— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 695 (zu Drs. 18/599) 11. 12. 12 Mitteilung des Senats vom 11. Dezember 2012 Situation der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler im Land Bremen Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat unter Drucksache 18/599 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet. Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt: Vorbemerkung Rechtsgrundlage für die Aufnahme und die Anerkennung der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie ihrer Familienangehörigen ist Artikel 116 Grundgesetz in Verbindung mit dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) vom 19. Mai 1953. Sie sind Deutsche im Sinne des Grundgesetzes und erwerben mit der Ausstellung der Spätaussiedlerbescheinigung die deutsche Staatsangehörigkeit. Zwischen 1953 und 2012 wurden ca. 4,5 Mio. Menschen als Aussiedlerinnen und Aussiedler bzw. (ab 1993) als Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen . (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler sind, verkürzt dargestellt, Personen, die als deutsche Staatsangehörige in den ehemals deutschen Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie geboren wurden und nach Ende des zweiten Weltkriegs dort verblieben sind oder die als deutsche Volkszugehörige aus einem kommunistisch regierten Land stammen und als Vertriebene in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen wurden. Die wesentlichste Änderung seit seinem Inkrafttreten erfuhr das Bundesvertriebenengesetz durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (KfbG) am 1. Januar 1993. Mit diesem Gesetz wurde der Rechtsbegriff des Spätaussiedlers eingeführt. Diese Gesetzesänderung beinhaltete eine Reihe konkreter materiell- sowie leistungsrechtlicher Änderungen für den berechtigten Personenkreis. Fortan war die Aussiedlung praktisch nur noch den Deutschen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR möglich. Die Ausreise aus den übrigen Aussiedlungsländern, insbesondere aus Polen , kam fast vollständig zum Erliegen. Zudem wurde die Zahl der jährlich aufzunehmenden Personen auf ca. 225 000 begrenzt. Seit 1993 hat es weitere Veränderungen zum BVFG gegeben, welche die Anerkennungsvoraussetzungen für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler kontinuierlich erhöht und somit zu einer fortschreitenden Reduzierung des Zuzugs geführt haben . Hier sei insbesondere auf die Einführung von Sprachtests in den Herkunftsländern im Jahr 1996, zunächst nur für die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, zur Überprüfung der Beherrschung der deutschen Sprache hingewiesen. Seit 2005 ist den Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern die gemeinsame Aussiedlung mit den Familienangehörigen (Ehegatten, erwachsene und minderjährige Abkömmlinge) nur noch möglich, wenn auch diese Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen . Lediglich Kinder unter 14 Jahren sind vom Sprachnachweis ausgenommen. Allgemein lässt sich festhalten, dass sich die Zuzüge der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler aufgrund der geänderten Gesetzeslage in den letzten Jahren drastisch verringerten. Die Zugänge im Bundesgebiet lagen im Jahr 2011 bei 2 147 Personen , von denen das Land Bremen insgesamt 28 Personen aufgenommen hat. Zur vorliegenden Anfrage lässt sich feststellen, dass eine Vielzahl der gewünschten Zahlen und Daten nicht geliefert werden können, da Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler als deutsche Staatsangehörige in öffentlichen Statistiken generell nicht als — 2 — spezielle Personengruppe erfasst werden. Soweit zu den aufgeführten Zahlen keine Unterteilung in männlich oder weiblich erfolgt, liegen diese Daten nicht vor. 1. Wie viele Spätaussiedler und Spätaussiedlerinnen sind seit dem 1. Januar 1993 im Land Bremen aufgenommen worden (bitte aufschlüsseln nach Jahr, Herkunftsland und BVFG-Status)? Wie viele Familienangehörige sind im Rahmen des Zuzugs nach § 8 BVFG mit eingewandert? Dem Senat liegen zu der Fragestellung keine validen Daten