— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 458 Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 11. Mai 2012 Verfahren auf Nachzug von Ehegatten/Lebenspartnern familienfreundlich gestalten Einwanderer sind auf Familienzusammenführung angewiesen, denn nur dies ermöglicht ihnen ein Familienleben. So hat es die Europäische Kommission im November 2011 im Grünbuch zum Recht auf Familienzusammenführung von in der Europäischen Union lebenden Drittstaatsangehörigen (Richtlinie 2003/86/EG) ausdrücklich klargestellt. Der Rat der Europäischen Union hat in der Richtlinie betreffend das Recht auf Familienzusammenführung im Jahr 2003 festgestellt, dass Familienzusammenführung eine notwendige Voraussetzung dafür ist, dass ein Familienleben überhaupt möglich ist. In der Richtlinie wird festgelegt, unter welchen Bedingungen Familienangehörige aus Nicht-EU-Ländern einem nicht aus einem EU-Land stammenden Staatsangehörigen nachziehen können, der sich bereits rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält , und welche Bedingungen für ihre Einreise und ihren Aufenthalt gelten. Maßnahmen zur Familienzusammenführung sollen hiernach in Übereinstimmung mit der Verpflichtung zum Schutz der Familie und zur Achtung des Familienlebens getroffen werden. Verfahrensregeln für die Prüfung von Anträgen auf Familienzusammenführung sollten effizient und transparent sein und den Betroffenen eine angemessene Rechtssicherheit bieten. Die Mitgliedstaaten können gemäß dem nationalen Recht von Drittstaatsangehörigen verlangen, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen . Seit dem Jahr 2007 müssen Ehepartner/eingetragene Lebenspartner aus sogenannten Drittstaaten, die zu ihrem nicht deutschen Ehepartner nach Deutschland ziehen wollen, mit Antragstellung, d. h. vor Einreise nach Deutschland, nachweisen, dass sie bereits über deutsche Sprachkenntnisse verfügen. Diese Regelung wurde in der Annahme eingeführt, dass sich mit ihr Zwangsehen verhindern lassen. Sie trifft aber nicht nur Menschen aus Ländern, in denen dieses menschenrechtsverletzende Phänomen existiert, sondern alle Familien aus nicht-EU-Ländern für die eine Visumspflicht gilt. Und sie hat die Familienzusammenführung nachhaltig erschwert und damit beeinträchtigt. Besonders hart betroffen sind Familien mit niedrigem Einkommen, die sich keine teuren Sprachkurse leisten können sowie Familien aus Kriegs- und Krisengebieten, wo es, wenn überhaupt, in Großstädten deutsche Sprachschulen gibt, sodass es Familien aus ländlichen Regionen ebenfalls oftmals vollständig verunmöglicht wird, erfolgreich einen Antrag auf Ehegattennachzug zu stellen. Dabei lässt sich bis heute nicht nachweisen, dass durch die Regelung wirksam Zwangsehen in entscheidendem Maße verhindert werden. Die Europäische Kommission führt im aktuellen Grünbuch aus, dass soweit für den Antrag auf Familienzusammenführung im Herkunftsland Prüfungen absolviert werden müssen, die zur Vorbereitung erforderlichen Voraussetzungen (Lernmaterial, Kurse) vorhanden und entsprechende Einrichtungen zugänglich sein müssten. Geforderte Integrationsmaßnahmen seien daran zu messen, ob sie die Integration erleichtern und den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität Rechnung tragen. In einer Stellungnahme der Europäischen Kommission an den Europäischen Gerichtshof vom 4. Mai 2011 hatte die Europäischen Kommission verdeutlicht, dass die Mitgliedstaaten keine zusätzlichen Bedingungen aufstellen dürfen, von denen das Recht auf Familienzusammenführung selbst abhängig gemacht wird. In der Stel- — 2 — lungnahme heißt es „Die Integrationsmaßnahmen, die ein Mitgliedstaat verlangen darf, dürfen [. . .] nicht dazu führen, dass eine Verpflichtung zur Leistungserbringung besteht, die in Wirklichkeit eine Maßnahme darstellt, welche die Möglichkeit der Familienzusammenführung einschränkt. Die Integrationsmaßnahmen müssen ganz im Gegenteil dazu beitragen, dass die Familienzusammenführung erfolgreich verläuft . [. . .] Sie dürfen daher nicht zu einer Ablehnung der Familienzusammenführung führen.