— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 668 (zu Drs. 18/603) 20. 11. 12 Mitteilung des Senats vom 20. November 2012 Datei „Gewalttäter Sport“ Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD haben unter Drucksache 18/603 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet. Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt: 1. Die Zuständigkeit für eine Eintragung ergibt sich aus dem Tatort. Wird die zuständige Bremer Behörde von den Behörden anderer Bundesländer darüber informiert , wenn diese die Daten einer Person mit Wohnsitz in Bremen erfassen? Wie erfolgt der Austausch mit Behörden im Ausland? Die Informationssteuerung erfolgt länderübergreifend durch die Zentrale Informationsstelle für Sporteinsätze (ZIS). Die ZIS ist organisatorisch beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste in Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Duisburg angesiedelt . Die ZIS erhält über die Speicherung einer Person Kenntnis und informiert daraufhin die entsprechende Wohnortbehörde. Die Auslandskorrespondenz erfolgt ebenfalls analog durch die ZIS. 2. Nach welchen Kriterien erfolgt eine Erfassung, und wie bewertet der Senat diese Kriterien? Insbesondere: a) Wie wird von den die Daten erfassenden Behörden der Begriff der Straftaten „von erheblicher Bedeutung“ definiert, der gemäß § 8 Abs. 4 Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) eine recherchefähige Erfassung in der Datei „Gewalttäter Sport“ erlaubt? b) Wie wird von den die Daten erfassenden Behörden der Begriff eines „nicht unerheblichen Schadens“ definiert, der gemäß Richtlinien für den Meldedienst „Gefährdungsdaten“ eine recherchefähige Erfassung in die Gewalttäterdatei Sport erlaubt? Ab welchem materiellen Wert wird in diesem Rahmen ein Schaden als „nicht unerheblich“ erachtet? Die Erfassung erfolgt ausschließlich nach den Voraussetzungen der Errichtungsanordnung der Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ auf Rechtsgrundlage des BKAG. a) Die erfassenden Behörden sehen als Straftaten von erheblicher Bedeutung die unter Punkt 2.2 der Errichtungsanordnung der Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ aufgeführten Delikte. — Straftaten unter Anwendung von Gewalt gegen • Leib und Leben oder • fremde Sachen mit der Folge eines nicht unerheblichen Schadens — Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) — gefährliche Eingriffe in den Verkehr (§§ 315 ff StGB) — 2 — — Störung öffentlicher Betriebe (§ 316b StGB) — Nötigung (§ 240 StGB) — Verstöße gegen das Waffengesetz — Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz — Landfriedensbruch (§§ 125, 125 a, 126 Abs. 1 Nr. 1 StGB) — Hausfriedensbruch (§§ 123, 124 StGB) — Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) — Raub- und Diebstahlsdelikte (§§ 242 ff., 249 ff. StGB) — Missbrauch von Notrufeinrichtungen (§ 145 StGB) — Handlungen nach § 27 Abs. 2 Versammlungsgesetz — Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) — Volksverhetzung (§ 130 StGB) — Beleidigung (§ 185 StGB) b) Die erfassenden Behörden definieren einen nicht unerheblichen Schaden analog des Straftatbestandes Diebstahl/Unterschlagung geringwertiger Sachen (§ 248 a Strafgesetzbuch). Der Rechtsprechung nach ist die Wertgrenze bei 50 ‡ anzusiedeln. 3. Werden erfasste Personen über den Eintrag informiert? Wenn ja, wie viele der erfassten Personen wurden in den Jahren 2007 bis 2011 von ihrer Erfassung in der Gewalttäterdatei Sport informiert, und in welchem Zeitraum nach ihrer Eintragung ? Inwiefern besteht für betroffene Personen die Möglichkeit, Einspruch gegen die Eintragung zu erheben? Wie bewertet der Senat die Einführung einer Informationspflicht? Eine Informationspflicht besteht grundsätzlich nicht. Allerdings wird dem Betroffenen im Rahmen des polizeilichen Einschreitens grundsätzlich bekannt gegeben , dass ein Eintrag in die Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ geprüft wird. Unbeschadet von polizeilichen Eingriffsmaßnahmen hat jeder Betroffene die Möglichkeit, sich per Auskunftsersuchen (z. B. §§ 4 und 21 Bremisches Datenschutzgesetz oder § 18 Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen) an die Polizeibehörde zu wenden und um Mitteilung über Art und Umfang seiner gegebenenfalls gespeicherten Daten zu bitten bzw. auch deren Löschung zu beantragen . Von diesem gesetzlich normierten Rechtsweg wird nach hier vorliegenden Erkenntnissen rege Gebrauch gemacht. Die ZIS erhält ca. 300 derartiger Anfragen im Jahr. Zusammen mit dem Land Rheinland-Pfalz hat sich das Land Bremen gemäß der Koalitionsvereinbarung bei der 193. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 8./9. Dezember 2011 in Wiesbaden dafür eingesetzt, den Umgang mit der sogenannten Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ unter Berücksichtigung der Rechtschutzinteressen von Betroffenen neu zu gestalten . Betroffene sollten zukünftig über eine Aufnahme in die Datei informiert werden. Die Kriterien, die zur Aufnahme in und Löschung aus dieser Datei führen , müssten transparent sein. Ein Beschluss zur Einführung einer Informationspflicht konnte auf der 193. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 8./9. Dezember 2011 in Wiesbaden nicht erzielt werden. 4. In welchen zeitlichen Abläufen wird das weitere Bestehen der Eintragungsvoraussetzungen überprüft – unter welchen Voraussetzungen werden Daten wieder gelöscht? Die Eintragung hat bei Erwachsenen und Jugendlichen fünf Jahre, bei Kindern zwei Jahre Bestand. Kinder sind in Bremen nicht erfasst. Nach Ablauf erfolgt die automatische Löschung, sofern in dieser Zeit keine neue Speicherung veranlasst wurde. — 3 — Die Daten werden gelöscht, wenn der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn unanfechtbar abgelehnt wurde oder das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde. Die Speicherung , Veränderung und Nutzung ist unzulässig, wenn sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, daß der Betroffene die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat. 5. Bei welchen polizeilichen Maßnahmen durch eine Behörde der Freien Hansestadt Bremen werden die in der Datei „Gewalttäter Sport“ erfassten Daten berücksichtigt ? Die Daten werden ausschließlich bei Sportveranstaltungen, bei denen mit Ausschreitungen von bestimmten Personen zu rechnen ist, durch anlassbezogene Personenkontrollen herangezogen. Die Erkenntnisse werden zur polizeilichen Lagebewältigung genutzt. Allein aufgrund möglicher Einträge werden keine personenbezogenen polizeilichen Maßnahmen getroffen. Das polizeiliche Handeln erfolgt aufgrund des konkreten, gefahrenträchtigen bzw. gefahrenverursachenden Verhaltens der Personen. 6. Wer hat, auch außerhalb Bremens, Zugriff auf die Daten? Werden die in der Datei „Gewalttäter Sport“ erfassten Datensätze auch bei Personalienüberprüfungen ohne Bezug zu Sportveranstaltungen, beispielsweise im Straßenverkehr oder bei Auslandsflugreisen, abgerufen? Wenn ja, wie bewertet der Senat diesen Umstand ? Zugriff auf die Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ haben ausschließlich Polizeibehörden . Die Inhalte des Speichersatzes liegen allein bei der veranlassenden Behörde. Sie werden nicht bei Kontrollen ohne Bezug zu Sportveranstaltungen abgerufen. Bei einer allgemeinen Fahndungsabfrage erhält die abfragende Stelle lediglich den Hinweis, dass eine Speicherung der Person in der Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ vorliegt. 7. Zu welchen Konsequenzen führt die Erfassung einer Person in der Datei „Gewalttäter Sport“? Können insbesondere neben Stadionverboten auch Ausreiseverbote verhängt werden? Allein die Erfassung in der Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ führt nicht zu Konsequenzen . Stadion- und Ausreiseverbote stützen sich nicht auf die Speicherung in der Verbunddatei „Gewalttäter Sport“. Entsprechende Verbote basieren auf bereits bekannte Erkenntnisse zu einer Person und das zu erwartende Gewaltverhalten dieser Person im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen. 8. a) Wie viele Datensätze zu wie vielen Personen wurden in den Jahren 2007 bis 2011 auf Veranlassung des Landes Bremen in der Datei „Gewalttäter Sport“ erfasst (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren sowie nach Vereinszugehörigkeit [Bremer Vereine/auswärtige Vereine])? b) Wie viele Datensätze zu wie vielen Personen mit Wohnsitz in der Freien Hansestadt Bremen wurden in den Jahren 2007 bis 2011 von nicht bremischen Behörden erfasst? c) Wie viele Datensätze zu wie vielen Personen mit bremischer Vereinszugehörigkeit und auswärtigem Wohnsitz wurden in den Jahren 2007 bis 2011 von nicht bremischen Behörden erfasst? 