenvereinen einen Ermessensspielraum der Finanzämter im Lande Bremen im Hinblick auf a) die Ausübung und Förderung von nicht olympischen Schießsportdisziplinen mit großkalibrigen Waffen? b) die Bewertung des Schießsportes als die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet fördernde Tätigkeit? Einem Verein (Frage 5 a]), der den Schießsport fördert, der die allgemeinen Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit nach der Abga benordnung erfüllt und dessen tatsächliche Tätigkeit seiner Satzung entspricht, kann die Gemeinnützigkeit vom Finanzamt nicht versagt werden. Ein Ermessensspielraum des Finanzamts ist hier nicht gegeben (gebundene Ent scheidung). § 52 Absatz 2 Nummer 21 Abgabenordnung benennt ausdrücklich die Förderung des Sports als gemeinnützigen Zweck. Im bundesweit einheitlich geltenden Anwendungserlass zur Abgabenordnung (Nummer 6 zu § 52) ist der Schießsport ausdrücklich benannt. Eine Unterscheidung nach olympischen und nicht olympischen Sport ist im Gemeinnützigkeitsrecht nicht vorgesehen. Soweit die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung danach vor liegen, kann das Finanzamt diese Steuerbefreiung nicht willkürlich versagen. Vorstehendes folgt unmittelbar aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz (Rechtsan wendungsgleichheit). Bereits das Gesetz (§ 52 Absatz 2 Nummer 21 Abgabenordnung) legt für Sport vereine fest (Frage 5 b]), dass sie die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet fördern. Ein Ermessensspielraum des Finanzamts ist daher auch insoweit nicht gegeben. — 4 — 6. Soweit der Senat keinen Ermessensspielraum sehen sollte, hält er landesrechtli che Regelungen für zulässig, Schützenvereinen in Abweichung zu § 52 Absatz 2 Nummer 21 AO bzw. zum AEAO die Anerkennung als gemeinnützig zu versa gen, soweit diese nicht olympische Disziplinen betreiben? Eine solche landesrechtliche Regelung wäre verfassungswidrig. Der Bund hat für diesen Bereich der Steuern die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz (Artikel 105 Absatz 2 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 Grundgesetz). Da der Bund umfassend von dieser Befugnis Gebrauch gemacht hat, bleibt für die Länder kein Raum für eine eigene Gesetzgebungskompetenz (Artikel 72 Absatz 1 Grundgesetz). Druck: Anker-Druck Bremen