— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 796 Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 18. Januar 2013 Flexibilität von Arbeitszeiten und -orten in der bremischen Verwaltung 1. Wie bewertet der Senat flexible Arbeitszeiten und -orte als Instrument zur verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie als Möglichkeit, angemessen auf den demografischen Wandel zu reagieren? a) Welchen konkreten Erfahrungen gibt es hierzu in der bremischen Verwaltung und/oder in den von Bremen/Bremerhaven kontrollierten Gesellschaften ? b) Wie viele Anträge auf Telearbeit wurden beispielsweise in den vergangenen vier Jahren in diesen Verwaltungen und Gesellschaften gestellt, wie viele davon wurden genehmigt? Was waren wesentliche Gründe für die Ablehnung solcher Anträge? c) Gibt es konkrete Planungen, Flexibilisierung als Instrument zur Abfederung des demografischen Wandels und zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie auszubauen? d) Gibt es Angebote flexibler Arbeitszeiten und -orte auch für Auszubildende und Praktikanten – gegebenenfalls wo? Wie bewertet der Senat den Abschluss von Dienstvereinbarungen zur Flexibilisierung von Arbeitszeiten und -orten als Beitrag zu mehr Akzeptanz und breiterer Nutzung dieser Möglichkeiten? Gibt es Bestrebungen, eine solche Vereinbarung mit dem Gesamtpersonalrat (GPR) und anderen Arbeitnehmervertretungen? 2. In welchen Bereichen der öffentlichen Verwaltung und der bremischen Gesellschaften werden Flexibilisierungsinstrumente wie a) alternierende Telearbeit, b) flexiblere bzw. kürzere Kernarbeitszeiten, c) größere Über- und Unterstundenkontingente, d) Freizeitausgleich über mehrere zusammenhängende Tage, e) andere Flexibilisierungsangebote auf Basis welcher Vereinbarungen/Beschlüsse praktiziert, in welchen sind sie konkret geplant? 3. Wie werden Dienststellen und Gesellschaften, die Möglichkeiten flexibler Arbeitszeit- und -ortgestaltung nutzen möchten, unterstützt, um bestehende Vorbehalte oder tatsächliche Probleme zu beseitigen? 4. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, den Geltungsbereich des Familienpflegezeitgesetzes auf Beamtinnen auszudehnen? a) Hält der Senat eine Regelung für Landesbeamtinnen für möglich? b) Welche alternativen Möglichkeiten der Freistellung von Beamtinnen/ Beamten zum Zweck der Betreuung und Pflege von Angehörigen bietet das Beamtenrecht, und welche Weiterentwicklung wäre hier aus Sicht des Senats gegebenenfalls sinnvoll? Elombo Bolayela, Sybille Böschen, Max Liess, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD — 2 — D a z u Antwort des Senats vom 26. Januar 2013 1. Wie bewertet der Senat flexible Arbeitszeiten und -orte als Instrument zur verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie als Möglichkeit, angemessen auf den demografischen Wandel zu reagieren a) Welchen konkreten Erfahrungen gibt es hierzu in der bremischen Verwaltung und/oder in den von Bremen/Bremerhaven kontrollierten Gesellschaften? Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein zentrales Anliegen und integraler Bestandteil der strategischen Personalentwicklung in der bremischen Verwaltung, die nicht nur im Hinblick auf den demografischen Wandel sondern auch unter dem Stichwort Frauenförderung, Sicherung der Zukunftsfähigkeit und Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber eine zentrale Bedeutung hat. Eine flexible Arbeitszeitgestaltung , ermöglicht durch unterschiedliche Arbeitszeitmodelle, durch Teilzeitarbeit, Telearbeit und Beurlaubungsmöglichkeiten, ist eine wesentliche Voraussetzung, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, Berufstätigkeit und familiäre Aufgaben (Betreuung von Kindern oder pflegebedürftiger Angehöriger) besser miteinander zu vereinbaren. Die vielfältigen