“ Die Richtlinie müsse so ausgelegt werden, dass sie ein Verbot darstellt, die Einreise und den Aufenthalt nur deshalb zu verweigern, weil der zuziehende Familienangehörige eine vorgeschriebene Eingliederungsprüfung im Ausland nicht bestanden hat. Vor diesem Hintergrund stellt sich aktuell die Frage, ob das gegenwärtige deutsche Verfahren zum Ehegattennachzug/Lebenspartnernachzug der Richtlinie des Rats der Europäischen Union zum Recht auf Familienzusammenführung von in der Europäischen Union lebenden Drittstaatsangehörigen (Richtlinie 2003/86/EG) entspricht. Wir fragen den Senat: 1. Ist der Nachweis einer erfolgreichen Sprachprüfung im Herkunftsland für Ehegatten /Lebenspartner eines Ausländers aus einem sogenannten Drittstaat für die Erlaubnis des Ehegattennachzugs obligatorisch (§ 30 Aufenthaltsgesetz), und bestehen daneben noch weitere Voraussetzungen zur Erlaubnis der Familienzusammenführung , wenn ja, welche, und inwieweit besteht ein Ermessensspielraum ? 2. Inwieweit besteht ein Unterschied im Hinblick auf Voraussetzung und Verfahren bei deutschen Staatsangehörigen, die den Ehegattennachzug eines Ehegatten /Lebenspartners aus einem sogenannten Drittstaat beantragen? 3. Wie lange dauert im Durchschnitt jeweils das Verfahren zur Erlaubniserteilung beim Ehegattennachzug, was sind die Hauptursachen für Verzögerungen oder Versagung, und inwieweit haben die Bundesländer Einfluss darauf, das Verfahren bürgerfreundlich, d. h. möglichst einfach und im Interesse der Familien zu gestalten? 4. Wie bewertet der Senat die Auffassung der EU-Kommission, dass die Sprachanforderung für den Ehegattennachzug türkischer Staatsangehöriger gegen das EWG-Türkei-Assoziationsabkommen verstößt und danach europarechtswidrig ist, und die Einschätzung, dass die Sprachanforderung für den Ehegattennachzug insgesamt der Richtlinie des Rats der Europäischen Union 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familienzusammenführung widerspricht? 5. Wie könnte Integrationsförderung und Spracherwerb nach Einreise in Deutschland , entsprechend der Empfehlungen der Richtlinie des Rats der Europäischen Union 2003/86/EG, ausgestaltet und gesichert werden? Mehmet Ali Seyrek, Sükrü Senkal, Valentina Tuchel, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD D a z u Antwort des Senats vom 19. Juni 2012 Vorbemerkung Die im Jahr 2007 in das Aufenthaltsgesetz eingeführte Regelung, nach der Ehepartnerinnen und Ehepartner oder eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner, die zu ihren Ehe- oder Lebenspartnerinnen bzw. Ehe- oder Lebenspartnern nach Deutschland ziehen wollen, vor Einreise nach Deutschland nachweisen müssen, dass sie bereits über deutsche Sprachkenntnisse verfügen, war von Beginn an heftig umstritten . Insbesondere erregte die Tatsache, dass für nachzugswillige Ehegattinnen und Ehegatten aus strukturschwachen Herkunftsregionen keine Ausnahmen vom Sprachnachweis zugelassen worden sind, verfassungs- und auch unionsrechtliche Bedenken. Gemäß § 27 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gelten für lebenspartnerschaftliche Gemeinschaften dieselben Bestimmungen wie für Ehegattinnen und Ehegatten. Die Regelung gilt auch für Ehe- oder Lebenspartnerinnen und Ehe- oder Lebenspartner von deutschen Staatsangehörigen. — 3 — Sie wurde mit dem Ziel eingeführt, Zwangsehen zu verhindern. Darüber hinaus wird sie als Weichenstellung für eine gelingende Integration der Zuziehenden gewertet. Sprachkenntnisse dienen auch den Interessen der nachziehenden Ehegattinnen und Ehegatten, die sich von Beginn an leichter und selbstständig außerhalb des Hauses bewegen können. Problematisch sind jedoch oftmals finanzielle und organisatorische Hürden, insbesondere für Ehegattinnen und Ehegatten, die Deutschkurse nicht in erreichbarer Nähe wahrnehmen können und aufgrund fehlender technischer Möglichkeiten keinen Fernkurs belegen können. Auch Analphabetismus stellt beim Erlernen einer Fremdsprache eine große Hürde dar. Eine von der Bundesregierung im September 2010 veröffentlichte Evaluierung brachte über die Erreichung des Ziels, die Verhinderung von Zwangsehen, keine Erkenntnisse. Daher hält der Senat die Hürde, die diese Regelung in der Praxis darstellt, mit der Folge einer zum Teil jahrelangen Trennung von Familien für unverhältnismäßig. Im Rahmen des Familiennachzugs sind Ausländerinnen und Ausländer nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, an einem Integrationskurs teilzunehmen, wenn sie