— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 459 Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 15. Mai 2012 Genossenschaftswesen fördert nachhaltige Teilhabe, gemeinschaftliche Verantwortung und lokales Wirtschaften Genossenschaften sind als Zusammenschlüsse von natürlichen oder/und juristischen Personen, die sich gemeinsam wirtschaftlich fördern, eine Rechts- und Organisationsform , die für ihre wirtschaftliche Aktivität auf Selbstverantwortung und demokratische Solidarität setzen. Insbesondere auch junge und alte Menschen, Selbstständige und Inhaber von Klein- und Kleinstgewerbe können sich durch diese Rechtsform in die Lage versetzen, in gemeinsamer und gegenseitiger Verantwortung ökonomische Projekte zu finanzieren und zu realisieren. Sie kann Teilhabe und Finanzierungen etwa im Bereich ökologischer, kultureller, sozialer oder kreativwirtschaftlicher Vorhaben , für die Energieversorgung, im Wohnungsbau, in der Nahversorgung oder der Gebäudebewirtschaftung ermöglichen. Da Genossenschaftsmitglieder traditionell auf Werte wie Ehrlichkeit, Sozialverantwortlichkeit und gegenseitiges Interesse setzen, kann ihr Wirken besonders nachhaltig sein. Ihr in der Regel lokales Agieren und Wirken kann eine integrierte, soziale , ganzheitliche Stadtentwicklung befördern. Wir fragen den Senat: 1. In welchen gesellschaftlichen Bereichen existieren und agieren in Bremen und Bremerhaven Genossenschaften, und wie viele sind dies? 2. Welche Bedeutung misst der Senat dem Wirken von Genossenschaften im Land Bremen sowie im Städtevergleich in anderen Kommunen in den verschiedenen Politikbereichen bei? 3. In welchen gesellschaftlichen Bereichen hält der Senat die Aktivität von Genossenschaften für sinnvoll und gegebenenfalls für ausbaufähig? 4. Wie fördert der Senat die Gründung und Beratung von Genossenschaften bisher und in Zukunft? 5. Welche Möglichkeiten und welche Risiken sieht der Senat in der und für die Wirtschaftsform der Genossenschaften? 6. Bestehen im Land Bremen Hindernisse und Schwierigkeiten für die Gründung von Genossenschaften, und falls ja, welche? Wie könnten diese überwunden werden? Carsten Werner, Ralph Saxe, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen D a z u Antwort des Senats vom 19. Juni 2012 1. In welchen gesellschaftlichen Bereichen existieren und agieren in Bremen und Bremerhaven Genossenschaften, und wie viele sind dies? In Bremen und Bremerhaven sind insgesamt 32 eingetragene Genossenschaften registriert. Das Spektrum reicht von Banken, Energiegenossenschaften, — 2 — Handwerksgenossenschaften und Interessenverbänden über Pflegedienste bis zu Wohnungsbaugenossenschaften. Weitere Informationen liegen dem Senat nicht vor. 2. Welche Bedeutung misst der Senat dem Wirken von Genossenschaften im Land Bremen sowie im Städtevergleich in anderen Kommunen in den verschiedenen Politikbereichen bei? Die eingetragene Genossenschaft ist eine Gesellschaftsform, die die Rechtsordnung zur Verfügung stellt, um gemeinschaftlich mit anderen einen gemeinsamen Zweck durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu verfolgen. Dem Wirken von eingetragenen Genossenschaften wird die gleiche Bedeutung zugemessen wie anderen Organisationsformen. Überdies liegen zum Städtevergleich dem Senat keine Informationen vor. 3. In welchen gesellschaftlichen Bereichen hält der Senat die Aktivität von Genossenschaften für sinnvoll und gegebenenfalls für ausbaufähig? Entsprechend des Förderzwecks gemäß § 1 des Genossenschaftsgesetzes als das zentrale Merkmal der eingetragenen Genossenschaft im Vergleich zu den anderen Gesellschaftsformen hält der Senat eingetragene Genossenschaften insbesondere dort für sinnvoll, wo gleichgelagerte und im Ziel übereinstimmende Interessen von mehreren Akteuren gegeben sind und spezialgesetzliche Regelungen dem nicht entgegenstehen. Als klassische Beispiele sind die Kreditgenossenschaften und die Wohnungsbaugenossenschaften zu nennen. Neueres Beispiel ist der Energiesektor. 