vor, da Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler als deutsche Staatsangehörige in der Wanderungsstatistik (Statistik der Zu- und Fortzüge auf Grundlage des Bevölkerungsstatistikgesetzes ) nicht gesondert erfasst werden. Auch die Auswertung des Einwohnermelderegisters nach Herkunftsländern führt nicht zum erwünschten Erfolg , da diese Personen beim Zuzug aus dem Ausland grundsätzlich zunächst vorübergehend in Grenzdurchgangslagern untergebracht werden und der Zuzug von dort in der Wanderungsstatistik als Zuzug von deutschen Staatsangehörigen aus einem anderen Bundesland registriert wird. Die folgende Übersicht greift auf Daten aus dem Aufnahme- und Verteilverfahren der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler zurück und stellt lediglich eine Annäherung an die tatsächlichen Zuzugszahlen dar, da hier nur die Personen erfasst sind, die dem Land Bremen nach Verlassen eines Grenzdurchgangslagers im Wege des offiziellen bundesweiten Verteilverfahren zugewiesen wurden. Personen, die trotz anderweitiger Verteilentscheidung jenseits des geregelten Verfahrens nach Bremen zuzogen, sind in der Statistik nicht erfasst. Der Prozentsatz dürfte aber beachtlich gewesen sein. In Bremerhaven hierzu gefertigte Aufzeichnungen lassen Schätzungen von mindestens 30 % zusätzlicher Zuzüge realistisch erscheinen. Übersicht über die direkten Zuzüge von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie Familienangehörigen im geregelten Verfahren über ein Grenzdurchgangslager Nachfolgestaaten der ehemaligen Sonstige Gesamt Frauen Männer UdSSR Polen Rumänien Länder 1993 1 737 889 848 1 631 100 6*) 1994 1 720 886 834 1 600 119 1*) 1995 1 463 761 702 1 455 8 0*) 1996 1 309 703 606 1 294 1 14 — 1997 1 303 676 627 1 292 11 — — 1998 896 445 451 895 1 — — 1999 909 454 455 908 1 — — 2000 853 432 421 849 2 2 — 2001 904 471 433 903 1 — — 2002 768 413 355 767 1 — — 2003 699 360 339 698 1 — — 2004 479 240 239 475 4 — — 2005 320 156 164 319 — 1 — 2006 98 46 52 96 2 — — 2007 49 25 24 49 — — — 2008 44 26 18 44 — — — 2009 27 12 15 27 — — — — 3 — Nachfolgestaaten der ehemaligen Sonstige Gesamt Frauen Männer UdSSR Polen Rumänien Länder 2010 27 14 13 27 — — — 2011 28 17 11 28 — — — Januar bis Oktober 2012 8 4 4 8 — — — Gesamt 13 641 7 030 6 611 13 365 252 17 0 *) Erfassung unter der Kategorie Rumänien und sonstige Länder. Übersicht über den BVFG-Status der im geregelten Verfahren nach dem Bundesvertriebenengesetz einreisenden Personen*) Zuzug § 4 § 7 § 8 1999 909 268 29,5 % 560 61,6 % 81 8,9 % 2000 853 225 26,3 % 540 63,3 % 88 10,4 % 2001 904 220 24,4 % 575 63,6 % 109 12,0 % 2002 768 166 21,6 % 495 64,4 % 108 14,1 % 2003 699 142 20,3 % 450 64,4 % 107 15,3 % 2004 479 91 19,0 % 313 65,3 % 75 15,7 % 2005 320 68 21,2 % 209 65,4 % 43 13,4 % 2006 98 37 37,6 % 53 54,2 % 8 8,2 % 2007 49 20 39,9 % 27 54,6 % 3 5,4 % 2008 44 15 33,4 % 25 57,2 % 4 9,5 % 2009 27 9 32,7 % 15 55,4 % 3 12,0 % 2010 27 8 31,1 % 15 56,3 % 3 12,6 % 2011 28 8 28,2 % 16 57,0 % 4 14,9 % *) Die Daten wurden aufgrund der bundesweiten Verhältniszahlen errechnet, für den Zeitraum vor 1999 liegen keine Daten vor. Der unterschiedliche Status der Einreisenden ergibt sich aus den Vorschriften des BVFG, danach wird zwischen folgenden Personengruppen unterschieden: • Spätaussiedler gemäß § 4 BVFG, • Ehegatten und Abkömmlinge der Spätaussiedler gemäß § 7 Abs. 2 BVFG, die die Voraussetzung zur Anerkennung als Spätaussiedler nicht in eigener Person erfüllen, • sonstige Familienangehörige (in der Regel Schwiegerkinder der Spätaussiedler ), die gemäß § 8 BVFG gemeinsam mit dem Spätaussiedler einreisen . Personen, die nach § 4 oder § 7 Abs. 2 BVFG in Deutschland aufgenommen und anerkannt werden, haben im Wesentlichen dieselben Rechte und Vergünstigungen , z. B. den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, den Zugang zu Sozial- und Eingliederungsleistungen, zum Integrationskurs etc. Eine Ausnahme dazu stellt die rentenrechtliche Anerkennung der im Herkunftsgebiet erbrachten Beschäftigungszeiten nach dem Fremdrentengesetz dar. Diese wird lediglich Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern nach § 4 BVFG gewährt. — 4 — Personen die nach § 8 Abs. 2 BVFG einreisen, können bis auf die gemeinsame Einreise und Verteilung mit den Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern keine Rechte aus dem BVFG ableiten. Sie unterliegen ausschließlich ausländerrechtlichen Vorschriften, spezielle Eingliederungsleistungen existieren für diesen Personenkreis nicht. 