— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 620 Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 5. September 2012 Waffen- und Munitionsexporte über die bremischen Häfen Waffen, Munition und Rüstungsgüter die über die bremischen Häfen umgeschlagen werden, sind als solche nicht vollständig in den landesrechtlichen Vorschriften erfasst (Hafenbetriebsgesetz, Hafenordnung). Nichtsdestotrotz müssen bestimmte Güter dieser Art über das Informationssystem der bremischen Häfen bei der Hafenbehörde angemeldet werden (§ 41 Hafenordnung ). Die Kategorisierung folgt dabei den Gefahrgutklassen und der UN-Nummer, die dem jeweiligen gefährlichen Gut durch das „United Nations Sub-Committee of Experts on the Transport of Dangerous Goods“ zugeordnet wurde (UN-Liste). Die Gefahrgutklassen I und II umfassen dabei waffentypische Explosivstoffe und dazugehörige Technologien, Sprengkörper, Bomben, Torpedos, Minen, Granaten, Raketen, Treibladungen für Geschütze, aber auch Brandbomben, Weißen Phosphor oder Zündverstärker. Nach § 41 Abs. 2 Hafenordnung sind bei gefährlichen Gütern in verpackter Form Anzahl, Art und Bruttomasse der Versandstücke, die Nettoexplosivmasse, die UNNummer , der richtige technische Name, die Gefahrklasse und gegebenenfalls die Unterklasse zu erfassen, und bei gefährlichen Gütern in fester Form als Massengut die Masse der Güter, der Stoffname, IMDG-Klasse und UN-Nummer. Die Hafenbehörde ist in der Lage, einen entsprechenden Datenbankauszug nach Gefahrgütern zu differenzieren und hat dieses bei parlamentarischen Anfragen in der Vergangenheit bereits getan (vergleiche u. a. Drucksache 18/154). Um einen ersten Überblick über die Bedeutung der bremischen Häfen für den globalen Waffenmarkt zu erlangen, fragen wir den Senat: 1. Welche und wie viele Güter der Gefahrgutklasse I (UN-Nummer 0004-0509) und II (UN-Nummer 1001-1087) wurden seit dem Jahr 2000 landesseitig zum Umschlag in das Hafengebiet eingebracht (bitte bei verpackten Gütern differenzieren nach Anzahl, Art und Bruttomasse der Versandstücke, Nettoexplosivmasse , UN-Nummer, richtigen technischen Namen, Gefahrklassen und gegebenenfalls Unterklasse, bei Gütern in fester Form als Massengut bitte differenzieren nach Masse der Güter, Stoffname, IMDG-Klasse und UN-Nummer sowie insgesamt differenziert nach Jahr, Herkunfts- und Bestimmungsort)? 2. Welche waren die Hersteller- bzw. Entsendeunternehmen der in Frage 1 genannten Güter, von welchen Unternehmen wurden sie transportiert, und welche Unternehmen gaben die Bestellung auf? 3. Verfügt die BLG über eine Sammelgenehmigung bzw. Zertifizierung als Verbringer von Waffen, Munition und Rüstungsgütern nach Teil I Abschnitt A und C Ausfuhrliste, wie sie für den Rüstungsexport in der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes festgeschrieben ist? Falls nein, wie viele Anträge auf Genehmigung der Ausfuhr von Gütern nach Teil I Abschnitt A und C der Ausfuhrliste hat die BLG seit 2010 gestellt? 4. Welchen Anteil am Umsatz und Gewinn des Hafenbetreibers BLG macht der Umschlag von Munition und Waffen aus? — 2 — 5. Inwiefern hält der Senat den Umschlag von Waffen und Munition über bremische Häfen im Rahmen des globalen Waffenhandels für vereinbar mit der Bestimmung im Hafenbetriebsgesetz, wonach die Häfen „im Interesse einer grundsätzlichen auf Nachhaltigkeit (. . .) ausgerichteten Gesamtwirtschaft“ aufgestellt sind (§ 2 Hafenbetriebsgesetz)? 