— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Stadtbürgerschaft 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 510 S Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 14. Januar 2014 Vormundschaften für Kinder und Jugendliche in Bremen Kinder und Jugendliche, die ihre Eltern verloren haben oder deren Eltern nicht in der Lage sind, ihre Kinder zu erziehen, erhalten einen Vormund. Die Ursachen für die Bestellung eines Vormunds können u. a. Tod der Erziehungsberechtigten, die unbegleitete Einreise eines minderjährigen Flüchtlings oder auch die Gefährdung des Kindeswohls durch die Eltern sein. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse des parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Kindeswohl“ wurde die Zahl der Amtsvormünder seit 2006 erheblich erhöht. Damals war jeder Vormund zeitweise für 250 Kinder und Jugendliche verantwortlich . Zusätzlich wurde das Projekt „ProCura Kids“ zur Gewinnung von ehrenamtlichen Vormündern ins Leben gerufen. Aus Anfragen der Fraktion der FDP (Drs. 17/615 S) und der Fraktion der CDU (Drs. 17/313 S) von 2009 bzw. 2010 geht hervor, dass vor drei Jahren immer noch etwa 90 Mündel durch einen Vormund betreut wurden. Ein Vormund hatte damals „mindestens einmal im Jahr Kontakt zu seinem Mündel“. Durch die steigenden Fallzahlen im Bereich der Kindeswohlgefährdung wurden 2011 auch Änderungen des Vormundschafts- und Betreuungsrechts auf Bundesebene in Kraft gesetzt, die qualitative Verbesserungen für die Mündel mit sich bringen. Ein Vormund darf nur noch 50 Mündel betreuen und muss diese einmal monatlich in ihrer gewohnten Umgebung kontaktieren. Vor dem Hintergrund des steigenden Zuzugs von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Bremen und die weiterhin steigenden Fallzahlen im Bereich Kindeswohlgefährdung scheint es derzeit zumindest fraglich, ob der Fachdienst „Amtsvormundschaften“ mit derzeit 13 Amtsvormündern diesen bundesgesetzlichen Rahmen erfüllen kann. Wir fragen den Senat: 1. Wie viele Minderjährige stehen in Bremen derzeit unter Amtsvormundschaft? Wie viele warten auf einen Vormund? Wie viele waren es jeweils 2010, 2011 und 2012? 2. Wie haben sich die Fallzahlen pro Amtsvormund seit Mitte 2010 entwickelt? Wie viele Mündel werden derzeit pro Amtsvormund betreut? 3. Wie viele ehrenamtliche Einzelvormünder sind derzeit in Bremen bestellt? Wie viele von ihnen betreuen derzeit wie viele Mündel? 4. Wie hat sich die Zahl der Amtsvormünder seit Mitte 2010 verändert, und wie hat sich die Stellenzahl entwickelt? Wie hat sich die Zahl der ehrenamtlichen Einzelvormünder seit 2010 entwickelt? 5. Waren die Stellen beim Fachdienst „Amtsvormundschaften“ 2012 und 2013 jederzeit besetzt oder gab es Vakanzen, und wenn ja, wie lange? Welche Auswirkungen hatte das gegebenenfalls auf die Fallzahlen pro Amtsvormund? 6. Wie hoch war 2012 und 3013 die Fluktuation der Mitarbeiter? Wie lange hatten die Mitarbeiter die Stellen 2012 und 2013 im Durchschnitt inne? 7. Welche Qualifikationen werden derzeit für die Amtsvormünder gefordert, und wie erfolgt die Einarbeitung und spezielle Qualifikation für diese Tätigkeit? — 2 — 8. Wie und durch wen wird geprüft, ob ein Minderjähriger an einen ehrenamtlichen Vormund vermittelt werden kann? Gibt es aktuell Probleme bei der Zuweisung ? 