— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 849 Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 5. März 2013 Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen in Deutschland Wir fragen den Senat: 1. Wie viele Frauen und Mädchen mit Genitalverstümmelungen leben derzeit im Land Bremen, und wie viele Mädchen sind derzeit im Land Bremen von Genitalverstümmelungen bedroht? 2. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2008 bis 2012 jeweils wegen Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen im Land Bremen ermittelt bzw. mit welchem Ergebnis Anklage erhoben (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)? 3. In wie vielen Fällen ist es in den Jahren 2008 bis 2012 zum Entzug bzw. teilweisen Entzug (Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts) des Sorgerechts bei betroffenen Eltern in Bremen gekommen, um auf diese Weise zu verhindern, dass sie ihre Kinder einer Genitalverstümmelung zuführen? 4. Welche Beratungsangebote hält das Land Bremen vor, um von Genitalverstümmelung bedrohte Mädchen auf Hilfsangebote hinzuweisen und Aufklärungsarbeit zu betreiben (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? 5. Welche Aufklärungs- und Bildungsangebote, die auf die medizinischen und strafrechtlichen Folgen einer „Beschneidung“ hinweisen, bestehen in Bremen für Eltern von Mädchen, in deren Herkunftsländern üblicherweise Genitalverstümmelungen durchgeführt werden (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? 6. Wie und in welchen Sprachen werden Eltern und Mädchen gezielt auf diese Angebote aufmerksam gemacht und angesprochen (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? 7. Wie werden Ärzte, Krankenschwestern und Hebammen im Land Bremen auf den Umgang und die speziellen Bedürfnisse von Patientinnen mit Genitalverstümmelungen vorbereitet? 8. Hält der Senat die bestehenden präventiven Angebote gegen Genitalverstümmelung bzw. Strukturen zur medizinischen und psychischen Behandlung betroffener Frauen und Mädchen für angemessen, und wenn ja, warum? 9. Welche zusätzlichen Maßnahmen plant der Senat, um systematisch gegen Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen vorzugehen, Aufklärung zu betreiben und Fort- und Weiterbildungen für medizinisches Personal zu fördern? Elisabeth Motschmann, Dr. Thomas vom Bruch, Thomas Röwekamp und Fraktion der CDU D a z u Antwort des Senats vom 9. April 2013 1. Wie viele Frauen und Mädchen mit Genitalverstümmelungen leben derzeit im Land Bremen, und wie viele Mädchen sind derzeit im Land Bremen von Genitalverstümmelungen bedroht? Dem Senat sind keine validen Daten über die Anzahl der Frauen und Mädchen mit Genitalverstümmelungen, die im Land Bremen leben, bekannt. Kenntnis — 2 — darüber kommt eher zufällig zustande, wie aktuell im Fall von zwei minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen. In einem von der Bremer Ärztekammer und der ZGF einberufenen Fachaustausch am 18. Juli 2012 zum Thema „Genitalverstümmelung“, an dem Vertreterinnen /Vertreter des Gesundheitsressorts, des Landesverbandes der Frauenärzte , intact e. V. und Terre des Femmes, Vertreterinnen/Vertreter von Medinetz und pro familia teilnahmen, wurde übereinstimmend berichtet, dass es in ihrem Arbeitsfeld bisher nur sehr selten Kontakte oder Anfragen von Frauen mit Genitalverstümmelung gibt. Zum gleichen Ergebnis kommt die ZGF nach einer Befragung von weiteren Bremer Beratungsstellen. Einschätzung des Fachaustausches war es zudem, dass vermutet wird, in Bremen leben sehr viel weniger Familien /Frauen aus den Ländern, in denen Genitalverstümmelung praktiziert wird, als z. B. in Hamburg. Gleichzeitig gibt es aber auch wenig Zugang zu diesen Communities. 2. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2008 bis 2012 jeweils wegen Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen im Land Bremen ermittelt bzw. mit welchem Ergebnis Anklage erhoben (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)? In den Jahren 2008 bis 2012 wurden bei den Polizeien in Bremen und Bremerhaven keine Ermittlungen wegen Genitalverstümmelungen bei Mädchen und Frauen geführt. 