— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 88 Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 20. September 2011 Nahrungsmittel aus artgerechter Tierhaltung in Einrichtungen des Landes Bremen Das Thema Fleisch sowie Eier und Molkereiprodukte aus Massentierhaltung ist buchstäblich und im übertragenen Sinne in aller Munde. Buchstäblich, weil die Nachfrage nach billigen Lebensmitteln – und damit auch nach solchen aus Massentierhaltung – weiterhin ungebrochen ist. Im übertragenen Sinne, weil – nicht zuletzt durch erschreckende Medienberichte – inzwischen weithin über das Leid der Tiere und den brutalen Umgang mit ihnen diskutiert wird. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können durch ihre Marktmacht ein Umsteuern hin zu einer anderen Nahrungsmittelproduktion bewirken. Bremen als Großverbraucherin mit vielen Kantinen, Mensen und Cafeterien in öffentlichen Einrichtungen kann mit gutem Beispiel vorangehen und durch einen verantwortungsvollen und gezielten Einkauf von Fleisch und anderen Produkten aus artgerechter Haltung helfen, eine Ernährungswende zu beschleunigen. Wir fragen den Senat: 1. Welche Kenntnisse hat der Senat über öffentliche Einrichtungen, die bei ihrem Essensangebot bereits grundsätzlich Produkte aus artgerechter Haltung anbieten ? 2. Wie schätzt der Senat das zahlenmäßige Verhältnis solcher Einrichtungen zu jenen, die weiterhin Produkte aus Massentierhaltung anbieten, ein? 3. Welche Kenntnisse hat der Senat über die Herkunft von Produkten aus Massentierhaltung , die in öffentlichen Einrichtungen des Landes Bremen angeboten werden? 4. Welche Pläne verfolgt der Senat, kurzfristig den Bezug von Produkten aus Massentierhaltung in öffentlichen Einrichtungen zu senken und langfristig vollständig auf Produkte aus artgerechter Haltung umzustellen? Linda Neddermann, Jan Saffe, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen D a z u Antwort des Senats vom 1. November 2011 Die Problematik der Haltung von Nutztieren findet in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend Beachtung. Diese wird geprägt von Berichten über Beispiele von zum Teil untragbaren Zuständen in einzelnen Nutztierhaltungen mit großen Tierzahlen. Gleichwohl gibt es weder im europäischen noch im nationalen Recht einschlägige Definitionen für den Begriff „Massentierhaltung“ und auch keine Vorgabe einer maximalen Tierzahl. Darüber hinaus zeigen die amtlichen Kontrollen, dass die Größe einer Nutztierhaltung nicht automatisch proportional mit einer Verschlechterung der Tierhaltungsbedingungen zu verstehen ist. Sämtliche Tierhaltungen in Deutschland unterliegen der amtlichen Kontrolle. Dies geschieht nach den allgemeinen Vor- — 2 — gaben des Tierschutzgesetzes und den speziellen Vorschriften der Tierschutznutztierhaltungsverordnung mit speziellen Vorgaben für die Haltung von Kälbern, Schweinen , Legehennen, Masthühnern und Pelztieren. Da sich erfahrungsgemäß nicht aus der Anzahl der jeweils gehaltenen Tiere, sondern nur durch Kontrollen vor Ort zuverlässige Rückschlüsse auf die Qualität der Tierhaltung ziehen lassen, kann der Begriff der Massentierhaltung nicht ohne weitere Differenzierung im Zusammenhang mit dem Leid von Tieren und brutalem Umgang mit ihnen verwendet werden. 