— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 586 (zu Drs. 18/553) 02. 10. 12 Mitteilung des Senats vom 2. Oktober 2012 Lese- und Schreibkompetenzen als Schlüssel für schulischen Erfolg Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD haben unter Drucksache 18/553 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet. Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt: Die Universität Hamburg hat 2011 die sogenannte Level-One-Studie (auch: leo.- Studie) veröffentlicht, die sich speziell mit der Literalität von Erwachsenen auf den unteren Kompetenzniveaus beschäftigt. Der von „literacy“ als Lehnübersetzung abgeleitete deutsche Begriff der Literalität wird seit etwa einem Jahrzehnt zunehmend in der Fachliteratur verwendet. Unter den Begriff Literalität wird all das gefasst, was Menschen zur Teilhabe an der in der jeweiligen Gesellschaft üblichen Schriftkultur befähigt. Die Anforderungen für die Teilhabe an der modernen Informations- und Wissensgesellschaft und somit Elemente einer allgemeinen Basisbildung sind vielfältiger geworden und gehen über die Grundkulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens hinaus. Sie reichen vom kompetenten Umgang mit Alltagstexten wie Formularen , Gebrauchsanweisungen bis hin zu spezifischen rezeptiven und produktiven Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit E-Mail und Internet sowie Grundkenntnissen des Englischen. Die leo.-Studie untersucht den Grad der Literalität der deutsch sprechenden Bevölkerung und fokussiert dabei auf den unteren Kompetenzbereich . Analphabetismus ist ein relativer Begriff. Ob eine Person als Analphabet gilt, hängt nicht nur von ihren individuellen Lese- und Schreibkenntnissen ab. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, welcher Grad an Schriftsprachbeherrschung innerhalb der konkreten Gesellschaft, in der diese Person lebt, erwartet wird. Wenn die individuellen Kenntnisse niedriger sind als die erforderlichen und als selbstverständlich vorausgesetzte Kenntnisse, liegt funktionaler Analphabetismus vor. Die Studie der Universität Hamburg kam zu dem Ergebnis, dass etwa 2,3 Mio. Menschen in Deutschland zwar einzelne Wörter lesend verstehen oder schreiben können , nicht jedoch ganze Sätze. Insgesamt sind damit mehr als 4 % der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland von Analphabetismus betroffen. Deutlich höher als bislang vermutet ist die Zahl der funktionalen Analphabeten: Etwa 7,5 Mio. beziehungsweise 14,5 % der erwerbsfähigen Deutschen können zwar einzelne Sätze lesen oder schreiben, nicht jedoch zusammenhängende, auch kürzere Texte wie zum Beispiel eine schriftliche Arbeitsanweisung verstehen. Eine angemessene Form der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist beim funktionalen Analphabetismus nicht möglich. Auf den ersten Blick überraschend ist die Tatsache, dass unter den Betroffenen von funktionalem Analphabetismus auch rund 12 % Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss sind. Höhere Bildung im Sinne der Studie umfasst die Abschlüsse Abitur und Fachabitur, erworben an Gymnasien und bildungsgangübergreifenden Schulen, an der Erweiterten Oberschule (EOS) der Deutschen Demokratischen Republik sowie Abitur und Fachabitur als nachgeholte Abschlüsse. Zudem schließt die höhere Bildung Qualifikationen ein, die im Ausland erworben wurden, und die dem Abitur oder Fachabitur entsprechen. „Etwas mehr als die Hälfte der Betroffenen mit höherem Schulabschluss hat diesen im Ausland erreicht, ist nach Deutschland migriert, spricht passabel deutsch, aber liest und schreibt sehr fehler- — 2 — haft. . . . Nach landläufiger Annahme sollte höhere Bildung funktionalen Analphabetismus ausschließen. Aber auch nach näherer Betrachtung verbleiben Fälle, die beide Merkmale unzweifelhaft vereinen. Über die Ursachen lassen sich nur Vermutungen anstellen.