— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 682 (zu Drs. 18/589) 04. 12. 12 Mitteilung des Senats vom 4. Dezember 2012 Konsequentes Vorgehen gegen Straftaten in der JVA Die Fraktion der CDU hat unter Drucksache 18/589 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet. Vorbemerkung Straftaten in Justizvollzugsanstalten sind nicht hinzunehmen und werden demzufolge auch in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bremen konsequent verfolgt und zur Anzeige gebracht. Doch trotz verschiedenster Bemühungen wird es nicht gelingen, Straftaten in Justizvollzugsanstalten gänzlich zu verhindern. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) hat in seiner Studie zu Viktimisierungserfahrungen im Justizvollzug einen weitreichenden Gewaltbegriff zugrunde gelegt und darunter u. a. auch Beschimpfungen, Verdächtigungen und schlecht über jemanden reden subsumiert. Dort, wo – wie im Justizvollzug – viele kriminalitätsbelastete und gewaltbereite Menschen auf engem Raum zusammenkommen, ist es ständige Aufgabe der Verantwortlichen, Straftaten und Gewalt, soweit wie möglich, einzudämmen und Subkulturen aufzulösen. Neben einem hohen Entdeckungsrisiko und der zeitnahen Sanktionierung von Straftaten ist zur Verhinderung von Subkultur und Gewalt ein Klima von entscheidender Bedeutung, in dem Gefangene Probleme ansprechen und Konflikte sozial angemessen lösen lernen. Nur bei Schaffung eines solches Klimas gelingt es, die Gefangenen auf ein straffreies Leben in Gemeinschaft vorzubereiten. Die JVA Bremen hat mit dem in vielen Vollzugsbereichen etablierten Ansprechpartnersystem und ausreichenden Aufschlusszeiten für geeignete Gefangene zum Einüben eines sozialverträglichen Miteinanders ein solches Klima geschaffen, sodass auch aufgrund der Erkenntnisse der KFN-Studie davon auszugehen ist, dass das Hellfeld einen ganz erheblichen Teil der in der JVA begangenen Straftaten erfasst. Dies vorausgeschickt beantwortet der Senat die Große Anfrage wie folgt: 1. Wie viele in den Justizvollzugsanstalten begangene Straftaten von Gefangenen wurden, unterteilt nach Standort der JVA, einzelnen Deliktsarten (Körperverletzungsdelikte , Kapitaldelikte, Eigentums-/Vermögensdelikte, Sexualdelikte, Raub/räuberische Erpressung, Ehrdelikte, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Freiheitsberaubung, Drogenkonsum, Drogenhandel etc.), in den Jahren 2008 bis 2012 im Land Bremen bei den Ermittlungsbehörden angezeigt? Eine zur Beantwortung der Frage notwendige, detaillierte Statistik wird bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft sowie den Gerichten nicht geführt. Dies wäre nur über eine Einzelauswertung der Vorgänge möglich, die mit einem vertretbaren Aufwand für den Abfragezeitraum von Staatsanwaltschaft, Gerichten und Polizei nicht zu leisten ist. Die Justizvollzugsanstalt Bremen (JVA) ist auf der Grundlage einer allgemeinen Verfügung des Senators für Justiz und Verfassung verpflichtet, Strafanzeige zu erstatten, wenn der begründete Verdacht besteht, dass ein Gefangener eine Straftat begangen hat bzw. ein Gefangener Opfer einer Straftat geworden ist. Dabei sind auch Vorfälle auf der Grundlage von Hinweisen und Behauptungen von Gefangenen, die möglicherweise strafbare Handlungen zum Inhalt haben, bei den Ermittlungsbehörden anzuzeigen. — 2 — Ausweislich der in der JVA geführten Statistik, die nur nach Straftaten im Zusammenhang mit Drogenfunden und Straftaten wegen körperlicher Auseinandersetzungen bzw. sonstiger Straftaten (z. B. Ehrdelikte, Eigentums- und Vermögensdelikten etc.) differenziert, wurden von der JVA in den Jahren 2008 bis 2012 wie folgt Strafanzeigen wegen körperlicher Auseinandersetzungen oder sonstiger Vorfälle erstattet: Jahr Anzeigen 2008 134 2009 134 2010 132 2011 120 2012 (bis 