— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 73 Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 7. September 2011 Aufenthalt für „gut integrierte“ Jugendliche und Heranwachsende Mit der Neuregelung des Aufenthaltsgesetzes wurden landesrechtliche Regelungen Bremens, die den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern aus humanitären Gründen ergänzten, außer Kraft gesetzt. Diese Regelungen hatten den Begriff „Ausreisehindernis “ zugunsten der Betroffenen weit ausgelegt, insbesondere auch für minderjährige Ausländerinnen und Ausländer. Die seit dem 1. Juli 2011 geltenden Veränderungen im Aufenthaltsgesetz, insbesondere die Einführung des neuen § 25 a „Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden“, bedeuten eine deutliche Verschlechterung der Rechtssituation. Dies gilt besonders für jugendliche Mitglieder von Familien, in denen andere Familienmitglieder in Deutschland straffällig geworden sind. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Anträge auf Aufenthaltsgewährung für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende sind seit der Änderung des Aufenthaltsgesetzes gestellt worden? Wie viele dieser Anträge konnten bewilligt werden? 2. Welche Bestimmungen des § 25 a AufenthG bewirken – landesrechtlich gesehen – eine Schlechterstellung der betroffenen Jugendlichen? 3. Wie viele Jugendliche und Heranwachsende im Land Bremen sind von diesen Auswirkungen betroffen? 4. Wie viele Jugendliche und Heranwachsende gibt es im Bundesland Bremen, die trotz der ungünstigeren Voraussetzungen noch vom § 25 a AufenthG profitieren ? 5. Welche Bemühungen unternimmt der Senat, um die Zielgruppe über die rechtlichen Bestimmungen zu informieren? 6. Welche Überlegungen werden angestellt, die Zahl der Aufenthaltsgewährungen trotz der jetzt ungünstigeren Rechtssituation zu erhöhen? Dr. Zahra Mohammadzadeh, Björn Fecker, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen D a z u Antwort des Senats vom 11. Oktober 2011 Vorbemerkung Die Änderung des Aufenthaltsgesetzes geht auf eine Bremer Initiative zurück. Mit dem bremischen Erlass vom 17. September 2010 wurde das Aufenthaltsrecht von Kindern aus humanitären Gründen neu geregelt. Nach diesem Erlass bekamen Kinder von Eltern, die in Deutschland kein Aufenthaltsrecht haben, aber schon seit vielen Jahren in Bremen leben und hier gut integriert sind, die Chance auf einen dauerhaften Aufenthalt in Bremen. — 2 — Dieser Gedanke wurde von der Innenministerkonferenz aufgegriffen und führte schließlich zu einer Änderung des Aufenthaltsgesetzes. Mit dem neuen § 25 a ist nun eine gesetzliche Regelung geschaffen, die Jugendlichen und Heranwachsenden mit positiver Integrationsperspektive eine dauerhafte Aufenthaltsmöglichkeit in Deutschland eröffnet. Die Regelung unterscheidet sich allerdings in Einzelheiten vom Bremer Erlass (siehe Frage 2). Die Bremer Ausländerbehörden schöpfen weiterhin alle Ermessensspielräume aus, um gut integrierten Kindern und Jugendlichen eine Aufenthaltsperspektive zu ermöglichen . Dies zeigt sich inzwischen auch in der rückläufigen Zahl der Duldungen. Während zum Stichtag 30. Juni 2010 noch 2 210 Menschen im Land Bremen geduldet waren, waren es ein Jahr später nur noch 2 021. 1. Wie viele Anträge auf Aufenthaltsgewährung für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende sind seit der Änderung des Aufenthaltsgesetzes gestellt worden? Wie viele dieser Anträge konnten bewilligt werden? Seit September 2010 – also nach Inkrafttreten des Bremer Erlasses – bis zum Stichtag 19. September 2011 wurden folgende Aufenthaltserlaubnisse erteilt: 112 Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene haben unabhängig vom Aufenthaltsrecht der Eltern eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Bei weiteren 124 Kindern, Jugendlichen oder junge Erwachsenen ist die Antragsprüfung positiv verlaufen. Sie werden eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, sobald sie ihren Nationalpass vorlegen können. In weiteren 48 Fällen wurde eine Aufenthaltserlaubnis nach einer anderen Rechtsgrundlage (Familiennachzug) erteilt. Darüber hinaus sind in Bremen 748 Personen erfasst, die vor dem 1. Juli einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt haben. Diese Anträge werden noch auf der Grundlage des Bremer Erlasses geprüft und beschieden. Statistisch kann nicht genau ermittelt werden, wie viele Aufenthaltserlaubnisse zusätzlich seit 1. Juli 2011 nach dem neuen § 25 a AufenthG erteilt wurden. Die für die Erfassung erforderliche technische Ausstattung stand bundesweit nicht rechtzeitig zur Verfügung. Deshalb musste die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a unter der Vorschrift des § 25 Abs. 5 miterfasst werden. Auf dieser Rechtsgrundlage wurden inzwischen 23 Aufenthaltserlaubnisse an Personen zwischen 14 und 21 Jahren erteilt. 