“ (leo.-News Nr. 03/2012) An der Leo.-Studie nahmen nur Personen zwischen 18 und 64 Jahren („mögliche oder tatsächliche Erwerbstätigkeit“) teil, die über ausreichende Deutschkenntnisse verfügten. Durch diese Selektion ist sie nicht repräsentativ für alle in Deutschland lebenden Personen zwischen 18 und 64 Jahren mit einer anderen Erstsprache als Deutsch. Wichtig ist deshalb zu beachten, dass die leo.-Studie deshalb nur bedingt Aussagen zum Bereich Migration zulässt (vergleiche leo.-News Nr. 06/2012). Funktionale Analphabetinnen/Analphabeten sind mit 12,6 % in der Gruppe der 18- bis 29-jährigen Bevölkerungsmitglieder zu finden. Eine Ausbildung scheint vor Analphabetismus zu schützen: nur 6,5 % der funktionalen Analphabetinnen/Analphabeten befinden sich in einer Ausbildung. Ihnen gegenüber stehen z. B. rund 57 % Erwerbstätige unter den funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten. Ältere Menschen sind häufiger von Problemen beim Lesen und Schreiben betroffen als jüngere, da einiges im Laufe eines Lebens verlernt wird. Fast ein Drittel der funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten ist über 50 Jahre alt. 48 % haben einen Hauptschulabschluss, weitere 19 % eine mittlere Reife. In der Stichprobe der leo.- Studie befanden sich auch einige Schülerinnen/Schüler (18 Jahre und älter). Diese sind lediglich zu 0,6 % also deutlich unterproportional von funktionalem Analphabetismus betroffen. 1. Welche Konsequenzen zieht der Senat aus den Ergebnissen der Studie der Universität Hamburg in Bezug auf den Auftrag an die Schulen in Bremen und Bremerhaven, gezielte Angebote zur Reduzierung von Analphabetismus zu machen? Die Ergebnisse der leo.-Studie zeigen in erheblichem Umfang Handlungsbedarf auf und bedürfen nachhaltiger Gegenmaßnahmen. Eine differenzierte Analyse der Daten aus der Studie zeigt aber auch, dass die Ursachen nicht vornehmlich im deutschen Schulwesen der letzten Jahre zu suchen sind. Das gilt auch für das Land Bremen. Es gehört zu den Kernaufgaben der Schule, allen Kindern Basiskompetenzen im Lesen und Schreiben zu vermitteln. Daher wurden in den letzten Jahren sowohl konzeptionelle als auch strukturelle Maßnahmen ergriffen, um die Literalität der Schülerinnen und Schüler zu fördern und zu sichern. Die Bremer Bildungspläne orientieren sich an Standards, in denen die erwarteten Lernergebnisse als verbindliche Anforderungen formuliert sind. Die Anforderungen sind als Kompetenzen beschrieben, die jeweils am Ende der Jahrgangsstufe 2, 4, 6, 8, 10 und 12/13 erreicht sein sollen. Dabei beschränken sich die Festlegungen auf die wesentlichen Kenntnisse und Fähigkeiten und die damit verbundenen Inhalte und Themenbereiche, die für den weiteren Bildungsweg und in der Arbeitswelt unverzichtbar sind. Mit den Bildungsplänen werden so die Voraussetzungen geschaffen, ein klares Anspruchsniveau an der Einzelschule und den Schulen im Lande Bremen zu sichern. Die Rahmen- und Bildungspläne des Landes Bremen , die seit Pisa neu entwickelt wurden, setzen auf die systematische Ausbildung von Kompetenzen, auch im Bereich von Lesen und Schreiben, und orientieren sich an den Bildungsstandards . Verschiedene Maßnahmen zielen darauf, die Lesekompetenz systematisch zu fördern 2. Welche Maßnahmen hält der Senat vor, um die Aneignung der Schlüsselkompetenzen Lesen und Schreiben als zentraler