9. Nach welchen Kriterien werden Mündel in Bremen welchen Amtsvormündern bzw. Einzelvormündern zugewiesen? Gab es 2012 und 2013 Ausnahmen von der Anhörungspflicht des Mündels, und wenn ja, warum? 10. Wie oft hatte ein Amtsvormund 2010, 2012 und 2013 jeweils durchschnittlich Kontakt zu seinen Mündeln, und wo fanden diese Kontakte statt? Gibt es Kriterien , wie z. B. Alter, aktuelle Situation, Adoptionspflege, nach denen der Kontakt erfolgt? 11. Wie viele Ausnahmen von der monatlichen Besuchsregel und deren Örtlichkeit gab es 2012 und 2013 in Bremen? Was waren die Gründe dafür? 12. Nach welchen Kriterien erfolgt in Bremen die Berichterstattung der Amtsvormünder an das Familiengericht? Wie überprüft das Familiengericht die Einhaltung der erforderlichen persönlichen Kontakte, und welche Konsequenzen wurden gegebenenfalls 2012 und 2013 bei Nichteinhaltung gezogen? 13. Wie wird in Bremen sichergestellt, dass der Vormund die „Pflege und Erziehung des Mündels persönlich fördert und gewährleistet“ (§ 1800 BGB)? Gab es 2012 und 2013 Fälle, bei denen dies nicht gewährleistet war? 14. Mit welcher notwendigen Zahl von Amtsvormündern bzw. Einzelvormündern rechnet der Senat angesichts der steigenden Fallzahlen für 2014 und 2015? Welche Vorsorge hat er dafür getroffen? Sandra Ahrens, Sigrid Grönert, Silvia Neumeyer, Thomas Röwekamp und Fraktion der CDU D a z u Antwort des Senats vom 18. Februar 2014 1. Wie viele Minderjährige stehen in Bremen derzeit unter Amtsvormundschaft? Wie viele warten auf einen Vormund? Wie viele waren es jeweils 2010, 2011 und 2012? Jahr Fallzahl Ende 2010 653 Ende 2011 527 Ende 2012 506 Ende 2013 690 Die Anzahl der Mündel, die auf einen Vormund warten, wird nicht erhoben. Wartezeiten können nicht entstehen, da das Jugendamt das Familiengericht sofort einzuschalten hat, sobald es ein Tätigwerden des Familiengerichts für erforderlich hält (§ 8a Absatz 2 und § 57 SGB VIII). Auch für das Familiengericht gilt wegen Gefährdung des Kindeswohls ein besonderes Vorrang- und Beschleunigungsgebot (§ 155 Absatz 1 FamFG). Die Vormundschaft besteht, sobald der Beschluss des Familiengerichts bei dem Fachdienst „Amtsvormundschaften“ eingeht. Ab diesem Zeitpunkt ist der Amtsvormund bestellt und für sein Mündel verantwortlich. 2. Wie haben sich die Fallzahlen pro Amtsvormund seit Mitte 2010 entwickelt? Wie viele Mündel werden derzeit pro Amtsvormund betreut? Die Fallzahlen pro Amtsvormund sind seit Mitte 2010 durch die Schaffung zusätzlicher Stellen im Fachdienst „Amtsvormundschaften“ stetig gesunken; sie unterliegen aber einem ständigen Wandel, der sich zum einen durch die Fallzahlen und zum anderen durch Vakanzen im Fachdienst „Amtsvormundschaften “ ergibt. Aktuell sind in der Amtsvormundschaft des Amts für Soziale Dienste (AfSD) 12,75 BV besetzt. Die durchschnittliche Fallbelastung liegt bei 53,6 Vor- — 3 — mundschaften pro Amtsvormund. Der Bedarf aufgrund der Fallzahlen liegt bei 13,80 BV. Das laufende Verfahren zur Stellenbesetzung steht kurz vor dem Abschluss . Auswahlgespräche haben bereits stattgefunden. Seit dem 5. Juli 2012 ist das Jugendamt Bremen gemäß § 55 Absatz 2 des SGB VIII verpflichtet, eine Vollzeitkraft mit nicht mehr als maximal 50 Mündeln zu beauftragen. Das Jugendamt Bremen besetzt entsprechend der Fallzahl Stellen in