— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 730 Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 12. Dezember 2012 Urlaubsanspruch der Beschäftigten im öffentlichen Dienst Gemäß des seit 2006 geltenden Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes dürfen Beschäftigte unter anderem nicht wegen ihres Alters benachteiligt werden. Dieser Grundsatz wurde durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) vom 20. März 2012 bestätigt. Das BAG führt in seinem Leitsatz aus, dass die Regelung im TVöD, wonach Beschäftigte nach der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Arbeitstage Urlaub haben, während der Urlaubsanspruch bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres nur 26 Arbeitstage und bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres nur 29 Arbeitstage beträgt eine unmittelbare, nicht gerechtfertigte Diskriminierung wegen des Alters darstellt. Dieser Verstoß kann für die Vergangenheit nur beseitigt werden, indem der Urlaub der wegen ihres Alters diskriminierten Beschäftigten in der Art und Weise nach oben angepasst wird, dass auch ihr Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage beträgt. Wir fragen den Senat: 1. Wie viele Tarifbeschäftigte (kommunale Beschäftigte und Landesbeschäftigte) des öffentlichen Dienstes in Bremen sind von dem Urteil des BAG unmittelbar betroffen? 2. Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bremen? Für welchen Zeitraum, und bei wie vielen Tarifbeschäftigten muss der Urlaub für die Vergangenheit und Zukunft angepasst werden? 3. Wie bewertet der Senat die unterschiedliche Anzahl von Urlaubstagen bei den Beamten im Hinblick auf das Urteil des BAG? 4. Plant der Senat eine Anpassung der Urlaubstage bei den Beamten? 5. Wie wird die geringere Anzahl von Arbeitstagen in der öffentlichen Verwaltung aufgefangen und kompensiert? 6. Wie bewertet der Senat die Lebens- und Dienstaltersstufen bei den Beamten und Tarifbeschäftigten im Hinblick auf eine mögliche Altersdiskriminierung? Plant der Senat hier Änderungen? Wilhelm Hinners, Silvia Neumeyer, Thomas Röwekamp und Fraktion der CDU D a z u Antwort des Senats vom 15. Januar 2013 1. Wie viele Tarifbeschäftigte (kommunale Beschäftigte und Landesbeschäftigte) des öffentlichen Dienstes in Bremen sind von dem Urteil des BAG unmittelbar betroffen? Von dem Urteil des BAG vom 20. März 2012 sind unmittelbar die Tarifbeschäftigten in Bremen betroffen, die bis einschließlich 31. Dezember 2012 das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten: Insgesamt sind 3 129 Tarifbeschäftigte betroffen, davon fallen 637 Beschäftigte unter den TVöD und 2 492 Beschäftigte unter den TV-L. — 2 — 2. Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bremen? Für welchen Zeitraum und bei wie vielen Tarifbeschäftigten muss der Urlaub für die Vergangenheit und Zukunft angepasst werden? Für die Tarifbeschäftigten der Freien Hansestadt Bremen stellt sich die Rechtslage je nach Tarifzugehörigkeit (der TVöD findet Anwendung für Beschäftigte bei kommunalen Eigen- und Wirtschaftsbetrieben und der Anstalt Immobilien Bremen sowie für „ehemalige Arbeiter“, die mindestens seit dem 30. Juni 2008 beschäftigt sind und der TV-L für alle anderen Beschäftigten der bremischen Kernverwaltung) unterschiedlich dar. Der jeweilige § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD und TV-L hatte eine gleichlautende altersabhängige Urlaubsstaffelung. Nachdem mit BAG-Urteil vom 20. März 2012 die Unwirksamkeit dieser altersabhängigen Urlaubsstaffelung festgestellt wurde , haben (zunächst) alle TVöD- und TV-L- Beschäftigten der Freien Hansestadt Bremen, auch wenn sie noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet hatten, für die Jahre 2011 und 2012 einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen in der FünfTage -Woche erhalten. Der höhere Urlaubsanspruch von 30 Tagen ergibt sich (auch rückwirkend für das Jahr 2011) aufgrund des in Bremen übertariflich geregelten Übertragungszeitraums für Urlaub bis zum 30. September des Folgejahres. Aus den Jahren 2010 und früher sind wegen des Ablaufs der tariflichen Übertragungsfristen regelmäßig etwaige höhere Urlaubsansprüche aufgrund des BAG-Urteils verfallen . Etwaige höhere Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2010 und früher können sich allenfalls noch bei Beschäftigungsverboten nach dem Mutterschutzgesetz bzw. einer Elternzeit nach dem BEEG ergeben. Ab dem Jahr 2013 ist wie folgt zu unterscheiden: a) TVöD-Beschäftigte Anlässlich der BAG-Entscheidung hatten sich der Bund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände mit den Gewerkschaften aus Anlass der neuen Rechtsprechung in der Tarifrunde 2012 bereits auf eine Neuregelung des Urlaubsanspruchs im TVöD verständigt, die mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 7 zum TVöD vom 31. März 2012 umgesetzt wurde. Der Urlaubsanspruch ist in § 26 im TVöD mit Wirkung vom 1. März 2012 neu gefasst worden, wobei die Neuregelung allerdings erst ab dem Urlaubsjahr 2013 materiell wirksam wird, sie lautet: „Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 29 Arbeitstage und nach dem vollendeten 55. Lebensjahr 30 Arbeitstage.