Auftrag in den Schulen umfassend sicherzustellen? Zur Stützung der Implementation der Bildungsstandards in der Grundschule und der Sekundarstufe I hat die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit die Offensive Bildungsstandards ins Leben gerufen. In der Grundschule stehen die Fächer Deutsch und Mathematik im Vordergrund, in der Sekundarstufe I zunächst die Fächer Naturwissenschaften und Mathematik. Da die — 3 — kompetenzorientierten Aufgaben der Mathematik und der Naturwissenschaften jedoch Textverständnis erfordern zielt die Maßnahme auch in der Sekundarstufe I auf die Förderung der Lesekompetenz. Die Offensive Bildungsstandards hat zu einer verstärkten fachlichen und fachdidaktischen Arbeit in den Fachkonferenzen geführt. Den Fachlehrkräften sind umfangreiche (sukzessive ergänzte) Sammlungen von kompetenzorientierten Aufgaben auf unterschiedlichem Anforderungsniveau zur Verfügung gestellt worden, ergänzt durch Selbstlernmaterialien für die Schülerinnen/Schüler und durch methodische und didaktische Hinweise zur individuellen Förderung. Die Auseinandersetzung mit den Bildungsstandards und deren Implementierung in die Unterrichtsarbeit konnte so gefördert werden. Für die Grundschulen sind regelmäßige schulübergreifende Fachkonferenzen in Mathematik und Deutsch neu eingerichtet worden (zunächst für die Hälfte der Schulen in Bremen und Bremerhaven, die flächendeckende Einführung ist vorgesehen). Die Sitzungen sind mit entsprechenden Fortbildungen gekoppelt, die über das Landesinstitut für Schule bzw. das Lehrerfortbildungsinstitut organisiert werden. In der Sekundarstufe I werden die Fachsprecherinnen und -sprecher der Fächer Mathematik und der naturwissenschaftlichen Fächer zu regionalen Dienstbesprechungen eingeladen. Auf den Besprechungen werden fachliche und fachdidaktische Fragen bezogen auf die Bildungsstandards thematisiert, neue methodische Vorgehensweisen und Materialien vorgestellt und Unterrichtserfahrungen reflektiert. Ein fachlicher Input – gegebenenfalls durch Expertinnen und Experten der Universität – gehört zum Programm. Die Schülerschaft in Bremen wird kontinuierlich heterogener. Die Mehrzahl der Kinder, die im September eingeschult wurde, kommt aus einer Familie, in der neben Deutsch eine andere Sprache gesprochen wird. Daher sind auch die Sprachbildung und der Umgang mit Mehrsprachigkeit in den Fokus der konzeptionellen Arbeit gerückt, um die Qualität der Förderung an allen Schulen zu verbessern. Ein Sprachbildungskonzept, das auf durchgängige Sprachbildung setzt und die Sprachbildung als Aufgabe aller Fächer definiert, wird derzeit erarbeitet und in Kürze allen Schulen zur Verfügung stehen. Analog zu den Bildungsplänen Deutsch definiert das Sprachbildungskonzept „Lesen“ und „Schreiben “ neben „Sprechen“ und „Zuhören“ als zentrale Bereiche der Sprachkompetenz . Es legt als Grundsätze unter anderem fest, dass Sprachförderung als Aufgabe aller Fächer und über die Schul- und Jahrgangsstufen hinweg wahrzunehmen ist und beschreibt notwendige Maßnahmen. Die Schulen werden verpflichtet , die Ausgestaltung ihrer schulischen Sprachförderung angesichts der Bedarfe ihrer Schülerschaft in schulischen Konzepten darzustellen. Die Implementierung des Sprachbildungskonzepts soll durch das Landesinstitut für Schule unterstützt werden. Darüber hinaus gibt es an den Grundschulen des Landes und den Oberschulen und Gymnasien der Stadtgemeinde Bremen Sprachberaterinnen und -berater, deren Aufgabe es ist, die Sprachförderung an den Schulen qualitativ zu verbessern und zu koordinieren. Fachliche Voraussetzung für