2. Welche Bestimmungen des § 25 a AufenthG bewirken – landesrechtlich gesehen – eine Schlechterstellung der betroffenen Jugendlichen? Durch die Regelung in § 25 a AufenthG ist eine gesetzliche Vorschrift geschaffen worden, die Jugendlichen und Heranwachsenden mit positiver Integrationsperspektive eine dauerhafte Aufenthaltsmöglichkeit in Deutschland eröffnet. Diese gesetzliche Änderung ging maßgeblich auf eine Initiative des Landes Bremen in der Innenministerkonferenz zurück. Unter dieser Prämisse ist die Regelung als erfolgreiche Weiterentwicklung des Aufenthaltsrechts anzusehen. Gleichwohl konnten nicht alle Vorstellungen umgesetzt werden. • Nach dem Erlass war die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an minderjährige Ausländer möglich, wenn sie hier geboren waren oder den überwiegenden Teil ihrer Sozialisation hier erfahren hatten und mindestens vier Jahre im Bundesgebiet regelmäßig eine Schule besucht hatten; nach § 25 a AufenthG ist demgegenüber ein sechsjähriger ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet sowie ein sechsjähriger erfolgreicher Schulbesuch oder der Erwerb eines anerkannten Schul- oder Berufsschulabschlusses erforderlich . Ferner ist erforderlich, dass der Ausländer in Deutschland geboren wurde oder vor Vollendung seines 14. Lebensjahres eingereist ist. • Nach § 25 a AufenthG kann ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erst nach Vollendung des 15. Lebensjahres und spätestens vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt werden; der Erlass enthielt demgegenüber keine altersmäßigen Voraussetzungen bezüglich der Antragstellung. — 3 — Druck: Anker-Druck Bremen 3. Wie viele Jugendliche und Heranwachsende im Land Bremen sind von diesen Auswirkungen betroffen? Zahlenmäßige Angaben darüber, für wie viele Jugendliche und Heranwachsende durch die geänderten Anforderungen aufgrund der Neuregelung in § 25 a des Aufenthaltsgesetzes die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis derzeit nicht möglich ist, obwohl sie nach dem Erlass in Betracht gekommen wäre, sind nicht möglich. Allgemein lässt sich feststellen, dass für minderjährige Ausländer , die hier geboren sind oder sich seit langer Zeit hier aufhalten, die Verlängerung der Aufenthalts- und Schulbesuchszeiten nach § 25 a AufenthG keine negativen Auswirkungen hat. Dies dürfte auf eine nicht unwesentliche Anzahl der in Betracht kommenden Jugendlichen oder Heranwachsenden zutreffen. Begrenzend könnte sich das Alterserfordernis der Neuregelung auswirken. Bislang konnte eine Aufenthaltserlaubnis unabhängig vom Alter der Betroffenen erteilt werden. Nunmehr ist dies erst nach Vollendung des 15. Lebensjahres möglich. 4. Wie viele Jugendliche und Heranwachsende gibt es im Bundesland Bremen, die trotz der ungünstigeren Voraussetzungen noch vom § 25 a AufenthG profitieren ? Zahlen können nicht genannt werden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 5. Welche Bemühungen unternimmt der Senat, um die Zielgruppe über die rechtlichen Bestimmungen zu informieren? Die Betroffenen werden im Rahmen von Terminen (beispielsweise bei Anträgen zur Verlängerung von Duldungen) bei den Ausländerbehörden gezielt über die Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unterrichtet. Sie werden ferner auf die Vorlage von Unterlagen hingewiesen, wenn erkennbar wird, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts vorliegen könnten. 6. Welche Überlegungen werden angestellt, die Zahl der Aufenthaltsgewährungen trotz der jetzt ungünstigeren Voraussetzungen zu erhöhen? Der Senat geht davon aus, dass die wesentliche Änderung der Regelung in § 25 a AufenthG – die nunmehr mindestens sechsjährige Aufenthalts- und Schulbesuchsdauer – die Betroffenen nicht von der Antragstellung abhält, zumal ein nicht unerheblicher Anteil diese Voraussetzungen ohnehin erfüllen dürfte. Insofern ist anzunehmen, dass sich der Anteil der positiven Entscheidungen durch die Regelung des Aufenthaltsgesetzes nicht wesentlich verändert. Entscheidend ist nach Auffassung des Senats die rechtzeitige und gezielte Information des infrage kommenden Personenkreises über die Möglichkeit eines Aufenthaltsrechts nach § 25 a AufenthG. Wie in der Antwort zu Frage 5 dargestellt, sind insbesondere die Ausländerbehörden bemüht, die Betroffenen rechtzeitig und individuell zu informieren.