sich nicht zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können. Diese Angebote sind grundsätzlich geeignet, Integrationsförderung und Spracherwerb auch nach der Einreise zu sichern. Als Sanktionsmöglichkeit sieht § 8 AufenthG vor, die nicht ordnungsgemäße Teilnahme am Integrationskurs bei der Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltstitels zu berücksichtigen und sie beispielsweise auf jeweils ein Jahr zu befristen. In Einzelfällen werden aus unterschiedlichen Gründen Integrationsangebote nicht angenommen und Sprachkenntnisse nicht nachgewiesen. Dies betrifft gleichermaßen Migrantinnen und Migranten, die aus anderen Gründen als dem Familiennachzug nach Deutschland einreisen. Hier gilt es generell, die Teilnahmebereitschaft der Betroffenen zu erhöhen. Der Senat begrüßt daher die Gesetzesinitiativen zur Abschaffung des Sprachnachweiserfordernisses für Ehegattinnen und Ehegatten vor der Einreise, die im Bundestag bereits eingebracht worden sind. 1. Ist der Nachweis einer erfolgreichen Sprachprüfung im Herkunftsland für Ehegatten /Lebenspartner eines Ausländers aus einem sogenannten Drittstaat für die Erlaubnis des Ehegattennachzugs obligatorisch (§ 30 Aufenthaltsgesetz), und bestehen daneben noch weitere Voraussetzungen zur Erlaubnis der Familienzusammenführung , wenn ja, welche, und inwieweit besteht ein Ermessensspielraum ? Die Familienzusammenführung im Aufenthaltsgesetz dient der Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 Grundgesetz (GG). Der Spracherwerb ist einer von mehreren Voraussetzungen des Ehegattennachzugs . Danach muss die oder der Nachziehende in der Lage sein, sich zumindest in einfacher Art in deutscher Sprache zu verständigen. Hiervon kann nur in bestimmten vom Gesetz definierten Ausnahmefällen abgesehen werden: • Ausgenommen vom Sprachnachweis sind Ehegattinnen und Ehegatten von Hochqualifizierten, Selbstständigen, Forscherinnen und Forschern sowie langfristig Aufenthaltsberechtigten. Auch Ehegattinnen und Ehegatten von Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen sind hiervon ausgenommen . • Weiter benötigen Ehegattinnen und Ehegatten, bei denen selbst ein erkennbar geringer Integrationsbedarf besteht, für den Nachzug nach Deutschland keinen Sprachnachweis. Ein geringer Integrationsbedarf besteht dann, wenn die Ehegattinnen und Ehegatten einen Hoch- oder Fachhochschulabschluss besitzen und davon auszugehen ist, dass sie sich ohne staatliche Hilfe integrieren werden oder die Eheleute sich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten wollen. • Ein Sprachnachweis braucht ebenfalls nicht geführt werden, wenn die Ehegattinnen und Ehegatten die Staatsangehörigkeit eines der Länder Australien, Israel, Japan, Kanada, Republik Korea, Neuseeland, USA, Andorra , Honduras, Monaco oder San Marino besitzen. — 4 — • Ehegattinnen und Ehegatten, die wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage sind, einfache Sprachkenntnisse nachzuweisen, sind von diesem Erfordernis befreit. Von den genannten Ausnahmefällen abgesehen ist der Nachweis der Sprachkenntnisse obligatorische Voraussetzung für den Familiennachzug. Ein Ermessen wird nicht eröffnet. Sofern die Deutschkenntnisse in besonderen Ausnahmefällen aus nicht zu vertretenden Gründen innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht im Ausland erworben werden können, kann einer Ehegattin oder einem Ehegatten jedoch die Einreise und der vorübergehende Aufenthalt zum Zwecke des Spracherwerbs nach § 16 Abs. 5 AufenthG erlaubt werden. Nach dem Erwerb der Sprachkenntnisse wird die Aufenthaltserlaubnis in der Regel im Rahmen des Ehegattennachzuges verlängert. Als angemessenen Zeitraum sieht das Auswärtige Amt eine Frist von zwei bis drei Jahren an. Bei besonders schutzwürdigen Umständen kann die Frist auch kürzer bemessen sein. Keine besonderen schutzwürdigen Umstände sind nach Auffassung des Auswärtigen Amtes: — die bloße Trennung von der Familie, — Sprachkurse werden nur in einiger Entfernung vom Wohnort bzw. nur im Nachbarstaat angeboten, — mehrfaches Nichtbestehen der Sprachprüfung, — Analphabetismus. Diese im Visahandbuch des Auswärtigen Amtes enthaltenen Bestimmungen binden in erster Linie die Auslandsvertretungen. Die Ausländerbehörden werden von den Auslandsvertretungen