— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 650 Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 9. Oktober 2012 Nutzung von Daten des Statistischen Landesamtes für Bremen Als Träger der amtlichen Statistik im Lande Bremen stellt das Statistische Landesamt umfassendes Datenmaterial über die sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in Bremen bereit. Das Statistische Landesamt hat den Anspruch, dass die erstellten Statistiken nicht nur relevant, so zeitnah wie möglich und zuverlässig sind, sondern auch im Einklang mit Grundsätzen von fachlicher Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität sind. Die Aufgaben des Amtes sind im Bundes- wie im Landesstatistikgesetz festgelegt. Das Amt ist danach für die Durchführung von über 200 Statistiken zuständig sowie für die Veröffentlichung und Darstellung der Ergebnisse für Stadt und Land. Zu seinen wesentlichen Aufgaben gehört weiter, die Behörden des Landes in statistischen Fragen zu beraten und zu unterstützen, eine statistische Datenbank zu betreiben , volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, sozioökonomische Untersuchungen sowie Prognose- und Modellrechnungen durchzuführen. Gleichzeitig erfüllt es die Aufgabe eines städtestatistischen Amtes für die Stadt Bremen und hat als solches Umfragen zur Stadtentwicklung und Stadtforschung zu betreiben, das „Kleinräumige Bezugssystem“ zu verwalten und das amtliche Straßenverzeichnis zu führen. Dennoch hat es den Anschein, als würden Bremens Behörden eher externe Gutachten einholen oder Meinungsforschungsinstitute beauftragen, als die Expertise des Statistischen Landesamtes einzuholen. Wir fragen den Senat: 1. Inwieweit sind die Ressorts und Ämter verpflichtet, vor der Vergabe statistischer Arbeiten und dem externen Einkauf von Daten das Statistische Landesamt Bremen beratend und unterstützend zu involvieren? 2. Über wie viel Personal welcher Qualifikation und über welche besondere Erhebungskompetenzen und Erfahrungen verfügt das Statistische Landesamt Bremen? 3. Wie bewertet der Senat die Potenziale des Statistischen Landesamtes, insbesondere in Bezug auf Stadtentwicklung in sozialen und wirtschaftlichen Fragestellungen , Entwicklung von Kinderbetreuungs- und Bildungsbedarfen sowie soziale Teilhabe? 4. Welche Zukunftsvision hat der Senat für das Statistische Landesamt Bremen, und gibt es Konzepte dafür, die Dienstleistungen des Statistischen Landesamtes besser als bisher innerhalb und außerhalb der bremischen Verwaltung bekannt und nutzbar zu machen? Sükrü Senkal, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD — 2 — D a z u Antwort des Senats vom 13. November 2012 1. Inwieweit sind die Ressorts und Ämter verpflichtet, vor der Vergabe statistischer Arbeiten und dem externen Einkauf von Daten das Statistische Landesamt Bremen beratend und unterstützend zu involvieren? Nach § 10 Abs. 2 Landesstatistikgesetz (LStatG) dürfen Behörden des Landes und der Gemeinden privaten oder öffentlichen Stellen Forschungs-, Planungsund Untersuchungsaufträge, deren Erledigung statistische Erhebungen oder die Auswertung von Angaben aus Statistiken erfordern, nur nach Anhörung des Statistischen Landesamtes erteilen. Vor der Auftragserteilung sind Art und Umfang der statistischen Erhebungen oder Auswertung mit dem Statistischen Landesamt abzustimmen. Können die benötigten Angaben vom Statistischen Landesamt zur Verfügung gestellt werden, darf der Auftrag insoweit nicht erteilt werden. § 12 LStatG überträgt dem Statistischen Landesamt die Aufgabe, im Benehmen mit den fachlich betroffenen Stellen sozioökonomische Untersuchungen sowie Prognose- und Modellrechnungen für Planungs- und Entscheidungszwecke durchzuführen. Außerdem sind für die Stadt Bremen statistische Untersuchungen und Umfragen zur Stadtentwicklung und Stadtforschung zu betreiben. 