der Amtsvormundschaft. Zwischen dem Ausscheiden einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters und der Wiederbesetzung von Stellen gibt es Vakanzen, die zwischenzeitlich zu einer höheren Fallzahlbelastung pro Amtsvormund führen können. Bei den Stellenbesetzungen ist zu berücksichtigen, dass geeignete Fachkräfte gefunden werden müssen und der Stellenmarkt für geeignete Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen bzw. andere geeignete Qualifikationen derzeit sehr stark ausgedünnt ist. Alle Jugendämter in der Bundesrepublik Deutschland suchen aufgrund gestiegener Fallzahlen im Bereich des allgemeinen Sozialdienstes und der Amtsvormundschaften/-pflegschaften verstärkt nach geeignetem Personal . 3. Wie viele ehrenamtliche Einzelvormünder sind derzeit in Bremen bestellt? Wie viele von ihnen betreuen derzeit wie viele Mündel? Diese Frage kann nicht umfassend beantwortet werden, da die Zahlen nicht nach der Art der Vormundschaft differenzierend erfasst werden. In Bremen gibt es Amtsvormundschaften oder Einzelvormundschaften (Familienmitglieder , Vormünder aus dem sozialen Umfeld, ehrenamtliche Vormünder, die über ProCura Kids gewonnen wurden). Über das Projekt „ProCura Kids“ waren bis Ende 2013 insgesamt 87 Einzelvormundschaften vermittelt worden. Zwei weitere Einzelvormundschaften befinden sich in der Anbahnung. Laut ProCura Kids stehen 143 Personen zur Benennung als Einzelvormund zur Verfügung. Von den 87 ehrenamtlichen Einzelvormündern betreuen zwei zusammen drei Mündel, zwölf Vormünder zwei Mündel , zwei Vormünder vier Mündel und drei Vormünder drei Mündel, alle anderen ehrenamtliche Einzelvormünder betreuen jeweils ein Mündel. 4. Wie hat sich die Zahl der Amtsvormünder seit Mitte 2010 verändert, und wie hat sich die Stellenzahl entwickelt? Wie hat sich die Zahl der ehrenamtlichen Einzelvormünder seit 2010 entwickelt? Entwicklung der Stellen in der Amtsvormundschaft des AfSD Mitte 2010 Zahl der Amtsvormünder: 7,67 BV, 31. Dezember 2013 Zahl der Amtsvormünder: 12,75 BV. Im Zusammenhang mit den zusätzlichen Bedarfen aufgrund der gestiegenen Zahlen an unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen wird ein weiterer Stellenzuwachs angestrebt. Entwicklung ehrenamtliche Vormünder über ProCura Kids 2010 19 Vermittlungen, 2011 16 Vermittlungen, 2012 15 Vermittlungen, 2013 19 Vermittlungen. 5. Waren die Stellen beim Fachdienst „Amtsvormundschaften“ 2012 und 2013 jederzeit besetzt oder gab es Vakanzen, und wenn ja, wie lange? Welche Auswirkungen hatte das gegebenenfalls auf die Fallzahlen pro Amtsvormund? Aufgrund von wachsenden Stellenbedarfen und des Wechsels von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Amtsvormundschaft in andere Dienste oder in Stellen außerhalb des AfSD gab es beständig Vakanzen. Die Nachbesetzung wurde jeweils nach Bekanntwerden eines bevorstehenden Ausscheidens unverzüglich betrieben. Verfahren zu Stellenbesetzung dauern aufgrund von Ausschreibungsfristen , Terminierungen für Auswahlgespräche, Durchführung der Mitbestimmungsverfahren und von Umsetzungs- bzw. Kündigungsfristen in der Regel — 4 — sechs bis neun Monate. In Zeiten von Vakanzen sind die im Dienst befindlichen Amtsvormünder zwischenzeitlich mit einer höheren Fallzahl betraut. Die genaue Übersicht der Vakanzen ist beiliegender Tabelle zu entnehmen. Dauer der Vakanzen in 2012 und 2013 6. Wie hoch war in 2012 und 2013 die Fluktuation der Mitarbeiter? Wie lange hatten die Mitarbeiter die Stellen 2012 und 2013 im Durchschnitt inne? Die Fluktuation hat in den zurückliegenden Jahren abgenommen. a) Fluktuationsrate 19 % in 2012, b) Fluktuationsrate 9 % in 2013. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Mitarbeiterzahl in den letzten zwei Jahren um zehn (zum Teil in Teilzeit) vergrößert wurde und es sich um eine relativ neue Mitarbeiterschaft handelt. Die „dienstälteste“ Mitarbeiterin ist seit Februar 2007 in der Amtsvormundschaft tätig. Die „dienstjüngste“ Mitarbeiterin ist seit dem 2. Januar 2014 in der Amtsvormundschaft tätig. Von den derzeit in der Amtsvormundschaft tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in 2007 1 Mitarbeiterin/Mitarbeiter, 2008 2 Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter, Zielzahl (ZZ) Ist Differenz Bemerkung 2012 Januar 8,50 7,94 -0,56 Februar 8,50 7,94 -0,56 März 8,50 7,94 -0,56 April 8,50 8,94 0,44 Mai 8,50 8,94 0,44 Juni 8,50 8,94 0,44 Juli 8,50 8,94 0,44 August 8,50 10,45 1,95 September 8,50 8,48 -0,02 Oktober 8,50 8,74 0,24 November 11,50 8,74 -2,76 Vakanz durch ZZ Erhöhung Dezember 11,50 9,74 -1,76 Zugang um 1,00 BV 2013 Januar 11,50 10,56 -0,94 Zugang um 0,82 BV erfolgt Februar 11,50 10,56 -0,94 März 11,50 10,56 -0,94 April 11,50 9,74 -1,76 Abgang um 0,82 BV Mai 11,50 9,74 -1,76 Juni 11,50 10,74 -0,76 Zugang um 1,00 BV Juli 11,50 10,74 -0,76 August 11,50 11,51 0,01 Zugang 0,77 BV September 11,50 11,51 0,01 Oktober 11,50 11,51 0,01 November 11,50 11,02 -0,48 Abgang 0,50 BV Dezember 11,50 12,75 1,25 Zugang 1,73 BV — 5 — 2009 2 Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter, 2010 1 Mitarbeiterin/Mitarbeiter, 2011 0 Mitarbeiterin/Mitarbeiter, 2012 5 Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter, 2013 4 Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter, 2014 1 Mitarbeiterin/Mitarbeiter ihren Dienst angetreten. Die jetzige Referatsleiterin der Amtsvormundschaft hat diese Leitungsstelle zum 1. Januar 2013 übernommen. 7. Welche Qualifikation werden derzeit für die Amtsvormünder gefordert, und wie erfolgt die Einarbeitung und spezielle Qualifikation für diese Tätigkeit? Mittlerweile werden aufgrund der hohen pädagogischen Anteile am Profil eines Amtsvormundes die Stellen gezielt für Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen oder Bewerberinnen und Bewerber mit einem vergleichbaren Profil (Dipl.- Pädagogen etc.) oder an Verwaltungsangestellte/Verwaltungsbeamte (Befähigung für das erste Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 der Fachrichtung der allgemeinen Dienste oder vergleichbare Qualifikation oder einschlägige Berufserfahrung ) mit guten pädagogischen Kenntnissen ausgeschrieben. Aktuell sind im Fachdienst Amtsvormundschaft eine Verwaltungsbeamtin, eine Pädagogin mit vergleichbaren sozialpädagogischen Kenntnissen und ansonsten ausschließlich Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen (FH) tätig. Die Einarbeitung erfolgt über eine Anbindung an zwei erfahrene Amtsvormünder (Tridem), weiterhin werden Inhouse-Schulungen für die Mitarbeiterinnen/ Mitarbeiter der Amtsvormundschaft angeboten und es wird die Teilnahme an externen Grundlagenfortbildungen (z. B. über das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V., Bundesverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) ermöglicht. 