in der Regel nur um die erforderliche Zustimmung gebeten, wenn die dortige Vorprüfung einen positiven Ausgang eines Visumantrags erwarten lässt. Einzelfallentscheidungen, die besonderen Sachverhalten Rechnung tragen, sind möglich und werden vom Auswärtigen Amt in Absprache mit der zuständigen Ausländerbehörde getroffen. Im Übrigen gelten für den Familiennachzug grundsätzlich dieselben Voraussetzungen wie für den Erwerb anderer Aufenthaltstitel: Der Lebensunterhalt der Ehegattinnen und Ehegatten muss ohne Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen gesichert sein, die oder der Nachziehende muss einen gültigen Pass besitzen , es darf kein Ausweisungsgrund (z. B. aus einem Voraufenthalt) vorliegen. Des Weiteren muss die Ehegattin oder der Ehegatte mit dem erforderlichen Visum eingereist sein und die maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht haben. Zusätzlich muss für den Familiennachzug ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehen. Beide Ehepartner müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben, und – wie bereits oben ausgeführt – einen Sprachnachweis erbringen, dass sie oder er sich zumindest in einfacher Art in deutscher Sprache verständigen kann. Je nach Aufenthaltsgrund gelten verminderte oder verschärfte Voraussetzungen für den Familiennachzug. Für Familienangehörige von Asylberechtigten sowie anerkannten Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention sowie von Deutschen bestehen weniger strenge Voraussetzungen. Der Familiennachzug zu Personen, denen subsidiärer Schutz nach § 25 Abs. 3 AufenthG gewährt wird, d. h. bei Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG, die nach § 22 AufenthG aus dem Ausland aufgenommen wurden oder die gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG auf Anordnung der obersten Landesbehörde einen Aufenthaltstitel erhalten haben, unterliegt der Einschränkung, dass dieser nur aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland zulässig ist. Ein unbeschränkter Anspruch auf den Nachzug besteht für diesen Personenkreis nicht. Von den allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen bestehen folgende Ausnahme- bzw. Ermessensspielräume (zu den Ausnahmefällen bezüglich der Sprachkenntnisse siehe oben): — 5 — Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG, wie z. B. die Lebensunterhaltssicherung müssen in der Regel erfüllt sein, d. h. bei einer atypischen Fallgestaltung kann von ihnen abgesehen werden. Von einer atypischen Fallgestaltung ist dann auszugehen, wenn ein Sachverhalt sich so sehr vom gesetzlichen Regeltatbestand unterscheidet, dass er das ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigt, indem er die Anwendung des Regeltatbestandes nach seinem Sinn und Zweck unpassend, grob unverhältnismäßig oder untunlich erscheinen lässt. Im Ermessenswege kann zudem von der Einhaltung eines ordnungsgemäßen Visumverfahrens abgesehen werden, sofern ein gesetzlicher Anspruch auf den Ehegattennachzug besteht oder die Nachholung des Visumverfahrens nicht zumutbar ist. Erfolgt die Eheschließung dagegen in Deutschland und verfügt die Ehegattin oder der Ehegatte bereits über ausreichende Sprachkenntnisse, ist sie oder er von der Durchführung eines zweckgebundenen Visumverfahrens zum Ehegattennachzug befreit. Bei Ehegattinnen oder Ehegatten von Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen wird generell von der Lebensunterhaltssicherung und dem Wohnraumerfordernis abgesehen, wenn der Antrag auf Ehegattennachzug innerhalb von drei Monaten nach der Anerkennung gestellt wird. Bei späteren Anträgen kann im Ermessenwege von diesen Voraussetzungen abgesehen werden. In Einzelfällen bzw. zur Vermeidung von besonderen Härten kann vom Mindestalter , und, soweit in bestimmten Fällen der Ehegattennachzug von einer Mindestaufenthaltszeit oder dem Bestehen der Ehe zu einem bestimmten Zeitpunkt vorausgesetzt wird, hiervon abgesehen werden. 2. Inwieweit besteht ein Unterschied im Hinblick auf Voraussetzung und Verfahren bei deutschen Staatsangehörigen, die den Ehegattennachzug eines Ehegatten /Lebenspartners aus einem sogenannten Drittstaat beantragen? Ehegattinnen und Ehegatten von Deutschen wird eine Aufenthaltserlaubnis ohne den Nachweis ausreichenden Wohnraums und in der Regel auch ohne Sicherung des Lebensunterhalts erteilt. 