6. Wie steht der Senat zur vom Bundeswirtschaftsministerium präsentierten Novelle der gesetzlichen Regelungen für den Außenhandel, mit der das Außenwirtschaftsrecht „entschlackt und vereinfacht“ werden soll, um „Wettbewerbsnachteile “ der deutschen Rüstungsexporteure zu beseitigen? Klaus-Rainer Rupp, Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE D a z u Antwort des Senats vom 30. Oktober 2012 Vorbemerkung Die Bundesregierung trifft die Entscheidung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (KWKG) und dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG), in Übereinstimmung mit dem von dem Rat der Europäischen Union (EU) angenommenen „Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenausfuhren“ vom 8. Juni 1998 bzw. etwaigen Folgeregelungen sowie den von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am 25. November 1993 verabschiedeten „Prinzipien zur Regelung des Transfers konventioneller Waffen“. Die Kriterien des EU-Verhaltenskodex sind integraler Bestandteil dieser politischen Grundsätze. Soweit die nachfolgenden Grundsätze im Verhältnis zum EU-Verhaltenskodex restriktivere Maßstäbe vorsehen, haben sie Vorrang . Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag jährlich einen Rüstungsexportbericht vor, in dem die Umsetzung der Grundsätze der deutschen Rüstungsexportpolitik im abgelaufenen Kalenderjahr aufgezeigt sowie die von der Bundesregierung erteilten Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen aufgeschlüsselt werden. Für die Ausfuhr von Kriegswaffen (gemäß Kriegswaffenliste aufgeführte Waffen, Anlage zum Kriegswaffenkontrollgesetz) und sonstigen Rüstungsgütern (Waren des Abschnitts A in Teil I der Ausfuhrliste) kann der Ausführer beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) nach § 5 Abs. 1 AWV (Außenwirtschaftsverordnung ) eine Ausfuhrgenehmigung beantragen. Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste enthält eine Auflistung über Waffen, Munition und Rüstungsmaterial (Rüstungsgüter). Wenn die vorgenannten Güter zusätzlich noch in der Kriegswaffenliste des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KWKG) aufgeführt werden, ist gemäß § 3 Abs. 3 KWKG für deren Ausfuhr zusätzlich eine Ausfuhr nach diesem Gesetz notwendig. Die zuständige Behörde für die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für Waffen, Munition und Rüstungsmaterial in Deutschland ist das BAFA. Die zuständige Behörde für die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Diese genannten Güter dürfen nur mit einer gültigen Ausfuhrgenehmigung ausgeführt werden und sind grundsätzlich auch elektronisch beim Zoll zur Ausfuhr anzumelden . Der Anmelder hat in der Ausfuhranmeldung die jeweilige in Anspruch genommene Ausfuhrgenehmigung (siehe oben) in das IT-Verfahren ATLAS-Ausfuhr anzugeben und die nach § 18 Abs. 2 Satz 4 und 6 AWV geforderten Angaben einzutragen . Zwischen Kriegswaffen und Rüstungsgütern einerseits und gefährlichen Gütern andererseits gibt es keinen direkten Zusammenhang. Es gibt eine Vielzahl von Rüstungsgütern , die vom Gefahrgutrecht nicht erfasst werden, beispielsweise Kampfpanzer, die ohne Munition verschifft werden oder elektronische Raketenleitsysteme. Andererseits ist nur ein geringer Anteil der unter den Gefahrklassen 1 und 2 beförderten Güter überhaupt Rüstungsgut. Alle Gefahrgüter der Klassen 1 und 2 unterliegen der Meldeverpflichtung nach §§ 41 ff der Bremischen Hafenordnung. Die Meldeinhalte sind mit der auf europäi- — 3 — schem Recht beruhenden Anlaufbedingungsverordnung harmonisiert. Die Anmeldung erfolgt elektronisch durch Übertragung von Datensätzen in standardisierter Form. Die erhobenen Daten dienen allein der Planung und Durchführung von Unfallbekämpfungsmaßnahmen . Daher werden auch nur die hierfür erforderlichen Angaben erhoben. Die Namen von Herstellern, Versendern oder Empfängern gefährlicher Güter fallen nicht unter diese Meldeinhalte. Im Rahmen einer Unfallbekämpfung muss lediglich der Name des aktuell Verfügungsberechtigten (Spediteur oder Beförderer ) bekannt sein. Die Datenerhebung durch die Hafenbehörde ist zweckgebunden zur Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen der Gefahrenabwehr und Unfallbekämpfung. Insoweit sind nur die Daten über die aktuell im Hafen bereitgestellten gefährlichen Güter erforderlich. Die Daten sind solange vorzuhalten, wie