— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 297 Kleine Anfrage der Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen vom 8. Februar 2012 Barrierefreiheit an Schulen: Anwahlverfahren an Oberschulen und Gymnasien für Schülerinnen und Schüler mit Körper- und Sinnesbeeinträchtigungen Bei der Anwahl von Oberschulen gibt es bei dem Wechsel von Klasse 4 zu Klasse 5 Zuordnungen bei den jeweiligen Grundschulen. Gymnasien sind hingegen stadtweit anwählbar. Für Schülerinnen und Schüler mit Körperbehinderungen, die auf barrierefreie Schulen bzw. mit Sinnesbehinderungen, die auf besondere Ausstattungen angewiesen sind, gibt es keine Härtefallregelung. Das schränkt die Wahl der betreffenden Schülerinnen und Schüler ein bzw. es gibt keine Garantie, dass sie an barrierefreien Schulen aufgenommen werden. Wir fragen den Senat: 1. Welche Schulen in Bremen und Bremerhaven sind zurzeit behindertengerecht ausgestattet (bitte aufteilen nach den Kategorien rollstuhlgeeignet, mit Ausstattung für hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler und mit Ausstattung für sehbehinderte Schülerinnen und Schüler)? 2. An welchen Schulen in Bremen und Bremerhaven werden zurzeit Veränderungen vorgenommen bzw. bestehen Planungen mit dem Ziel Barrierefreiheit herzustellen , und wann wird dies an den jeweiligen Standorten umgesetzt sein (bitte aufteilen nach den Kategorien rollstuhlgeeignet, mit Ausstattung für hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler und mit Ausstattung für sehbehinderte Schülerinnen und Schüler)? 3. Wie wird sichergestellt, dass behinderte Kinder die nächstgelegene Schule mit der benötigten Ausstattung anwählen können? 4. Gibt es Überlegungen im Senat für Schülerinnen und Schüler mit Körper- und Sinnesbehinderungen eine Härtefallregelung an den Gymnasien einzuführen, da die Auswahl an geeigneten Schulen beschränkt ist? Wie kann sichergestellt werden, dass diese Ungleichbehandlung aufgehoben wird? Sülmez Dogan, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen D a z u Antwort des Senats vom 13. März 2012 Vorbemerkung Nach dem Bremischen Schulgesetz sind beim Übergang von den Grundschulen zu den weiterführenden Schulen sowohl Gymnasien als auch Oberschulen stadtweit frei anwählbar. Die Zuordnungen einzelner Grundschulen zu Oberschulen schafft in diesem Zusammenhang lediglich die Möglichkeit eines bevorrechtigten Zugangs im Rahmen dieser Wahlfreiheit. Dies gilt grundsätzlich auch für Kinder mit Körperbehinderungen . Nach der Härtefallregelung gemäß §§ 10, 11 Aufnahmeverordnung besteht die Möglichkeit einer bevorzugten Aufnahme an der weiterführenden Schule, wenn für eine vorhandene Behinderung in der Schule die notwendigen baulichen — 2 — Ausstattungen oder räumlichen Voraussetzungen vorhanden sind und diese an keiner in vertretbarer Nähe gelegenen anderen Schule bestehen und die Versagung des Besuchs eine besondere Härte bedeuten würde. Sonderpädagogische und weitere unterstützende Förderung wird im Rahmen der Kapazitäten an den allgemeinen Schulen durch eingegliederte Zentren für unterstützende Pädagogik geleistet. Bei festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf wird die Entscheidung über den Förderort nach Beteiligung der Erziehungsberechtigten in den Stadtgemeinden durch die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit bzw. den Magistrat getroffen . Dabei sind auch die Eignung der Schulen und insbesondere die Erfüllung der baulichen Voraussetzungen für die jeweilige Beschulung zu berücksichtigen. Für bestimmte besondere Förderbedarfe stehen nach § 70a Absatz 1 Bremisches Schulgesetz jeweils entsprechend ausgestattete Schulen zur Verfügung. 