2. Wie viele von ihnen leben heute in Bremen und Bremerhaven, und welche Wohnortschwerpunkte gibt es gegebenenfalls in den beiden Städten? Das Statistische Landesamt Bremen erstellte hierzu folgende Übersichten, wobei aber auf die nachfolgenden Einschränkungen hingewiesen werden muss. Für Bremerhaven liegen keine entsprechenden Erkenntnisse vor. Die Ortsteile mit den höchsten (Spät-)Aussiedleranzahlen bzw. -anteilen (Stand 31. Dezember 2011) sind wie folgt: Gesamtzahl der (Spät-)Aussiedlerinnen/ (Spät-)Aussiedler Davon Frauen Davon Männer Tenever 2 391 1 183 1 208 Ellenerbrok-Schevemoor 1 933 993 940 Burgdamm 1 902 990 912 Neue Vahr-Nord 1 859 979 880 Blockdiek 1 608 832 776 Neue Vahr-Südost 1 516 785 731 Kattenturm 1 400 730 670 Mittelshuchting 1 250 626 624 Arsten 1 088 574 514 Lüssum-Bockhorn 1 059 515 544 Sodenmatt 1 023 517 506 Stadt Bremen 37 521 19 540 17 981 Anteil der (Spät-)Aussied- Anteil der (Spät-) Anteil der (Spät-) lerinnen/(Spät-) Aussiedlerinnen Aussiedler an Aussiedler an der an der weiblichen der männlichen Ortsteil Bevölkerung (%) Bevölkerung (%) Bevölkerung (%) Neue Vahr-Nord 23,8 23,4 24,2 Tenever 23,5 22,6 24,6 Blockdiek 23,4 23,6 23,2 Neue Vahr-Südwest 22,5 23,4 21,3 Neue Vahr-Südost 21,0 20,5 21,5 Burgdamm 17,7 17,7 17,7 Ellenerbrok-Schevemoor 16,2 16,0 16,5 Sodenmatt 15,0 14,3 16,8 Mahndorf 14,6 14,1 15,0 Osterholz 14,5 14,5 14,6 Arsten 11,7 11,9 11,5 Mittelshuchting 11,3 11,1 11,4 Kattenturm 10,8 11,0 10,6 Stadt Bremen 6,8 6,9 6,8 (Quelle: Statistisches Landesamt Bremen, Dr. Karsten Drescher) — 5 — Diese Daten, die aus den Einwohnermeldedaten abgeleitet wurden, umfassen allerdings auch Personen, die vor 1993 nach Deutschland zugewandert sind. Folgende Definition wurde zugrunde gelegt: (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-) Aussiedler sind deutschstämmige Immigranten aus Osteuropa und den heutigen GUS-Staaten, die keine Heimatvertriebene oder Flüchtlinge des zweiten Weltkriegs sind. Deutsche Kinder unter 18 Jahren werden als (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler gezählt, wenn mindestens ein Elternteil zu diesem Personenkreis gehört. Es handelt sich bei den in den Tabellen aufgelisteten Personen also um (Spät-) Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler sowie deren nach den Vorschriften des BVFG eingereisten Familienangehörigen und um die in Deutschland geborenen Kinder dieser Personengruppe. Die Daten geben einen Hinweis auf die räumliche Ballung der (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler und sind zur Beantwortung der Frage insoweit relevant , als man wahrscheinlich davon ausgehen kann, dass das räumliche Ballungsverhalten der beiden Personengruppen sich nicht wesentlich voneinander unterscheidet. 3. Wie viele Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe sind derzeit noch in Übergangswohnheimen untergebracht, und welche Perspektiven haben sie für eine baldige individuelle/familiäre Wohnsituation? In Bremen lebt gegenwärtig eine Person dieser Bevölkerungsgruppe im Übergangswohnheim . Die Perspektiven für den Bezug einer Wohnung des freien Wohnungsmarktes für neu eintreffende Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und deren Familienangehörige sind positiv zu bewerten, die Verweildauer im Wohnheim beträgt regelmäßig unter drei Monate. 