— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 494 Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 25. Mai 2012 Abschiebung von Roma und anderen ethnischen Minderheiten Am 29. September 2010 forderte die Bürgerschaft (Landtag) den Senat auf, „Roma und Angehörige anderer ethnischer Minderheiten bei Rückführungen in das Kosovo [. . .] langfristig zurückzustellen“, „Ermessensspielräume [. . .] für die Gewährung langfristiger Aufenthaltstitel [. . .] auszuschöpfen und die Erlasslage entsprechend anzupassen.“ (Drs. 17/1467). Der Erlass e10-09-01 vom 25. August 2010 „Aufenthaltsrechtliche Regelungen für Staatsangehörige der Republik Kosovo“ beinhaltet jedoch keine konkreten Regelungen zur Gewährung langfristiger Aufenthaltstitel. In einer Mitteilung erachtete es der Senat als „nicht erforderlich“, eine Erlasslage über den sogenannten Bremer Erlass hinausgehend zu veranlassen, der ja auf „gut integrierte “ junge Menschen abziele und von dem auch junge Angehörige ethnischer Minderheiten aus dem Kosovo profitierten (Drs. 17/1641). Gleichzeitig bekräftigt der Senat, „dass in den Jahren 2009 und 2010 keine Angehörigen der Minderheit der Roma in die Republik Kosovo zurückgeführt wurden.“ (ebenda, Seite 2). In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag „Aktueller Stand der Abschiebungen von Roma in den Kosovo“ vom 19. Oktober 2010 gibt die Bundesregierung an, dass im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. August 2010 Abschiebungen von vier Roma-Angehörigen aus Bremen in Auftrag gegeben wurden (Bundestagsdrucksache 17/3328, Seite 10). Des Weiteren hat sich Bremen nach Angaben der Bundesregierung an zwei FRONTEX-Abschiebungen von insgesamt 60 Personen in den Kosovo beteiligt (Bundestagsdrucksache 17/7288, Seite 5), am 22. Juni 2010 und am 7. Dezember 2010, also nach dem Beschluss der Bürgerschaft (Landtag). Während der Senat angab, dass sich im Land Bremen am 30. Juni 2010 „343 ausreisepflichtige Angehörige der Minderheit der Roma“ aufhielten (Drs. 17/1535, Seite 2), sank diese Zahl am 19. Dezember 2011 auf 272 ausreisepflichtige RomaAngehörige im Land Bremen (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/8224, Seite 4). Die Bundesregierung gibt die kosovarischen Staatsangehörigen im Land Bremen mit 107 Personen an, während 390 Personen Staatsangehörige Serbiens oder seiner Vorgängerstaaten sind. Nicht alle davon sind Angehörige der Roma oder anderer ethnischer Minderheiten, es ist jedoch anzunehmen, dass zumindest ein Teil der RomaAngehörigen in Bremen nicht aus dem Kosovo stammen. Die Erteilung langfristiger Aufenthaltstitel könnte wesentlich erleichtert werden, wenn die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen neu geregelt würde. So könnte z. B. Angehörigen der Jugoslawien-Nachfolgestaaten Kosovo, Serbien, Montenegro und Mazedonien im Falle von Passlosigkeit als Duldungsgrund durch Bremen Ausweisersatzpapiere ausgestellt werden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Welche Maßnahmen hat der Senat bis heute ergriffen, um den Beschluss der Bürgerschaft (Landtag) vom 29. September 2010 zur Drucksache 17/1467 umzusetzen ? 2. Welche weiteren Maßnahmen sind gegebenenfalls geplant? Wenn keine Maßnahmen geplant sind, warum nicht? — 2 — 3. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, einen Erlass zu verfügen, der die Erteilung von Ausweisersatzpapieren für Staatsangehörige aus Kosovo, Montenegro , Serbien und Mazedonien vorsieht? 4. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit eines befristeten Abschiebestopps für Angehörige der Roma und anderer aus Kosovo, Montenegro, Serbien oder Mazedonien stammender ethnischer Minderheiten? 5. Wurden die vier Abschiebungsaufträge von Roma-Angehörigen aus Bremen zwischen Januar und August 2010 vollstreckt? Wenn ja, wohin wurden sie abgeschoben ? 6. Wie viele Roma und Angehörige anderer Minderheiten aus dem Kosovo leben derzeit im Land Bremen (bitte aufteilen nach Stadtgemeinden)? 7. Wie erklärt der Senat den Rückgang der im Land Bremen lebenden Roma zwischen Mitte 2010 und Ende 2011? 8. Wurden Roma oder Angehörige anderer ethnischer Minderheiten aus dem Kosovo seit 2007 in den Kosovo, nach Serbien, Bosnien, Albanien oder ein anderes Land abgeschoben (bitte aufschlüsseln nach ethnischer Gruppe, Zielland der Abschiebung, Alter der Abgeschobenen, Jahr und Monat)? 9. Wurden Roma oder Angehörige anderer ethnischer Minderheiten aus weiteren Balkanstaaten (nicht Kosovo) seit 2007 in den Kosovo, nach Serbien, Bosnien, Albanien oder ein anderes Land abgeschoben (bitte aufschlüsseln nach ethnischer Gruppe, Herkunftsland, Zielland der Abschiebung, Alter der Abgeschobenen , Jahr und Monat)? 10. Welcher ethnischen Gruppe gehörten die Personen an, die mit der FRONTEXAbschiebung am 22. Juni 2010 in den Kosovo abgeschoben wurden? 11. Welcher ethnischen Gruppe gehörten die Personen an, die mit der FRONTEXAbschiebung am 7. Dezember 2010 in den Kosovo abgeschoben wurden? 12. Wie vielen Angehörigen der Roma oder anderer ethnischer Minderheiten aus dem Kosovo bzw. aus anderen Balkanstaaten wurde seit 2007 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt; auf welcher Rechtsgrundlage? Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE D a z u Antwort des Senats vom 3. Juli 2012 1. Welche Maßnahmen hat der Senat bis heute ergriffen, um den Beschluss der Bürgerschaft (Landtag) vom 29. September 2010 zur Drucksache 17/1467 umzusetzen ? Mit Beschluss der Bürgerschaft (Landtag) vom 29. September 2010 (Drucksache 17/1467) ist der Senat aufgefordert worden, ethnische Minderheiten bei Rückführungen in das Kosovo weiterhin langfristig zurückzustellen, Ermessensspielräume zur Erteilung langfristiger Aufenthaltstitel zu nutzen und sich für eine bundesweite Lösung für Roma und Angehörige anderer ethnischer Minderheiten aus dem Kosovo einzusetzen. Der Senat hat über seine Bemühungen berichtet. Die Bürgerschaft (Landtag) hat in ihrer 81. Sitzung am 23. Februar 2011 vom Bericht des Senats über den Erfolg im Hinblick auf die Bemühungen um eine bundesweite Lösung für Roma und Angehörige anderer ethnischer Minderheiten aus dem Kosovo Kenntnis genommen. In Fortschreibung des Berichts ist festzustellen, dass seitdem aus Bremen keine Roma-Angehörigen in die Republik Kosovo zurückgeführt worden sind. Der Senator für Inneres und Sport hat mit Erlass e10-09-01 vom 25. August 2010 veranlasst, dass die Ausländerbehörden ihn vor Stellung von Übernahmeersuchen für Angehörige der ethnischen Minderheit der Roma entsprechend dem Rückübernahmeabkommen vorab zu unterrichten haben. Dies erfolgt regelmäßig. Der Senator für Inneres und Sport hat in keinem Fall entschieden, ein Übernahmeersuchen zu stellen. — 3 — Ausreisepflichtigen Angehörigen der Minderheitengruppe der Roma konnte nach einem langjährigen Aufenthalt im Land Bremen aufgrund