— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 324 (zu Drs. 18/254) 27. 03. 12 Mitteilung des Senats vom 27. März 2012 Leistung muss sich lohnen: Chancengerechtigkeit in der Bildung Die Fraktion der CDU hat unter Drucksache 18/254 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet. Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt: 1. Wie beurteilt der Senat die Qualität des bremischen Bildungswesens insgesamt und des Unterrichts an den Schulen im Lande Bremen, welche Kriterien sind dabei für den Senat ausschlaggebend, und welche werden nach Kenntnis des Senats dabei überregional angelegt, und wie beurteilt der Senat das Abschneiden des Landes Bremen in überregionalen Vergleichsstudien der jüngeren Vergangenheit (z. B. beim Bildungsmonitor oder dem Lernatlas)? Für die Beurteilung der Qualität des Bildungs- bzw. Schulwesens sind nicht nur messbare Ergebnisse (Outputqualität: Schulabschlüsse, Leistungsergebnisse), sondern auch Ausgangs- und Rahmenbedingungen sowie die Prozessqualität (Unterricht/Lernkultur, Schulkultur und Schulmanagement) bedeutsam. Auf diesen Feldern sind in Bremen weitreichende Entwicklungen eingeleitet worden. Zentrale Weichenstellungen für eine umfassende Qualitätsverbesserung des bremischen Bildungswesens und des Unterrichts an unseren Schulen sind mit dem Schulentwicklungsplan 2008, dem darauf fußenden „Bremer Konsens zur Schulentwicklung “ vom Dezember 2008 sowie der Schulgesetznovellierung vom Juni 2009 vorgenommen worden. Die normativen Grundlagen („Kriterien“) für die Qualitätsentwicklung der Bremer Schulen werden in den „Merkmalen guter Schule“ im Schulentwicklungsplan (2008) und im „Bremer Orientierungsrahmen für Schulqualität“ (2007) definiert . Das dem Orientierungsrahmen zugrunde liegende Qualitätsverständnis korrespondiert mit entsprechenden Rahmenkonzepten anderer Bundesländer. Es bildet die Grundlage für die Evaluation des bremischen Schulwesens auf den unterschiedlichen Ebenen. Des Weiteren liegen überregional angelegte Kriterien für die Unterrichtsentwicklung in Form der bundesweit geltenden Bildungsstandards für die sogenannten Kernfächer vor. In Anlehnung an diese Standards wurden die Bremer Bildungspläne überarbeitet. Die Standards bilden ferner die Grundlage für die regelmäßig durchgeführten Ländervergleiche (siehe Frage 2). Andere Studien und Rankinglisten, die in den Medien mitunter breit präsentiert werden, zeigen dagegen oft methodische Mängel und inhaltliche Unzulänglichkeiten . Weder der im August 2011 vorgelegte „Bildungsmonitor“ der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft noch der im November 2011 von der Bertelsmann-Studie in Zusammenarbeit mit dem Dortmunder Institut für Schulentwicklungsforschung veröffentlichte „Lernatlas“ enthalten neue Befunde zu den Kompetenzen der Bremer Schülerinnen und Schüler im allgemeinbildenden Schulsystem. Vielmehr greifen beide Studien bei der Indikatorenbildung für den Bereich Schu- — 2 — lisches Lernen auf vergleichsweise alte Leistungsdaten aus den Jahren 2006 (PISA und IGLU) sowie 2009 (IQB-Ländervergleich) zurück. Eine erneute Stellungnahme zum Abschneiden des Landes Bremen erübrigt sich daher. Auf diese – auch der Öffentlichkeit längst bekannte – Befundlage hat der Senat mit einer Vielzahl struktureller Veränderungen und darauf abgestimmter Maßnahmen reagiert (siehe Frage 15). In der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen „Umsetzung der Bremer Schulreform“ vom 10. März 2011 ist darauf ausführlich eingegangen worden . Mit Blick auf das berufliche Bildungssystem in Bremen kommt der aktuelle „Bildungsmonitor“ 2011 auf der Grundlage statistischer Daten, wie z. B. Berufsabschlussquote und Ausbildungsstellenquote, zu einer positiven Bewertung. Auch der „Lernatlas“ bewertet die Lerndimension „Berufliche Bildung“ und verortet Bremen im Mittelfeld. Allerdings werden die Bereiche der beruflichen Erstausbildung und der beruflichen Weiterbildung unzulässig vermischt. Zudem werden nur zwei Indikatoren (Ausbildungsplatzangebot und Ausbildungserfolg) benannt, davon ist der Indikator Ausbildungserfolg nicht mit Daten hinterlegt. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der „Lernatlas“ aufgrund der methodischen Mängel, die u. a. auch vom Statistischen Bundesamt sowie vom Deutschen Institut für internationale pädagogische Forschung (DIPF) moniert wurden, kein geeigneter Bezugsrahmen für eine profunde Einschätzung zur Leistungsfähigkeit des Bremer Bildungswesens ist. 2. Wie beurteilt der Senat die Aussagefähigkeit überregionaler Vergleichsstudien, und wie will sich der Senat konzeptionell und bildungspolitisch zukünftig in diesem Bereich einbringen? Mit der im Jahr 2006 verabschiedeten Gesamtstrategie der Kultusministerkonferenz (KMK) zum Bildungsmonitoring haben sich die Bundesländer auf ein Bündel von Qualitätssicherungsmaßnahmen im Schulwesen geeinigt. Vorgesehen ist u. a. die regelmäßige Teilnahme Deutschlands an den großen internationalen Leistungsvergleichsstudien wie PISA, IGLU und TIMSS. In Ergänzung wird alle drei bzw. fünf Jahre – als Grundlage für den Bundesländervergleich – deutschlandweit das Erreichen der Bildungsstandards im Primarbereich (4. Schuljahrgang ) und in der Sekundarstufe I (9. Schuljahrgang) überprüft. In die länderübergreifenden Beratungen über konzeptionelle Fragen des Bildungsmonitorings bringt sich Bremen seit langem aktiv ein. Aktuelles Beispiel hierfür ist die in den diversen Gremien der KMK breit diskutierte Frage nach der Einbeziehung von Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die Schulleistungsstudien : Die diesbezügliche Vorgehensweise im IQB-Ländervergleich 2012 geht maßgeblich auf das Engagement Bremens zurück. Mit Blick auf die Aussagefähigkeit der oben genannten, im Auftrag der KMK durchgeführten Untersuchungen gilt: Unter methodischen bzw. testtheoretischen Gesichtspunkten stellen sie aufgrund ihres hohen wissenschaftlichen Standards einen geeigneten Referenzrahmen dar, auch weil sie auf fragwürdige Indikatorenbildung mit schwer begründbaren Gewichtungen verzichten. Inhaltlich aussagefähig sind diese Studien im Hinblick auf das, was sie messen, nämlich in erster Linie den Kompetenzerwerb in den sogenannten Kernfächern. Da die Aufgabe von Schule jedoch über die Förderung des Kompetenzerwerbs in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch weit hinausgeht, dürfen die Ergebnisse von PISA und anderen Studien nicht als Indikatoren für die Qualität schulischer Lehr- und Lernprozesse insgesamt missverstanden werden. Die sinnvolle Interpretation der Leistungsdaten setzt eine Einordnung in den jeweiligen Kontext voraus. So erklärt sich das schwache Abschneiden hiesiger Schülerinnen und Schüler auch über die besondere Situation Bremens: Mehr Kinder und Jugendliche als in anderen Bundesländern leben hier in sozial schwierigen Verhältnissen oder in Armut oder entstammen bildungsfernen Familien. Rankinglisten, die die durchschnittlichen Ergebnisse der Stadtstaaten mit denen der Flächenländer vergleichen, sind daher nur bedingt aussagefähig. — 3 — 3. Wie beurteilt der Senat die überregionale öffentliche Wahrnehmung und die Reaktionen auf das Abschneiden des Landes Bremen bei bildungsbezogenen Vergleichsstudien? Dass die im Durchschnitt schwachen Ergebnisse der Bremer Schülerinnen und Schüler bei den diversen Vergleichsstudien von der Öffentlichkeit auch überregional wahrgenommen werden, ist unvermeidlich. Wichtig sind aus Sicht des Senats in diesem Zusammenhang vor allem folgende Punkte: Entwicklungen im Zeitverlauf für die einzelnen Bundesländer lassen sich bislang nur auf der Grundlage der PISA-Befunde aus den Jahren 2000 bis 2006 darstellen . Bremen gehörte zu den wenigen Ländern, die in diesem Zeitraum für alle drei Testbereiche (Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz) statistisch signifikante Leistungszuwächse verzeichnen konnten. Diese Dynamik spiegelt die Bereitschaft zu einer nachhaltigen Qualitätsverbesserung wider und hat – auch überregional – Beachtung gefunden. Wahrgenommen worden ist aber auch, dass Bremen eine besonders schwierige Ausgangslage hat: durch den überdurchschnittlich hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern aus sozialen Risikolagen. Die Bremer Schulreform und der „Bremer Konsens zur Schulentwicklung“ (2008) finden bundesweit eine positive Resonanz und werden zunehmend als Modell für eine Beendigung der jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um eine zeitgemäße Schulstruktur bewertet. Damit sind Rahmenbedingungen für Kontinuität und Verlässlichkeit in der Schul- und Unterrichtsentwicklung gegeben. 4. Welche Gefahren sieht der Senat im Hinblick auf die Gewähr dafür, dass auch künftig bremische Abschlüsse als generelle Eingangsqualifikation anerkannt bleiben und nicht z. B. von Hochschulen zusätzlich zum Abitur separate Eingangsprüfungen verlangt werden könnten? 6. Wie beurteilt der Senat die Chancen von Bremens Schülerinnen und Schüler in beruflicher und hochschulischer Ausbildung im überregionalen Vergleich? Bei der Zulassung von Bewerberinnen und Bewerbern gehen Hochschulen unterschiedlich vor: Neben der Gesamtnote der vorliegenden Berechtigung werden die Ergebnisse von Eingangstests und -gesprächen herangezogen sowie gewichtete Noten je nach Studiengang. Die verschiedenen Kriterien können auch in Kombination für die Zulassung herangezogen werden. Das Bremische Hochschulzulassungsgesetz benennt die entsprechenden Kriterien, die anderen Bundesländer verfahren entsprechend. Diese Kriterien gelten für die Bewerberinnen und Bewerber gleichermaßen, unabhängig davon in welchem Bundesland die Hochschulzugangsberechtigung erworben worden ist. Der Senat hat insofern keinen Grund, die gleichberechtigte Anerkennung von Bremer Abschlüssen zur Hochschulzulassung in Zweifel zu ziehen. Bei der Einstellung für betriebliche Ausbildungsplätze ist eine Kombination von schulischen Abschlüssen, der Einschätzung des Betriebes über einschlägige berufsbezogene Kompetenzen und ein persönlicher Eindruck der Bewerberinnen und Bewerber ausschlaggebend. Die Bilanz des Plenums der „Bremer Vereinbarungen 2011 bis 2013“ weist zum Dezember 2011 zwar aus, dass 43 % der Ausbildungsverhältnisse