— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Stadtbürgerschaft 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 543 S Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 26. März 2014 Stillen fördert gesundes Aufwachsen von Anfang an Stillen ist gut für die Gesundheit des Kindes und der Mutter. Dennoch ist die Stillrate in Deutschland eher rückläufig und somit nicht optimal. In einer Bremer Stillstudie, die 2013 vom Gesundheitsamt veröffentlicht wurde, gaben Frauen, die ihr Baby nicht oder nicht mehr stillten, vor allem Lärm, Trubel, Hektik (zu Hause und draußen) sowie fehlende oder ungeeignete Stillgelegenheiten im öffentlichen Raum und am Arbeitsplatz an. Dabei sieht der Gesetzgeber für Frauen, die schnell wieder ins Berufsleben zurückkehren und trotzdem ihr Kind weiter stillen möchten, klare Regelungen für alle Arbeitsplätze vor. Stillende Mütter müssen vom Arbeitgeber in einer Art beschäftigt werden, die keine Gesundheitsgefährdung zulässt. Dies betrifft auch den Arbeitsplatz selbst. Auf Verlangen ist der stillenden Mutter außerdem die Zeit, die sie zum Stillen benötigt, zu gewähren. Die beträgt täglich mindestens zweimal eine halbe Stunde bzw. eine komplette Stunde. Arbeitet die Mutter über acht Stunden und hängt die Arbeitszeit zusammen, ist es möglich, zweimal eine Stillzeit von mindestens 45 Minuten zu nehmen. Sollte sich in räumlicher Nähe zum Arbeitsplatz keine geeignete Möglichkeit zum Stillen befinden, kann eine Stillzeit von 90 Minuten gefordert werden. Durch die Stillzeiten darf der Frau kein Verdienstausfall entstehen. Auch muss die Stillzeit nicht vor- oder nachgearbeitet werden. Offenbar gibt es aber sehr unterschiedliche Erfahrungen in der Praxis. Ziel sollte es sein, Stillförderung am Arbeitsplatz als etwas Selbstverständliches zu etablieren und zum Qualitätsmerkmal zu machen. Wir fragen den Senat: 1. Wie sieht die praktische Stillförderung für Mütter im öffentlichen Dienst in Bremen aus? 2. Werden in allen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes ruhige Räume, die sich zum Stillen eignen, vorgehalten? 3. Wie werden Mütter über ihre Rechte bezüglich der Möglichkeiten, ihre Arbeit mit dem Stillen zu verbinden, informiert? 4. Wie wird sichergestellt, dass den Müttern die ihnen zustehenden Stillzeiten auch im Arbeitsablauf verbindlich zur Verfügung stehen? 5. Inwiefern kann der öffentliche Dienst als Vorbild für andere Betriebe in Bremen genutzt werden? Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Dr. Stephan Schlenker, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen D a z u Antwort des Senats vom 29. April 2014 1. Wie sieht die praktische Stillförderung für Mütter im öffentlichen Dienst in Bremen aus? Rechtliche Grundlage für Maßnahmen der praktischen Stillförderung ist § 7 Mutterschutzgesetz. Dieser gesetzlichen Regelung ist der Senat als Arbeitgeber — 2 — verpflichtet. Danach kann eine Frau, die stillt, nach Wiederaufnahme ihrer Arbeit Stillpausen während der Arbeitszeit beanspruchen. Die Zeit zum Stillen ist durch das Mutterschutzgesetz gesichert: mindestens zweimal täglich eine halbe Stunde oder einmal pro Tag eine Stunde. Bei einer zusammenhängenden Arbeitszeit von mehr als acht Stunden soll auf Verlangen der Frau zweimal eine Stillzeit von mindestens 45 Minuten oder, wenn in der Nähe der Arbeitsstätte keine Stillgelegenheit vorhanden ist, einmal eine Stillzeit von mindestens 90 Minuten gewährt werden. In § 7 Abs. 1 Mutterschutzgesetz wird formuliert: „Stillenden Müttern ist auf ihr Verlangen die zum Stillen erforderliche Zeit, (. . .) freizugeben .“ Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur aktiven Stillförderung ist damit vom Gesetzgeber nicht intendiert. Vielmehr steht die Mutter, die ihr Kind stillen möchte, in der Verantwortung dies anzuzeigen. Eine Abfrage bei den Ressorts sowie beim Magistrat Bremerhaven zur Inanspruchnahme von Stillzeiten während der Arbeitszeit hat ergeben, dass bislang nur in wenigen Einzelfällen von Beschäftigten der Wunsch geäußert wurde, das Stillen während der Arbeitszeit zu ermöglichen. In diesen Fällen wurden auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben individuelle Regelungen gefunden, sowohl dahingehend, dass das Stillen im Dienst ermöglicht wurde, als auch durch die Möglichkeit, die Dienstzeit zu unterbrechen, um zum Stillen nach Hause zu fahren. Überwiegend zeigen die bisherigen Erfahrungen in den Ressorts bzw. beim Magistrat Bremerhaven allerdings, dass Mütter nach Ablauf der Mutterschutzfristen Elternzeit in Anspruch genommen und erst nach Beendigung der Stillphase ihre Arbeitstätigkeit wieder aufgenommen haben. In denjenigen Bereichen des öffentlichen Dienstes, in denen auf Kundinnenseite ein größerer Bedarf nach angemessenen Stillgelegenheiten und Stillförderung besteht (Universität/Hochschulen, KiTa Bremen, Amt für Soziale Dienste), werden Angebote zur Stillförderung, wie z. B. Stillräume und Stillberaterin, vorgehalten , die auch von den Beschäftigten genutzt werden können. Generell ist hervorzuheben, dass der bremische öffentliche Dienst allen Beschäftigten eine große Arbeitszeitflexibilität ermöglicht, die sie zur Gestaltung der Balance von Arbeitstätigkeit und Privatleben in vielfältiger Weise und auch zur Gestaltung der Stillphase nutzen können. 2. Werden in allen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes ruhige Räume, die sich zum Stillen eignen, vorgehalten? In den meisten Dienststellen sind geeignete ruhige Räume (wie z. B. ElternKind -Zimmer, Ruheraum, Erste-Hilfe-Raum) vorhanden, die im Bedarfsfall genutzt werden können. An bremischen Schulen wird für schwangere Beschäftigte ein Raum mit einer Liegemöglichkeit bereitgehalten, der auch ohne weiteres zum Stillen geeignet ist. Eher im Hinblick auf den Bedarf der Nutzerinnen der Einrichtungen als für die Beschäftigten sind in einzelnen Bereichen extra ausgewiesene „Still- und Wickelräume“ eingerichtet worden (Universität, Hochschulen , Bremische Bürgerschaft) oder in Planung (Amt für Soziale Dienste), um eine angemessene und vertrauliche Stillatmosphäre zu schaffen. Diese Räume stehen auch den Beschäftigten zur Verfügung. In denjenigen Bereichen des bremischen öffentlichen Dienstes, für die sich dieser Bedarf bisher nicht gestellt hat, werden keine Räume ausschließlich für das Stillen vorgehalten. Laut Abfrage können geeignete Räume zur Verfügung gestellt und entsprechend hergerichtet werden, sofern nicht eine ruhige und entspannte Atmosphäre am Arbeitsplatz der Mutter ohnehin gegeben ist. 3. Wie werden Mütter über ihre Rechte bezüglich der Möglichkeiten, ihre Arbeit mit dem Stillen zu verbinden, informiert? In den meisten Dienststellen erfolgt eine Information über die im Mutterschutzgesetz enthaltenen Regelungen zur Stillzeit bei Bekanntwerden einer Schwangerschaft . In der Regel erfolgt dies im Rahmen einer individuellen Beratung in den Personalstellen. Einige Dienststellen halten Informationsmaterialien für Schwangere bereit, die auch die Frage des Stillens umfassen. Hier sind zu nennen die Broschüre „Schwanger in Bremen und Bremerhaven“, die von der — 3 — Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) veröffentlicht wurde, sowie die Broschüre „Was Sie über Mutterschutz, Elterngeld und Elternzeit wissen müssen“, ebenfalls von der ZGF in Zusammenarbeit mit der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen herausgegeben . Einzelne Dienststellen informieren gezielt erst dann, wenn es zu Nachfragen kommt. Zwei Ressorts haben bisher nicht über die Möglichkeit des Stillens am Arbeitsplatz informiert, werden dies aber zukünftig in Fällen der Vorlage eines Schwangerschaftsattests in die Beratung durch die Personalstelle mit aufnehmen . 