30. September) 82 Eine weitergehende statistische Differenzierung der zur Anzeige gebrachten Vorfälle nach Standorten und Deliktsarten wird in der JVA nicht vorgenommen. Für eine detailliertere Beantwortung wäre daher auch hier eine Einzelfallauswertung sämtlicher im Abfragezeitraum von der JVA erstatteten Strafanzeigen erforderlich, die mit einem vertretbaren Aufwand für den Abfragezeitraum nicht zu leisten ist. Nach Einschätzung der JVA handelt es sich bei den im Abfragezeitraum erstatteten Anzeigen, die nicht im Zusammenhang mit Drogenfunden stehen, zum ganz überwiegenden Teil um solche wegen körperlicher Auseinandersetzungen zwischen Gefangenen, etwa Rangeleien oder Schlägereien, in der Regel ohne Verwendung gefährlicher Gegenstände und überwiegend ohne bedeutende Verletzungen . Eine von der JVA durchgeführte Grobauswertung der in den Jahren 2011 und 2012 erstatteten Strafanzeigen bestätigt diese Einschätzung. Demzufolge lag der Anteil von körperlichen Auseinandersetzungen bei den Anzeigen bei ca. 75 bis 80 %, was durchschnittlich ca. sieben bis acht Anzeigen gegen einzelne Gefangene pro Monat bei einer Durchschnittsbelegung in der JVA Bremen von gut 600 Gefangenen entspricht. Im Monatsdurchschnitt trugen Gefangene in zwei dieser Auseinandersetzungen sichtbare, in einzelnen Ausnahmefällen auch nicht unerhebliche Verletzungen davon. Im Zeitraum 2011 und 2012 haben sich im Durchschnitt bis zu ein Vorfall pro Monat in der Abteilung in Bremerhaven und bis zu zwei Vorfälle körperlicher Auseinandersetzungen im Jugendvollzug ereignet . In den Abteilungen des Frauen- und des Offenen Vollzuges kam es wegen körperlicher Auseinandersetzungen zwischen Gefangenen nur selten zu Anzeigen. Kapitaldelikte wurden von der JVA im Auswertungszeitraum nicht angezeigt. Der Vorwurf eines einzelnen schwerwiegenden Sexualdelikts wurde den Auswertungen der KFN-Studie entnommen und nach Bekanntwerden durch die JVA zur Anzeige gebracht; zwischenzeitlich wurde das Verfahren indes mangels zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte eingestellt. Die an den Vorfällen beteiligten Gefangenen werden in der Regel unverzüglich dem Anstaltsarzt vorgestellt, der etwaige Verletzungen dokumentiert. Bekannt werden diese Vorfälle dadurch, dass Bedienstete den Vorfall wahrnehmen und zum Tatort eilen, andere Gefangene die Vorfälle bei Bediensteten melden oder Gefangene sich nach einem Vorfall melden und diesen anzeigen. Daneben werden in der JVA noch die wegen Drogenfunden erstatteten Strafanzeigen gesondert statistisch erhoben. Dabei wird zwischen solchen Funden unterschieden , die einer Person zugeordnet werden können und solchen, die keiner Person zuzuordnen sind. Im Abfragezeitraum sind in diesem Fall Anzeigen von der JVA wie folgt erstattet worden: Anzeigen gegen Anzeigen gegen nicht Jahr ermittelte Personen ermittelte Personen 2008 71 75 2009 71 60 2010 76 47 2011 70 45 2012 (bis 30. September) 63 61 — 3 — Eine für die Jahre 2011 und 2012 von der JVA durchgeführte Auswertung brachte zu diesen Strafanzeigen folgende weitergehenden Erkenntnisse: Bei den 2011 erstatteten 70 Anzeigen, bei denen der Fund der Betäubungsmittel einer Person zugeordnet werden konnte, wurden die Drogen entweder bei Haftraumrevisionen oder am Körper der Personen sichergestellt. Von den insgesamt 70 Verfahren richteten sich 41 gegen Insassen aus dem männlichen Erwachsenenvollzug in Oslebshausen, 19 gegen Insassen des Jugendvollzuges, sieben gegen Insassen in Bremerhaven und drei gegen Insassinnen des Frauenvollzuges. Bei den sichergestellten Betäubungsmitteln handelte es sich in 90 % der Fälle um Cannabisprodukte, im Übrigen konnten Heroin, Kokaingemische, Amphetamine , Testosteron und Anabolika sichergestellt werden. Den 2011 erstatteten 45 Strafanzeigen wegen