2. Über wie viel Personal welcher Qualifikation und über welche besondere Erhebungskompetenzen und Erfahrungen verfügt das Statistische Landesamt Bremen? Das Statistische Landesamt hat zurzeit 85 unbefristet beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf 76 Vollzeitstellen in den Bereichen Statistik und Wahlen, davon haben neun einen wissenschaftlichen Hochschulabschluss der Fachbereiche Wirtschafts-, Sozial- oder Politikwissenschaft, Geographie, Mathematik oder Rechtswissenschaft und gehören dem „höheren Dienst“ an, darunter fünf im engeren Bereich der statistischen Erhebungen und Auswertungen. Das Statistische Landesamt ist das statistische Kompetenzzentrum im Land Bremen. Neben anderen Institutionen, die Daten erheben und auswerten, hat das Statistische Landesamt das Alleinstellungsmerkmal „amtliche Statistik“, das heißt, die gesamte Arbeit des Amtes ist den Prinzipien verpflichtet, die im „Code of Practice“ verbindlich für das Europäische Statistische System, dessen Teil das Statistische Landesamt Bremen ist, festgelegt sind: Neutralität, Objektivität und wissenschaftliche Unabhängigkeit. Der Aufgabenbereich des Amtes im Bereich statistischer Erhebungen umfasst die Durchführung, Aufbereitung und Auswertung von ca. 200 Statistiken. Davon sind über 95 % durch EU- bzw. Bundesrecht gesetzlich angeordnet. Darüber hinaus liegen die besonderen Kompetenzen und Erfahrungen des Amtes im Bereich der mathematisch-statistischen Methoden (Demografie, Prognosen , Schätzungen, Hochrechnungen), der Umfrageforschung, dem Betrieb von Datenbanken, der Visualisierung von Daten im Rahmen von geografischen Informationssystemen (GIS) sowie im Aufbau von Monitoringsystemen. Das Statistische Landesamt führt die Bevölkerungsprognosen für Bremen und Bremerhaven sowie für den Kommunalverbund Niedersachsen/Bremen e. V. durch. Es betreibt zwei Online-Datenbanken mit statistischen Daten auf Stadt- und Ortsteilebene. Es führt das kleinräumige Bezugssystem und das Straßenverzeichnis für die Stadt Bremen. Es erstellt die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen mit seiner Kerngröße, dem Bruttoinlandsprodukt, die Erwerbstätigenrechnung sowie die umweltökonomischen Gesamtrechnungen und berechnet Energie- und CO2-Bilanzen für das Land und die Stadtgemeinden. Es betreibt ein Forschungsdatenzentrum zur Verbesserung des Datenzugangs für die Wissenschaft in Bremen und der Region. Es berechnet Basiszahlen zur Diätenbemessung für die Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft. Es beteiligt sich an der Open-Data-Initiative des Landes Bremen und erprobt aktuell die Möglichkeiten und Grenzen einer Statistik-App. — 3 — Die Kooperation mit Senatsressorts sowie wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Institutionen des Landes Bremen bei der Erstellung von Berichten in den jeweiligen Themenfeldern hat sich in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil im Aufgabenspektrum des Amtes entwickelt. Beispielhaft für eine Vielzahl von Kooperationspartnern sind hier zu nennen: – Senatorin für Finanzen (Benchmarking-Bericht mit Länder- und Städtevergleichen der Leistungen der öffentlichen Verwaltung; Entwicklung und Pflege von interaktiven Karten zum Konjunkturprogramm II), – Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen (Evaluierung öffentlicher Investitionsausgaben aus dem Aktionsprogramm 2010 in bremischen Stadtteilen; Sondererhebung im Handel), – Senator für Umwelt, Bau und Verkehr (Demografischer Wandel; Klimaschutz - und Energieprogramm; Stadtmonitoring; Strukturdaten als Basis für Verkehrsprognosen im Bremer Raum), – Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen (Armuts- und Reichtumsbericht ), – Senator für Inneres und Sport (Kooperation mit der Polizei Bremen im Bereich der Analyse von Kriminalität), – Universität Bremen (Befragung zum gesellschaftlichen Engagement junger Menschen – „MYPLACE“), – Hochschule Bremen (Durchführung gemeinsamer Konjunkturgespräche), – Arbeitnehmerkammer (Arbeitsverdienste in Bremen), – WFB Wirtschaftsförderung Bremen (Auswertung von Beschäftigtenzahlen für ausgewählte Gewerbegebiete), – Radio Bremen (Kooperation bei der Wahlberichterstattung). Darüber hinaus nutzen viele Dienststellen und andere bremische Einrichtungen das elektronische Datenangebot oder den Service des Auskunftsdienstes zur Vorbereitung von Verwaltungsentscheidungen. Im Verbund der statistischen Ämter des Bundes und der Länder hat das Statistische Landesamt eine herausgehobene Kompetenz als „Patenland“ für Energiestatistiken sowie als federführendes Amt im Bereich der Energie- und CO2-Bilanzierung der Länder. In den Fachgremien der deutschen Kommunalstatistik und des Deutschen Städtetages arbeiten Vertreter des Amtes zum Teil in herausgehobenen Positionen mit. Außerhalb Bremens findet vor allem das umfangreiche Angebot an frei zugänglichen kleinräumigen Daten bundesweit in kommunalstatistischen Fachkreisen Beachtung. Im Vergleich zum Datenangebot anderer Großstädte gilt es als beispielhaft hinsichtlich seiner sachlichen, räumlichen und zeitlichen Tiefe der Informationen und der Vielfalt der Zugangswege. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes werden regelmäßig eingeladen, um auf Fachtagungen das Datenangebot des Amtes zu präsentieren oder andere Kommunen beim Aufbau ihres Datenangebotes zu beraten. Im internationalen Rahmen sind Mitarbeiter des Amtes im Auftrag der Bundesregierung bzw. des Statistischen Bundesamtes gefragte Experten in deutschen, EU- und Weltbankprojekten zum Aufbau statistischer Strukturen in den jeweiligen Partnerländern. 3. Wie bewertet der Senat die Potenziale des Statistischen Landesamtes, insbesondere in Bezug auf Stadtentwicklung in sozialen und wirtschaftlichen Fragestellungen , Entwicklung von Kinderbetreuungs- und Bildungsbedarfen sowie soziale Teilhabe? Gesellschaftlich relevante Fragestellungen werden heute sinnvollerweise nicht ohne statistische Datenbasis behandelt. Für eine evidenzbasierte Politikgestaltung bietet die Datenbasis des Statistischen Landesamtes Grundlagendaten für politische Zielsetzungen und Ergebniskontrolle. Das Statistische Landesamt liefert Daten für die Existenzsicherung des Landes. Amtliche Daten zur Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung, darunter die — 4 — Berechnung des Bruttoinlandsprodukts sowie die Bevölkerungsentwicklungsprognose , zur Erwerbstätigkeit, zum Tourismus und zum Steueraufkommen sind grundlegende Bestandteile von Gutachten, Stellungnahmen und Programmen, welche die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Landes zum Inhalt haben. Sie sind ebenfalls wichtige Grundlage für die periodisch auftretenden Diskussionen zur Berechtigung und zur Höhe des Länderfinanzausgleichs. Die Berichterstattung zur sozialen Lage im Land Bremen, wie der Armuts- und Reichtumsbericht des Senats oder die Sozialberichterstattung der Arbeitnehmerkammer , basieren ebenso wie die Konjunktur- und Klimaschutzberichterstattung zu weiten Teilen auf den Basisdaten des Statistischen Landesamtes. Für die Beantwortung weiterer Fragestellungen, wie z. B. die Entwicklung des Kinderbetreuungs-, Bildungs- und Wohnungsbedarfs, bietet das Statistische Landesamt Referenzdaten bis hinein in die Kleinräumigkeit der Ortsteile. Diese können im Internet kostenfrei abgerufen werden. Mit den Daten des Zensus 2011 werden detaillierte Analysen bis auf kleinräumige Ebenen zu Merkmalen wie Bildung, Altersstrukturen und Migrationshintergrund in neuer Qualität möglich. Der Zensus wird Basisdaten für bedarfsorientierte Planungen von Versorgungseinrichtungen wie Kindergärten oder Krankenhäuser , die Identifikation von gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen sowie für die Erstellung von sozialen Indikatoren für das Land und die Stadtgemeinden in den kommenden Jahren liefern. Der Zensus 2011 befindet sich zurzeit in der Aufbereitungsphase; erste Ergebnisse sollen Mitte 2013 veröffentlicht werden. 