— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 615 Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 19. September 2012 Sozialpädagogische Spielkreise oder Betreuungsgeld? Das Bundeskabinett hat am 6. Juni 2012 die Einführung eines Betreuungsgeldes beschlossen . Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP legten dem Bundestag am 12. Juni 2012 einen Gesetzentwurf vor, der noch dieses Jahr beschlossen werden soll. Das Betreuungsgeld wird aus vielen Gründen und von vielen Seiten kritisiert. Formell ist es vermutlich verfassungswidrig. Familienministerinnen/Familienminister aus elf Bundesländern haben sich gegen seine Einführung positioniert. Inhaltlich ist das Betreuungsgeld verfehlt, da es den Ausbau der Krippenplätze bremst, sozial ungerecht ist, patriarchale Familienmodelle zementiert, die Privatisierung staatlicher Aufgaben verstärkt und frühkindliche Bildung als Grundlage eines öffentlichen Bildungssystems verhindert. Die eingeplanten Mittel von 400 Mio. ‡ in 2013 und 1,1 Mrd. ‡ in 2014 müssen stattdessen zur Gewährleistung des Rechtsanspruches auf Kinderbetreuung ab Vollendung des ersten Lebensjahres verwendet werden. Von Wahlfreiheit – ein Argument , das vor allem von Befürworterinnen/Befürwortern des Betreuungsgeldes aufgeführt wird und suggeriert, Eltern hätten die freie Wahl zwischen der Inanspruchnahme eines Betreuungsangebotes und die Kinder zu Hause zu betreuen – kann überhaupt erst dann gesprochen werden, wenn tatsächlich ein bedarfsdeckendes Angebot an Krippenplätzen existiert. Dies ist aber insbesondere in den meisten westdeutschen Ländern, so auch in Bremen, bei weitem nicht der Fall. Zudem ist bekannt geworden, dass der Passus: „Anspruch auf Betreuungsgeld hat, wer (. . .) für das Kind keine dauerhaft durch öffentliche Sach- und Personalkostenzuschüsse geförderte Kinderbetreuung (. . .) in Anspruch nimmt“ möglicherweise zur Folge haben könnte, dass sogar der Besuch in Sozialpädagogischen Spielkreisen (SPK) die Inanspruchnahme von Betreuungsgeld ausschließen könnte. Sozialpädagogische Spielkreise sind durch ihren geringen Betreuungsumfang nicht dem regulären Betreuungsangebot zuzurechnen, sondern dienen dem ersten Kontakt zu Gleichaltrigen , dem Austausch der Eltern und pädagogischen Impulsen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Trifft es zu, dass Eltern, die mit ihren unter dreijährigen Kindern sozialpädagogische Spielkreise besuchen, welche mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, nach der Einführung des Betreuungsgeldes (gegenwärtiger Gesetzentwurf) keinen Anspruch auf die Leistung Betreuungsgeld haben sollen? Wenn ja, aus welchem Grund? 2. Welche Förderformen (Bundes-, Landes- und kommunale Mittel) werden für den Ausschluss als maßgeblich erachtet, und sind weitere Angebote der Kinderund Jugendhilfe davon betroffen? 3. Wie werden die sozialpädagogischen Spielkreise im Land Bremen gefördert (bitte differenzieren nach Stadtgemeinden und Fördervolumen)? 4. Welche rechtliche Einordnung der sozialpädagogischen Spielkreise führt gegebenenfalls dazu, dass diese zum Ausschlusskriterium für eine Anspruchsberechtigung auf das Betreuungsgeld wird? — 2 — 5. Wie viele sozialpädagogische Spielkreise mit welchen Angeboten existieren im Land Bremen (bitte aufschlüsseln nach Gruppen, Plätzen, Betreuungsumfang, Stadtgemeinden, Stadtteilen und Trägern)? 6. Welche der in Frage 5 genannten Angebote könnten nicht gleichzeitig mit Betreuungsgeld in Anspruch genommen werden? 7. Mit welchem zusätzlichen Verwaltungsaufwand ist in Bremen durch Einführung des Betreuungsgeldes zu rechnen? Cindi Tuncel, Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE D a z u Antwort des Senats vom 23. Oktober 2012 1. Trifft es zu, dass Eltern, die mit ihren unter dreijährigen Kindern sozialpädagogische Spielkreise besuchen, welche mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, nach der Einführung des Betreuungsgeldes (gegenwärtiger Gesetzentwurf) keinen Anspruch auf die Leistung Betreuungsgeld haben sollen? Wenn ja, aus welchem Grund? 