der Bleiberechtsregelungen und der gesetzlichen Altfallregelung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Eine Aufenthaltserlaubnis wird außerdem gemäß § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes aus humanitären Gründen erteilt, wenn die Beendigung des Aufenthalts für die Ausländerin oder den Ausländer unzumutbar ist, weil die soziale und wirtschaftliche Integration zu einer starken Verwurzelung im Bundesgebiet geführt hat und die Gründe für die Beendigung des Aufenthalts des Ausländers im Gegensatz zu den durch Aufenthalt, Integration und Entwurzelung vom Herkunftsstaat bestehenden Interessen der Ausländerin oder des Ausländers am Verbleib im Bundesgebiet nicht überwiegen. Minderjährige, die im Bundesgebiet geboren sind und/oder den ganz überwiegenden Teil ihrer Sozialisation hier erfahren haben, mindestens vier Jahre regelmäßig eine Schule im Bundesgebiet besucht haben und die ihrem Alter entsprechenden Integrationsvoraussetzungen erfüllen, konnten bei Antragstellung bis Inkrafttreten des neuen § 25a Aufenthaltsgesetz hiernach einen Aufenthaltstitel erhalten. Nunmehr können Minderjährige nach Vollendung des 15. Lebensjahres , Einreise vor Vollendung des 14. Lebensjahres, mindestens sechs Jahren Aufenthalt und sechs Jahren erfolgreichem Schulbesuch oder einem Schul- oder Berufsabschluss und günstiger Integrationsprognose gemäß § 25a Aufenthaltsgesetz eine Aufenthaltserlaubnis erlangen. Den Betroffenen wird damit eine langfristige Aufenthaltsperspektive eröffnet. 2. Welche weiteren Maßnahmen sind gegebenenfalls geplant? Wenn keine Maßnahmen geplant sind, warum nicht? Die Notwendigkeit, weitergehende Maßnahmen zu veranlassen, sieht der Senat gegenwärtig nicht. Der Situation der Minderheiten der kosovarischen Roma wird durch die in der Antwort zu Frage 1 dargestellte Praxis Rechnung getragen . Der Senat ist der Auffassung, dass mit den vom Senator für Inneres und Sport getroffenen Regelungen der schwierigen Situation der Roma aus dem Kosovo hinreichend Rechnung getragen werden kann. 3. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, einen Erlass zu verfügen, der die Erteilung von Ausweisersatzpapieren für Staatsangehörige aus Kosovo, Montenegro , Serbien und Mazedonien vorsieht? Grundsätzlich sind alle Ausländer verpflichtet, der Passpflicht zu genügen. Im Falle der Unzumutbarkeit der Passbeschaffung wird ein Ausweisersatz ausgestellt . Dem Senat ist nicht bekannt, dass die genannten Staaten generell keine Pässe für ihre Staatsangehörigen ausstellen oder die Passerlangung generell unzumutbar sei. Die Frage der Unzumutbarkeit ist im Einzelfall zu klären. Der Senator für Inneres und Sport veröffentlicht noch in diesem Monat einen Erlass, in dem die Ausstellung von Ausweisersatz in Verfahren zur Erteilung von humanitären Aufenthaltstiteln für die Ausländerbehörden konkretisiert wird. 4. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit eines befristeten Abschiebestopps für Angehörige der Roma und anderer aus Kosovo, Montenegro, Serbien oder Mazedonien stammender ethnischer Minderheiten? Die Bundesländer können die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen nach § 60a Absatz 1 Aufenthaltsgesetz für längstens sechs Monate aussetzen. Für die Verlängerung ist die Zustimmung des Bundesministeriums des Innern (BMI) notwendig . Das BMI stimmt einer solchen Regelung zu, wenn mindestens elf Länder sie beantragen. Hierfür gibt es derzeit auf Bund-Länder-Ebene nicht die notwendige Unterstützung. 