— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 538 Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 2. Juli 2012 Transparenz über Projekte der bremischen Rüstungsindustrie an den Hochschulen herstellen Radio Bremen deckte am 15. Mai ein Forschungsprojekt zwischen dem Satellitenhersteller OHB, der Militärsparte des EADS-Konzerns CASSIDIAN, und dem Bundesverteidigungsministerium auf, was trotz bestehender Zivilklausel an der Universität Bremen durchgeführt worden ist. Das Rektorat der Universität hat daraufhin eine stichprobenartige Sichtung der Drittmittelprojekte durchgeführt, indem nach bekannten Unternehmen der Rüstungsindustrie gesucht und „verdächtige Titel“ herausgefiltert worden seien. Laut Rektor Müller fanden sich bei dieser Prüfung seit Einführung der Verwaltungssoftware SAP vor neun Jahren über zehn Projekte im Auftragsvolumen von rund einer halben Million Euro. In diesem Zusammenhang wurden die Unternehmen Rheinmetall Defence Electronics, OHB und ATLAS ELEKTRONIK genannt. In Bremen gibt es darüber hinaus noch weitere Unternehmen, die auch die Bundesregierung in einer aktuellen Antwort auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE in Anlehnung an das Kriegswaffenkontrollgesetz als „Rüstungsindustrie“ bezeichnet (Drucksache 17/9854). Die vorliegende Anfrage folgt diesem Kriterium und beschränkt deshalb die Fragen auf die fünf großen Rüstungskonzerne Bremens. „Forschungsthemen und -mittel, die Rüstungsforschung dienen könnten, sind öffentlich zu diskutieren“ heißt es in der universitären Zivilklausel, die zuletzt am 25. Januar 2012 bekräftigt worden ist. Trotzdem legte das Rektorat weder dem Akademischen Senat, der seit Bekanntwerden der Projekte zweimal tagte, noch dem zuständigen Bürgerschaftsausschuss Details zu den bisher unbekannten Projekten vor. Vertreterinnen und Vertreter des AStA sowie der Fraktion DIE LINKE hatten diese Transparenz mehrfach nachdrücklich eingefordert. Denn die Offenlegung aller einschlägigen Projekte ist notwendige Voraussetzung einer Fehleranalyse, mit dem Ziel zukünftige Verstöße gegen die Selbstverpflichtungen möglichst vollständig auszuschließen . Eine weitere Vorenthaltung der Informationen lässt sich auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes und der Veröffentlichungspflichten im Hochschulgesetz nicht rechtfertigen. Eine EDV-gestützte Abfrage der bestehenden Drittmittel-Datenbanken stellt insbesondere keinen erheblichen Aufwand dar, und durch die Veröffentlichung sind keine besonders schützenswerten Daten berührt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Welche FuE-Projekte (Titel) wurden an den öffentlichen Hochschulen im Land in den vergangenen neun Jahren in welchem Zeitrahmen und finanziellen Umfang durchgeführt mit den Unternehmen a) Rheinmetall Defence Electronics, b) OHB, c) ATLAS ELEKTRONIK, d) Lürssen, e) EADS (bitte unterscheiden nach CASSIDIAN, Astrium, EADS-Military), f) gegebenenfalls weiterer in die oben genannte Stichprobenprüfung einbezogene Unternehmen? — 2 — 2. Welche FuE-Projekte wurden unter Beteiligung des Bundesverteidigungsministeriums realisiert? 3. Welche FuE-Projekte wurden unter Beteiligung anderer Verteidigungsministerien bzw. Armeen durchgeführt? 4. Welche der aufgezählten Projekte widersprechen nach Auffassung des Senats dem politischen Ziel, Rüstungsforschung an öffentlichen Hochschulen zu unterbinden ? 