von Einpendlern besetzt werden, vorrangig Jugendliche aus dem Bremer Umland. Dies entspricht aber in etwa der Quote anderer Oberzentren. Gesicherte Erkenntnisse über die Chancen von Bremer Schülerinnen und Schülern im überregionalen Vergleich liegen dem Senat nicht vor. 5. Welchen Zusammenhang sieht der Senat zwischen der finanziellen Leistungsfähigkeit der Länder und dem Bildungsranking, und wie stellt sich der Ressourceneinsatz Bremens im Ländervergleich dar? Im Februar 2012 hat die OECD eine Kurzanalyse zu der Frage vorgelegt, ob Staaten mit einem hohen Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt bei PISA bessere Leseergebnisse erzielen als weniger wohlhabende Staaten. Demnach besteht ein solcher Zusammenhang lediglich in vergleichsweise armen PISA-Teilnehmerstaaten . Für die Gruppe der Staaten mit einem Pro-Kopf-BIP von mehr als 20 000 US$, zu der auch die meisten EU-Staaten gehören, ist hingegen das Nationalvermögen kein zuverlässiger Prädiktor für schulische Leistung. Ferner besteht in diesen Staaten offenbar kein positiver Zusammenhang zwischen den kumu- — 4 — lierten Ausgaben pro Schüler/-in im Alter von sechs bis 15 Jahren und der bei PISA gemessenen durchschnittlichen Lesekompetenz. Vergleichbare Analysen für die einzelnen Bundesländer liegen nach Informationen des Senats allerdings nicht vor. Der Ressourceneinsatz Bremens im Ländervergleich lässt sich anhand folgender Kennzahlen beschreiben: Die Ausgaben je Schüler/-in lagen 2008 mit 5 000 ‡ geringfügig unter dem Bundesdurchschnitt von 5 100 ‡ je Schüler/-in; die Schüler-Lehrer-Relation lag 2010 mit 16 geringfügig über dem Bundesdurchschnitt von 15,7. Für den allgemeinbildenden Bereich lässt sich sagen, dass sich der Ressourceneinsatz seit 2006 insgesamt deutlich und stärker als in Hamburg und Berlin bzw. im Bund verbessert hat. Die Schüler-Lehrer-Relation hat sich den Vergleichswerten der anderen Stadtstaaten weiter genähert, ohne diese jedoch ganz zu erreichen . Insbesondere im Sekundarbereich I sind deutliche Verbesserungen eingetreten : den Klassen standen im Schuljahr 2010/2011 drei Lehrerwochenstunden für den Unterricht mehr zur Verfügung als noch im Schuljahr 2006/2007. 7. Welche Rückmeldungen erhält der Senat zur Studier- und Ausbildungsfähigkeit bremischer Schulabsolventen von Hochschulen, Betrieben, Kammern, Verbänden und Fachwissenschaft? Der Senat erhält von den Hochschulen keine Rückmeldung über die Studierfähigkeit der Bremer Absolventen. Den Senat erreichen eher generalisierende Einschätzungen über die Studierfähigkeit, die keine Aussagen über das Bundesland enthalten, in der die Hochschulzugangsberechtigung erworben worden ist. Wenn Kritik an Kenntnissen und Fertigkeiten geäußert wird, bezieht sie sich im Kern auf Kenntnisse und Fähigkeiten, die den Fächern Deutsch und Mathematik zuzuordnen sind. In den ingenieurwissenschaftlichen Fächern werden häufiger fehlende mathematische Kenntnisse erwähnt. Fachverbände haben insofern die Entwicklung von Bildungsstandards für die Fächer Deutsch, Englisch/Französisch und Mathematik sehr begrüßt, die vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) im Auftrag der KMK vorangetrieben wird. Die mangelnde Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen wird von der Wirtschaft in Deutschland generell und auch von der Wirtschaft in Bremen häufig beklagt. Richtig ist, dass Defizite bei einem Teil der Jugendlichen im kognitiven und/ oder sozialen Kompetenzbereich zu verzeichnen sind, die eine Ausbildung erschweren . Anzumerken ist jedoch auch, dass der Begriff „Ausbildungsfähigkeit “ nicht hinreichend scharf definiert ist und von der ausbildenden Wirtschaft unterschiedlich – dem jeweiligen konjunkturellen, politischen und demografischen Kontext angepasst – interpretiert und genutzt wird. Der Senat ist der Auffassung , dass prinzipiell jede/r Jugendliche für spezifische Berufsbereiche ausbildungsfähig ist und vertritt – auch vor dem Hintergrund eines sich abzeichnenden demografischen Wandels – der ausbildenden Wirtschaft dem Prinzip „Förden und Fordern“ die Auffassung, dass die Anstrengungen zu verstärken sind, keine Jugendliche oder keinen Jugendlichen ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung zu belassen. 8. Wie haben sich in Bremen Schulvermeidung und Schulabbruch in den letzten zehn Jahren im überregionalen Vergleich entwickelt? Schulvermeidung wird länderspezifisch bearbeitet, Zahlen zur An- und Abwesenheit von Schülerinnen und Schülern werden nicht bundeseinheitlich systematisch erfasst und ausgewertet, sodass keine Vergleiche möglich sind. Allerdings gibt es eine Reihe verschiedener Studien zum Thema Schulverweigerung die in ihren Ergebnissen Hinweise darauf geben, dass etwa fünf bis 15 % der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen in Deutschland in einem erheblichen Ausmaß in der Schule fehlen. Dabei überwiegt der Anteil der männlichen Schüler. Im Rahmen einer vom Senat in Auftrag gegebenen Dunkelfeldstudie Gewalt und Delinquenz junger Menschen in Bremen 2008 bis 2010 wurde die Verbreitung der Schulvermeidung durch die Befragung von