die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium im Fach Deutsch, die spezifische Fortbildung durch das Landesinstitut für Schule in Bremen bzw. durch das LFI in Bremerhaven sowie der regelmäßige Austausch in Regionalteams. Die Sprachberaterin bzw. der Sprachberater der Schule ist Mitglied des Zentrums für unterstützende Pädagogik (ZuP) der Schule. Sprachberaterinnen und Sprachberater stehen in ihren Schulen als zentrale Ansprechpersonen in Fragen der Sprachbildung zur Verfügung. Ihr Aufgabenprofil hat konzeptionelle, beratende , kooperierende und qualitätssichernde Anteile, insbesondere: • Federführung bei der Erarbeitung und Fortschreibung des schulischen Konzepts zur Sprachbildung und -förderung; • Beratung von Lehrerinnen und Lehrern und – in Jahrgangsteamschulen – Unterstützung von Jahrgangsteams in Angelegenheiten der Sprachförderung ; • Durchführung bzw. Begleitung von Fach- und Fallkonferenzen zur Abstimmung der Aktivitäten der Sprachbildung; — 4 — • Bereitstellung alltagsdiagnostischer Verfahren zur Ermittlung der mündlichen und schriftlichen Sprachkenntnisse und -fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler sowie Beteiligung an der Auswertung der Ergebnisse; • Unterstützung bei der Erstellung, Evaluation und Fortschreibung individueller Förderpläne als gemeinsame Arbeitsgrundlage der Förderaktivitäten; • schulbezogene Fortbildungsplanung für den Bereich der Sprachbildung; • Unterstützung bei der Gestaltung einer sprachanregenden und lesemotivierenden Lernumgebung in Klassen- und Schulräumen; • Unterstützung bei der Elternarbeit (Information, Einbeziehung in die Förderarbeit ); • regionale Vernetzung und fachlicher Austausch mit den Sprachberaterinnen und -beratern der Nachbarschulen; • Sicherung der Kontinuität von Sprachförderung bei Stufenübergängen, Zusammenarbeit mit den Sprachberaterinnen und -beratern der angrenzenden Schulstufe; • Sprachberaterinnen und -berater der Grundschulen: Durchführung der vorschulischen Sprachstandsfeststellung mittels des Cito-Sprachtests und Organisation und Durchführung der Folgetestung sowie der anschließenden Förderung nach der Einschulung. Aufgrund der hohen Zahl von Schülerinnen und Schülern, die mehrsprachig aufwachsen, kommt der Förderung im Bereich „Deutsch als Zweitsprache“(DaZ) in Bremen eine hohe Bedeutung zu. Für diejenigen, die ohne Deutschkenntnisse zuwandern, gibt es Vorkurse, die regional organisiert sind. Daran anschließend organisieren die Schulen im Rahmen der DaZ-Förderung dann unterstützende Maßnahmen an den jeweiligen Standorten. Darüber hinaus ist die Leseförderung ein zentraler Schwerpunkt, um Analphabetismus entgegenzuwirken. Die Bremer Schulen reagieren daher mit vielfältigen Angeboten. Ein Kooperationsvertrag zwischen der Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit und den Stadtbibliotheken Bremen und Bremerhaven sieht vor, dass alle Kinder und Jugendlichen, die eine Schule besuchen oder noch in der Ausbildung sind, einen kostenlosen Bibliotheksausweis erhalten. Besonders Grundschulen besuchen regelmäßig mit ihren Klassen die Bibliotheken , gezielte Programme der Bibliotheken von der Kita an sollen helfen, die Kinder mit der Bibliothek vertraut zu machen und ihnen zu positiven Leseerfahrungen verhelfen. Es gibt Leseclubs an allen Grundschulen und einigen Sekundar-I-Schulen, diese Dichte des Angebots ist einmalig im Bundesgebiet. Das computergestützte Programm Antolin ermöglicht es Schülerinnen und Schülern der Grundschule und der Sekundarstufe I, bei altersspezifischen Lektüren ihr Textverständnis zu überprüfen. Aufgrund der Möglichkeit, auch Erstlesebücher