5. Wurden die vier Abschiebungsaufträge von Roma-Angehörigen aus Bremen zwischen Januar und August 2010 vollstreckt? Wenn ja, wohin wurden sie abgeschoben ? Die über die für die Freie Hansestadt Bremen zuständige Zentrale Ausländerbehörde Bielefeld zwischen Januar und August 2010 im Rahmen des Rück- — 4 — Druck: Anker-Druck Bremen übernahmeübereinkommens angemeldeten Angehörigen der Minderheit der Roma sind nicht zurückgeführt worden. 6. Wie viele Roma und Angehörige anderer Minderheiten aus dem Kosovo leben derzeit im Land Bremen (bitte aufteilen nach Stadtgemeinden)? 7. Wie erklärt der Senat den Rückgang der im Land Bremen lebenden Roma zwischen Mitte 2010 und Ende 2011? Statistische Daten über im Bundesland Bremen lebende Roma aus dem Kosovo, die einen Aufenthaltstitel besitzen, werden nicht erhoben, da ausländische Personen mit ihrer jeweiligen Staatsangehörigkeit und nicht nach einer ethnischen Zugehörigkeit im Ausländerzentralregister erfasst werden. Deshalb kann die Gesamtzahl der in Bremen lebenden Roma und anderer Minderheiten aus dem Kosovo nicht ermittelt werden. Die Ethnie wird nur dann erfasst, wenn sie zur Geltendmachung eines Duldungsgrundes von den Betroffenen angegeben wird. Am 31. Mai 2012 lebten 250 ausreisepflichtige Roma aus dem Kosovo in der Freien Hansestadt Bremen. Es ist davon auszugehen, dass der Rückgang der Zahl ausreisepflichtiger Roma von 343 zum 30. Juni 2010 und 272 zum 19. Dezember 2011 auf nunmehr 250 unter anderem auf die Erteilung von Aufenthaltstiteln zurückzuführen ist. Die Zahl kann nicht statisch gesehen werden; sie wird nicht nur durch die Erteilung von Aufenthaltstiteln verringert, sondern beispielsweise auch durch Geburten und weitere Zuwanderung erhöht. 8. Wurden Roma oder Angehörige anderer ethnischer Minderheiten aus dem Kosovo seit 2007 in den Kosovo, nach Serbien, Bosnien, Albanien oder ein anderes Land abgeschoben (bitte aufschlüsseln nach ethnischer Gruppe, Zielland der Abschiebung, Alter der Abgeschobenen, Jahr und Monat)? 9. Wurden Roma oder Angehörige anderer ethnischer Minderheiten aus weiteren Balkanstaaten (nicht Kosovo) seit 2007 in den Kosovo, nach Serbien, Bosnien, Albanien oder ein anderes Land abgeschoben (bitte aufschlüsseln nach ethnischer Gruppe, Herkunftsland, Zielland der Abschiebung, Alter der Abgeschobenen , Jahr und Monat)? Statistische Daten über Ethnien und Zielländer der Abschiebungen werden nicht erhoben. Die nachträgliche Ermittlung der Daten würde zu unvertretbarem Verwaltungsaufwand führen. 10. Welcher ethnischen Gruppe gehörten die Personen an, die mit der FRONTEXAbschiebung am 22. Juni 2010 in den Kosovo abgeschoben wurden? Am 22. Juni 2010 ist für die Ausländerbehörde Bremen eine Person abgeschoben worden. Diese Person gehörte der ethnischen Gruppe der Albaner an. 11. Welcher ethnischen Gruppe gehörten die Personen an, die mit der FRONTEXAbschiebung am 7. Dezember 2010 in den Kosovo abgeschoben wurden? Am 7. Dezember 2010 ist für die Ausländerbehörde Bremen eine Person abgeschoben worden. Diese Person gehörte der ethnischen Gruppe der Albaner an. 12. Wie vielen Angehörigen der Roma oder anderer ethnischer Minderheiten aus dem Kosovo bzw. aus anderen Balkanstaaten wurde seit 2007 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt; auf welcher Rechtsgrundlage? Siehe Antwort zu Fragen 6 und 7.