— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 627 (zu Drs. 18/590) 06. 11. 12 Mitteilung des Senats vom 6. November 2012 Verkehrssicherheit von Kindern Die Fraktion der CDU hat unter Drucksache 18/590 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet. Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt: 1. Welche Begründung sieht der Senat dafür, dass die Unfallzahlen von Kindern im Land Bremen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt so viel höher sind? Statistische Daten werden vom Bundesamt für Statistik zum Zweck der Vergleichbarkeit hochgerechnet. Hier wurde die Anzahl der Verkehrsunfälle zu der jeweiligen Bevölkerungsgruppe, Kinder unter 15 Jahren, in Relation gesetzt. Die Hochrechnung erfolgte auf der Grundlage „Anzahl der Verkehrsunfälle pro 100 000 Einwohner der Altersgruppe (Kinder)“. Eine Differenzierung zwischen Flächenland und Stadtstaat findet regelmäßig nicht statt. Dabei ist dies insbesondere bei dem Vergleich von Unfallbelastungen unerlässlich. Die Bevölkerungsdichte und damit die Verkehrsdichte spielt bei der Verkehrsunfallbelastung eine wesentliche Rolle, die bei den Berechnungen des Bundesamtes für Statistik ebenfalls regelmäßig nicht berücksichtigt wird. Die Gefahr für Verkehrsteilnehmer an einem Verkehrsunfall beteiligt zu sein, ist in Ballungsgebieten deutlich größer, als in ländlichen Regionen. In Flächenländern gleichen ländliche Regionen die Unfalldichte der Städte aus. Ein Vergleich von Stadtstaaten mit Flächenstaaten ist deshalb nicht aussagekräftig. Bislang liegen dem Senat keine Vergleichsdaten im Hinblick auf tatsächlich beteiligte Kinder an Radfahrerunfällen zu anderen Städten mit ähnlicher Infrastruktur vor. Zukünftig sollen solche Daten erhoben werden, um festzustellen, ob Kinder als Radfahrer in Bremen tatsächlich stärker gefährdet sind, als in anderen Städten. 2. Wie verteilen sich die Unfallzahlen auf die verschiedenen Altersgruppen und auf das Geschlecht? Die Verteilung der Unfallzahlen auf das Alter und das Geschlecht werden in Tabellen für Bremen und Bremerhaven dargestellt. Die Zahlen wurden aus der polizeilichen Verkehrsunfallstatistik des Landes Bremen aus dem Jahr 2011 entnommen . Es handelt sich um alle beteiligten Kinder an einem Verkehrsunfall, also als Fußgänger, Radfahrer oder Fahrzeuginsasse. Bremen Alter 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Summe Männlich 0 0 4 3 3 1 11 7 15 11 22 16 21 28 142 Weiblich 0 0 2 4 2 0 6 9 4 8 13 14 20 19 101 Bremerhaven Alter 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Summe Männlich 0 0 2 1 0 3 6 7 6 3 5 6 7 5 51 Weiblich 0 0 2 2 3 0 2 0 4 8 4 2 4 5 36 — 2 — 3. Findet in den Schulen und Kindergärten eine ausreichende Verkehrserziehung statt? Verkehrserziehung beginnt im Kindergarten. Auf Anfrage werden neben den Landesverkehrswachten auch die Kontaktpolizisten altersentsprechend tätig. Die Grundschulen und weiterführenden Schulen befassen sich regelmäßig mit der Verkehrserziehung. Das Thema ist fest in den Bildungsplänen verankert. Grundlage ist die bundesweit geltende „Empfehlung zur Verkehrserziehung“. Bereits am 5. November 2010 haben die Senatorin für Bildung und Wissenschaft und der Senator für Inneres und Sport eine Rahmenvereinbarung zur Verkehrserziehung in der Grundschule, hier Radfahrausbildung, getroffen, um die Verkehrssicherheit für Kinder in Bremen zu erhöhen und eine kontinuierliche Verkehrserziehung in Grundschulen in Zusammenarbeit