4. Welche Zukunftsvision hat der Senat für das Statistische Landesamt Bremen, und gibt es Konzepte dafür, die Dienstleistungen des Statistischen Landesamtes besser als bisher innerhalb und außerhalb der bremischen Verwaltung bekannt und nutzbar zu machen? Die bewährte dreifache Funktion als Statistisches Landesamt sowie als kommunalstatistisches Amt und Wahlamt für die Stadt Bremen gewährleistet das durchgängige breite Datenangebot bis auf Adressebene und darauf aufbauend die Aggregierung zu beliebigen Raumeinheiten. Für die meisten Dienststellen der bremischen Verwaltung ist es selbstverständlich , sich bei der Bearbeitung verschiedenster Problemfelder der Daten des Amtes zu bedienen. Dazu erfolgt in der weit überwiegenden Zahl der Fälle der Zugriff über das Online-Datenangebot des Amtes. Vor allem die interaktiven (kleinräumigen) Datenangebote „Bremen Infosystem“, „Bremen Kleinräumig Infosystem“, der Bremer Ortsteilatlas und der Bremer Wahlatlas sowie die Stadtund Ortsteiltabellen werden intensiv von der Verwaltung genutzt. Auch außerhalb der bremischen Verwaltung wird das Internetangebot des Amtes von breiten Bevölkerungskreisen genutzt. Nach der internen Webstatistik erfolgten im Zeitraum der letzten zwölf Monate rund 60 000 Seitenaufrufe alleine auf der Startseite von www.statistik.bremen.de, davon kamen 15 % aus der bremischen Verwaltung, 85 % der Zugriffe wurden von externen Nutzerinnen und Nutzern ausgelöst. Geprüft wird eine Stärkung der wissenschaftlichen Analysekompetenz, um die erhobenen Daten stärker als bisher wissenschaftlich zu analysieren. Dazu soll der in den nächsten Jahren absehbare Generationswechsel genutzt werden. Durch die Nutzung von Synergieeffekten können Kosten gespart und Doppelarbeiten vermieden werden. Die im Statistischen Landesamt vorhandene technische Infrastruktur und fachliche Kompetenz kann verstärkt für ressort- oder auch gemeindeübergreifende Informationsangebote genutzt werden. Insbesondere mit der bevorstehenden Veröffentlichung der Ergebnisse des Zensus 2011 stehen erstmals seit über 20 Jahren wieder Daten zur Verfügung, die Auskunft über die Lebensverhältnisse der Bevölkerung und den Gebäude- und Wohnungsbestand im Land Bremen geben. Die aus diesen Daten gewonnenen Erkenntnisse sind ein wichtiger Baustein für die zukünftige Infrastrukturplanung und dürfen nicht ungenutzt bleiben. Um die Bürokratielasten der bei statistischen Erhebungen befragten Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen und Betriebe so gering wie möglich zu halten, wird das Amt die bereits vorhandenen technischen Möglichkeiten zur — 5 — Abgabe von Online-Meldungen weiter intensivieren, bis hin zur vollständigen Ablösung von Papierfragebögen. Der Senat wird entsprechende Gesetzesinitiativen im Bundesrat zur Entlastung der Auskunftspflichtigen wie bisher weiter unterstützen. Im Sinne der von den Aufsichtsbehörden der statistischen Ämter von Bund und Ländern abgeschlossenen „Rahmenvereinbarung über eine ämterübergreifende Aufgabenerledigung in der amtlichen Statistik“ wird die Arbeit des Statistischen Landesamtes in Zukunft noch stärker in die standardisierte Statistikproduktion des Verbundes aller statistischen Ämter des Bundes und der Länder integriert sein. Diesem Ziel dient die „Zentrale Produktion und Datenhaltung“ als Kernbestandteil der Rahmenvereinbarung. Sie beinhaltet die technische Aufbereitung und Datenhaltung aller amtlichen Statistiken an nur noch einem Standort im Sinne einer Arbeitsteilung. Damit werden Doppel- und Mehrfacharbeiten vermieden, Synergie- und Effizienzgewinne erzielt und damit in erheblichem Umfang Kosten vermieden. Druck: Anker-Druck Bremen