3. Wie lange dauert im Durchschnitt jeweils das Verfahren zur Erlaubniserteilung beim Ehegattennachzug, was sind die Hauptursachen für Verzögerungen oder Versagung, und inwieweit haben die Bundesländer Einfluss darauf, das Verfahren bürgerfreundlich, d. h. möglichst einfach und im Interesse der Familien zu gestalten? Die Einreise zum Ehegattennachzug setzt in der Regel voraus, dass ein entsprechendes Visumverfahren durchlaufen wurde. Die deutschen Auslandsvertretungen benötigen für die Erteilung eines solchen Visums die Zustimmung der Ausländerbehörde des Zuzugsortes. Dieses Beteiligungserfordernis ist zeitaufwändig und führt teilweise zu einer mehrmonatigen Bearbeitungsdauer. Statistische Daten über die Bearbeitungsdauer von Visumverfahren werden bei den Ausländerbehörden Bremen und Bremerhaven nicht erhoben. Für die Ausländerbehörde Bremen stellt die Bearbeitung von Visumverfahren und die Ersterteilung von Aufenthaltstiteln einen besonderen Schwerpunkt dar – auch vor dem Hintergrund der Förderung der sogenannten Willkommenskultur. Durch die im Mai 2012 erfolgte Zuweisung von Nachwuchskräften an das Stadtamt und die durch den Senatsbeschluss im April 2012 mögliche externe Ausschreibung von vakanten Stellen in der Ausländerbehörde wurden die Rahmenbedingungen verbessert, um gerade auch in Fällen des Familiennachzugs die Bearbeitungszeiten zu verkürzen. 4. Wie bewertet der Senat die Auffassung der EU-Kommission, dass die Sprachanforderung für den Ehegattennachzug türkischer Staatsangehöriger gegen das EWG-Türkei-Assoziationsabkommen verstößt und danach europarechtswidrig ist, und die Einschätzung, dass die Sprachanforderung für den Ehegattennachzug insgesamt der Richtlinie des Rats der Europäischen Union 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familienzusammenführung widerspricht? Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung mit Artikel 6 des Grundgesetzes für vereinbar erklärt (BVerfG, Beschluss vom 25. März 2011 – 2 BvR 1413/10, BeckRS 2011, 49812). — 6 — Die Bundesregierung und der Bundesgesetzgeber haben weder aus dem ToprakUrteil des EuGH noch aus der Aussage des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2011 – BVerwG 1 C 9.10, InfAuslR 2012, 59), die Vereinbarkeit des Erfordernisses deutscher Sprachkenntnisse mit der Richtlinie 2003/86/EG müsse dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung vorgelegt werden, Konsequenzen gezogen. Ungeachtet der für notwendig gehaltenen Klärung durch den Europäischen Gerichtshof begrüßt der Senat die Gesetzesinitiativen zur Abschaffung des Sprachnachweiserfordernisses für Ehegattinnen und Ehegatten vor der Einreise, die im Bundestag bereits eingebracht worden sind (siehe Vorbemerkung). 5. Wie könnte Integrationsförderung und Spracherwerb nach Einreise in Deutschland , entsprechend der Empfehlungen der Richtlinie des Rats der Europäischen Union 2003/86/EG, ausgestaltet und gesichert werden? Die Eingliederungsbemühungen von Migrantinnen und Migranten werden zunächst durch ein Grundangebot zur Integration (Integrationskurse) unterstützt, deren Durchführung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge koordiniert wird. Ziel des Integrationskurses ist, den Migrantinnen und Migranten die Sprache , die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte in Deutschland erfolgreich zu vermitteln. Migrantinnen und Migranten sollen dadurch mit den Lebensverhältnissen im Bundesgebiet so weit vertraut werden, dass sie ohne die Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbständig handeln können. Durch die aus Bundes- und Landesmitteln finanzierte Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) und die Jugendmigrationsdienste (JMD) der Träger der freien Wohlfahrtsverbände erfolgt ein zusätzliches begleitendes Beratungsangebot . Alle Angebote zur Integration und Partizipation sind auch offen für nachziehende Familienangehörige (z. B. im vorschulischen und schulischen Bereich, Erwerbsintegration, berufsbezogene Sprachförderung etc.). So werden z. B. in sozial benachteiligten Stadtteilen Orientierungs-, Alphabetisierungs- und Sprachkurse außerhalb der Integrationskurse nach dem Aufenthaltsgesetz angeboten. Druck: Anker-Druck Bremen