Flexibilisierungsangebote zur Unterstützung der Arbeitszeitsouveränität und individuellen Gestaltungsmöglichkeiten der Beschäftigten erfolgen auf Grundlage insbesondere folgender Regelungen: — Grundsätze für die gleitende Arbeitszeit, — Dienstvereinbarung „Alternierende Telearbeit“, — § 8 Bremisches Landesgleichstellungsgesetz; Familiengerechte Arbeitsplatzgestaltung . Die Senatorin für Finanzen hat darüber hinaus mit Modellen der Beurlaubung im Rahmen der beamten- und tarifrechtlichen Bestimmungen weitere Angebote zur Flexibilisierung der Arbeitszeit (Sabbaticals, auch unterjährig, Sonderurlaub) entwickelt, die insbesondere die Lebenssituation von Frauen berücksichtigen. Grundsätzlich besteht für alle Beschäftigten die Möglichkeit, unter Beachtung der dienstlichen Belange einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen. Laut Personalbericht 2011 der Senatorin für Finanzen gingen von den insgesamt 35 275 Beschäftigten der Kernverwaltung, Ausgliederungen und Mehrheitsgesellschaften im Jahr 2010 14 272 Personen einer Teilzeitbeschäftigung nach. Dies entspricht insgesamt einer Teilzeitquote von 40,4 %, Altersteilzeit (ATZ) mit eingerechnet. Ohne die Beschäftigten in Altersteilzeit sind im Jahr 2010 insgesamt 33,5 % aller Beschäftigten teilzeitbeschäftigt . Die Teilzeitquote (ohne ATZ) beträgt in der Kernverwaltung 25,7 %, in den Ausgliederungen 42 % und in bremischen Mehrheitsgesellschaften 40,1 %. Die vergleichsweise hohe Quote in den Ausgliederungen und Mehrheitsgesellschaften ist vor allem auf die bei Immobilien Bremen und der Gesundheit Nord Dienstleistungen GmbH beschäftigten Reinigungskräfte sowie auf das Betreuungspersonal bei KiTa Bremen zurückzuführen. Der Anteil der Frauen bei den Teilzeitbeschäftigten beträgt 86,3 %. Der Umfang der Arbeitszeit variiert aufgrund der Vielzahl von Arbeitszeitmodellen stark. Mit dem Stand vom 30. Januar 2013 wurden insgesamt 1 893 Teilzeitmodelle eingerichtet, d. h. jedoch nicht, dass auch alle Modelle aktuell wahrgenommen werden. Derzeit arbeiten 10 % der Teilzeitbeschäftigten unter 50 %, der größte Anteil von rund 37 % arbeitet zwischen 50 % und 60 % und rund 27 % der Teilzeitbeschäftigten zwischen 70 % und 80 % der vollen Arbeitszeit. b) Wie viele Anträge auf Telearbeit wurden beispielsweise in den vergangenen vier Jahren in diesen Verwaltungen und Gesellschaften gestellt, wie viele davon wurden genehmigt? Was waren wesentliche Gründe für die Ablehnung solcher Anträge? — 3 — Diese Frage ist nicht zu beantworten, da zentral hierzu keine verlässlichen Zahlen vorliegen. Im Rahmen der dezentralen Personalverantwortung werden die Anträge in den jeweiligen Dienststellen gestellt und bearbeitet. Anträge sind in aller Regel dann nicht genehmigungsfähig, wenn besondere Belange des Datenschutzes oder der Datensicherheit dem entgegenstehen. c) Gibt es konkrete Planungen, Flexibilisierung als Instrument zur Abfederung des demografischen Wandels und zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie auszubauen? Angesichts der Herausforderungen des demografischen Wandels und der gesamtgesellschaftlichen Tendenzen der zunehmenden Individualisierung der Lebensgestaltung ist eine eingehende Prüfung der bestehenden Regelungen angezeigt, um über die Erfordernisse von Weiterentwicklungen oder neuen Regelungen entscheiden zu können. Bestehende Dienstvereinbarungen sind daher in angemessenen Zeitabständen auf ihre Aktualität und auf die Bedürfnisse von Arbeitgeber und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu überprüfen und gegebenfalls anzupassen. In diesem Zusammenhang wird u. a. die Erprobung von Teilzeitarbeit für Führungspositionen angestrebt. Bei Überlegungen zur höheren Zeitsouveränität und räumlichen Flexibilität/ Mobilität der Beschäftigten gilt es allerdings, einen