8. Wie und durch wen wird geprüft, ob ein Minderjähriger an einen ehrenamtlichen Vormund vermittelt werden kann? Gibt es aktuell Probleme bei der Zuweisung ? Die Einsetzung eines Vormundes erfolgt grundsätzlich durch das Familiengericht gemäß §§ 1773 ff. BGB. Das Jugendamt (Allgemeiner Sozialdienst/Casemanagement) hat gegenüber dem Familiengericht eine Berichtspflicht. Bei Anregung einer Pfleg- oder Vormundschaft soll auch geklärt werden, ob eine geeignete Person aus dem sozialen Umfang des Kindes, ein ehrenamtlicher Vormund oder ein Amtsvormund aufgrund der Sachlage und der Lebensumstände des Kindes angezeigt ist, und bezogen auf alle Einzelvormünder ist ein konkreter Vorschlag einer Person zu unterbreiten . Bei eiligen Entscheidungsbedarfen können in der Regel keine ehrenamtlichen Vormünder benannt werden, da die erforderliche Anbahnung der Vormundschaft zeitlich und fachlich nicht umsetzbar ist. In diesen Fällen oder in Fällen des Sorgerechtsentzugs im Eilverfahren gemäß § 1666 BGB wird erst einmal die Amtsvormundschaft als Pfleger/Vormund bestellt . Im weiteren Verfahren gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen der Amtsvormundschaft und ProCura Kids, in der geklärt wird, ob für Kinder und Jugendliche , die einen Amtsvormund haben, eine ehrenamtliche Vormundschaft eingeleitet werden kann. In diesen Fällen benennt ProCura Kids eine geeignete Person. Die Eignung orientiert sich an den Bedarfen und Wünschen des Kindes oder Jugendlichen und an den Vorstellungen des potenziellen Einzelvormundes . Der Einzelvormund wird anonym über das Kind oder den Jugendlichen unterrichtet. Wenn sich der Einzelvormund dann eine Vormundschaft konkret vorstellen kann, wird ein erster Kontakt zwischen dem Kind oder dem Jugendlichen (Mündel) hergestellt. Mündel und Einzelvormund sollen im Kontakt klären , ob sie sich füreinander entscheiden. Nur wenn beide, Mündel und potenzieller Einzelvormund, ihre Bereitschaft erklären, regt die Amtsvormundschaft die — 6 — Übertragung der Vormundschaft von der Amtsvormundschaft auf den Einzelvormund an. Dieses Verfahren ist einerseits zeitaufwendig, andererseits aber transparent und gewährleistet das Mitspracherecht des Kindes oder des Jugendlichen . Diese Art der Kontaktanbahnung und Vermittlung hat sich als sehr verlässlich und beständig erwiesen. Seit 2007 hat es nur zwei Rückübertragungen oder einen weiteren Vormundwechsel im Rahmen von ProCura Kids gegeben. Kinder und Jugendliche sollen eine langfristige vertrauensvolle Beziehung zum Vormund aufbauen. Dies kann über dieses Verfahren gut gesichert werden und die Kinder und Jugendlichen werden vor einem erneuten Beziehungsverlust bewahrt. Weiterhin ist aufgrund dieser sehr verlässlichen und vertrauensvollen Kontaktgestaltung auch die Option gegeben, dass bei einem guten persönlichen Kontakt der ehemalige Vormund nach Volljährigkeit des Mündels als Vertrauensperson weiterhin zur Verfügung steht. Nach § 1779 BGB soll das Familiengericht von Beginn an die Vormundschaft einer geeigneten, in der Regel ehrenamtlichen Einzelperson übertragen. Das Familiengericht in Bremen beschließt