5. Inwiefern ist es zutreffend, dass die Betreibergesellschaft des Fallturms, die ZARM Technik AG, u. a. explizit für die US Navy, US Air Force und den türkischen Luftwaffenableger TAI produziert bzw. mit diesen Kunden wirbt? Wie stellen sich die Eigentumsverhältnisse der ZARM Technik AG dar, und in welchem Verhältnis steht sie insbesondere zur Universität und weiteren städtischen Gesellschaften ? 6. Wie bewertet der Senat Verschwiegenheits- und Geheimhaltungsklauseln in der sogenannten Auftragsforschung, und inwiefern sind diese Geheimhaltungsklauseln mit dem Informationsfreiheitsgesetz und den Veröffentlichungspflichten im Hochschulgesetz vereinbar? Mit welchen Maßnahmen wird der Senat versuchen , diese Geheimforschung an öffentlichen Hochschulen zurückzudrängen? Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE D a z u Antwort des Senats vom 7. August 2012 1. Welche FuE-Projekte (Titel) wurden an den öffentlichen Hochschulen im Land in den vergangenen neun Jahren in welchem Zeitrahmen und finanziellen Umfang durchgeführt mit den Unternehmen a) Rheinmetall Defence Electronics, b) OHB, c) ATLAS ELEKTRONIK, d) Lürssen, e) EADS (bitte unterscheiden nach CASSIDIAN, Astrium, EADS-Military), f) gegebenenfalls weiterer in die oben genannte Stichprobenprüfung einbezogene Unternehmen? Die Hochschule Bremerhaven und die Hochschule für Künste haben mit den genannten Unternehmen keine FuE-Projekte durchgeführt. Die Hochschule Bremen hat seit dem 1. Januar 2005, also in fast acht Jahren, insgesamt elf Projekte mit den unter den Buchstaben a) bis d) genannten Unternehmen im Volumen von zusammen rund 88 500 ‡ durchgeführt. Das kleinste Projekt hatte ein Volumen von 1 350 ‡, das größte von 22 040 ‡. Die Einzelheiten , insbesondere die Titel der Projekte, sind der Anlage zu entnehmen. Projekte vor dem 1. Januar 2005 sind nicht erfasst. Die Universität Bremen hat elf FuE-Projekte in den Jahren 2007 bis 2011 im Finanzvolumen von knapp 230 000 ‡ mit der Firma Rheinmetall durchgeführt und darüber hinaus mehrere kleinere Aufträge im Zeitraum von 2006 bis 2011 im Gesamtwert von ca. 18 000 ‡. Mit OHB hat die Universität im gefragten Zeitraum das Projekt OFDM (Orthogonal Frequency Division Multiplexing) von 2003 bis 2006 mit einem Finanzvolumen von ca. 236 000 ‡ durchgeführt. Das Projekt gehört zum Bereich der Grundlagenforschung und befasste sich mit Datenübertragung. Mit der Firma ATLAS ELEKTRONIK GmbH hat die Universität zehn kleinere Aufträge im Gesamtwert von 18 293,20 ‡ im Zeitraum von 2007 bis 2010 durchgeführt . — 3 — FuE-Projekte mit der Firma Lürssen hat es nicht gegeben. Mit den Firmen EADS, Astrium und Airbus gab und gibt es seit 2003 eine größere Anzahl von gemeinsamen Aktivitäten, die einen Gesamtwert von rund 3,9 Mio. ‡ hatten, aber durchaus nicht sämtlich FuE-Projekte beinhalten und nach bisheriger Einschätzung sämtlich zivilen Charakter tragen. Die Universität Bremen arbeitet zurzeit noch an einer genauen Aufstellung und Bewertung der Projekte. Bei einer Gesamtzahl von mehr als 4 300 Projekten mit einem Finanzvolumen von rund 700 Mio. ‡ seit 2003 ist eine abschließende Betrachtung und Auswertung und insbesondere auch eine vollständige Titelsammlung und Auflistung sowie Zuordnung der Finanzvolumina noch nicht möglich gewesen. 