die Reise des Schiffes, auf das die Güter verladen wurden, andauert, um bei einem Unfall während der nachfolgenden Seebeförderung gegebenenfalls Auskunft geben zu können. Die Speicherung und statistische Aufbereitung dieser Daten findet nicht statt. Die ausführliche Beantwortung früherer parlamentarischer Anfragen in Bezug auf Kernbrennstoffe war insoweit möglich, weil Güter der Klasse 7 in diesem Zusammenhang eine Besonderheit darstellen, denn für diejenigen Güter der Klasse 7, die nur mit einer atomrechtlichen Genehmigung befördert werden dürfen, sind Kopien der Genehmigung zeitgleich mit der Gefahrgutanmeldung der Hafenbehörde vorzulegen . Die Auswertung dieser Genehmigungen liefert weitergehende Informationen als sie in den Gefahrgutanmeldungen enthalten sind. Aufgrund dieser weitergehenden Informationen war es der Hafenbehörde in der Vergangenheit möglich, parlamentarische Anfragen, die sich auf bestimmte gefährliche Güter der Klasse 7 bezogen , sehr detailliert zu beantworten. Für andere gefährliche Güter liegen detaillierte Informationen jedoch nicht vor. 1. Welche und wie viele Güter der Gefahrgutklasse I (UN-Nummer 0004-0509) und II (UN-Nummer 1001-1087) wurden seit dem Jahr 2000 landesseitig zum Umschlag in das Hafengebiet eingebracht (bitte bei verpackten Gütern differenzieren nach Anzahl, Art und Bruttomasse der Versandstücke, Nettoexplosivmasse , UN-Nummer, richtigen technischen Namen, Gefahrklassen und gegebenenfalls Unterklasse, bei Gütern in fester Form als Massengut bitte differenzieren nach Masse der Güter, Stoffname, IMDG-Klasse und UN-Nummer sowie insgesamt differenziert nach Jahr, Herkunfts- und Bestimmungsort)? Nach § 9 des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes ist die Erhebung von Daten durch die Hafenbehörde zweckgebunden. Daten über die im Hafen bereitgestellten gefährlichen Güter werden erhoben, um Maßnahmen zur Unfallbekämpfung planen und durchführen zu können. Im Rahmen dieser Gefahrenabwehr ist es erforderlich, Informationen über die Art und Menge der aktuell im Hafen befindlichen gefährlichen Güter zu haben. Informationen über Güter, die zu einem gewissen zurückliegenden Zeitpunkt im Hafen bereitgestellt waren, sind für die Wahrnehmung der hafenbehördlichen Aufgaben nicht erforderlich und werden deshalb auch nicht statistisch aufbereitet. 2. Welche waren die Hersteller- bzw. Entsendeunternehmen der in Frage 1 genannten Güter, von welchen Unternehmen wurden sie transportiert, und welche Unternehmen gaben die Bestellung auf? § 41 der Bremischen Hafenordnung enthält keine Verpflichtung, die Hersteller, Versender oder Empfänger gefährlicher Güter zu melden. Daher liegen diese Daten für die genannten Gefahrklassen nicht vor. Sofern die Hafenbehörde bisher in der Lage war, für Güter der Klasse 7 weitergehende Informationen zu liefern, ist dies auf § 41 Abs. 5 Satz 2 der Hafenordnung zurückzuführen, im dem für Güter der Klasse 7 zusätzlich zur Anmeldung nach Absatz 2 gesetzlich vorgeschriebene Genehmigungen vorzulegen sind, aus denen weitere Informationen entnommen werden können. 3. Verfügt die BLG über eine Sammelgenehmigung bzw. Zertifizierung als Verbringer von Waffen, Munition und Rüstungsgütern nach Teil I Abschnitt A und C Ausfuhrliste, wie sie für den Rüstungsexport in der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes festgeschrieben ist? Falls nein, wie viele Anträge auf der Ausfuhr von Gütern nach Teil I Abschnitt A und C der Ausfuhrliste hat die BLG seit 2010 gestellt? — 4 — Die BLG ist als Hafenumschlagsunternehmen weder Verbringer, noch Inverkehrbringer , Hersteller oder Einführer im Sinne des Gesetzes über explosionsgefährliche Stoffe. Sie verfügt weder über eine Sammelgenehmigung noch Zertifizierung als Verbringer. Die BLG als Hafenumschlagsunternehmen bedarf solcher Sammelgenehmigungen beziehungsweise Zertifizierungen nicht. Diese Genehmigungen