über Antolin zu bearbeiten, kann dieses Instrument bereits im ersten Schulbesuchsjahr eingesetzt werden. Dieses Angebot soll zukünftig von allen Bremer Schulen genutzt werden. Ergänzend gibt es seit diesem Schuljahr die Möglichkeit für Grundschulen, ein zweites Online-Portal zur Leseförderung zu nutzen (Onilo). An vielen Schulen sind Lesepaten aktiv. Zum Teil sind dies Eltern der Schule, aber auch immer mehr ausgebildete Lesepaten der Freiwilligenagentur unterstützen die Schulen. Um Lesen zu einem positiven emotionalen Erlebnis werden zu lassen organisieren viele Grundschulen Lesenächte (Kinder übernachten in der Schule und verbringen den Abend mit Lesen). In den Grundschulen der Stadtgemeinde Bremen werden aufgrund der Ergebnisse aus den Sichtungsverfahren am Ende des ersten Schulbesuchsjahrs mit dem Bremer Lese-Intensiv-Kurs (BLIK) Angebote zur Leseförderung gemacht. — 5 — Diese additive Leseförderung findet im Zeitraum von zehn Wochen in Kleingruppen von bis zu sechs Kindern an einem regionalen Standort statt. Anschließend kehren die Kinder mit einem individuellen Förderplan in ihre Stammgruppen zurück, wo die Leseförderung fortgesetzt wird. Am diesjährigen Vorlesetag am 16. November 2012, an dem auch die Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft aufgerufen sind, in sozialen Einrichtungen vorzulesen , können alle Erwachsenen teilnehmen, die aktiv ein Zeichen setzen möchten , dass sie die Leseförderung ernst nehmen und unterstützen wollen. Im Projekt Lesen ist schlau! kooperiert die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit mit der Universität Bremen. Ziel ist die Förderung von Schülerinnen und Schülern der achten Jahrgangsstufe mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen. Studierende des Lehramts werden in der Leseförderung ausgebildet und setzen den Förderunterricht in den Projektschulen jeweils anteilig als integrierte und als additive Maßname um. Das Jahrgangsteam wird durch das Landesinstitut für Schule zur Leseförderung in allen Fächern fortgebildet. Fachkonferenzleitungen und Sprachberaterinnen und -berater der Schulen sorgen für die Übertragung in andere Jahrgangsstufen. Ein weiteres Ziel besteht darin, Lehramtsstudierende systematisch in die Lese- und Lernförderung einzubinden. Viele Initiativen, die die Leseförderung in den Fokus nehmen, sind in Bremen aktiv, zu nennen sind hier besonders die „Bremer Leselust e. V.“, die „Stiftung lesen“, die „Freiwilligenagentur e. V.“ Auch der Bereich des Schreibens wird durch gezielte Maßnahmen unterstützt. Basierend auf den Ergebnissen eines Screenings setzt spätestens in Klasse 3 eine gezielte LRS-Förderung ein. 3. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, die jeweils vorhandenen Lese- und Schreibkompetenzen bei den einzelnen Schülerinnen und Schülern zu überprüfen ? Grundlage jeder Förderung ist immer eine gezielte Diagnostik. Dafür stehen den Schulen unterschiedliche individuelle oder klassenbezogene Testverfahren zur Verfügung, die Rückmeldungen über die Leistungen im Lesen und Schreiben der Schülerinnen und Schüler geben. Erste Hinweise auf den Sprachstand der Kinder ergeben sich aus den Ergebnissen des Cito-Tests, an dem diejenigen Kinder, die während der Vorschulzeit Sprachförderung erhalten haben, zu Beginn der Klasse 1 erneut teilnehmen. Verbindlich eingeführt sind in der Primarstufe der Lesetest am Ende der Klasse 1 sowie das LRS-Screening am Ende der Klasse 2. Zur Bestimmung der Lernausgangslagen im Bereich sprachlicher Kompetenzen in der Sekundarstufe I hat die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit den Oberschulen und Gymnasien der Stadtgemeinde Bremen geeignetes Diagnose- und Fördermaterial zur Verfügung gestellt. Zur prozessbegleitenden Diagnostik sowie Förderung im Laufe der Sekundarstufe I stellte sie ebenfalls Material bereit. Darüber hinaus wird aktuell vom Landesinstitut für Schule (LIS) ein Diagnostikkoffer erarbeitet, der den Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit bieten soll, individuelle diagnostische Instrumente einzusetzen, um die anschließende Förderung wirksam zu gestalten. Zur Überprüfung des durch die Bildungspläne strukturierten Kompetenzerwerbs werden jedes Jahr in der Grundschule in Jahrgangsstufe 3 und in der Sekundarstufe I in jeder zweiten Jahrgangsstufe standardorientierte Arbeiten durchgeführt . Diese erlauben vor allem Rückschlüsse auf den jeweiligen Stand der Leseund Schreibkompetenz der Lerngruppen und sollen zu Konsequenzen für die Unterrichtsentwicklung führen. Die Schulen werten die Ergebnisse der jeweiligen Vergleichsarbeiten aus und geben sie der Schulaufsicht zur Kenntnis. Konsequenzen für die Unterrichtsentwicklung werden in Zielvereinbarungen zwischen den Schulen und der Schulaufsicht festgelegt. — 6 — 4. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, den Schwerpunkt der Aneignung von Lese- und Schreibkompetenzen im Rahmen der Einführung von Oberschulen und inklusiver Beschulung individueller und zielgerichteter auszurichten? Für die Oberschulen gelten grundsätzlich die oben beschriebenen Grundsätze und Maßnahmen, wobei die Ausgestaltung und Ausstattung der Oberschule eine differenzierte Umsetzung ermöglicht. Der Bildungsplan Deutsch für die Oberschule beschreibt die intendierte Kompetenzentwicklung u. a. in den Bereichen „Lesen – mit Texten und Medien umgehen “ und „Schreiben und Gestalten“ jeweils am Ende der Jahrgangsstufen 6, 8 und 10. Für die Jahrgangsstufen 8 und 10 weist der Bildungsplan Kompetenzen jeweils auf grundlegendem und auf erweitertem Anforderungsniveau aus. Die Kontingentstundentafel für die Oberschule enthält für jedes Fach eine Mindestsumme der in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 zu unterrichtenden Stunden. Die Schulen legen die Aufteilung dieser Stunden auf die Jahrgangsstufen gemäß der Bedarfe ihrer Schülerschaft und ihrer konzeptionellen Ausrichtung fest. Beispielsweise wird eine Schule, deren Schülerinnen und Schüler beim Übergang in die Jahrgangsstufe 5 und als Ergebnis der Lernausgangslagendiagnostik (vergleiche 3.) deutliche Defizite im Bereich sprachlicher Kompetenzen haben, in den Jahrgangsstufen 5 und 6 Deutsch in höherer Stundenzahl unterrichten. Darüber hinaus weist die Kontingentstundentafel 14 Jahreswochenstunden „Profil und Ergänzung“ aus, sowie sechs Jahreswochenstunden „selbstständiges Lernen – Vertiefung“. Diese Stundenkontingente sind geeignet, um in der Oberschule differenzierte Unterrichts- und Förderangebote zu machen. Die in den Oberschulen notwendige Individualisierung des Unterrichts ermöglicht in besonderem Maße auf die jeweiligen sprachlichen Stärken oder auch Defizite einzugehen und Schülerinnen und Schüler gezielt zu unterstützen. Vor dem Hintergrund der Ausprägung eines inklusiven Schulsystems findet Sprachbildung an der Oberschule soweit wie möglich integriert statt. Heranwachsende lernen Sprache nicht zuletzt in der Interaktion mit Gleichaltrigen. Im schulischen Kontext soll daher das Anregungspotenzial, das unterschiedliche Spracherfahrungen und die Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler in der heterogenen Lerngruppe bieten, bewusst reflektiert und genutzt werden. Druck: Anker-Druck Bremen