mit der Polizei zu gewährleisten . Aktuell wurde dem Schulausschuss der Kultusministerkonferenz die Überarbeitung der „Empfehlung zur Mobilitäts- und Verkehrserziehung“ vorgelegt. Diese Überarbeitung wurde am 10. Mai 2012 positiv verabschiedet. a) Ist die Verkehrserziehung Teil des Lehrplans? In Bremen ist die Verkehrserziehung Teil des Sachunterrichts in der Grundschule . Der Fokus liegt auf der Teilnahme am Verkehr als Fußgängerin/ Fußgänger, Radfahrerin/Radfahrer und Mitfahrerin/Mitfahrer im Auto. Mit einbezogen in die Verkehrserziehung sind regelmäßig die Kontaktpolizistinnen /Kontaktpolizisten der Polizei. Sie begleiten die Schulwegbegehungen, thematisieren die Wichtigkeit von gut sichtbarer Kleidung, überprüfen die Fahrräder und beteiligen sich an der Durchführung der Fahrradprüfung „Fahrradpass“ (früher „Fahrradführerschein“) in der vierten Klasse. Weitere unterstützende Partner sind der ADAC, die Verkehrswacht und die Unfallkasse Bremen. b) Ist sichergestellt, dass jedes Kind in seiner Grundschulzeit in Verkehrssicherheit unterrichtet wird? Alle Kinder werden im Rahmen des Sachunterrichts kontinuierlich ihrem Alter entsprechend auf die verantwortungsvolle Teilnahme am Straßenverkehr vorbereitet. Dies ist durch die Verankerung der Verkehrserziehung als wiederkehrendes Thema in allen Jahrgangsstufen gewährleistet. Im Bildungsplan Sachunterricht sind für die jeweiligen Doppeljahrgangsstufen der Grundschule unterschiedliche Themenschwerpunkte festgelegt. Für die Jahrgangsstufen 1 und 2 liegt der Schwerpunkt auf der Erkundung des Schulwegs. Ziel ist es, dass die Schulanfängerinnen/Schulanfänger diesen selbstständig und sicher bewältigen können. In den Jahrgangsstufen 3 und 4 liegen die Schwerpunkte auf der Verkehrsteilnahme mit dem Fahrrad, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, der Reflexion der eigenen Mobilität und der Auseinandersetzung mit den ökologischen Folgen des Verkehrsaufkommens. Zum Sicherheitstraining gehört auch die Aktion „Toter Winkel“ der Polizei, bei dem die Kinder auf diese Gefahr besonders bei Bussen und Lkws hingewiesen werden. c) Absolvieren Kinder in allen Bremer Grundschulen einen Fahrradführerschein ? In allen Bremer Grundschulen absolvieren Kinder einen Fahrradführerschein oder Fahrradpass. Um die motorischen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu schulen, kann für die Kinder der ersten und zweiten Klassen das „Rolly-Mobil“ angefordert werden, das der Schule für einen begrenzten Zeitraum Roller und Fahrräder zur Verfügung stellt, um erste fahrpraktische Übungen zu machen und die Kinder auf die mobile Teilnahme am Straßenverkehr vorzubereiten . Alle Kinder der Bremer Grundschulen werden im Sachunterricht in der dritten und vierten Jahrgangsstufe in der sicheren Nutzung des Fahrrads unterrichtet und haben die Möglichkeit, den Fahrradpass zu erwerben. — 3 — Dabei sind verschiedene Schwerpunkte vorgesehen: • das verkehrssichere Fahrrad (technische Merkmale), • das richtige Verhalten als Fahrradfahrer im Straßenverkehr (Verkehrsregeln ), • Fahrradfahrtraining (motorische Fähigkeiten). Unterstützt werden die Schulen hier maßgeblich von den Kontaktpolizisten. In Bremerhaven ist zusätzlich noch ein Verkehrssicherheitsberater in die Arbeit mit eingebunden. d) Findet Verkehrserziehung an den Schulen auch außerhalb des Fahrradunterrichts statt? Das Thema Verkehrserziehung ist ein wiederkehrendes Thema unter verschiedenen Gesichtspunkten