Lehrkräften und Jugendlichen untersucht. Im überregionalen Vergleich liegt die Quote des massiven Schulabsentismus (fünf und mehr Tage) danach in der Tendenz eher unter dem — 5 — bundesdeutschen Durchschnitt für Großstädte (Bremen in 2008 bei 9,6 %, Bremerhaven bei 14,3 %; die entsprechende Rate lag in Hamburg 2005 bei 15,9 %). In einem Forschungsbericht des Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) wird eine durchschnittliche Rate des Schulabsentismus von fünf und mehr Tagen auf 16,1 % als großstädtischen Durchschnittswert für das Jahr 2008 beziffert. Die in den letzten zehn Jahren durch die Schulen in Bremen gemeldeten Zahlen von Schulvermeidung (Hellfeld) bewegen sich zwischen 500 und 600 Meldungen je Schuljahr. Der durchschnittliche Anteil der männlichen Schüler liegt bei 55 bis 60 % der Meldungen, der Anteil der Schülerinnen entsprechend bei 40 bis 45 %. Auch Schulabbrecher sind länderübergreifend nicht definiert. Regelmäßig wird jedoch die Quote der Abgänger ohne Hauptschulabschluss aus den allgemeinbildenden Schulen entsprechend verwendet. Diese Quote ist, bezogen auf die gleichaltrige Bevölkerung in Bremen, von 2001 bis 2010 von 11,0 % auf 6,8 % gesunken und liegt deutlich unter den Vergleichswerten Berlins mit 10,5 % und Hamburgs mit 8,4 % und nur noch geringfügig über dem Bundesdurchschnitt von 6,6 %. Land 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 BE 11,9 % 11,9 % 12,0 % 11,1 % 10,0 % 9,6 % 10,3 % 10,6 % 10,4 % 10,5 % HB 11,0 % 9,9 % 10,4 % 12,0 % 10,6 % 8,7 % 9,0 % 8,2 % 7,4 % 6,8 % HH 12,8 % 11,6 % 11,2 % 11,3 % 11,0 % 11,3 % 10,7 % 8,9 % 8,2 % 8,4 % BG 9,7 % 9,2 % 8,8 % 8,6 % 8,1 % 8,0 % 7,7 % 7,5 % 7,0 % 6,6 % Abgänger nach Beendigung der Vollzeitschulpflicht ohne Hauptschulabschluss; Quote der Abgänger ohne Hauptschulabschluss (Anteile an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung) Eine geschlechtsspezifische Auflistung ergibt folgendes Bild: Land 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 BE m 59,9 % 58,8 % 60,6 % 60,3 % 62,6 % 60,6 % 59,6 % 60,3 % 59,0 % 59,0 % w 40,1 % 41,2 % 39,4 % 39,7 % 37,4 % 39,4 % 40,4 % 39,7 % 41,0 % 41,0 % HB m 62,4 % 58,5 % 56,1 % 60,1 % 62,6 % 62,1 % 63,2 % 58,7 % 58,5 % 61,9 % w 37,6 % 41,5 % 43,9 % 39,9 % 37,4 % 37,9 % 36,8 % 41,3 % 41,5 % 38,1 % HH m 59,9 % 58,2 % 62,6 % 61,3 % 59,2 % 56,8 % 58,7 % 59,2 % 57,5 % 57,8 % w 40,1 % 41,8 % 37,4 % 38,7 % 40,8 % 43,2 % 41,3 % 40,8 % 42,5 % 42,2 % BG m 63,9 % 63,8 % 63,6 % 63,9 % 63,7 % 63,1 % 62,7 % 61,4 % 60,8 % 61,0 % w 36,1 % 36,2 % 36,4 % 36,1 % 36,3 % 36,9 % 37,3 % 38,6 % 39,2 % 39,0 % 9. Welche Maßnahmen wird der Senat zur weiteren Verbesserung der Leistungsfähigkeit des bremischen Schulwesens ergreifen, insbesondere im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Ressourcen und Infrastruktur, der Schüler-LehrerRelation , der Lehrerausbildung und der Lehrerweiterbildung, der Curricula und der Didaktik, der Strukturen sowie der Sicherstellung der notwendigen Kontinuität , der Anwendung und dem Erreichen überregionaler Standards, der Ausweitung zentraler Abschlussprüfungen sowie der Reduzierung des Unterrichtsausfalls und des fachfremden Unterrichts? Die Maßnahmen, die der Senat zur weiteren Verbesserung der Leistungsfähigkeit des bremischen Schulwesens ergreifen wird, sind im Schulentwicklungs- — 6 — plan (2008) und im Entwicklungsplan Inklusion (2010) differenziert dargestellt. In der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen „Umsetzung der Bremer Schulreform“ vom 10. März 2011 ist zudem ausführlich auf den Stand der Umsetzung eingegangen worden. Derzeit wird ergänzend zu den genannten Entwicklungsplänen eine weitere Maßnahmenplanung vorbereitet: ein Entwicklungsplan Migration und Bildung, der insbesondere die Unterstützungs- und Förderbedarfe der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und aus sozialen Risikolagen zum Gegenstand hat. Die Erstellung dieses Gesamtkonzepts für die Verbesserung der Bildungserfolge und der Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhabe soll noch in diesem Jahr erfolgen (siehe Frage 15). Auf die in dieser Frage aufgelisteten einzelnen Handlungsbereiche wird teilweise im Kontext der übrigen Fragen eingegangen. Bezüglich der Entwicklung der Infrastruktur wird auf den vereinbarten Ausbau der gebundenen und teilgebundenen Ganztagsschulen und die Neueinrichtung der offenen Ganztagsgrundschulen hingewiesen. Je Haushaltsjahr sollen in der Stadtgemeinde Bremen zwei weitere Schulen zu gebundenen Ganztagsschulen umgewandelt werden . Darüber hinaus werden 2012 zehn offene Ganztagsgrundschulen eingerichtet . Die bestehenden 18 gebundenen Bremer Ganztagsgrundschulen sollen in ihrer Ausstattung mit Lehrerwochenstunden sukzessive an die Ausstattung der geplanten offenen Ganztagsgrundschulen (acht Lehrerwochenstunden pro Gruppe) angepasst werden. Zur Lehrer-Schüler-Relation ist ausführlich in der Antwort auf Frage 5 eingegangen worden. Im Lehramtsstudium wurde sowohl im Bachelorstudium als auch im Master of Education ein Studienbereich „Umgang mit Heterogenität“ eingeführt, um die Kompetenzen, die für Lehrkräfte