4. Welche Möglichkeiten haben sowohl Jugendliche als auch Erwachsene dieser Gruppe gegenwärtig, an Integrationsmaßnahmen, Sprachkursen etc. teilzunehmen , und in welchem Maße wird dies von ihnen wahrgenommen? Jugendlichen Schülerinnen und Schülern, die Familienangehörige von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern sind, stehen sämtliche Unterstützungsmöglichkeiten offen, die die Schulen und das Bildungsressort Bremens vorhalten. Hierzu gehören u. a. die Sprachfördermaßnahmen der Schulen, die Sprachsommercamps , der Mercator-Förderunterricht sowie die Vorkurse für Seiteneinsteiger. Statistische Angaben zum Umfang der Wahrnehmung der vorgehaltenen Angebote durch die genannte Gruppe können nicht gemacht werden, da für den Personenkreis keine spezifische Datenerfassung vorgenommen wird. Für erwachsene Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler wurden bis zum 31. Dezember 2004 durch den Bund finanzierte Sprachförderprogramme angeboten , die sich ausschließlich an diese Bevölkerungsgruppe richteten. Seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 sind Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler zur Teilnahme an den Integrationskursen für Neuzugewanderte berechtigt. Der Integrationskurs setzt sich aus einem Sprachkurs und einem Orientierungskurs zusammen und soll Grundkenntnisse zur Rechtsordnung, zur Geschichte und zur Kultur in Deutschland vermitteln. In der Integrationskursgeschäftsstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge werden die Anzahl der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, in deren Aufnahmebescheid einbezogene Ehegatten und Abkömmlinge sowie weitere gemeinsam mit ihnen in Deutschland eingetroffene und verteilte Familienangehörige nach § 8 Abs. 2 BVFG erfasst. Teilnahme von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern an Integrationskursen (Bund 2005 bis 2012) Jahr Männer Frauen Summe 2005 10 930 12 157 23 087 2006 3 693 4 828 8 521 2007 2 052 3 032 5 084 — 6 — Jahr Männer Frauen Summe 2008 1 103 1 663 2 766 2009 901 1 335 2 236 2010 645 847 1 492 2011 497 680 1 177 2. Quartal 2012 189 289 478 Summe 20 010 24 831 44 841 Teilnehmerzahlen für einzelne Bundesländer werden nicht ausgewiesen, es existiert daher kein Zahlenmaterial über die bremischen Verhältnisse. 5. Welche Probleme treten nach Auffassung des Senats bei der Integration von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern aktuell auf, und gibt es besondere Problemgruppen oder hervorzuhebende Integrationsleistungen? Grundsätzlich geht der Senat davon aus, dass die Unterschiedlichkeit der Lebenslagen von Menschen, wie z. B. Arbeit, Einkommen, Bildung, Wohnen und Gesundheit, ausschlaggebend ist für die Möglichkeit ihrer Teilhabe am und Integration ins gesellschaftliche Leben. Die Zugehörigkeit zu bestimmten Nationalitäten , zu Gruppen von Menschen bestimmter kultureller Herkunft oder die gruppenspezifische Zuordnung von Zugewanderten, wie etwa zur Gruppe der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, sind ebenso zu beachten für eine erfolgreiche Integration oder besonderer Problemlagen. Der Senat sieht gegenwärtig keine besonderen Probleme bei der Integration von Spätaussiedlern und Spätaussiedlerinnen. Im Übrigen wird wegen der zu beachtenden Besonderheiten auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 6. Wie beurteilt der Senat die in den zurückliegenden Jahrzehnten ausgestaltete Integrationspolitik für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in Bezug auf ihren Erfolg im Vergleich zu anderen Migrantengruppen? Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler unterscheiden sich von anderen Zuwanderergruppen , da sie Deutsche im Sinne des Artikels 116 Grundgesetz sind. Die Spätaussiedlerpolitik beansprucht innerhalb der Zuwanderungspolitik eine Sonderstellung, denn sie ist Teil des Bemühens der Bundesregierung, sich der nationalen Verantwortung Deutschlands für die Bewältigung der Folgen des zweiten Weltkrieges zu stellen. Die Bundesregierung setzte in der Vergangenheit durch verschiedene Sonderprogramme , insbesondere zur Sprachförderung, bei sozialen Integrationsprojekten und in der Jugendarbeit bewusst Schwerpunkte bei der Integration von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern. Aufgrund der zurückgehenden Spätaussiedlerzahlen sowie einem sich wandelnden Integrationsverständnis, welches