nicht zuzuordnender Funde lagen in 75 % der Fälle Sicherstellungen auf dem Außengelände der Anstalt, vermutlich nach Mauerüberwürfen, und in 25 % der Fälle Sicherstellungen in gemeinschaftlich genutzten Räumen (Küche, Sporträume, Arbeitsbetriebe) zugrunde. Die Außenmauer wurde im Rahmen der Sanierung erhöht und ein zweiter detektierter Innenzaun errichtet; Mauerüberwürfe sind dadurch erschwert. In den bisher im Jahre 2012 erstatteten 63 Anzeigen gegen Gefangene wegen Besitzes von Betäubungsmitteln richteten sich 42 gegen Insassen des männlichen Erwachsenenvollzuges in Bremen, 14 gegen Insassen des Jugendvollzuges, vier gegen Insassen in der Vollzugsabteilung Bremerhaven und drei gegen Insassinnen des Frauenvollzuges. Bei den sichergestellten Betäubungsmitteln handelte es sich in ca. 95 % der Fälle um Cannabisprodukte. Den 61 in 2012 erstatteten Anzeigen wegen nicht zuzuordnenden Funden lagen in 64 % der Fälle Sicherstellungen auf dem Außengelände der Anstalt, in 36 % der Fälle Sicherstellungen in gemeinschaftlich genutzten Räumen zugrunde. 2. Wie sah die Täterstruktur der unter 1. dargestellten Taten, untergliedert nach Alter und Geschlecht der Gefangenen, aus? Eine zur Beantwortung der Frage notwendige, detaillierte Statistik wird bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft sowie den Gerichten nicht geführt. Um einen Überblick über die Täterstruktur zu gewinnen hat die JVA aus den Vorfällen der Jahre 2011 und 2012 stichprobenartig 100 Personal- und Vollstreckungsblätter ausgewertet. Demnach stellt sich die Täterstruktur bei den erwachsenen Männern in der Strafhaft wie folgt dar: Alter 20 bis 30 Jahre ca. 45 %, 31 bis 40 Jahre ca. 45 %, ab 41 Jahre ca. 5 %. Sie verbüßten ihre Strafen wegen folgender Delikte: Diebstahlsdelikte ca. 47 %, Raubdelikte ca. 19 %, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz ca. 8,5 %, Körperverletzung ca. 13 %, Totschlag ca. 4 %, Sexualdelikte ca. 4 %, Sonstiges ca. 4,5 %. Bei den jugendlichen, den heranwachsenden und den jungen erwachsenen Insassen stellt sich die Täterstruktur wie folgt dar: Alter 16 bis 20 Jahre ca. 64 %, 21 bis 24 Jahre ca. 36 %. — 4 — Sie verbüßten ihre Strafen wegen folgender Delikte: Diebstahlsdelikte ca. 28 %, Raubdelikte ca. 34 %, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz ca. 4,5 %, Körperverletzung ca. 13 %, Sonstige ca. 20,5 %. Strafanzeigen gegen Insassen des Frauenvollzuges wurden von der JVA im ausgewerteten Abfragezeitraum nur in ganz wenigen Einzelfällen erstattet, belastbare Angaben zur Täterstruktur etc. sind mit diesen wenigen Vorfällen nicht möglich. 3. In wie vielen Fällen der unter 1. genannten Straftaten kam es zur Anklage? In wie vielen Fällen kam es zur Beantragung eines Strafbefehls? Wie viele Verfahren wurden eingestellt? Nach welchen Vorschriften wurden diese Verfahren eingestellt (§§ 170 Abs. 2, 153, 153a, 154 StPO bzw. 45, 47 JGG)? Eine zur Beantwortung der Frage notwendige, detaillierte Statistik wird bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft sowie den Gerichten nicht geführt. Dies wäre nur über eine Einzelauswertung der Vorgänge möglich, die mit einem vertretbaren Aufwand für den Abfragezeitraum nicht zu leisten ist. Nach Einschätzung der JVA wird im Falle eines Drogenfundes in Abhängigkeit von der Menge der sichergestellten Betäubungsmittel regelmäßig mindestens ein Strafbefehl mit einer Verurteilung zu einer Geldstrafe erlassen. In zahlreichen Fällen körperlicher Auseinandersetzungen ist die Beweislage schwierig, da häufig Aussage gegen Aussage steht und Zeugen nicht zur Verfügung stehen. Solche Verfahren werden von der Staatsanwaltschaft regelmäßig gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Stellt sich die Beweislage bei körperlichen Auseinandersetzungen klarer dar, kommt es nach Einschätzung der JVA in der Regel zu einer Anklageerhebung. 