— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 539 Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 10. Juli 2012 Fahneneid der Bundeswehr noch zeitgemäß und angemessen? Gemäß Artikel 73 Abs. 1 Nr. 1 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Angelegenheiten der Bundeswehr. Trotzdem sind die Aufgabenstellungen und die Organisation der Bundeswehr mit dem Alltag unseres Bundeslandes verwoben. Einwohner unseres Landes sind in unterschiedlichen Funktionen bei der Bundeswehr beschäftigt. Gleichzeitig nimmt die Bundeswehr Aufgaben im Zivilschutz und in der Katastrophenhilfe auch in Bremen wahr. Bremische Reservisten halten sich u. a. dafür bereit. Jüngst wurde in Bremen die erste regionale Sicherungsund Unterstützungskompanie in Deutschland aufgestellt. Auch deshalb muss die bremische Politik ein Interesse daran haben, sich mit dem Selbstverständnis und der Verfasstheit der Bundeswehr auseinanderzusetzen. Die Eidesleistung der Berufssoldaten nach § 9 Soldatengesetz lautet.: „Ich schwöre das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen und der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen« (eventuell mit dem Zusatz »so wahr mir Gott helfe«). Statt auf die Verfassung nimmt diese Eidesleistung auf „Recht und Freiheit des deutschen Volkes“ Bezug. Diese Formulierungen sind der Nationalhymne entnommen. Der Reichswehreid vom 14. August 1919 lautete hingegen: „Ich schwöre Treue der Reichsverfassung und gelobe, dass ich als tapferer Soldat das Deutsche Reich und seine gesetzmäßigen Einrichtungen jederzeit schützen , dem Reichspräsidenten und meinen Vorgesetzten Gehorsam leisten will.“ Dieser Eid enthielt somit eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Verfassung der Weimarer Republik. Zwischen der Geltung der beiden Eide lag die tiefe Verstrickung der Wehrmacht in die Verheerungen des Nationalsozialismus mit dem persönlichen Eid der Wehrmachtssoldaten auf Adolf Hitler. Insoweit verwundert es, dass in der Eidesleistung der Bundeswehr , nicht verfassungspatriotisch an die Weimarer Republik angeknüpft wurde, sondern eine völlig neue Eidesformel kreiert wurde. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Entscheidung des Bundesgesetzgebers 1957 bei der Beschlussfassung über die Eidesformel in Anbetracht der Konstruktion eines „vorläufigen Grundgesetzes“ und der herrschen Konfrontation zwischen Nato und Warschauer Pakt angemessen war. Gleichfalls muss nicht mehr beantwortet werden, ob in Anbetracht der nationalen Minderheiten, des sich ändernden Staatsvolksbegriffs , der Wiedervereinigung, des europäischen Integrationsprozesses und der ersten Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen internationaler Mandate hätte gehandelt werden sollen. In Anbetracht der Veränderungen der Aufgabenstellungen und Organisation der Bundeswehr (wie sie in der Aufstellung der regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanie Bremen deutlich wird) und der Abschaffung der Wehrpflicht stellt sich die Frage neu, ob nicht nunmehr eine Aktualisierung des Fahneneides mit Bezugnahme auf die Verfassung zwingend geboten ist. Wir fragen deshalb den Senat: — 2 — 1. Teilt der Senat die Überzeugung, dass eine Aktualisierung der Eidesformel gemäß § 9 Soldatengesetz geboten ist? 2. Soweit der Senat die Einschätzung teilt, hält er in einer neuen Eidesformel die Bezugnahme auf die Verfassung für wünschenswert? 3. Wird der Senat sich für eine entsprechende Veränderung der Eidesformel auf Bundesebene einsetzen? Manuela Mahnke, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD D a z u Antwort des Senats vom 7. August 2012 1. Teilt der Senat die Überzeugung, dass eine Aktualisierung der Eidesformel gemäß § 9 Soldatengesetz geboten ist? 2. Soweit der Senat die Einschätzung teilt, hält er in einer neuen Eidesformel die Bezugnahme auf die Verfassung für wünschenswert? 3. Wird der Senat sich für eine entsprechende Veränderung der Eidesformel auf Bundesebene einsetzen? Aufgrund der inhaltlichen Zusammenhänge werden die Fragen 1 bis 3 gemeinsam beantwortet. Die Gesetzgebungskompetenz gemäß Artikel 73 Abs. 1 Nr. 1 GG für die Angelegenheiten der Bundeswehr liegt ausschließlich beim Bund. Insofern besteht keine Regelungskompetenz aufseiten der Länder. Die Ausgestaltung des Dienstverhältnisses der Soldatinnen und Soldaten einschließlich des Eides bzw. Gelöbnisses ist nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes Angelegenheit des Bundes. Das Ablegen eines Fahneneids bzw. eines Gelöbnisses von Soldaten hat eine sehr lange Historie. Der Fahneneid wird abgelegt, um die Soldaten und Soldatinnen an die staatliche und militärische Führung sowie an die von ihr erlassenen Gesetze und Verordnungen zu binden. Die Entwicklung des Fahneneides in Deutschland hat sich von der Ausgestaltung des Reichswehreides vom 14. August 1919 über die Veränderungen zur Zeit des Nationalsozialismus bis zum Eid bzw. Gelöbnis in der heutigen Form gewandelt. Die Entscheidung für den derzeit gültigen Text fiel am 6. März 1956 im Deutschen Bundestag. Mit der Formulierung „Recht und Freiheit des deutschen Volkes“ ist das demokratische Grundgesetz eingeschlossen. Die zurzeit in der Umsetzung befindliche Strukturreform der Bundeswehr führt zu erheblichen Veränderungen innerhalb der Organisation der Bundeswehr, von der die Länder auch betroffen sind, z. B. durch die Schließung oder Verkleinerung von Standorten aufgrund der Reduzierung der Anzahl der Soldatinnen und Soldaten oder auch das neue Reservistenkonzept mit Aufstellung der regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien. Die Bundeswehrstrukturreform lässt jedoch den grundsätzlichen Auftrag der Streitkräfte unberührt. Auf Anfrage hält das Bundesministerium der Verteidigung daher eine Änderung der nach § 9 Soldatengesetz festgelegten Eidesformel zurzeit für nicht erforderlich . Festzustellen bleibt, dass der Fahneneid bzw. das Gelöbnis der Soldatinnen und Soldaten immer auch ein Spiegel der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung eines Landes ist. Insofern ist die heute angewandte Eidesformel auch ein Dokument der politischen und gesellschaftlichen Diskussion dieser Zeit. Bremen wird sich, sollte auf Bundesebene eine Diskussion über eine etwaige Neuformulierung der Eidesformel eröffnet werden, an dieser beteiligen. Druck: Anker-Druck Bremen