Lebenslagen und sozialräumliche Aspekte in den Vordergrund stellt, erfolgte mit dem Zuwanderungsgesetz 2005 ein Paradigmenwechsel in der Integrationspolitik. So enthielt der erste Nationale Integrationsplan der Bundesregierung von 2007, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, keine spezifischen Programme für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler mehr. Bestehende Integrationsangebote für diesen speziellen Personenkreis wurden auch für andere Zuwanderergruppen geöffnet (z. B. Jugendmigrationsdienst , Sportprojekte, Migrationsberatungsstellen). Es existieren nur wenige nationale Studien, die herkunftsbezogene Integrationsprozesse untersucht haben. Die Studie „Ungenutzte Potenziale“ des BerlinInstituts für Bevölkerung und Entwicklung kam 2009 auf Basis der Daten des Mikrozensus 2005 zu dem Resultat, dass (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-) Aussiedler im Vergleich zu anderen Zuwanderergruppen bessere Integrationsergebnisse erreichen. Laut Studie schnitten sie insbesondere im Bildungsbereich — 7 — besser ab, ganz ohne Bildungsabschluss waren nur 3,3 %. Von der ersten zur zweiten Generation stieg der Anteil der Schulabschlüsse mit Abitur stark an. Wie im Bildungsbereich erzielten die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler laut Studie auch auf dem Arbeitsmarkt im Vergleich zu anderen Herkunftsgruppen bessere Ergebnisse, dabei schnitten sie jedoch nie besser ab als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Für die zweite Generation, also für die in Deutschland geborenen Abkömmlinge, wurden bessere Resultate hinsichtlich ihrer Integrationsindikatoren festgestellt. In vielen Kriterien schnitten sie deutlich besser ab als die erste Generation und wiesen sogar bessere Werte auf als die Einheimischen. Bemerkenswert ist der Rückgang bei der Jugenderwerbslosigkeit , die sich laut Studie von der ersten auf die zweite Generation fast halbiert hatte. 7. Welche schulischen und ausbildungsbezogenen Erfolgsquoten werden bei den Jugendlichen gegenwärtig beobachtet, und wie beurteilt der Senat gegebenenfalls Defizite der Bildungs- und Ausbildungsintegration? Wie bereits oben angegeben erfolgt keine Datenerfassung dieser Gruppe an den Bremer Schulen, aus diesem Grund sind keine statistischen Aussagen zu schulischen oder ausbildungsbezogenen Erfolgsquoten möglich. 8. Wie stark ist die Bevölkerungsgruppe von Erwerbslosigkeit betroffen, und gibt es besondere Maßnahmen, ihr den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern? Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit gelten im Land Bremen derzeit 457 Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern als arbeitslos. Darunter befanden sich 242 Frauen und 215 Männer. Dabei ist zu berücksichtigen, dass unter dem Merkmal „Spätaussiedler“ nur Arbeitslose erfasst werden, die innerhalb von fünf Jahren nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland mindestens einmal als arbeitslos bzw. arbeitsuchend registriert worden sind. Das führt zu einer Untererfassung, da insbesondere die zum Zeitpunkt der Einreise Minderjährigen , die zwischenzeitig erwerbsfähig geworden sind, in vielen Fällen nicht unter dem Merkmal „Spätaussiedler“ registriert werden. Seit kurzem werden jedoch freiwillige Angaben von Arbeitslosen unter anderem zum Migrationshintergrund aufgezeichnet. Nach diesen Angaben sind derzeit 1 956 Aussiedlerinnen und Aussiedler bzw. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler arbeitslos gemeldet, eine Differenzierung zwischen diesen beiden Gruppen erfolgt bei der Erfassung nicht. Unter den Arbeitslosen befanden sich 980 Frauen und 976 Männer. Hier werden auch die Personen erfasst, die sich nicht innerhalb von fünf Jahren nach ihrer Einreise arbeitslos bzw. arbeitsuchend gemeldet haben. Besondere Maßnahmen der Arbeitsförderung, die ausschließlich für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler konzipiert werden, sind nicht vorgesehen. Den Betroffenen steht wie allen anderen Arbeitslosen das gesamte Spektrum arbeitsfördernder Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit sowie des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen zur Verfügung. 9. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über Auffälligkeiten im Bereich der Kriminalität vor, und welche Ursachen liegen ihnen gegebenenfalls zugrunde? Dem Senat liegen keine Erkenntnisse vor, die die Annahme rechtfertigen würden , dass Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler stärker mit Kriminalität belastet sind als andere Bevölkerungsgruppen im Land Bremen. Zudem betrachtet die Polizei Bremen die Gruppe der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler nicht gesondert. Für ein Abgleiten in abweichendes Verhalten sind nicht die vermeintliche „ethnische“ Herkunft, sondern sozioökonomische, soziale und stadtgeografische Faktoren bestimmend. Wegen des Mangels an bremischen Daten kann nur auf bundesweite Studien zurückgegriffen werden. Die Forschungsgruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge stellt im Working Paper „Kriminalität von Aussiedlern“ im Jahr 2008 zunächst fest, dass keine bundesweiten Statistiken zu diesem Thema existieren. Die Forschungsgruppe kommt unter Berücksichtigung von regionalen Kriminalitätsstatistiken und empirischer Sozialforschung zu dem Fazit, dass die relative Kriminalitätsbelastung bei der Gruppe der Aussiedler (der Begriff wird — 8 — hier als Oberbegriff für die Gruppen der Aussiedler und Spätaussiedler verwandt) insgesamt sogar niedriger liegt als bei der Gruppe der autochthonen Deutschen. Die Aussiedlerkriminalität stellt sich nach dem Forschungsergebnis im Wesentlichen als Jugendkriminalität dar. Die Tatsache, dass abweichendes Verhalten gerade bei männlichen Jugendlichen mit Aussiedlerstatus besonders oft vorkommt , sei allerdings nicht spezifisch für diese Einwanderungsgruppe. Nicht nur männliche Aussiedler, sondern auch andere jugendliche männliche Migranten , aber auch einheimische deutsche männliche Jugendliche mit bestimmten Problemlagen sind der Untersuchung zufolge einem erhöhten Risiko ausgesetzt, gewalttätig und kriminell zu werden. Die stärkere öffentliche Wahrnehmung der Straftaten von jungen männlichen Aussiedlern wird mit der Deliktsart (Diebstähle sind überrepräsentiert) und mit einer institutionellen Diskriminierung (erhöhte Anzeigen und härtere Verurteilungspraxis) erklärt. Letztlich wird zusammengefasst , dass „Kriminalität keine Frage des Passes, sondern eine Frage von Lebenslagen“ sei (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Seite 46). 10. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über Auffälligkeiten im Bereich von Alkohol - und Drogenkonsum vor, und welche präventiven Angebote sind in diesem Bereich mit welchem Erfolg tätig? Verlässliche Zahlen über den Alkohol- und Drogenkonsum von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und über die Wirkung präventiver und therapeutischer Maßnahmen in diesem Zusammenhang gibt es nicht. Dies gilt auch für die Frage, ob Alkohol- und Drogenmissbrauch bei Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler im Vergleich zur Bevölkerung ohne Migrationshintergrund überdurchschnittlich häufig auftritt. Vielfach bestehenden Vorurteilen und subjektiven Wahrnehmungen bezüglich eines übermäßigen Alkohol- und Drogenkonsums dieser Personengruppe muss deshalb mit Vorsicht begegnet werden. Unstrittig ist, dass in den Neunzigerjahren bis zur Jahrhundertwende deutschlandweit die Beratungsstellen vor allem mit einer großen Zahl opiatabhängiger Spätaussiedler konfrontiert waren. Die Sucht- und Drogenhilfe reagierte damals relativ schnell einerseits mit umfangreichen Fortbildungsmaßnahmen, andererseits durch die Einrichtung spezifischer Behandlungsangebote in Fachkliniken. Die Ausstattung der Sucht- und Drogenhilfe in Bremen mit sprach- und kulturkompetentem Fachpersonal ist nach wie vor nicht optimal. Da jedoch speziell in den letzten Jahren die Vernetzung der Hilfsangebote wesentlich verbessert wurde, kann bei Bedarf aktuell auf allen Ebenen des Hilfesystems auf entsprechend qualifizierte Fachkräfte