4. In wie vielen Fällen der unter 1. genannten Straftaten kam es zu einer Verurteilung , in wie vielen Fällen zum Freispruch? Wie viele Verfahren wurden vor Gericht nach welchen Vorschriften eingestellt? Diesbezügliche Daten liegen nicht vor (siehe Fragen 1 bis 3). 5. In wie vielen Fällen kam es von 2008 bis 2012 zu Disziplinarmaßnahmen gegen Gefangene? Von welcher Art waren diese? Disziplinarmaßnahmen werden regelmäßig eingeleitet, wenn Gefangene schuldhaft gegen Pflichten verstoßen. Ein solcher Verstoß liegt z. B. vor beim Besitz von unerlaubten Gegenständen (Handys, Drogen etc.), bei der Störung des geordneten Zusammenlebens (z. B. körperliche Auseinandersetzungen) oder wenn Anweisungen nicht befolgt werden. Im Abfragezeitraum sind Disziplinarverfahren wie folgt verhängt worden: 2008 1 343, 2009 1 424, 2010 1 632, 2011 1 538, 2012 (bis 30. September) 1 190. Im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips werden Verstöße regelmäßig in einem abgestuften Verfahren geahndet. Bei geringen und/oder erstmaligen Verfehlungen ergeht in der Regel ein Verweis. Wiederholte oder gravierende Auffälligkeiten werden stärker geahndet . In 2011 und 2012 wurden gemäß §§ 102, 103 StVollzG und §§ 82 ff. BremJStVollzG überwiegend folgende Disziplinarmaßnahmen verfügt: — 5 — • Beschränkung der Verfügung über das Hausgeld, in der Regel in Höhe bis zu 25 ‡. • Entzug des TV-Gerätes für drei bis 14 Tage. • Getrennte Unterbringung während der Freizeit von drei Tagen bis zu sieben Tagen, in einigen Fällen bis zu vier Wochen. Mitunter wurden auch die weiteren Disziplinarmaßnahmen der §§ 102, 103 StVollzG und §§ 82 ff. BremJStVollzG verhängt. Verschiedene Disziplinarmaßnahmen werden regelmäßig auch kombiniert verfügt. Dem Verhalten der Insassen im Vollzug und möglichen Disziplinarverstößen kommt daneben große Bedeutung bei der Entscheidung über eine Lockerungsgewährung , die Verlegung in bzw. die Ablösung aus dem offenen Vollzug sowie der Stellungnahme der JVA zur Frage einer vorzeitigen Entlassung zu. 6. Wie viele Strafanzeigen wurden in den Jahren 2008 bis 2012 gegen Justizbedienstete erstattet? Welche Delikte lagen diesen Strafanzeigen zugrunde (vergleiche zu den Deliktsarten unter 1.), und mit welchem Ergebnis wurden die Ermittlungs-/Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft und den Gerichten abgeschlossen ? Bei der Staatsanwaltschaft Bremen werden die Verfahren gegen Bedienstete wegen Straftaten in den Justizvollzugsanstalten des Landes Bremen sowie gegen Polizeibeamte in Bremen wegen Straftaten im Dienst gemeinsam erfasst. Eine Unterteilung der Verfahren nach solchen gegen Bedienstete in den Justizvollzugsanstalten sowie gegen Polizeibeamte ist durch eine Abfrage in der Datenbank nicht möglich. Der JVA Bremen sind aus dem Abfragezeitraum fünf Strafanzeigen gegen Bedienstete bekannt, wobei zu berücksichtigen ist, dass Verfahren gegen Bedienstete entweder von Amts wegen oder aufgrund einer unmittelbar bei den Ermittlungsbehörden eingehenden Anzeige eingeleitet werden, von der die JVA, soweit sich die Mitarbeiter nicht erklären, dann regelmäßig erst über eine Bekanntgabe nach der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) Kenntnis erlangt. Den fünf der JVA bekannten Vorfällen lag in zwei Fällen der Vorwurf der fahrlässigen , in einem Fall der Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung, in einem Fall der Vorwurf der Beleidigung und in einem weiterem der der uneidlichen Falschaussage zugrunde. Alle fünf Verfahren wurden gemäß § 153a Abs. 1 bzw. Abs. 2 StPO von der Staatsanwaltschaft bzw. dem Gericht gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. 