1. Welche Schulen in Bremen und Bremerhaven sind zurzeit behindertengerecht ausgestattet (bitte aufteilen nach den Kategorien rollstuhlgeeignet, mit Ausstattung für hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler und mit Ausstattung für sehbehinderte Schülerinnen und Schüler)? In Bremen ist bei Neu- oder Anbauten von Schulgebäuden grundsätzlich die Herstellung der barrierefreien rollstuhlgeeigneten Zugänglichkeit vorgesehen. Eine systematische Erfassung des jeweiligen bestehenden Status der Barrierefreiheit in den einzelnen Schulen ist bisher nicht erfolgt und kann in der Kürze der Zeit nicht durchgeführt werden. Die Frage kann daher zurzeit nur in zusammengefasster Form beantwortet werden. Schulgebäude, in denen Kooperations- bzw. Inklusionsklassen für Wahrnehmung und Entwicklung untergebracht sind, wie z. B. das Schulgebäude der Oberschulen Ronzelenstraße und Julius-Brecht-Allee, wurden in besonderem Maße rollstuhlgerecht und barrierefrei hergerichtet. Für Schülerinnen und Schüler mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf körperliche und motorische Entwicklung in Fällen einer schweren umfänglichen multiplen Beeinträchtigung steht das Förderzentrum an der Louis-SeegelkenStraße zur Verfügung. Für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderbedarf Hören gibt es das Förderzentrum An der Marcusallee und für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderbedarf Sehen die Schule für Sehgeschädigte An der Gete. Für Schülerinnen und Schüler im Regelbetrieb werden einzelfallbezogene Lösungen gesucht, z. B. durch akustische Nachrüstungen, Einbau von Rampen etc. Es ist geplant, die jeweilige Situation zur Barrierefreiheit künftig im Zuge der regelmäßigen Begehungen zur Zustandserfassung der Gebäude zu dokumentieren . In Bremerhaven ist eine systematische Erfassung der Sachlage zur Barrierefreiheit in den einzelnen Schulen bislang nicht erfolgt. Kürzlich wurden stichpunktartig Schulen gleicher Eigenart oder gleichen Baujahrs erfasst, um einen Anhaltspunkt für den Mittelbedarf zu erlangen, damit die Barrierefreiheit in den Mindestanforderungen umgesetzt werden kann. Die Beantwortung der Frage resultiert aus den Erkenntnissen, ist aber nicht umfassender Art. Grundsätzlich wird die barrierefreie, rollstuhlgeeignete Zugänglichkeit der Schulen jeweils dann hergestellt, wenn Schulen errichtet, umgebaut oder umfassend saniert werden. Die Einrichtung behindertengerechter WC-Anlagen erfolgt im Rahmen einer umfassenden Sanierung oder bei einzelnen Modernisierungen von WC-Anlagen. Der Einbau von Aufzugsanlagen erfolgt unter gleichen Vorgaben , soweit die vorhandenen örtlichen Gegebenheiten dies wirtschaftlich vertretbar zulassen. Bei den Außenanlagen werden grundsätzlich Rampenanlagen vorgesehen bzw. nachgerüstet, um mindestens barrierefrei ins Erdgeschoss des Schulgebäudes zu gelangen. Lediglich die Johann-Gutenberg-Schule ist rollstuhlgeeignet , d. h. sämtliche Ebenen dieser Schule sind ohne fremde Hilfe erreichbar . Bei folgenden Schulen ist die Erreichbarkeit auf das Erdgeschoss beschränkt: Lloyd Gymnasium Bremerhaven – Haus Grazer Straße –, Georg-Büchner-Schule, Schulzentrum Carl von Ossietzky, Paula-Modersohn-Schule. — 3 — Bei folgenden Schulen ist die Erreichbarkeit nicht vorhanden: Lloyd Gymnasium Bremerhaven – Haus Wiener Straße –, Schulzentrum Geschwister Scholl, Wilhelm-Raabe-Schule. Bei Schülerinnen und Schülern mit Hörschädigung hat Bremerhaven zurzeit die Regelung, dass Räume – in Absprache mit den Beteiligten – entsprechend der Hörverständlichkeit mit entsprechenden akustischen Maßnahmen ausgestattet werden. Grundsätzlich wird bei allen Sanierungsmaßnahmen die DIN 18041 angewandt, was zu einer deutlichen Verbesserung der allgemeinen Hörbarkeit beigetragen hat. In allen Schulen fehlt eine DIN-gerechte Ausstattung für Schülerinnen und Schülern mit Sehbehinderung. 