im Umgang mit der heterogenen sprachlichkulturellen Zusammensetzung der Schülerschaft im Lande Bremen und der Herausforderung Inklusion erforderlich sind, zu stärken. Zur Feststellung der Berufseignung und der Berufsneigung wurde für alle Studierenden ab Wintersemester 2011/2012 im Masterstudium ein Praxissemester, das erstmalig im Frühjahr 2015 stattfindet, eingeführt. Die Umsetzung des schulgesetzlichen Entwicklungsauftrags zum bremischen Leitgedanken der Inklusion in der schulischen Bildung erfordert aber bereits früher qualitativ gut ausgebildete sonderpädagogische Lehrkräfte. Für die öffentlichen Schulen des Landes Bremen wurde der Ersatzbedarf an Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen für den Zeitraum der Jahre 2012 bis 2017 auf rund 290 Personen ermittelt. Im Rahmen der Lehrerweiterbildung sollen Lehrkräfte berufsbegleitend für Inklusive Pädagogik/Sonderpädagogik an einer Universität weitergebildet werden. Die Stadtgemeinde Bremen plant einen Weiterbildungsmaster an der Universität Bremen. Da dieser noch operativ umgesetzt und akkreditiert werden muss, kann die Stadtgemeinde Bremen erst zum Wintersemester 2012/2013 mit der Weiterbildungsmaßnahme beginnen. Die Stadtgemeinde Bremerhaven will in Zusammenarbeit mit der Universität Oldenburg eine zweijährige Weiterbildungsmaßnahme durchführen. Abgeschlossen werden soll diese mit einer staatlichen Prüfung durch das Staatliche Prüfungsamt . Die Teilnehmer/-innen werden im Laufe der Weiterbildungsmaßnahmen in der Schule fachlich eng begleitet. Beiden Weiterbildungsmaßnahmen ist gemeinsam, dass sie den KMK-Vorgaben für das sonderpädagogische Lehramt entsprechen. Ziel ist, dass die zukünftigen sonderpädagogischen Lehrkräfte in der Regel in der Sekundarstufe I arbeiten werden. Bezogen auf das Anwenden und Erreichen überregionaler Standards wird darauf verwiesen, dass Bremen sich in den letzten Jahren an den maßgeblichen Modellversuchen und Projekten der KMK zur fachbezogenen Unterrichtsentwicklung beteiligt hat: z. B. am Modellversuch SINUS für die Mathematik und die Naturwissenschaften (Grundschule und Sekundarstufe I) sowie am Modellversuch for.mat für die Weiterentwicklung der Didaktik in den Fächern für die die KMK Bildungsstandards vorgelegt hat. Das SINUS-Projekt wird im Grundschulbereich weitergeführt. — 7 — Die „Offensive : Bildungsstandards“, die Grundschulen und Schulen des Sekundarbereichs I umfasst, zielt auf die Implementierung der Bildungsstandards und eines kompetenzorientierten Unterrichts (siehe Antwort zu Frage 11). Darüber hinaus hat die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit eine Initiative gestartet, um die jährlich durchgeführten überregionalen Vergleichsarbeiten (VERA 3, VERA 8) besser als bisher für die Standardorientierung und Verbesserung des Unterrichts zu nutzen. Der Einsatz und die Qualifizierung von Sprachberaterinnen und Sprachberatern sowie die Entwicklung schulischer Sprachförderkonzepte auf der Basis einer Rahmenkonzeption der Bildungsbehörde sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Eine Ausweitung zentraler Abschlussprüfungen ist nicht geplant. In den Kernfächern finden für die am Ende der Sekundarstufe I zu erreichenden Abschlüsse zentrale schriftliche Prüfungen statt auf der Grundlage der Bildungsstandards und -pläne. Die Bildungsstandards der KMK sind Grundlage der Bremer Bildungspläne . Für das Abitur werden derzeit für die Kernfächer bundesweit geltende Bildungsstandards entwickelt. Zur Reduzierung des Unterrichtsausfalls und des fachfremden Unterrichts wird Folgendes angemerkt: Der Senat hat zum 1. August 2011 einen Pool für Vertretungsaufgaben eingerichtet . Die anfängliche Ausstattung mit 30 Lehrerstellen ist zum 1. Februar 2012 auf 35 Stellen erhöht worden. Eine weitere Erhöhung zum kommenden Schuljahr 2012/2013 wird angestrebt. Darüber hinaus stehen den Grundschulen für Vertretungsstunden finanzielle Mittel in Höhe von 5 % der Grundversorgung, den Oberschulen und Gymnasien in Höhe von 3 % der Grundversorgung in der Sekundarstufe I zur Verfügung. Zur Abdeckung weiterer nicht vorhersehbarer Vertretungsanlässe werden den Schulen weitere Finanzmittel bereitgestellt, die von den Schulen einzelfallbezogen in Abstimmung mit der Schulverwaltung in Anspruch genommen werden können. Zur Priorität des fachbezogenen Einsatzes von Lehrkräften und dem Umgang mit fachfremden Einsätzen von Lehrkräften hat der Senat in seiner Antwort vom 7. Oktober 2010 an die Bürgerschaft (Landtag) auf die Kleine Anfrage der CDU-Fraktion „Unterricht an Schulen im Lande Bremen durch Fachlehrkräfte“ vom 14. September 2010 umfänglich berichtet . Die gegebenen Antworten haben weiterhin Bestand. 