7. Zu wie vielen Disziplinarverfahren gegen Justizbedienstete ist es in den Jahren 2008 bis 2012 aufgrund ihrer Tätigkeit in der Justizvollzugsanstalt gekommen, und wie sind diese ausgegangen? Im Abfragezeitraum wurden durch die JVA neun Disziplinarverfahren gegen Justizbedienstete eingeleitet. In zwei Fällen erging ein Verweis. In sieben Fällen wurde das Verfahren eingestellt, davon wurde in vier Fällen eine schriftliche Missbilligung erteilt. 8. Wie sehen die Zahlen zu 1. bis 7. im Länderdurchschnitt aus? Die erfragten Zahlen werden nicht in einer amtlichen Statistik erhoben, sodass kein Länderdurchschnitt bekannt ist. 9. Wie bewertet der Senat die Kriminalitätsbelastung (Hellfeld) im Justizvollzug in Bremen? Wo werden auch vor dem Hintergrund der genannten Dunkelfeldstudie des KFN besondere Probleme gesehen? Mit welchen Maßnahmen will der Senat gegebenenfalls gegensteuern? Die berichteten Zahlen an Anzeigen und Disziplinarmaßnahmen innerhalb des Justizvollzuges sind beachtlich. Das beruht nach Einschätzung des Senats auf einem Klima, in dem strafrechtlich relevante Vorfälle aufgedeckt werden, einem Klima des Hinschauens. Auch die in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnte — 6 — Studie des KFN weist aus, dass die Insassen gravierende Vorfälle überwiegend zur Anzeige gebracht haben. Das Hellfeld scheint demnach einen erheblichen Teil der Gesamtbelastung des Vollzuges auszuweisen. Das spricht für das Vollzugskonzept der JVA Bremen, nach dem allen Gefangenen eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter der JVA Bremen als persönlicher Ansprechpartner zugeordnet ist, zu dem eine besondere Beziehung aufgebaut wird und an den man sich mit Problemen wenden kann. Bei der Beurteilung dieser gleichwohl erheblichen Belastung des Vollzuges mit strafrechtlich relevantem Verhalten ist zu berücksichtigen, dass der Vollzug das Ziel verfolgt, Straftäter auf ein straffreies Leben in der Gemeinschaft vorzubereiten . Es ist naheliegend, dass diese Gemeinschaft von dem angestrebten Ziel weiter entfernt ist als die Gesellschaft außerhalb des Vollzuges. Das dargelegte Anzeigeverhalten der Insassen belegt jedoch, dass sie sich mehrheitlich auf die Rechtsordnung berufen und sie damit akzeptieren. Polizei, Justizbehörden und Gerichte bearbeiten Strafanzeigen aufmerksam und verhängen effektive Sanktionen , um die Insassen in dieser Haltung zu unterstützen. Die Dunkelfeldstudie des KFN diente dazu, die Ergebnisse dieser Arbeit objektiv zu beurteilen und daraus Ansätze zu ihrer weiteren Optimierung zu entwickeln . Das ist in verschiedener Weise bereits geschehen. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Ergebnisse der Studie des KFN wurde die JVA aufgefordert, die Ergebnisse zu analysieren und mit den Mitarbeitern zu diskutieren, um Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen zu können. Als Ergebnis dieses Diskussionsprozesses ist das Ansprechpartnersystem auch in der Abteilung für Kurzstrafen in Bremerhaven eingeführt worden. Die Aufsicht während der Aufschlusszeiten, in denen die Gefangenen sich gemeinsam in ihren Hafträumen aufhalten dürfen, ist intensiviert worden. Bei Anhaltspunkten für subkulturelle Strukturen oder Gewalthandlungen werden die Möglichkeiten des gemeinsamen Aufenthaltes der Gefangenen beschränkt. Gegen Gefangene, die in körperliche Auseinandersetzungen verstrickt sind oder bei denen Betäubungsmittel sichergestellt werden, werden noch konsequenter Sicherungs- bzw. Disziplinarmaßnahmen verhängt. Nach der Auffassung des KFN ist für den Bereich der körperlichen Auseinandersetzungen die Einzelunterbringung der Gefangenen eine besonders wirkungsvolle präventive Maßnahme, sodass sich der Senat in seinem Sanierungskonzept, das die Mehrfachbelegung in allen Abteilungen der JVA auflösen will, bestätigt sieht. Druck: Anker-Druck Bremen