sinnvollen Ausgleich zu finden zwischen den Bedürfnissen der Beschäftigten nach individueller Gestaltung der Lebensbalance einerseits und der Gewährleistung von Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie der Sicherstellung der Aufgabenerfüllung und der Berücksichtigung von betriebswirtschaftlichen Kriterien andererseits. d) Gibt es Angebote flexibler Arbeitszeiten und -orte auch für Auszubildende und Praktikanten – gegebenenfalls wo? Im bremischen öffentlichen Dienst wird die Möglichkeit der Teilzeitausbildung angeboten. Mit der Neuordnung des Bremischen Beamtenrechts im Jahre 2010 wurde auch in Ausbildungsverhältnissen, die in einem Beamtenverhältnis absolviert werden, die Möglichkeit einer Ausbildung in Teilzeit eröffnet. Insgesamt nutzen zurzeit 28 weibliche Auszubildende diese Möglichkeiten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden und mehr. Regelungen für Praktikantinnen werden in der Regel in den jeweiligen Dienststellen vor Ort getroffen, wobei versucht wird, die Belange der Praktikantinnen zu berücksichtigen, soweit es die Dienstgeschäfte ermöglichen. e) Wie bewertet der Senat den Abschluss von Dienstvereinbarungen zur Flexibilisierung von Arbeitszeiten und -orten als Beitrag zu mehr Akzeptanz und breiterer Nutzung dieser Möglichkeiten? Gibt es Bestrebungen, eine solche Vereinbarung mit dem Gesamtpersonalrat (GPR) und anderen Arbeitnehmervertretungen abzuschließen? Die bestehenden Dienstvereinbarungen „Alternierende Telearbeit“ vom 15. Oktober 2004 und „Grundsätze für die gleitende Arbeitszeit“ vom 10. Februar 2007 bieten schon jetzt eine gute Grundlage für die flexible Gestaltung von Arbeitszeiten und -orten. Beide Dienstvereinbarungen werden in der bremischen Verwaltung vielfältig angewendet und hinsichtlich der Dienstvereinbarung zu den Grundsätzen zur gleitenden Arbeitszeit häufig durch örtliche Dienstvereinbarungen weiter konkretisiert, die in der Regel eine weitere Flexibilisierung der Grundsätze beinhalten und vor allem die besonderen Situationen in den einzelnen Dienststellen aufgreifen. 2. In welchen Bereichen der öffentlichen Verwaltung und der bremischen Gesellschaften werden Flexibilisierungsinstrumente wie a) alternierende Telearbeit, b) flexiblere bzw. kürzere Kernarbeitszeiten, c) größere Über- und Unterstundenkontingente, d) Freizeitausgleich über mehrere zusammenhängende Tage, e) andere Flexibilisierungsangebote auf Basis welcher Vereinbarungen/Beschlüsse praktiziert, in welchen sind sie konkret geplant? — 4 — Die bereits angesprochenen Dienstvereinbarungen „Alternierende Telearbeit “ und „Grundsätze für die gleitende Arbeitszeit“ bieten den Dienststellen des bremischen öffentlichen Dienstes die Grundlage, um ihren Beschäftigten die individuelle Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit zu ermöglichen. Von diesen Möglichkeiten wird in großem Umfang Gebrauch gemacht. Der Geltungsbereich dieser Regelungen erstreckt sich jedoch nicht auf die Beschäftigten der Beteiligungsgesellschaften Bremens. Im Folgenden werden einige Regelungen von Dienststellen, die von den Gestaltungsmöglichkeiten der Grundsätze der gleitenden Arbeitszeit Gebrauch machten, beispielhaft aufgeführt: — Im Bereich der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen wurde im Rahmen der Auditierung „Beruf und Familie“ unter Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Familienaufgaben die Verkürzung der Kernarbeitszeit von 9.00 bis 15.00 Uhr auf 10.00 bis 14.00 Uhr vereinbart (freitags bis 13.30 Uhr). Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit zur Überschreitung der monatlichen Arbeitszeit um bis zu 50 Stunden (statt 20 Stunden) zur Unterschreitung um 25 Stunden (statt 10 Stunden). Der Freizeitausgleich kann an maximal fünf Tagen im Monat erfolgen. — Im Bereich des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr wurde ebenfalls im Rahmen der Auditierung „Beruf und Familie“ bei der Gestaltung der örtlichen Dienstvereinbarung zur gleitenden Arbeitszeit auf familienfreundliche Regelungen geachtet. Die zulässige Überschreitung des Arbeitszeitkontos ist daher bis zu 40 Stunden (statt 20 Stunden) möglich. Bei Teilzeitbeschäftigten vermindert sich diese Stundenzahl entsprechend. In diesem Zusammenhang kann in den Ferienzeiten Freizeitausgleich zum Zwecke der Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen bis zu fünf Tagen im Monat (anstatt regulär bis zu zwei Tagen) nach Abstimmung mit der bzw. dem Vorgesetzten genommen werden. Dabei bleibt die bisherige Höchstgrenze von maximal 24 Freizeitausgleichstagen im Jahr unberührt. — Im Bereich von Performa Nord wurde die Inanspruchnahme von Freizeitausgleich in Abstimmung mit dem Vorgesetzten über die geregelten zwei Tage im Monat hinaus ermöglicht. 3. Wie werden Dienststellen und Gesellschaften, die Möglichkeiten flexibler Arbeitszeit- und ortgestaltung nutzen möchten, unterstützt, um bestehende Vorbehalte oder tatsächliche Probleme zu beseitigen? Neben den oben genannten Regelungen, in denen sich die Zielsetzung der Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort manifestiert und die damit schon als solche eine Unterstützung darstellen, bieten insbesondere die Angebote des zentralen Fortbildungsprogramms der Senatorin für Finanzen sowie Instrumente der Personalentwicklung praktische und normative Unterstützung. Bei der zeitlichen und inhaltlichen Gestaltung von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen werden die Belange von Teilzeitbeschäftigten in der Regel berücksichtigt . Mit dem Ziel der Sensibilisierung der Beschäftigten zur Vereinbarkeitsthematik werden im Rahmen des Fortbildungsprogramms der Senatorin für Finanzen, für alle Beschäftigten als auch speziell für Führungskräfte, eine Reihe von Veranstaltungen angeboten, z. B. zum Thema Pflege, Work-life-balance, Rückkehr aus der Beurlaubung, Chancen der Lebensmitte, Resilienz. Außerdem werden in regelmäßigen Abständen spezielle Angebote für die Zielgruppe der Männer sowie der Führungskräfte zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Fortbildungsprogramm angeboten. Um auf neue oder veränderte Arbeitsinhalte kompetent vorbereitet zu sein bzw. den Wiedereinstieg zu erleichtern, wird die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen auch während der Phasen der Beurlaubung von den Dienststellen generell unterstützt und gefördert. So werden die beurlaubten Beschäftigten von der Senatorin für Finanzen zeitgleich mit der Veröffentlichung des Fortbildungsprogramms über die neuen Angebote informiert. Neben der Fortbildung haben die Themen von Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Flexibilisierung im Rahmen der Personalentwicklung in unterschied- — 5 — lichen Handlungsfeldern ihren Platz. Zu nennen sind hier die Stellenausschreibungsrichtlinien , die Aufnahme des Gleichbehandlungsgrundsatzes in den Beurteilungsrichtlinien, die Aufnahme der Vereinbarkeitsthematik in Führungskräfteschulungen zur Beurteilungspraxis sowie die Aufnahme des Themas in den Themenkatalog zum Mitarbeiterinnen- bzw. Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräch. Im betrieblichen Gesundheitsmanagement hat das Thema einen festen Platz bei der Bestandsaufnahme sowohl bei der Betrachtung von Belastungen (Vereinbarkeitsprobleme ) als auch Ressourcen (flexible Gestaltungsmöglichkeiten). Darüber hinaus haben in der Vergangenheit und aktuell eine Reihe von Dienststellen an der Auditierung der Hertie-Stiftung „Beruf und Familie“ teilgenommen , die im Rahmen des Auditierungsprozesses verschiedenartige Unterstützung bietet, um Vorbehalte und organisationsspezifische Probleme aufzuspüren und zu beseitigen. „Ein wichtiger Baustein zur Unterstützung von Dienststellen und Beteiligungsgesellschaften stellt der gemeinnützige Verein Impulsgeber Zukunft e. V. dar. Er bietet seinen Mitgliedern und Interessenten eine Plattform des gemeinsamen Austausches zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier können sich alle über Praxiserfahrungen und Best-Practice-Beispiele austauschen und erhalten gleichzeitig hilfreiche Impulse für die Umsetzung. Mit seiner Öffentlichkeitsarbeit sensibilisiert der Verein zugleich für das wichtige Thema. Zu den Mitgliedern gehören z. B. die Universität Bremen, die Werkstatt Bremen und die Bremer Krankenhäuser.“ Dies alles sind Ansatzpunkte, um ein Umdenken zu fördern und der Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort einen festen Platz in der zukünftigen Arbeitsgestaltung des bremischen öffentlichen Dienstes einzuräumen. 4. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, den Geltungsbereich des Familienpflegezeitgesetzes auf Beamtinnen auszudehnen? a) Hält der Senat eine Regelung für Landesbeamtinnen für möglich? Mit dem Gesetz über die Familienpflegezeit (Familienpflegezeitgesetz – FPfZG) vom 6. Dezember 2011 (Bundesgesetzblatt I S. 2564) wird das Ziel verfolgt, die Vereinbarung von Beruf und familiärer Pflege zu verbessern (vergleiche § 1 FPfZG), indem Beschäftigten die Möglichkeit eingeräumt wird, zur Betreuung eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren die Arbeitszeit auf mindestens 15 Wochenstunden zu reduzieren (vergleiche § 2 FPfZG) und zugleich zum Arbeitsentgelt einen Aufstockungsbetrag zu erhalten, der dazu führt, dass während der Pflegezeit das durch die Arbeitsreduzierung sich ergebene Entgelt um 50 % erhöht wird (Beispiel: 50 % Arbeitszeit, 75 % Entgelt). Hierdurch werden einerseits finanzielle Einbußen während der Pflegezeit erheblich abgemildert; andererseits ist die oder der Beschäftigte verpflichtet, nach Ablauf der Pflegezeit („Nachpflegephase“) durch erhöhte Arbeitszeit und folglich Nacharbeit die erlangten Aufstockungsbeiträge und finanziellen Einbußen auszugleichen (Beispiel: 100 % Arbeitszeit, 75 % Entgelt), vergleiche § 3 FPfZG. Die Absicherung der Erstattung des Ausgleichsbetrages (im Falle der Berufsunfähigkeit oder des Todes der oder des Beschäftigten) wird durch eine Familienpflegezeitversicherung geregelt, zu deren Abschluss der oder die jeweilige Beschäftigte verpflichtet ist. Die gesetzliche Rentenversicherung zahlt für pflegende Angehörige unter bestimmten Voraussetzungen die Rentenversicherungsbeiträge. Bei der Beitragsberechnung wird maximal der Verdienst bis zur Höhe von 2 100 € monatlich zugrunde gelegt. Das FPfZG gilt nicht für Beamtinnen und Beamte. Eine entsprechende Regelung für diesen Personenkreis durch Änderungen bestehender beamtenrechtlicher Vorschriften ist grundsätzlich möglich. Die Bundesregierung beabsichtigt, im Bundesbeamtengesetz für die Bundesbeamtinnen und -beamten eine dem FPfZG entsprechende Regelung aufzunehmen. Nach dem Gesetzentwurf soll, wie im FPfZG, Beamtinnen und Beamten zur Betreuung pflegebedürftiger naher Angehöriger in häuslicher — 6 — Umgebung für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren Teilzeitbeschäftigung im Umfang von mindestens 15 Wochenstunden ermöglicht werden, es sei denn, dass dringende dienstliche Gründe dem entgegenstehen. Zur Abschwächung finanzieller Nachteile soll in der „Pflegephase“ zusätzlich zur Besoldung ein Vorschuss gezahlt werden. In der „Nachpflegephase“ in welcher der Vorschuss zurückzuzahlen ist (Verrechnung mit den Dienstbezügen oder Rückzahlung in einer Summe), muss die Beamtin bzw. der Beamte mit mindestens der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit Dienst leisten, in