2. Welche Förderformen (Bundes-, Landes- und kommunale Mittel) werden für den Ausschluss als maßgeblich erachtet, und sind weitere Angebote der Kinderund Jugendhilfe davon betroffen? 4. Welche rechtliche Einordnung der sozialpädagogischen Spielkreise führt gegebenenfalls dazu, dass diese zum Ausschlusskriterium für eine Anspruchsberechtigung auf das Betreuungsgeld wird? 6. Welche der in Frage 5 genannten Angebote könnten nicht gleichzeitig mit Betreuungsgeld in Anspruch genommen werden? 7. Mit welchem zusätzlichen Verwaltungsaufwand ist in Bremen durch Einführung des Betreuungsgeldes zu rechnen? Die im Zusammenhang mit der von der Bundesregierung geplanten Einführung eines Betreuungsgeldes gestellten Fragen können zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Es besteht weder Klarheit über das Verfahren für eine mögliche Gesetzesverabschiedung, noch sind die Inhalte des Gesetzentwurfes, wie zum Beispiel die nachgefragten Ausschlusskriterien, bekannt, oder es ist unsicher , ob sie Bestand haben werden. Aus dem bestehenden Auftrag der sozialpädagogischen Spielkreise in Bremen wird allerdings ersichtlich, dass es sich hier zwar um ein eigenständiges Angebot handelt, das einen umfassenden Betreuungsbedarf zur Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie jedoch nicht erfüllen kann, dies ist auch nicht beabsichtigt : Die „Richtlinien zur Förderung von sozialpädagogischen Spielkreisen für Kinder unter drei Jahren“ legt fest: „1.2 Sozialpädagogische Spielkreise sollen Kindern angeboten werden, die einerseits kein Vollzeitangebot in Tageseinrichtungen wie Krippen oder wie von Eltern-Vereinen betriebenen Kleinkindgruppen benötigen, die aber andererseits einer regelmäßigen und gezielten sozialpädagogischen Förderung bedürfen.“ (Amtsblatt der Freien Hansestadt Bremen Nr. 107/2001 Richtlinien zur Förderung von sozialpädagogischen Spielkreisen) 3. Wie werden die sozialpädagogischen Spielkreise im Land Bremen gefördert (bitte differenzieren nach Stadtgemeinden und Fördervolumen)? Die Förderung der sozialpädagogischen Spielkreise wird in Bremen kommunal nach der oben erwähnten Richtlinie durchgeführt. In dieser Förderrichtlinie sind Auftrag, Angebotsarten und die Voraussetzungen der Zuschussgewährung, Antragsstellung und Zuschusshöhen geregelt. Einzelheiten sind dem genannten Amtsblatt zu entnehmen. Die Förderung erfolgt als Festbetragsfinanzierung. In 2011 wurden im Haushalt dazu rund. 1 Mio. ‡ verausgabt. Sozialpädagogische Spielkreise gibt es mit öffentlicher Förderung in der Stadtgemeinde Bremen seit 2001. In Bremerhaven wird dieses Angebot nicht vorgehalten . — 3 — 5. Wie viele sozialpädagogische Spielkreise mit welchen Angeboten existieren im Land Bremen (bitte aufschlüsseln nach Gruppen, Plätzen, Betreuungsumfang, Stadtgemeinden, Stadtteilen und Trägern)? In 2011 wurden in der Stadtgemeinde Bremen in 66 Spielkreisangeboten insgesamt 575 Kinder betreut. In den Rahmenregelungen zu Angebotsarten und -formen (Punkt 2.1 der Richtlinien ) werden folgende Setzungen vorgenommen: • In der Regel acht verbindlich angemeldete Kinder, mindestens sechs und höchstens zehn Kinder. • Die wöchentliche Betreuungszeit muss mindestens zehn Stunden betragen; sie soll 15 Stunden nicht überschreiten. Die Spielkreise werden an mindestens drei Tagen der Woche geführt. Im Durchschnitt werden in den Spielkreisen neun Kinder betreut. Die maximale Betreuungszeit von 15 Stunden wird nur in geringem Umfang an einzelnen Standorten unterschritten. Im Sozialzentrum Nord wurde in 16 Spielkreisen das Angebot nachgefragt, im Sozialzentrum Gröpelingen/Walle in zwölf, in Mitte/Östliche Vorstadt/Findorff in vier, im Sozialzentrum Süd in 14, in Vahr/Schwachhause/Horn-Lehe in 14 und in Hemelingen/Osterholz in sechs Spielkreisen. Das Angebot wird von folgenden Trägern umgesetzt: ASB, AWO, BEK, Caritasverband Bremen-Nord, Christliche Eltern-Initiative, Elterninitiativen, Hans-Wendt-Stiftung, KiTa Bremen, Petri Minis gGmbH, St.- Marien-Blumenthal, St. Petri Stiftung, Waldorfschule Bremen-Nord. Druck: Anker-Druck Bremen