4. Wie wird sichergestellt, dass den Müttern die ihnen zustehenden Stillzeiten auch im Arbeitsablauf verbindlich zur Verfügung stehen? Insbesondere in den Bereichen des bremischen öffentlichen Dienstes, in denen es bereits Aktivitäten zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt oder die im Rahmen des Audits „Beruf und Familie“ zertifiziert sind, ist bekannt, dass auch besondere Arbeitsbedingungen vereinbart werden können, unabhängig davon, ob es sich im Falle des Stillens eines Kindes um Raumfragen, Arbeitszeiten oder Arbeitsabläufe handelt. Es herrscht dort eine Organisationskultur , die Beschäftigte dazu ermutigt, sich mit Vereinbarkeitsfragen neben den Personalstellen auch direkt an Vorgesetzte zu wenden und praktikable Lösungen für die konkrete Arbeitssituation zu vereinbaren. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Lebenssituation von Müttern und Kindern und der unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz kann es keine generellen ressortübergreifenden Regelungen zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben geben. Es handelt sich bisher immer um Einzelfallregelungen. Entsprechende Absprachen werden individuell in der Organisationseinheit mit der Mutter getroffen und finden dann Berücksichtigung in der Arbeitsplanung und gegebenenfalls in Dienstplänen. Es sei darauf hingewiesen, dass zwischen Bereichen mit und ohne regelmäßigen Publikumsverkehr und entsprechenden Öffnungszeiten unterschieden werden muss. In Letzteren ist es unproblematisch, Stillzeiten mit dem Arbeitsablauf zu vereinbaren. In Publikumsbereichen erfordern individuelle Regelungen mehr Abstimmungsaufwand und gegebenenfalls Vertretungsbedarf, der nicht immer ad hoc zu realisieren ist. Sollte sich dadurch oder durch andere fremdbestimmte Termine sowie bestimmte Arbeitsaufgaben ein Vertretungsbedarf ergeben, greifen laut Abfrage in den Dienststellen entsprechende Vertretungsregelungen, die in Abstimmung mit den Vorgesetzten vorausschauend organisiert werden. Zentrale Protagonisten für die Umsetzung einer familienfreundlichen Organisationskultur sind Führungskräfte. Deshalb werden in einzelnen Bereichen des bremischen öffentlichen Dienstes (z. B. Universität und Polizei) die Vorgesetzten im Rahmen der Führungskräftequalifizierung über die Rechte der Mütter informiert und die Thematik „Vereinbarkeit von Arbeit und familiären Fürsorgepflichten “ in die Personalentwicklungsangebote für Personalverantwortliche integriert. 5. Inwiefern kann der öffentliche Dienst als Vorbild für andere Betriebe in Bremen genutzt werden? Der bremische öffentliche Dienst als Arbeitgeber setzt in besonderer Weise auf Familienfreundlichkeit und zeichnet sich durch vorbildliche, sehr weitgehende rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus. Damit gewinnt Bremen Arbeitskräfte, zu deren Lebensplanung eine Familie gehört. Der Senat wirbt mit diesen Vorteilen und geht davon aus, dass Beschäftigte bei der Arbeitsplatzwahl Kriterien der Familienfreundlichkeit in ihre Entscheidung einfließen lassen. — 4 —Druck: Hans Krohn · Bremen