im Sachunterricht. Zunächst gibt es Schulwegbegehungen, die auf Gefahrenstellen hinweisen . Dabei wird auch das richtige Verhalten im Verkehr als Fußgänger, z. B. bei der Fahrbahnüberquerung, geübt. Die Kontaktpolizisten unterstützen die Schulen hier z. B. durch das Anbringen der „Gelben Füße“ an gefährlichen Übergängen. Vor der dunklen Jahreszeit wird das Problem von gut sichtbarer Kleidung thematisiert. Um den Schulweg für die Kinder in der dunklen Jahreszeit sicherer zu machen, erhalten die Schulanfänger vom ADAC Warnwesten. Damit Kinder möglichst zu Fuß zur Schule kommen, haben viele Schulen Treffpunkte eingerichtet („Schulexpress“), damit die Kinder immer gemeinsam gehen können. Das Projekt „Zu Fuß zur Schule“, an dem in diesem Jahr 19 Grundschulen teilnehmen, soll die Vorteile des Zu-Fuß-Gehens für die Kinder direkt erfahrbar machen und der Tendenz, dass immer mehr Kinder mit dem Auto zur Schule gebracht werden – mit allen Folgen für Umwelt, Gesundheit und Sicherheit der Kinder – entgegenwirken. Auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und das richtige Verhalten in Bus und Bahn, auch beim Ein- und Aussteigen, werden geübt. Schließlich ist auch die kritische Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Verkehrsmitteln Thema des Unterrichts. Kernziel ist es, die Kinder zur kritischen Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Fortbewegungsmitteln und deren Vor- und Nachteilen anzuhalten , um ihnen zu ermöglichen, sich selbstständig und sicherheitsbewusst im Verkehr zu bewegen. Weiterhin bietet die Verkehrsschule im Stadtteil Bremen-Vahr die Möglichkeit , fahrtechnische Fähigkeiten zu erlernen. Zur Förderung von Verkehrsabläufen , vor allem bei den Fahrrad fahrenden Kindern der Grundschule, hat sich die Verkehrsschule auch außerhalb des Fahrradunterrichtes etabliert . 4. Welche Maßnahmen hat der Senat ergriffen, um die vergleichsweise sehr hohen Unfallzahlen in Bremen zu reduzieren? Der Senat wird seine Anstrengungen im Bereich der Verkehrssicherheitsarbeit für Kinder, wie bereits beschrieben, fortsetzen. Kindergärten, Schulen, Polizei und andere Träger für Verkehrssicherheitsarbeit werden weiterhin daran arbeiten , dass Kinder im Lande Bremen sicher am Straßenverkehr teilnehmen können . 5. Fehlt der Polizei ausreichendes Personal, um die Verkehrserziehung von Kindern regelmäßig und umfassend durchzuführen? Die Verkehrserziehung von Kindern wird auch zukünftig durch ausreichendes Personal gewährleistet. Die Rahmenvereinbarung zwischen der Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit und dem Senator für Inneres und Sport wird als Grundlage für eine langfristige Zusammenarbeit im Bereich der Verkehrserziehung für Kinder angesehen. — 4 — 6. Hat sich die Bereitschaft von Polizisten, Kinder in Verkehrserziehung zu unterrichten , verändert? Polizeibeamte in Bremen und Bremerhaven sind täglich mit viel Engagement und Begeisterung in der Verkehrserziehung für Kinder tätig. Kontaktpolizisten werden dabei nicht nur nach Lehrplan tätig, sondern sind auf Nachfrage auch außerhalb der fest geplanten Termine jederzeit bereit, in Schulen und auch Kindergärten aktiv zu werden. Die Motivation für diese Funktionen ist nach wie vor unverändert hoch. 7. Wie viele Fahrradkontrollen hat die Polizei seit dem 1. Januar 2011 speziell vor Schulen durchgeführt? Die Polizei im Lande Bremen führt regelmäßig Fahrradkontrollen vor und in den Nahbereichen von Schulen