beziehungsweise Zertifizierungen sind von den Unternehmen, die diese Stoffe ausführen, bei den zuständigen staatlichen Stellen zu beantragen . Bei diesen Stellen sind für diese genannten Güter die gültigen Ausfuhrgenehmigungen zu beantragen und grundsätzlich auch durch diese ausführenden Unternehmen beim Zoll zur Ausfuhr anzumelden. Anträge auf Genehmigung der Ausfuhr von Gütern nach Teil 1 Abschnitt A und C der Ausfuhrliste hat die BLG seit 2002 daher auch nicht gestellt 4. Welchen Anteil an Umsatz und Gewinn des Hafenbetreibers BLG macht der Umschlag von Munition und Waffen aus? Der Anteil von Munition und Waffen an Umsatz und Gewinn der BLG kann nicht erfasst werden. Eine derartige Möglichkeit besteht nur eingeschränkt, da derartige Güter grundsätzlich containerisiert umgeschlagen werden. Die Verträge mit Containerredereien beziehen sich ausschließlich auf den Umschlag von Containern. Die Vergütung bemisst sich ausschließlich am Container, nicht an dessen Inhalt. Abweichend werden aufgrund der Sicherheitsanforderung gefährliche Güter erfasst. Die Anmeldung erfolgt elektronisch durch den Verfrachter durch Übertragung von Datensätzen in standardisierter Form. Die erhobenen Daten dienen allein der Planung und Durchführung von Unfallbekämpfungsmaßnahmen . 5. Inwiefern hält der Senat den Umschlag von Waffen und Munition über bremische Häfen im Rahmen des globalen Waffenhandels für vereinbar mit der Bestimmung im Hafenbetriebsgesetz, wonach die Häfen „im Interesse einer grundsätzlichen auf Nachhaltigkeit (. . .) ausgerichteten Gesamtwirtschaft“ aufgestellt sind (§ 2 Hafenbetriebsgesetz)? Mit dem Gesetz zur Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes vom 31. Januar 2012 hat der bremische Landesgesetzgeber das Ziel verfolgt, die bremischen Häfen ausdrücklich als Universalhäfen zu widmen und damit zu verdeutlichen , dass sie als öffentliche Einrichtungen grundsätzlich für den Umschlag aller zulässigen Güter zur Verfügung stehen. Nur der Umschlag von Kernbrennstoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 des Atomgesetzes wurde ausgeschlossen. Begründet wurde dies mit der Interessenwahrung der auf erneuerbare Energien ausgerichteten bremischen Gesamtwirtschaft, die ausdrücklich im Jahr 2009 im „Klimaschutz- und Energieprogramm 2020“ manifestiert wurde. Die weitere Nutzung der bremischen Hafenanlagen für den Umschlag von Kernbrennstoffen würde insoweit eindeutig im Widerspruch zur bremischen Klimaschutz- und Energiepolitik stehen, die dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung folgte. Die Teilentwidmung der bremischen Häfen ist damit integraler Bestandteil einer Gesamtpolitik Bremens im Bereich der zukünftigen Energieerzeugung, Umweltschonung und auf Nachhaltigkeit basierender Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Anhand dieser Erwägungen, die bei der Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes zugrundegelegt wurden, vermag der Senat einen Dissens im Zusammenhang mit dem Export der genannten Gütern nicht zu erkennen. 6. Wie steht der Senat zur vom Bundeswirtschaftsministerium präsentierten Novelle der gesetzlichen Regelungen für den Außenhandel, mit der das Außenwirtschaftsrecht „entschlackt und vereinfacht“ werden soll um „Wettbewerbsnachteile “ der deutschen Rüstungsexporteure zu beseitigen? Die Neufassung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) dient der Vereinfachung des deutschen Außenwirtschaftsrechtes und der Aufhebung von deutschen Sondervorschriften, die die deutschen Exporteure gegenüber ihren Konkurrenten in anderen EU-Ländern benachteiligen . Hierbei geht es vor allem darum, überholte Vorschriften aufzuheben und die verbleibenden an europarechtliche Vorgaben anzupassen sowie weiterhin eine sprachliche Vereinfachung herbeizuführen. Die Anforderungen an den Export von Rüstungsgütern sind unangetastet. Druck: Anker-Druck Bremen