10. Wie will der Senat die überregionale Vergleichbarkeit und Konkurrenzfähigkeit des bremischen Bildungswesens und seiner Abschlüsse sicherstellen, und welche überregionalen Maßstäbe spielen dabei eine Rolle? Bundesweit gültiger Maßstab für die schulische Qualitätsentwicklung sind die in den Jahren 2003 und 2004 von der KMK vereinbarten Bildungsstandards. Sie beschreiben, über welche Kompetenzen (Kenntnisse und Fertigkeiten) Schülerinnen und Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Bildungskarriere verfügen sollen. Für die Grundschule (4. Jahrgang) liegen Standards für die Fächer Deutsch und Mathematik, für den Hauptschulabschluss (Einfache Berufsbildungsreife ) und den Mittleren Schulabschluss (10. Jahrgang) zudem für die erste Fremdsprache (Englisch bzw. Französisch) vor. Ergänzend wurden für den mittleren Schulabschluss auch Standards für die naturwissenschaftlichen Fächer Biologie , Chemie und Physik entwickelt. Die Bildungsstandards für die allgemeine Hochschulreife in den Fächern Deutsch, Englisch, Französisch und Mathematik werden derzeit erarbeitet und noch in diesem Jahr der KMK zur Beschlussfassung vorgelegt. Das Erreichen dieser Bildungsstandards wird – wie bereits dargestellt – seit 2009 in regelmäßigen Abständen in allen Bundesländern auf der Basis repräsentativer Stichproben überprüft. Die nächsten Erhebungen finden im Frühsommer 2012 in den Schulen der Sekundarstufe I bezogen auf die Bildungsstandards im Fach Mathematik und in den drei naturwissenschaftlichen Fächern statt. Die überregionale Vergleichbarkeit auf der Ebene ausgewählter Fachleistungsergebnisse ist dadurch sichergestellt. Die schriftlichen Arbeiten in den Abschlussprüfungen am Ende der Sekundarstufe I werden auf der Grundlage der Bildungsstandards erstellt, damit werden die Prüfungsarbeiten in Bezug zu den Bildungsstandards und damit nach den — 8 — bundesweit einheitlichen Maßstäben beurteilt. (Zum Aspekt Konkurrenzfähigkeit der Abschlüsse wird auch auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen.) 11. Welche Ergebnisse hat in diesem Zusammenhang die „Offensive : Bildungsstandards “ der Bildungssenatorin seit deren Start Ende des Jahres 2010 gezeitigt ? Zur Stützung der Implementierung der Bildungsstandards in der Grundschule und der Sekundarstufe I der weiterführenden Schulen hat die Senatorin für Bildung , Wissenschaft und Gesundheit Ende 2010 die „Offensive : Bildungsstandards “ ins Leben gerufen. Diese hat zu einer verstärkten fachlichen und fachdidaktischen Arbeit in den Fachkonferenzen geführt. Den Fachlehrkräften sind umfangreiche Sammlungen von kompetenzorientierten Aufgaben auf unterschiedlichem Anforderungsniveau zur Verfügung gestellt worden, ergänzt durch Selbstlernmaterialien für die Schülerinnen und Schüler und durch methodische und didaktische Hinweise zur individuellen Förderung. Die Materialien werden weiter ergänzt. Die Auseinandersetzung mit den Bildungsstandards und deren Implementierung in die Unterrichtsarbeit konnte so gefördert werden. Für die Grundschulen sind in beiden Stadtgemeinden regelmäßige schulübergreifende Fachkonferenzen in Mathematik und Deutsch neu eingerichtet worden (– in der Stadtgemeinde Bremen zunächst für die Hälfte der Schulen, die flächendeckende Einführung ist auch hier vorgesehen). Die Sitzungen sind mit entsprechenden Fortbildungen gekoppelt, die über das Lehrerfortbildungsinstitut bzw. die Universität organisiert werden. In der Sekundarstufe I werden die Fachsprecherinnen und -sprecher der Fächer Mathematik und der naturwissenschaftlichen Fächer zu regionalen Dienstbesprechungen eingeladen. Auf den Besprechungen werden fachliche und fachdidaktische Fragen bezogen auf die Bildungsstandards thematisiert, neue methodische Vorgehensweisen und Materialien vorgestellt und Unterrichtserfahrungen reflektiert. Ein fachlicher Input – gegebenenfalls durch Expertinnen und Experten der Universität, gehört zum Programm. 12. Wie beurteilt der Senat die Situation von sozialer, beruflicher und gesellschaftlicher Teilhabe und Durchlässigkeit in Bremen, und welche Rolle misst er dabei dem Faktor „Bildung“ zu? Bildung ist nach Auffassung des Senats ein zentraler Faktor, um soziale, berufliche und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Die Regierungskoalition hat in ihrer „Vereinbarung zur Zusammenarbeit in einer Regierungskoalition für die 18. Wahlperiode der Bremischen Bürgerschaft 2011 bis 2015“ darauf hingewiesen , dass der im Land Bremen in besonders hohem Maß vorhandenen Kopplung von sozialer Lage und Bildungserfolg entgegengewirkt werden muss und sowohl Ziele als auch wesentliche Schritte zur Zielerreichung definiert. Bezogen auf die berufliche Bildung muss die Zahl der Personen ohne einen Berufsabschluss weiter gesenkt werden. Laut Armuts- und Reichtumsbericht des Senats hat Bremen weiterhin den höchsten Anteil an Personen ohne Berufsausbildung . Die Unterzeichner der „Bremer Vereinbarungen 2011 bis 2013“ haben sich zusammen mit den zuständigen Senatsressorts auf ein Maßnahmepaket geeinigt , dass die Nachqualifizierung von Personen ohne Berufsabschluss ebenso umfasst wie die Steigerung der Durchlässigkeit zwischen Berufsausbildung, Fortbildung und Studium. 