3. In wie vielen Fällen ist es in den Jahren 2008 bis 2012 zum Entzug bzw. teilweisen Entzug (Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts) des Sorgerechts bei betroffenen Eltern in Bremen gekommen, um auf diese Weise zu verhindern, dass sie ihre Kinder einer Genitalverstümmelung zuführen? Weder in Bremen noch in Bremerhaven sind Fälle bekannt, bei denen der Entzug bzw. teilweise Entzug des Sorgerechts vorgenommen wurde, um eine Genitalverstümmelung zu verhindern. 4. Welche Beratungsangebote hält das Land Bremen vor, um von Genitalverstümmelung bedrohte Mädchen auf Hilfsangebote hinzuweisen und Aufklärungsarbeit zu betreiben (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Dem Senat sind keine speziellen Aufklärungs- oder präventiven Angebote im Sozial-, Bildungs- oder Migrationsbereich bekannt. Der oben genannte Fachaustausch hatte zum Ergebnis, dass der Berufsverband der Frauenärztinnen eine Befragung der Bremer Gynäkologinnen durchführte, um zu ermitteln, ob diese bisher mit dem Thema Genitalverstümmelung konfrontiert wurden. 30 gynäkologische Praxen bestätigten, dass es kaum Erfahrungen mit dem Thema Genitalverstümmelung in der Berufsgruppe gibt. Einige der Gynäkologinnen und Gynäkologen erklärten sich daraufhin bereit, als Ansprechpartnerin /Ansprechpartner für betroffene Frauen zu fungieren. Es soll daher eine Liste von gynäkologischen Praxen erstellt und an alle Verbände und Beratungsstellen in Bremen verteilt werden, die möglicherweise mit der Zielgruppe Kontakt haben. Die Bremer Gruppe von Terre des Femmes hat in Kooperation mit der ZGF u. a. im Februar 2013 eine Ausstellung in der Bremer Stadtbibliothek und eine begleitende Veranstaltungsreihe zum Thema Genitalverstümmelung durchgeführt. In Bremen arbeiten die Ortsgruppen von Terre des Femmes und Intact e. V. zu diesem Themenbereich und stellen Informationsmaterial zur Verfügung. 5. Welche Aufklärungs- und Bildungsangebote, die auf die medizinischen und strafrechtlichen Folgen einer „Beschneidung“ hinweisen, bestehen in Bremen für Eltern von Mädchen, in deren Herkunftsländern üblicherweise Genitalverstümmelungen durchgeführt werden (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Siehe Antwort zu Frage 4. Im Rahmen fächerübergreifender Unterrichtsinhalte werden darüber hinaus Lehrkräfte in Bremen auch den Bereich Genitalverstümmelung in geeigneter Weise thematisieren. — 3 — 6. Wie und in welchen Sprachen werden Eltern und Mädchen gezielt auf diese Angebote aufmerksam gemacht und angesprochen (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Eine gezielte Ansprache von Eltern und Mädchen erfolgt bisher nicht. 7. Wie werden Ärzte, Krankenschwestern und Hebammen im Land Bremen auf den Umgang und die speziellen Bedürfnisse von Patientinnen mit Genitalverstümmelungen vorbereitet? Dem Senat ist bekannt, dass innerhalb der Hebammenausbildung das Thema Genitalverstümmelung im Rahmen des Ethikunterrichts und der Krankheitslehre behandelt wird. Zudem besuchte die Bremerhavener Hebammenschule die Bremer Veranstaltungsreihe von Terre de Femmes und der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau. Fortbildungsveranstaltungen für Ärztinnen und Ärzte wurden in den letzten Jahren einmal durch eine Bremer Gynäkologin angeboten. 8. Hält der Senat die bestehenden präventiven Angebote gegen Genitalverstümmelung bzw. Strukturen zur medizinischen und psychischen Behandlung betroffener Frauen und Mädchen für angemessen, und wenn ja, warum? Der Senat geht aufgrund des derzeitigen Informationsstandes davon aus, dass die Öffentlichkeitsarbeit von Terre de Femmes und Intact e. V. sowie das zukünftige Vorhalten von einigen gynäkologischen Arztpraxen, die speziell Mädchen und Frauen mit einer Genitalverstümmelung behandeln wollen, den Bedarf abdecken können. 9. Welche zusätzlichen Maßnahmen plant der Senat, um systematisch gegen Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen vorzugehen, Aufklärung zu betreiben und Fort- und Weiterbildungen für medizinisches Personal zu fördern? Es sind zurzeit keine zusätzlichen Maßnahmen geplant. Falls sich neue Erkenntnisse aus den bestehenden Netzwerken und Fachaustauschen ergeben, die neue oder erweiterte Maßnahmen zur Aufklärung und/oder Fort- und Weiterbildungen nahelegen, werden Beratungen in den zuständigen Fachgremien eingeleitet. Druck: Anker-Druck Bremen