deren Umfang er bzw. sie vor der Pflegephase Dienst geleistet hat. Durch familienbedingte Teilzeit und Beurlaubungen entstehende Einkommenseinbußen während der Erwerbszeit, die sich nachteilig auf die Höhe der Versorgungsbezüge auswirken, sollen durch einen flexibleren Eintritt in den Ruhestand abgefedert werden. Dies soll durch die Möglichkeit, den Eintritt in den Ruhestand um bis zu drei Jahre hinauszuschieben (unter der Bedingung, dass die Arbeitszeit mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit beträgt), realisiert werden. Die Länder prüfen derzeit noch, ob eine entsprechende Regelung für Landesbeamtinnen und -beamte sinnvoll sein könnte. Überwiegend besteht die Auffassung, dass die bestehenden beamtenrechtlichen Regelungen für die Vereinbarung von Beruf und Familie als ausreichend zu betrachten sind. Der Senat wird jedoch die Erfahrungen des Bundes gemeinsam mit den anderen, insbesondere den norddeutschen, Ländern auswerten. b) Welche alternativen Möglichkeiten der Freistellung von Beamtinnen/ Beamten zum Zweck der Betreuung und Pflege von Angehörigen bietet das Beamtenrecht und welche Weiterentwicklung wäre hier aus Sicht des Senats gegebenenfalls sinnvoll? Derzeit gibt es folgende Regelungen: — Teilzeitbeschäftigung mit mindestens einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit oder Beurlaubung ohne Dienstbezüge zur Betreuung und Pflege von Kindern unter 18 Jahren und pflegebedürftigen Angehörigen (§ 62 Bremisches Beamtengesetz [BremBG]). — Teilzeitbeschäftigung in Form eines Sabbaticals (§ 61 Abs. 1 BremBG in Verbindung mit § 2 b Bremische Arbeitszeitverordnung). Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit, soweit dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Das Modell sieht eine Teilzeitbeschäftigung über vier bis sieben Jahre vor. Der Teil, um den die regelmäßige Arbeitszeit ermäßigt wird, kann zu einem zusammenhängenden Zeitraum von einem halben oder einem Jahr zusammengefasst werden, wobei das Freistellungs(halb)jahr frühestens im dritten Jahr genommen werden kann. — Urlaub unter Wegfall der Besoldung bis zur Dauer von sechs Monaten aus wichtigem Grund, soweit dienstliche Gründe dem nicht entgegenstehen (gemäß § 26 der Bremischen Urlaubsverordnung (BremUrlVO)). — Urlaub unter Wegfall der Besoldung bis zu einer Dauer von vier Wochen auf der Grundlage des § 26 BremUrlVO (Urlaub zur Flexibilisierung der Jahresarbeitszeit durch Sonderurlaub – sogenannter Flexi-Urlaub). Während dieser Zeit besteht der Anspruch auf Beihilfe weiter. — Urlaub unter Fortzahlung der Besoldung und ohne Anrechnung auf den Erholungsurlaub bei Erkrankung von Angehörigen, im Umfang von einem Kalendertag (§ 19 BremUrlVO). — Möglichkeit, den Eintritt in den Ruhestand um bis zu drei Jahre hinauszuschieben , um damit die durch familienbedingte Teilzeit und Beurlaubungen entstehende Einkommenseinbußen während der Erwerbszeit, die sich nachteilig auf die Höhe der Versorgungsbezüge auswirken, ausgleichen zu können (§ 35 Abs. 4 BremBG). Die zurzeit bestehenden beamtenrechtlichen Möglichkeiten sind aus Sicht des Senats grundsätzlich ausreichend, um Beamtinnen und Beamten die Betreuung und Pflege von Angehörigen zu ermöglichen. — 7 — Allerdings sieht der Senat Weiterentwicklungsmöglichkeiten bei der Ausgestaltung der Regelungen im Detail. Da Familien- und damit auch Pflegeaufgaben überwiegend von Frauen übernommen werden und die Einkommenseinbußen durch Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung daher eher die Beamtinnen treffen, sind alle Regelungen auch unter Gendergesichtspunkten kritisch zu würdigen. Der Senat wird deshalb in Abstimmung mit den anderen, insbesondere den norddeutschen, Ländern Ansätze für eine Weiterentwicklung dieser Regelungen prüfen. Druck: Anker-Druck Bremen