2. An welchen Schulen in Bremen und Bremerhaven werden zurzeit Veränderungen vorgenommen bzw. bestehen Planungen mit dem Ziel Barrierefreiheit herzustellen , und wann wird dies an den jeweiligen Standorten umgesetzt sein (bitte aufteilen nach den Kategorien rollstuhlgeeignet, mit Ausstattung für hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler und mit Ausstattung für sehbehinderte Schülerinnen und Schüler)? Die barrierefreie Zugänglichkeit und zweckentsprechende Nutzbarkeit der Schulen für Menschen mit Behinderungen, alten Menschen und Personen mit Kleinkindern muss in Bremen gemäß Landesbauordnung LBO § 50 hergestellt werden , wenn neue Schulen errichtet werden bzw. umfangreiche Anbauten erfolgen . Dazu gehören aktuell der Schulneubau Neue Oberschule Ohlenhof, Anbauten an der Oberschule im Park, an der Wilhelm-Olbers-Oberschule und FÖZ Louis-Seegelken-Straße, Grundschule An der Gete sowie das Quartiersbildungszentrum in Gröpelingen und Anbauten an der Oberschule Leibnizplatz, Grundschule Am Weidedamm, Grundschule St. Magnus, Grundschule Oberneuland, Förderzentrum an der Vegesacker Straße und Quartiersbildungszentrum Robinsbalje . Bei Anbauten wird nach Möglichkeit auch der bestehende Schulbau barrierefrei erschlossen. Bei Baumaßnahmen im Bestand gilt der Bestandsschutz. Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung zur Herstellung der Barrierefreiheit. Trotzdem wird nach Möglichkeit versucht, die Barrierefreiheit im Zusammenhang mit den anstehenden Umbau- und Sanierungsmaßnahmen zu erreichen. Bei Umbauten werden die vom Umbau betroffenen Bereiche barrierefrei erstellt. Bei Sanierungen der Außenhülle wird die rollstuhlgerechte Zugänglichkeit umgesetzt (Türbreiten, Rampen ). Die barrierefreie Herrichtung der Toiletten und Waschräume erfolgt jeweils im Zuge einer Gesamtsanierung oder einer Sanierung der Sanitärbereiche unter Beachtung der Gegebenheiten vor Ort. Das gilt auch für die barrierefreie Erschließung der jeweiligen Geschosse. An folgenden Schulen, an denen eine Gesamtsanierung jetzt geplant ist, wird die Barrierefreiheit u. a. für Rollstuhlfahrer/-innen hergestellt: Grundschule Osterhop, Oberschule Lehmhorster Straße sowie die Neue Oberschule Gröpelingen . Sollte eine Maßnahme zur Herstellung der Barrierefreiheit bei Umbauten und Sanierungen im Bestand zu unverhältnismäßigem Mehraufwand führen, wird dies jeweils im Einzelfall in Abstimmung mit dem Landesbehindertenbeauftragten entschieden. Es ist derzeit geplant, allgemeinverbindlich geregelte Ausführungsstandards und Verfahrensregeln zur Herstellung der Barrierefreiheit bei öffentlich nutzbaren Gebäuden, insbesondere an Schulen, einzuführen. In Bremerhaven werden alle Schulneubauten, -umbauten und Sanierungen rollstuhlgerecht geplant. Am Schulzentrum Geschwister Scholl wird zurzeit eine Aufzugsanlage errichtet. Für folgende Schulen sind Aufzugsanlagen geplant: Paula-Modersohn-Schule (2012), Georg-Büchner-Schule, Schulzentrum Carl von Ossietzky (2014). Grundsätzlich wird bei allen Sanierungsmaßnahmen die DIN 18041 angewandt, was zu einer deutlichen Verbesserung der allgemeinen Hörbarkeit beigetragen hat. Bei Sanierungen wird zukünftig auf eine kontrastreiche Ausgestaltung der Räumlichkeiten geachtet, um eine Orientierung für sehbehinderte Menschen möglich zu machen. — 4 — 3. Wie wird sichergestellt, dass behinderte Kinder die nächstgelegene Schule mit der benötigten Ausstattung anwählen können? Die Verordnung über die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern in öffentliche Schulen und Bildungsgänge vom 13. November 2009 (Brem.GBl. 2004 S. 139 – 223-b-10), geändert durch Verordnung vom 26. Januar 2011 (Brem.GBl. S. 6) und durch Verordnung vom 3. Januar 2012 (Brem.GBl. S. 5) regelt in §§ 8 ff. das Übergangsverfahren