“ Diese Neuregelung im TVöD sieht nur noch eine Erhöhung des Urlaubsanspruchs für ältere Arbeitnehmer vor und entspricht damit nach Auffassung der Tarifvertragsparteien den Ausführungen des BAG zum sozialpolitischen Zweck des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer und den in den Urteilsgründen der BAG-Entscheidung vom 20. März 2012 dargestellten Anforderungen an eine sachliche Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Weiterhin behalten TVöD-Beschäftigte, die vor dem 1. Januar 1973 geboren sind (und damit spätestens im Jahr 2012 das 40. Lebensjahr vollendet haben) und deren Arbeitsverhältnis über den 29. Februar 2012 hinaus fortbestanden hat, den Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen über das Jahr 2012 hinaus für die Dauer des rechtlich ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses im Besitzstand. b) TV-L-Beschäftigte Im TV-L gibt es eine vergleichbare Neuregelung dagegen bislang noch nicht. Die bestehenden Urlaubsregelungen in § 26 Abs. 1 TV-L sind von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder zum 31. Dezember 2012 gekündigt worden . Im Rahmen der Tarifrunde 2013 soll erreicht werden, dass eine rechtskonforme Neufassung der Urlaubsregelung vereinbart wird. Wie eine Neuregelung aussehen könnte, bleibt den entsprechenden Tarifverhandlungen unter Berücksichtigung der BAG-Rechtsprechung vorbehalten. — 3 — Für die Vergangenheit hat es in den Jahren 2011 und 2012 für 637 TVöDBeschäftigte und für 2492 TV-L-Beschäftigte eine Anpassung des Urlaubsanspruchs „nach oben“ in Höhe von 30 Arbeitstagen gegeben. Für die Zukunft ergibt sich ab dem Jahr 2013 für 261 TVöD-Beschäftigte eine Anpassung „nach oben“ mit einem Urlaubsanspruch von 29 Arbeitstagen . Betroffen sind die unter 30-Jährigen im TVöD, die bisher einen Urlaubsanspruch von 26 Tagen hatten. Für 376 TVöD-Beschäftigte zwischen dem 30. und 39. Lebensjahr ergibt sich ab dem Jahr 2013 (bezogen auf die vorherige Regelung in § 26 TVöD) keine Änderung, der alte und neue Urlaubsanspruch beträgt 29 Arbeitstage . 3. Wie bewertet der Senat die unterschiedliche Anzahl von Urlaubstagen bei den Beamten im Hinblick auf das Urteil des BAG? Nach Auswertung der Gründe des BAG-Urteils vom 20. März 2012 ist davon auszugehen, dass die gleichlautende Regelung des § 6 der Bremischen Urlaubsverordnung (BremUrIVO) in ihrer Auslegung durch das BAG ebenfalls dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) widerspricht. 4. Plant der Senat eine Anpassung der Urlaubstage bei den Beamten? Hierzu sollen die Tarifverhandlungen 2013 abgewartet werden. 5. Wie wird die geringere Anzahl von Arbeitstagen in der öffentlichen Verwaltung aufgefangen und kompensiert? Fehlzeiten durch Krankheit oder Urlaub werden wie bisher vom vorhandenen Personal aufgefangen. 6. Wie bewertet der Senat die Lebens- und Dienstaltersstufen bei den Beamten und Tarifbeschäftigten im Hinblick auf eine mögliche Altersdiskriminierung? Plant der Senat hier Änderungen? Ob die Bestimmung des Grundgehalts einer Beamtin oder eines Beamten anhand des Besoldungsdienstalters beziehungsweise einer Richterin oder eines Richters anhand des Besoldungslebensalters eine mögliche Altersdiskriminierung darstellt , ist von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Das Verwaltungsgericht Berlin hat daher den Europäischen Gerichtshof mit Vorlagebeschlüssen vom 23. Oktober 2012 gebeten, über diese Rechtsfrage zu entscheiden. Infolgedessen hat der Senat noch keine abschließende Meinung gebildet, sondern wartet die Entscheidung des EuGH ab. Für die Tarifbeschäftigten sind die Lebensaltersstufen, wie sie der BAT vorsah, mit Einführung der neuen Tarifverträge TVöD ab 1. Oktober 2005 und TV-L ab 1. November 2006 entfallen. Die neuen Tarifverträge sehen innerhalb der Entgeltgruppen und abhängig von der Dauer der Berufserfahrung eine Zuordnung bis zu sechs (Erfahrungs-)Stufen vor. Druck: Anker-Druck Bremen