derzeit in der Regel eine Amtsvormundschaft , wenn nicht gleich zu Beginn eine geeignete Person durch das Casemanagement benannt wird. Das Familiengericht beschließt bei einer entsprechenden Anregung aber die Übernahme der Vormundschaft durch einen ehrenamtlichen, durch ProCura Kids benannten Vormund, wenn die Amtsvormundschaft dieses beantragt. Hierbei bezieht sich das Familiengericht in der Regel auf die gute Überleitung von der Amtsvormundschaft auf einen ehrenamtlichen Vormund und die Erfahrung, dass der Amtsvormund Wesentliches schnell für das Kind oder den Jugendlichen regelt und wichtige Entscheidungen für das Kind oder den Jugendlichen bei Überleitung an einen ehrenamtlichen Vormund bereits vorbereitet sind oder bei Dringlichkeit bereits entschieden wurden . 9. Nach welchen Kriterien werden Mündel in Bremen welchen Amtsvormündern bzw. Einzelvormündern zugewiesen? Gab es 2012 und 2013 Ausnahmen von der Anhörungspflicht des Mündels, und wenn ja, warum? Bezogen auf die Beteiligung des Mündels bei der Auswahl des Einzelvormundes wird auf die Ausführungen zu Frage 8 verwiesen. Bei der Benennung eines Amtsvormundes entscheidet die Amtsvormundschaft nach Eingang des Beschlusses des Familiengerichts, welche Mitarbeiterin oder welcher Mitarbeiter die Amtsvormundschaft übernimmt. Hierbei wird einerseits bewertet, welche Informationen über das Kind oder den Jugendlichen vorliegen und welcher Amtsvormund als am besten geeignet erscheint. Sollte sich im Verlaufe der Vormundschaft ergeben, dass ein anderer Amtsvormund gewünscht oder im Einzelfall geeigneter sein sollte, ist ein Wechsel der Vormundschaft innerhalb der Amtsvormundschaft möglich, wenn keine Überleitung in eine Einzelvormundschaft erfolgen kann. Da die meisten Vormundschaften im Eilverfahren gemäß § 1666 BGB entschieden werden und ein dringender Entscheidungsbedarf (Art der Unterbringung, Einwilligungen zu Maßnahmen) vorliegt, ist eine umfassende Mündelbeteiligung bei der Auswahl des Amtsvormundes nicht möglich. Dies entspricht (durchaus) den fachlichen und rechtlichen Diskussionen in der Bundesrepublik Deutschland. 10. Wie oft hatte ein Amtsvormund 2010, 2012 und 2013 jeweils durchschnittlich Kontakt zu seinen Mündeln, und wo fanden die Kontakte statt? Gibt es Kriterien , wie z. B. Alter, aktuelle Situation, Adoptionspflege, nach denen der Kontakt erfolgt? 11. Wie viele Ausnahmen von der monatlichen Besuchsregel und deren Örtlichkeit gab es 2012 und 2013 in Bremen? Was waren die Gründe dafür? Jeder Amtsvormund ist verpflichtet und hat den fachlichen Anspruch, einen personalen Kontakt zum Kind/Jugendlichen aufzubauen. Dies ist erforderlich, um die Bedürfnisse des Mündels sicher kennenzulernen und je nach Alter des Mündels dieses in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. — 7 — Nach § 1793 Absatz 1a Satz 2 BGB soll der Vormund seinen Mündel in der Regel einmal im Monat aufsuchen. Letztlich maßgeblich sind nach dieser Vorschrift aber ausdrücklich die Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Lebensalter und die Lebensumstände des Kindes oder des Jugendlichen, die kürzere oder längere Besuchsabstände gebieten können. Für die Praxis der Jugendämter gibt es hierzu umfangreiche Handreichungen. Hier einige Beispiele zur Verdeutlichung : • Ein Neugeborenes in