von Klasse 4 nach Klasse 5. Danach nehmen auch die Erziehungsberechtigten von Schülerinnen/Schülern mit Körper- oder Sinnesbeeinträchtigungen am Wahlverfahren teil und können drei Wunschschulen angeben . Zusätzlich kann die Anwahl mit einem Härtefallantrag begründet werden . Die Berücksichtigung von Härtefallanträgen im Rahmen des Aufnahmeverfahrens erfolgt gemäß § 10 Absatz 2 Ziffer 1 der oben genannten Verordnung („Zunächst werden bis zu 10 vom Hundert der insgesamt in den jeweiligen Aufnahmeverfahren nach § 9 Absatz 1 bis 4 zur Verfügung stehenden Plätze an Bewerberinnen und Bewerber vergeben, für die die Versagung des Besuchs eine besondere Härte bedeuten würde [Härtefälle]. Dies trifft zu, wenn für eine vorhandene Behinderung in der Schule die notwendigen baulichen Ausstattungen oder räumlichen Voraussetzungen vorhanden sind und diese an keiner in vertretbarer Nähe gelegenen anderen Schule bestehen“). Des Weiteren werden in der die oben genannten Verordnung flankierenden Richtlinie über die Aufnahmekapazitäten der allgemeinbildenden Schulen der Primarstufe und der Sekundarstufe I in der Stadtgemeinde Bremen vom 18. November 2011 in Ziffer 5 für Schüler/-innen mit Körper- oder Sinnesbeeinträchtigungen die Aufnahmemodalitäten weiter konkretisiert („Abweichend von Ziffer 3.1. nehmen alle Schulen Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf im Bereich körperliche und motorische Entwicklung sowie in den Bereichen Hören und Sehen, deren Erziehungsberechtigte entscheiden, dass die sonderpädagogische Förderung in den allgemeinen Schulen stattfinden soll, nach den Abschnitten 1 bis 3 der Verordnung über die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern in öffentliche allgemeinbildende Schulen in Regelklassen auf. Muss für die inklusive Beschulung Schulassistenz in Anspruch genommen werden, die nur in Schulen mit Zentren für unterstützende Pädagogik zur Verfügung steht, findet die Aufnahme in diesen Schulen statt; es sei denn die persönliche Unterstützung wird im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII gewährleistet . Erfolgt die Aufnahme daher nicht nach Satz 1, trifft die Entscheidung über den Förderort [die Schule mit Zentrum für unterstützende Pädagogik ] die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit nach der baulichen , räumlichen und personellen Infrastruktur der Schule.“). Somit wird im Rahmen der Gesamtkapazität sichergestellt, dass Kinder mit Körper - oder Sinnesbeeinträchtigung die nächstgelegene Schule mit der angemessenen Ausstattung anwählen und auch besuchen können. In Bremerhaven wird analog verfahren. Es wird vorab im Einzelfall abgestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Übergang in die gewünschte Schule realisierbar ist. 4. Gibt es Überlegungen im Senat für Schülerinnen und Schüler mit Körper- und Sinnesbehinderungen eine Härtefallregelung an den Gymnasien einzuführen, da die Auswahl an geeigneten Schulen beschränkt ist? Wie kann sichergestellt werden, dass diese Ungleichbehandlung aufgehoben wird? Die zu Frage 3 erteilte Antwort gilt auch für das Aufnahmeverfahren von Schülerinnen /Schülern mit Körper- oder Sinnesbeeinträchtigungen an Gymnasien. In § 11 der oben genannten Verordnung wird zur Aufnahme in ein Gymnasium auf die Analogie des Verfahrens gemäß § 10 verwiesen. Insoweit wird auch hier für Schüler/-innen mit Körper- oder Sinnesbehinderungen sichergestellt, dass im Rahmen der Gesamtkapazität ein Gymnasium mit adäquatem Angebot angewählt und besucht werden kann. Eine Ungleichbehandlung kann daher nicht konstatiert werden. In Bremerhaven wird analog verfahren. Es wird vorab im Einzelfall abgestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Übergang in die gewünschte Schule realisierbar ist. Druck: Anker-Druck Bremen