durch. Die Anzahl der Kontrollen wird bei der Polizei Bremen sachgebietsübergreifend erst seit Juli 2011 erfasst. Insgesamt wurden in der Stadt Bremen seitdem bis zum 30. Juli 2012 869 Schwerpunktmaßnahmen in der Zielgruppe Radfahrer durchgeführt. Davon entfielen 114 Kontrollen vor Schulen. Die Anzahl der Kontrollen in Bremerhaven wird statistisch nur im Sachgebiet Verkehrsdienste der Ortspolizeibehörde erfasst, obwohl auch Kontrollen durch Beamte des Einsatzdienstes und von Kontaktpolizisten durchgeführt werden. Im Jahr 2011 wurden durch das Sachgebiet Verkehrsdienste 358 Kontrollen durchgeführt. In diesem Jahr waren es zum Stichtag 30. September 2012 364 Kontrollen. 8. Werden auf stark frequentierten Schulwegen regelmäßig Verkehrskontrollen durchgeführt, damit die Höchstgeschwindigkeiten eingehalten werden und Unfälle mit Kindern verhindert werden können? Die Polizei Bremen hat im Zeitraum Juli 2011 bis Juli 2012 48 Schwerpunktmaßnahmen mit der Zielrichtung „Geschwindigkeitsverstöße vor Schulen“ durchgeführt . Zusätzlich werden Maßnahmen durch Revierbeamte durchgeführt, die statistisch nicht erfasst werden. In Bremerhaven findet, anders als in der Stadt Bremen, keine grundsätzliche Geschwindigkeitsüberwachung vor Schulen durch die Polizei statt. Hier wird die Geschwindigkeitsüberwachung durch das Bürger- und Ordnungsamt erledigt . Bei Beschwerden durch Schulleitung oder Bürger führt jedoch auch die Ortspolizeibehörde Geschwindigkeitsmessungen vor Schulen durch. Ansonsten werden die Schulwege im Land Bremen regelmäßig durch Kontaktpolizisten überwacht, um die Schulwegsicherung insbesondere zu Beginn eines neuen Schuljahres zu forcieren. 9. Wie bewertet der Senat die Einführung einer Helmpflicht für Kinder? Das Tragen eines Fahrradhelms wird von der Polizei ausdrücklich empfohlen. Die Fahrradausbildung von Kindern im Land Bremen wird nicht ohne Fahrradhelm durchgeführt. Die Kontaktpolizisten und andere Begleitpersonen tragen selbstverständlich ebenfalls einen Fahrradhelm und übernehmen damit eine große Vorbildfunktion. Der Senat hat sich mit der Frage der Notwendigkeit der Einführung einer gesetzlichen Helmtragepflicht für Radfahrer und speziell für Rad fahrende Kinder befasst. Er wirbt seit Jahren für das freiwillige Tragen eines Fahrradhelmes. Frühzeitige Verkehrserziehung durch Elternhaus, Kindergarten und Schule kann am besten auf Gefahren hinweisen und den Nutzen von Sicherheits- und Schutzmaßnahmen verdeutlichen. Kinder müssen ihrem Alter entsprechend befähigt werden, bewusst und eigenverantwortlich zu handeln, denn der Einführung einer für Kinder geltenden Fahrradhelmtragepflicht steht entgegen, dass es zu ihrer wirksamen Durchsetzung der Sanktionierung mit einem Buß- oder Verwarnungsgeld bedarf, die bei Kindern bis 14 Jahren wegen mangelnder Vorwerfbarkeit nicht zulässig ist. Für den Senat ist deshalb die Vorbildfunktion der Erwachsenen wichtiger, als eine nicht durchsetzbare Verpflichtung. — 5 — 10. Gibt es besondere Unfallschwerpunkte mit Kindern? Örtliche Unfallhäufungen sind in Bremen und Bremerhaven aufgrund der vorhandenen Daten der polizeilichen Verkehrsunfallstatistik nicht erkennbar. Statistisch lässt sich jedoch feststellen, dass Kinder am häufigsten als Radfahrer an einem Verkehrsunfall beteiligt sind. Dabei haben knapp die Hälfte der Kinder den Unfall selbst verursacht. In der überwiegenden Zahl wurden die Kinder nur leicht verletzt. Druck: Anker-Druck Bremen