einer Klinik mit Erkrankungen, Entzugserscheinungen u. a. wird häufig aufgesucht, um mit den Ärzten und dem Pflegepersonal aktuelle Behandlungen abzustimmen und ihnen zuzustimmen. Weiterhin wird im Kontakt mit dem Casemanagement und den Übergangs- oder Vollzeitpflegestellen , bezogen auf die Versorgung und Entwicklung des Kindes , gerade zu Beginn der Betreuung, ein umfangreicher Kontakt- und Gesprächsbedarf vorliegen. • Dem Grund nach gilt, je jünger das Kind, desto häufiger erscheint ein persönlicher Kontakt angezeigt. • Hiervon abweichend sind Vormundschaften in Adoptionspflegen zu bewerten , da hier potenzielle Adoptiveltern die Pflege und Versorgung übernehmen , die das Kind als eigenes annehmen wollen. Hier sind die Kontakte mit der Adoptionsstelle, den Adoptionspflegeeltern und dem Amtsvormund abzustimmen . • Kinder/Jugendliche, die schon lange in einer Pflegefamilie leben, dort ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben und bei denen die Versorgung und Lebenssituation sehr gut und stabil ist, benötigen nicht jeden Monat einen Kontakt zum Amtsvormund. Dies kann aber gut mit dem Mündel und den Pflegefamilien abgestimmt werden. • Gerade ältere Kinder und Jugendliche suchen öfters auch von sich aus den Kontakt zum Vormund (per Telefon, E-Mail oder Besuche auch in der Amtsvormundschaft selbst). • Jugendliche, die schon sehr selbstständig leben, z.B. in einer Jugendwohngemeinschaft , möchten ebenso wie Jugendliche in Herkunftsfamilien die Kontakthäufigkeit selbst bestimmen oder möchten durchaus größere Kontaktabstände . Bei unproblematischen Lebenssituationen kann diesem vom Vormund entsprochen werden. Dies fördert sogar einen vertrauensvollen Kontakt zwischen Jugendlichen und Vormund. • Grundsätzlich gilt aber auch, wenn Auffälligkeiten, Probleme, potenzielle Gefahrenlagen u. a. beim Amtsvormund vorliegen oder er Hinweise erhält, wird zur Abklärung der Kontakt öfters erfolgen. • Weiterhin ist der Amtsvormund verpflichtet, sich unabhängig von anderen staatlichen Stellen und dem Casemanagement aufgrund seiner besonderen Verantwortung für das Mündel jeweils selbst einen Eindruck zu verschaffen und sich nicht auf Aussagen Dritter zu verlassen. • Bei akuten Krisen hat ein Amtsvormund oft innerhalb eines Monats viele Kontakte zum Mündel. • Grundsätzlich gilt auch hier, die tatsächlichen Lebensumstände eines Mündels entscheiden über die Häufigkeit des persönlichen Kontakts zwischen Mündel und Amtsvormund. Die Frage des persönlichen Kontakts vom Amtsvormund zum Mündel richtet sich nach den tatsächlichen Lebensumständen des Kindes/Jugendlichen. Es ist daher keine Auflistung der Amtsvormundschaften mit Aussagen möglich, in wie vielen Fällen es einen monatlichen Kontakt, häufigere oder seltenere Kontakte gibt. Ziel ist, eine gute persönliche Beziehung aufzubauen, die zu einer verlässlichen Einschätzung der Lebensumstände des Kindes/Jugendlichen führt und vor allem zu einem guten und vertrauensvollen Kontakt zum Mündel. In der Regel wird das Kind/der Jugendliche in seinem Lebensumfeld besucht. Es gibt aber auch Kontakte zu gemeinsamen Unternehmungen oder ein Treffen in einem Café/einer Eisdiele. Es kommen weiterhin viele Mündel, gerade Jugendliche , von sich aus verabredet oder auch unangemeldet ins Büro des Vormundes . — 8 —Druck: Hans Krohn · Bremen 12. Nach welchen Kriterien erfolgt in Bremen die Berichterstattung der Amtsvormünder an das Familiengericht? Wie überprüft das Familiengericht die Einhaltung der erforderlichen Kontakte, und welche Konsequenzen wurden gegebenenfalls 2012 und 2013 aus der Nichteinhaltung gezogen? Das Familiengericht erhält mindestens einmal jährlich den gesetzlich vorgesehenen Bericht des Amtsvormundes. Gemäß den Absprachen mit den Familiengerichten berichten die Amtsvormünder dem Familiengericht zwischenzeitlich von wesentlichen Veränderungen oder Entwicklungen beim Mündel (z. B. außerplanmäßige Schulwechsel, Rückkehrmöglichkeiten zu den leiblichen Eltern, Wechsel in der Betreuungsart oder dem Unterbringungsort, besondere schulische Leistungen oder Abschlüsse). Weiterhin sind im Jahresbericht eine Aussage zur Häufigkeit der persönlichen Kontakte und die Gründe für Über- oder Unterschreitungen des angestrebten monatlichen Kontaktes enthalten. Diese Verabredungen wurden getroffen, damit das Familiengericht seiner Aufsichtsverpflichtung nachkommen kann. Bei Verständigung zwischen dem Familiengericht und der Amtsvormundschaft sind bei nachvollziehbar begründeten Abweichungen in der Kontakthäufigkeit keine Konsequenzen erforderlich. 13. Wie wird in Bremen sichergestellt, dass der Vormund die „Pflege und Erziehung des Mündels fördert und gewährleistet“ (§ 1800 BGB)? Gab es 2012 und 2013 Fälle, bei denen dies nicht gewährleistet war? Diese Fragestellung steht in einem unmittelbaren Zusammenhang zur Frage des persönlichen Kontakts zum Mündel und damit zu den Kenntnissen des Vormunds über die Lebenssituation und die Entwicklung des Mündels. Siehe Antworten zu den Fragen 10, 11 und 12. Aus den Jahren 2012 und 2013 sind keine Fälle bekannt, in denen vonseiten des Familiengerichts, der Leitung des Jugendamtes oder anderer Stelle diese Erfüllung der Aufgabe des Vormundes die „Pflege und Erziehung des Mündels persönlich zu fördern und zu gewährleisten“ als nicht gewährleistet eingeschätzt wurde. 14. Mit welcher notwendigen Zahl von Amtsvormündern bzw. Einzelvormündern rechnet der Senat angesichts der steigenden Fallzahlen für 2014 und 2015? Welche Vorsorge hat er dafür getroffen? Die Entwicklung von Einzelvormundschaften wird im Rahmen des Projekts „ProCura Kids“ des Deutschen Roten Kreuzes, Landesverband Bremen e. V., wahrgenommen. Weiterhin gibt es eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Projekt und der Amtsvormundschaft, um in geeigneten Fällen einen Vormundschaftswechsel zu gewährleisten. Bezogen auf die Zahl der Amtsvormünder wird die Fallzahl im AfSD quartalsweise ausgewertet und entsprechend dem Schlüssel von 50 Mündeln zu einer Vollzeitstelle in der Amtsvormundschaft umgesetzt. Bei Bedarf werden die entsprechenden Stellen ausgeschrieben. Die Entwicklung der Mitarbeiterzahlen in der Amtsvormundschaft entsprechen der Fallzahlentwicklungen und der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 2 SGB VIII lässt sich aus den Antworten zu den Punkten 4. und 6. ableiten. Für 2014 wird mit einer weiterhin hohen Zahl an unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gerechnet. In Abhängigkeit davon wird im Bereich der Amtsvormundschaften angestrebt, zusätzliches Personal im Umfang von ca. drei BV einzustellen .