13. Welchen Zusammenhang sieht der Senat zwischen Bildungsabschluss sowie erreichbarem beruflichen Erfolg und gesellschaftlicher Anerkennung, welche Faktoren bestimmen im überregionalen Vergleich den Bildungserfolg im Land Bremen in besonderer Weise, und welche zusätzlichen Herausforderungen muss Schule in diesem Zusammenhang heute bewältigen? Der erreichbare berufliche Erfolg ist von den primären Bildungsabschlüssen nicht abhängig; die Anschlussfähigkeiten im sekundären und tertiären Bildungsbereich ermöglichen beruflichen Erfolg und berufliche Qualifikation unabhängig vom primären Bildungsabschluss. Die Öffnung der Hochschulen für Personen ohne — 9 — schulisch erworbene Studienberechtigungen macht diesen Weg zur Entkopplung von schulischem Bildungsabschluss und der erreichbaren beruflichen Qualifikation exemplarisch deutlich. Als Indikator für den erreichten beruflichen Abschluss kann die Erwerbslosenquote in Abhängigkeit von den erreichten Bildungsabschlüssen herangezogen werden. Deutlich wird die starke Abhängigkeit der Erwerbslosenquote von den Bildungsabschlüssen (Sekundarstufe I: 20,4 % [HB], 16,7 % [D], Sekundarbereich II und postsekundärer nichttertiärer Bereich: 7,8 % [HB], 7,5 % [D], tertiärer Bereich: keine Angaben, geringe Fallzahl, nicht statistisch auswertbar [HB], 3,4 % [D]). Dem Senat sind keine Untersuchungen bekannt, die einen belastbaren Zusammenhang zwischen Bildungsabschluss und gesellschaftlicher Anerkennung belegen . Im Grundsatz ist die erreichbare gesellschaftliche Anerkennung unabhängig vom Bildungsabschluss. Wie die internationalen und nationalen Bildungsstudien zeigen, ist der Bildungserfolg bei gleichen kognitiven Grundfähigkeiten in starkem Maße von dem sozialen Hintergrund (wie z. B. soziale Schicht, Bildungsstand der Eltern) abhängig . Der Zusammenhang ist in den Bundesländern unterschiedlich stark ausgeprägt (siehe Frage 14). Der Senat hat sich zur Aufgabe gemacht, diese soziale Kopplung zu verringern (siehe Frage 15). 14. Welche überregionalen Vergleiche oder Ländervergleiche zur Chancengerechtigkeit sind dem Senat bekannt, wie gruppiert sich Bremen darin ein, wie beurteilt der Senat die Chancengerechtigkeit in Bremen, und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Die bereits mehrfach genannten, im Auftrag der KMK durchgeführten Leistungsvergleichsuntersuchungen widmen sich unter anderem dem Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg (Kompetenzerwerb, Bildungsbeteiligung ). Soziale Herkunft und Kompetenzerwerb Als primäre Effekte der sozialen Herkunft werden Einflüsse bezeichnet, die sich unmittelbar auf den Kompetenzerwerb niederschlagen. Vereinfacht gesagt: Kinder aus anregungsarmen Elternhäusern bringen schlechtere Voraussetzungen mit, ihnen fällt das Lernen häufig schwerer als den stärker begünstigten Mitschülerinnen und Mitschülern. Aktuelle Befunde dazu entstammen für den Primarbereich aus der Internationalen Grundschul-Leseuntersuchung (IGLU), die 2006 durchgeführt wurde. Um den Zusammenhang zwischen dem sozialen Hintergrund und der Lesekompetenz der Viertklässlerinnen und Viertklässlern abzubilden, wurden bei IGLU die Leistungen von Kindern aus Familien mit mehr als 100 Büchern den Leistungen von Kindern aus Familien mit weniger als 100 Büchern gegenübergestellt, denn die Zahl der Bücher im Elternhaus hat sich als geeigneter Indikator für den familiären Bildungshintergrund der Kinder erwiesen. In Bremen beträgt der Kompetenzunterschied zwischen diesen beiden Gruppen („bildungsfern“ versus „bildungsnah “) 51 Punkte. Dies entspricht ungefähr dem Leistungszuwachs von einem Schuljahr. Deutlich größer fällt dieser Unterschied mit 70 bzw. 63 Punkten in den beiden anderen Stadtstaaten aus. In Bayern hingegen beträgt die Differenz nur 25 Punkte. Aktuelle Daten zu den oben erwähnten primären Effekten in der Sekundarstufe I finden sich in der Veröffentlichung zum IQB-Ländervergleich 2009, bei dem bundesweit das Erreichen der Bildungsstandards in Englisch und Deutsch überprüft wurde. Der damals ermittelte soziale Gradient gibt den Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status einer Schülerin bzw. eines Schülers und dem erreichten Kompetenzwert wieder. Demzufolge bestehen sowohl für Deutsch als auch für Englisch in allen Bundesländern soziale Disparitäten. Die für Bremen gemessenen Werte unterscheiden sich jedoch nicht signifikant vom Bundesdurchschnitt. Soziale Herkunft und Bildungsbeteiligung Die sogenannten sekundären Effekte der sozialen Herkunft wirken unabhängig vom tatsächlichen Kompetenzstand eines Schülers oder einer Schülerin. Sie ma- — 10 — nifestieren sich z. B. in schichtabhängigen Schullaufbahnentscheidungen der Eltern (z. B. Schulwahlverhalten nach der Grundschule). Weil sie der Idee der leistungsabhängigen Verteilungsgerechtigkeit zuwiderlaufen, werden sie oftmals als besonders ungerecht wahrgenommen. Erfreulich ist, dass der im Zuge des Ländervergleichs 2009 gemessene Effekt der sozialen Herkunft auf den Gymnasialbesuch in Bremen geringer ist. Ein Jugendlicher mit mindestens einem Elternteil aus der sogenannten höchsten Dienstklasse hat zwar eine dreimal höhere Chance auf den Gymnasialbesuch als ein „Arbeiterkind“ mit gleicher Kompetenz. Diese Differenz ist aber längst nicht so ausgeprägt wie in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen oder Schleswig-Holstein. Auch der am 12. März 2012 veröffentlichte „Chancenspiegel“ der BertelsmannStiftung widmet sich wissenschaftlichen Befunden zum Thema Chancengerechtigkeit . Er äußert sich unter Rückgriff auf quantitative Daten aus den amtlichen Statistiken und den großen Schulleistungsstudien zu vier sogenannten Gerechtigkeitsdimensionen schulischer Bildung: Integrationskraft, Durchlässigkeit, Kompetenzförderung und Zertifikatsvergabe. Bremen liegt bei den meisten der herangezogenen Indikatoren im Mittelfeld. Die Befundlage zum Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg bzw. -beteiligung und die darin zum Ausdruck kommende unzureichende Chancengerechtigkeit machen aus Sicht des Senats die in der Antwort zu Frage 15 dargestellten Maßnahmen erforderlich. Entscheidende Faktoren sind sowohl familiäre Risikolagen (beispielsweise materielle Armut, geringes Bildungsniveau im Elternhaus) wie auch institutionelle bzw. strukturelle Benachteiligungen. Nicht alle dieser Faktoren lassen sich vom Bildungssystem gleichermaßen beeinflussen . 15. Welche Maßnahmen wird der Senat zur Entkopplung von sozialem Status und Bildungserfolg ergreifen, und wie will der Senat sicherstellen, dass ausschließlich Talent, Leistung und Neigung über Bildungsgang und Abschlüsse entscheiden ? Die Kopplung von sozialem Status und Bildungserfolg ist in Deutschland im internationalen Vergleich nach wie vor sehr hoch, auch wenn es seit PISA 2000 hier deutliche Verbesserungen gegeben hat. Das gilt auch für Bremen. Der Senat hat es sich daher zur vordringlichen Aufgabe gemacht, diese soziale Kopplung zu verringern. Die wesentlichen Maßnahmen sind bekannt und wiederholt ausführlich dargestellt worden. Es wird daher hier nur ein kurzer Überblick gegeben. Aus Sicht des Senats sind zentrale und grundlegende Maßnahmen die Änderung der Schulstruktur, die ein längeres gemeinsames Lernen ermöglicht, die Einführung der Inklusion, sowie der Ausbau der Ganztagschulen. Die Einführung der Oberschule mit ihren Jahrgangsteams und mit Unterrichtskonzepten , die auf heterogene Lerngruppen ausgerichtet sind, erleichtert eine systematische Unterrichtsentwicklung im Jahrgang und eine fachübergreifend abgestimmte Förderung sowohl leistungsschwacher wie leistungsstarker Schülerinnen und Schüler. Die Auflösung der Förderzentren und die zügige Umsetzung der Inklusion verhindern , dass zum Beispiel Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund nur aufgrund von sprachlichen Problemen vorschnell als „lernbehindert“ stigmatisiert werden; sie stärken den Inklusionsgedanken und lenken den Blick weg von den Defiziten und hin zu den Potenzialen der Heranwachsenden. Die Einführung der Werkschule eröffnet das Angebot gerade für Jugendliche aus sogenannten bildungsfernen Familien über praxis- und berufsorientierte Lernformen einen Schulabschluss zu erreichen. Der Ausbau von Angeboten des ganztägigen Lernens erweitert die Möglichkeiten einer lernförderlichen Rhythmisierung des Schultages und einer umfassender Förderung in enger Kooperation mit außerschulischen Partnern. Durch den Einsatz und die Qualifizierung von Sprachberaterinnen und Sprachberatern entwickeln die Schulen Sprachförderkonzepte und setzen es mit dem Ziel einer durchgängigen Sprach- und Leseförderung unter Einbeziehung aller Fächer um. — 11 — Die konzipierte Reform des Übergangssystems und die Einführung neuer Beratungsformen für den Einstieg in die berufliche Ausbildung verbessern die Chancen von Jugendlichen, direkt in eine duale Ausbildung zu wechseln. Der bereits erwähnte Entwicklungsplan Migration und Bildung zielt in erster Linie auf unterstützende Maßnahmen für die Gruppe der „Bildungsbenachteiligten “, die bei den überregionalen Vergleichsuntersuchungen und bei den Kennzahlen für Schul- und Bildungserfolg überdurchschnittlich schlecht abschneiden . Grundlage ist die wissenschaftliche Expertise von Frau Prof. Karakasoglu vom Februar 2011, die von der Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit in Auftrag gegeben wurde und insgesamt 51 Empfehlungen enthält. Die Arbeit am Entwicklungsplan und die Umsetzung der dort vorgeschlagenen Maßnahmen wird vom neu eingerichteten Unterausschuss Migration und Bildung der Deputation für Bildung begleitet. Eine Beteiligung der Beiräte ist geplant . Mit der Durchführung einiger neuer Maßnahmen ist bereits begonnen worden. Seit Mai 2011 setzt eine Arbeitsgruppe von „Lernen vor Ort“ das Züricher Programm QUIMS (Qualität in multikulturellen Schulen) in Gröpelingen um. Dabei geht es um drei zentrale Handlungsfelder: Sprachförderung, Förderung des Schulerfolgs und Förderung der Integration. QUIMS-Gröpelingen entwickelt zugleich ein das schulische Lernen unterstützendes Netzwerk außerschulischer Kooperationspartner. Angeboten werden Fortbildungen, Foren zum Erfahrungsaustausch , Praxishilfen, Fachvorträge, Handreichungen (z. B. zur Elternbeteiligung ), aber auch zusätzliche Ressourcen für Fördermaßnahmen und Kooperationsprojekte . Ziel ist die systematische Verankerung erfolgreicher Vorhaben in die Schul- und Unterrichtsentwicklung. Eine Ausweitung des Programms auf andere Stadtteile ist geplant. Druck: Anker-Druck Bremen