2. Welche FuE-Projekte wurden unter Beteiligung des Bundesverteidigungsministeriums realisiert? Es wurden keine FuE-Projekte mit dem Bundesverteidigungsministerium seitens der Hochschule Bremerhaven und der Hochschule für Künste durchgeführt . Die Hochschule Bremen hat ein Forschungsprojekt im Volumen von 34 800 ‡ aufgrund des Vertrages vom 6. November 2006 mit dem Titel „Forschungsanstalt der Bundeswehr für Wasserschall und Geophysik“ durchgeführt. Die Universität Bremen hat das Projekt OFDM (Orthogonal Frequency Division Multiplexing) mit einem Finanzvolumen von rund 236 000 ‡ mit Beteiligung des Bundesverteidigungsministeriums durchgeführt. Es handelt sich dabei um Grundlagenforschung im Bereich der Datenübertragung. 3. Welche FuE-Projekte wurden unter Beteiligung anderer Verteidigungsministerien bzw. Armeen durchgeführt? Es wurden keine derartigen FuE-Projekte der Hochschulen durchgeführt. 4. Welche der aufgezählten Projekte widersprechen nach Auffassung des Senats dem politischen Ziel, Rüstungsforschung an öffentlichen Hochschulen zu unterbinden ? Die Prüfung, ob ein Widerspruch vorliegt, muss von den Hochschulen vorgenommen werden. Die Universität Bremen ist dabei, eine solche Prüfung vorzunehmen . 5. Inwiefern ist es zutreffend, dass die Betreibergesellschaft des Fallturms, die ZARM Technik AG, u. a. explizit für die US Navy, US Air Force und den türkischen Luftwaffenableger TAI produziert bzw. mit diesen Kunden wirbt? Wie stellen sich die Eigentumsverhältnisse der ZARM Technik AG dar, und in welchem Verhältnis steht sie insbesondere zur Universität und weiteren städtischen Gesellschaften ? Die ZARM Technik GmbH ist nicht Betreibergesellschaft des Fallturms. Sie befindet sich zu 100 % in privater Hand. Das Land Bremen ist weder direkt noch indirekt an der ZARM Technik beteiligt. Die ZARM Technik ist allerdings – soweit bekannt – an keinen FuE-Projekten beteiligt. Eine wirtschaftliche Verbindung zwischen der ZARM Technik AG und der ZARM Fallturm-Betreibergesellschaft besteht nicht. 6. Wie bewertet der Senat Verschwiegenheits- und Geheimhaltungsklauseln in der sogenannten Auftragsforschung, und inwiefern sind diese Geheimhaltungsklauseln mit dem Informationsfreiheitsgesetz und den Veröffentlichungspflichten im Hochschulgesetz vereinbar? Mit welchen Maßnahmen wird der Senat versuchen , diese Geheimforschung an öffentlichen Hochschulen zurückzudrängen? Gemäß § 75 Absatz 5 BremHG kann die Möglichkeit der Veröffentlichung nicht durch Vereinbarung ausgeschlossen werden. In der Regel sind die Ergebnisse auch aus mit Drittmitteln finanzierten Forschungsvorhaben in absehbarer Zeit zu veröffentlichen. Geheimhaltungsklauseln sind regelhaft weder mit dem Recht auf Freiheit der Wissenschaft noch mit dem Bremischen Hochschulgesetz vereinbar . Bislang kann von „Geheimforschung“ nicht die Rede sein. Die Hoch- — 4 — schulen bemühen sich vielmehr um Transparenz und legen die FuE-Forschungsvorhaben der letzten Jahre offen. In diesem Zusammenhang wird die Hochschule Bremen noch weitere Aufklärungen zu einem Altprojekt aus dem Jahr 2006, das mit der Forschungsanstalt der Bundeswehr durchgeführt wurde (siehe Anlage), vornehmen, weil dazu offenbar ausnahmsweise keine Veröffentlichungen erfolgten. — 5 — Druck: Anker-Druck Bremen