9. Wie viele der Datensätze beruhen auf Sachverhalten, aufgrund derer gegen die erfasste Person ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)? 10. Wie viele der in den Jahren 2007 bis 2011 erfassten Datensätze beruhen auf Sachverhalten, die zu einer rechtskräftigen Verurteilung der betroffenen Person geführt haben? 11. Wie viele der entsprechenden Ermittlungsverfahren wurden mangels ausreichender Beweislage gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt? Wenn hierzu keine Daten bestehen: Wie viele der Ermittlungsverfahren wurden ohne Anklageerhebung/Strafbefehl eingestellt? Wie bewertet der Senat das Verhältnis der Anzahl von den in der Datei „Gewalttäter Sport“ erfassten Sachverhalten zu der Anzahl der Einstellungen? — 4 — Die Frage lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten, da eine Auswertung bisher technisch nicht möglich war. An der Errichtung eines Auswerteschlüssels wird derzeit gearbeitet. Ein Zeitpunkt der Fertigstellung kann nicht vorhergesagt werden. 12. Wie viele Personen wurden in den Jahren 2007 bis 2011 auf Veranlassung des Landes Bremen aus der Datei „Gewalttäter Sport“ gelöscht (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)? Nach welchen Kriterien erfolgt eine Löschung der personenbezogenen Daten aus der Datei? Es wurden in den Jahren 2007 bis 2011 keine Personen auf Veranlassung des Landes Bremen gelöscht. Zu den Kriterien einer Löschung siehe Antwort zu Frage 4. 13. Wie viele der in der Gewalttäterdatei Sport registrierten Anlässe, die Gegenstand eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens geworden sind, wurden nach Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens aus der Datei gelöscht? Es wurden keine in der Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ registrierten Anlässe, die Gegenstand eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens geworden sind, nach Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens aus der Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ gelöscht. Die Polizei Bremen legt in der Führung der Datei Wert auf Qualität und nicht auf Quantität. Es werden grundsätzlich die Personen in der Datei erfasst, die als „Gewalttäter Sport“ im engeren Sinn aufgefallen sind, d. h. Tatverdächtige von Körperverletzungsdelikten und qualifizierten Sachbeschädigungen und schwerwiegenderen Delikten. Es ist bisher kein Verfahrensausgang (Freispruch, Einstellung) bekanntgeworden, der zu einer sofortigen Löschung geführt hätte. Eine Löschung erfolgt gemäß der Aussonderungsprüffrist . Zu den Kriterien einer Löschung siehe Antwort zu Frage 4. 14. Bestehen derzeit noch Datensätze, die von einer Behörde der Freien Hansestadt Bremen erfasst wurden und deren Aussonderungsprüffrist überschritten ist? Wenn ja, wie viele davon sind gesperrt? Es bestehen derzeit keine Datensätze mehr, die von der Polizei Bremen erfasst wurden und deren Aussonderungsprüffrist überschritten ist. Beim Erreichen des Aussonderungsprüfdatums wird die Anlass-/Zweckkombination automatisch gelöscht . 15. Hat in der Vergangenheit eine Evaluation der Datenerfassung stattgefunden? Wenn nicht, erachtet der Senat eine solche Evaluation für sinnvoll? Im Land Bremen, sowie auf Bundesebene hat in der Vergangenheit keine Evaluation der Datenerfassung stattgefunden. Die rechtlichen Grundlagen sind mit Inkrafttreten der Errichtungsanordnung der Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ geschaffen worden. Die Verbunddatei „Gewalttäter“ Sport ist im Nationalen Konzept Sport und Sicherheit ein unverzichtbarer Bestandteil der präventiv polizeilichen Maßnahmen, um im Vorfeld von Sportveranstaltungen Gefahren durch gewaltsuchende Personen zu reduzieren . Der Senat sieht es als notwendig an, dass die in der Errichtungsanordnung zur Gewalttäterdatei beschriebenen Grundsätze in den Ländern einheitlich umgesetzt werden. Die Kriterien, die zur Aufnahme in und Löschung aus dieser Datei führen, müssten transparent sein. Hierfür wird sich der Senator für Inneres und Sport einsetzen. Ferner hält es der Senat weiter für erforderlich, die Rechtschutzinteressen von Betroffenen stärker zu berücksichtigen. Betroffene sollten zukünftig über eine Aufnahme in die Datei informiert werden. Druck: Anker-Druck Bremen