zurückgegriffen werden. In Bremerhaven ist das AWO-Suchtberatungszentrum seit vielen Jahren die Anlaufstelle für alle suchtkranken Menschen der Stadt. Ein Teil der Ratsuchenden mit Migrationshintergrund, ca. 10 %, haben u. a. einen türkischen, russischen oder polnischen Ursprung. Da die Arbeiterwohlfahrt nicht konfessionell gebunden ist, wurde die Versorgung und Betreuung dieser Menschen immer problemlos gewährleistet. Die Beratungs- und Therapieangebote sind in Bremerhaven bekannt und werden angenommen. Insgesamt kamen 2011 ca. 60 Personen mit einem Migrationshintergrund in die Suchtberatung (davon ca. 90 % männlich und 10 % weiblich ) und wurden in stationäre oder ambulante Therapien vermittelt. Eine migrationsspezifische Suchtprävention wird vom Suchtberatungszentrum nicht angeboten . 11. Welche Initiativen kommunaler und zivilgesellschaftlicher Träger gibt es im Land Bremen, die sich speziell um die Integration der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler bemühen, und welche Erkenntnisse liegen über diese Bemühungen vor? Der Förderschwerpunkt wurde von einer zielgruppenbezogenen Förderung zu allgemeinen sozialen und staatlichen Programmen im Land Bremen weiterentwickelt , sodass seit geraumer Zeit nicht mehr die Förderung spezieller Gruppen , sondern ganz bewusst die Strategie der Förderung von Menschen unterschiedlicher Herkunft entsprechend ihrer Bedarfe verfolgt wird (siehe Frage 6). Es existieren in Bremen daher nur noch wenige zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich ausschließlich um die Förderung der Spätaussiedlerinnen und Spätaus- — 9 — siedler bemühen. Hier ist die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e. V., Kreisverband Bremen, zu nennen. Die meisten regionalen Akteure, wie z. B. der vormalige Aussiedlertreff Blockdiek (jetzt: FreizeitTreffBlockdiek), Bremja oder der Verein „Weltbürger für Weltbürger“ haben sich dem Paradigmenwechsel der Förderstrukturen entsprechend gegenüber anderen Zuwanderergruppen geöffnet. Mit dem Bremer Senatsprogramm Wohnen in Nachbarschaften (WiN) werden seit 1998 in zehn Bremer Quartieren unter anderem integrative Projekte gefördert , die allen Zuwanderergruppen und damit auch den Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler offen stehen. Zudem gibt es noch vereinzelte Angebote (z. B. aus dem Programm LOS finanzierte Sprachkurse), die sich gezielt an Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler richten. In der Stadt Bremerhaven gibt es eine Reihe von Trägern, die die Integration aller Zuwanderergruppen und damit auch Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler fördern, z. B. das Familienzentrum Leherheide, das Pädagogische Zentrum , die AWO-Migrationsberatung für Jugendliche sowie kirchliche Einrichtungen und Freizeittreffpunkte in verschiedenen Stadtteilen. 12. Was wird unternommen, um die Akzeptanz der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in den Wohnquartieren zu erhöhen wie auch ihre Abgrenzung von der einheimischen Bevölkerung, aber auch von anderen Zuwanderergruppen, insbesondere bei Jugendlichen, abzubauen? Die Bremer Bevölkerung ist geprägt durch eine Herkunfts- und Erfahrungsvielfalt. Heterogenität, Widersprüchlichkeit, unterschiedliche Alltagskulturen und Mehrsprachigkeit sind mittlerweile elementare Bestandteile unserer urbanen Gesellschaft . Ziel der bremischen Integrationspolitik ist es, in dieser zunehmend vielfältiger werdenden Gesellschaft Chancengleichheit zu erreichen. Die Diversität der Bevölkerung ist anzuerkennen und das Zusammenleben zum gemeinsamen Nutzen zu gestalten. Hinsichtlich der staatlichen Förderschwerpunkte wird auf die Fragen 6 und 11 verwiesen. 13. Wie ist die gesundheitliche Lage der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler zu beurteilen, gibt es Auffälligkeiten bei Morbidität und Mortalität, und welche Maßnahmen werden gegebenenfalls zur Prävention ergriffen? Dem Senat liegen keine validen Daten zur gesundheitlichen Lage der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler vor. Druck: Anker-Druck Bremen