4. Wie fördert der Senat die Gründung und Beratung von Genossenschaften bisher und in Zukunft? Eine spezielle Förderung von eingetragenen Genossenschaften findet nicht statt und ist auch zukünftig nicht geplant. Nach den Erfahrungen der Beratungsstellen erfolgen Gründungen von Unternehmen in der weit überwiegenden Anzahl dadurch, dass sich die jeweilige Person selbstständig macht. In den übrigen Fällen wird zumeist als Gesellschaftsform die Gesellschaft mit beschränkter Haftung gewählt. Die Attraktivität der GmbH wurde durch die Reform des GmbHRechts im Jahr 2008 gesteigert. Es kann nunmehr eine Person ohne nennenswertes Stammkapital eine GmbH als Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) gründen. 5. Welche Möglichkeiten und welche Risiken sieht der Senat in der und für die Wirtschaftsform der Genossenschaften? Mit der eingetragenen Genossenschaft stellt die Rechtsordnung eine Gesellschaftsform zur Verfügung, mit der mehrere Akteure ohne Mindestkapital gemeinschaftlich einen Zweck verfolgen können. Es können in so gut wie allen wirtschaftlichen sowie sozialen und kulturellen Bereichen Geschäftsideen in der Rechtsform der Genossenschaft umgesetzt werden. Dabei soll in ihnen die Kompetenzen ihrer Mitglieder gebündelt, Produkte und Dienstleistungen aus einer Hand angeboten bzw. nachgefragt werden. „Gemeinsam seine Ziele besser zu erreichen als im Alleingang“ ist der Grundgedanke einer jeden Genossenschaft . Die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft steht in starker Konkurrenz zu anderen Gesellschaftsformen, insbesondere zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Auswahl ist zudem nicht auf die von der deutschen Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Gesellschaftsformen beschränkt. Seit der Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgrund der des Europäischen Gerichtshofs stehen alle Gesellschaftsformen der EU-Mitgliedsländer zur Verfügung. Wie bereits oben ausgeführt, hat der Bundesgesetzgeber die Attraktivität der GmbH durch die Rechtsänderung im Jahr 2008 erhöht. Insgesamt ist zu beobachten, dass die Anzahl der eingetragenen Genossenschaften in Deutschland rückläufig ist. Von ehemals rund 26 000 Genossenschaften in den Fünfzigerjahren des vorherigen Jahrhunderts ist die Anzahl auf aktuell rund 7 500 Genossenschaften gesunken. — 3 — Daraus kann nach Auffassung des Senats jedoch nicht der Schluss gezogen werden, die Genossenschaft sei eine überholte Rechtsform. Die Idee der förderwirtschaftlichen Selbsthilfe ist nach wie vor aktuell, wie der Blick auf die Energiegenossenschaften zeigt. 6. Bestehen im Land Bremen Hindernisse und Schwierigkeiten für die Gründung von Genossenschaften, und falls ja, welche? Wie könnten diese überwunden werden? Hindernisse und Schwierigkeiten für die Gründung von Genossenschaften bestehen im Land Bremen nicht. Es sind lediglich die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Genossenschaftsgesetzes einzuhalten. Die Gründerinnen und Gründer einer Genossenschaft haben eine Satzung schriftlich zu vereinbaren, die den Anforderungen von § 1 des Genossenschaftsgesetzes genügt. Die Genossenschaft muss also den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder (wirtschaftliche Zwecke) oder deren soziale oder kulturelle Belange (ideelle Zwecke) durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb fördern . Die Zahl der Gründungsmitglieder beträgt mindestens drei. Ein Mindestkapital ist nicht erforderlich. Schließlich muss die Genossenschaft Mitglied in einem genossenschaftlichen Prüfungsverband sein. Die Gründungsmitglieder haben einen Vorstand zu wählen und ab 21 Mitgliedern auch einen Aufsichtsrat. Sodann ist die Eintragung der Genossenschaft in das Register beim zuständigen Gericht (im Land Bremen beim Amtsgericht Bremen oder beim Amtsgericht Bremerhaven) zu beantragen. Mit der Eintragung entsteht die eingetragene Genossenschaft. Druck: Anker-Druck Bremen