1. Welche Kenntnisse hat der Senat über öffentliche Einrichtungen, die bei ihrem Essensangebot bereits grundsätzlich Produkte aus artgerechter Haltung anbieten ? Öffentliche Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung finden sich in allen Bereichen der bremischen Verwaltung sowohl in Dienststellen als auch in nachbzw . zugeordneten Einrichtungen. Eine zentrale Erfassung der Herkunft der verwendeten Produkte der Anbieter gibt es nicht. Insofern liegen zu der Fragestellung keine Erkenntnisse vor, die kurzfristig zur Verfügung gestellt werden können . Eine umfassende Abfrage ist aufgrund der Vielzahl der angesprochenen Einrichtungen zeitnah nicht durchzuführen. Für den Bereich der Kindertagesbetreuung orientiert sich die Ernährung im kommunalen Eigenbetrieb KiTa Bremen an den anerkannten wissenschaftlichen Regeln der sogenannten optimierten Mischkost, die unter anderem vorsehen, nur mäßig tierische und sparsam fett- und zuckerreiche Lebensmittel zu verwenden . Für die Auswahl, Qualität und Herkunft der Lebensmittel gelten festgelegte Regeln, die u. a. vorsehen, mindestens 10 % des jährlichen Lebensmittelbudgets für Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft auszugeben. Für den Bereich der Schulverpflegung, dem im Zuge der Entwicklung hin zu einer Ausweitung der Lern- und Betreuungszeit eine große Bedeutung zukommt, besteht ein höherer Steuerungs- und Beratungsbedarf. Auf diesem Gebiet betreiben die Stadtgemeinden als Schulträger allerdings selber keine eigenen Verpflegungseinrichtungen . Seitens der Bildungsbehörde werden im Zusammenhang mit der Vergabe an Ganztagsschulen u. a. folgende Leistungen erwartet: — gesunde Mischkost ohne Schweinefleisch, die den Qualitätsstandards der Schulverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) entspricht ; — Bereitschaft zur Teilnahme an Maßnahmen der Qualitätsentwicklung, insbesondere unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Vernetzungsstelle Schulverpflegung im Land Bremen. Diese Handlungsorientierungen konvergieren in der Anforderung, den Fleischanteil sehr deutlich zu reduzieren und den Anteil an frisch fertig gestellten Speisen mit einem hohen Gemüse- und Frischkostanteil zu maximieren. Die Frage nach artgerechter Haltung von Schlachttieren hat gerade im Kontext der Schulverpflegung eine unbestritten wichtige Bedeutung. Die aktuelle Entwicklung der Schulverpflegung geht allerdings dahin, den Fleischkonsum insgesamt zu reduzieren. So entsteht in einem zweiten Schritt Spielraum für weitergehende Anforderungen, z. B. das Angebot von Produkten mit „BIO“-Siegeln zu erweitern . Der Vernetzungsstelle Schulverpflegung im Land Bremen kommt dabei die Aufgabe zu, alle Akteure entsprechend zu beraten und gegebenenfalls zu begleiten . Bei diesem Projekt handelt es sich um ein von Bund und Ländern gemeinsam umgesetztes Projekt. Im Bereich der Hochschulen versucht das Studentenwerk als Betreiber von Mensen und Cafeterien grundsätzlich, bei der Auswahl und beim Einsatz der verwendeten Produkte die Nachhaltigkeit durch regionalen Einkauf und den Einsatz von biologischer Ware zu fördern. Der Einsatz von Lebensmitteln aus artgerechter Tierhaltung spielt dabei eine zentrale Rolle. So wird angestrebt, im Rahmen des gesetzlichen Auftrags, den Studierenden in diesem Sinne eine Versorgung mit einem optimalen Preis-/Leistungsverhältnis anzubieten und nach Maßgabe der Marktbedingungen die Verwendung solcher Produkte weiter auszubauen . — 3 — Druck: Anker-Druck Bremen 2. Wie schätzt der Senat das zahlenmäßige Verhältnis solcher Einrichtungen zu jenen, die weiterhin Produkte aus Massentierhaltung anbieten, ein? Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, werden über die Herkunft der verwendeten Produkte keine Aufzeichnungen geführt. Demzufolge liegen dem Senat keine Zahlen vor. Die Qualitätsstandards im Bereich der Schulverpflegung sind flächendeckend im Land Bremen bekannt gemacht worden, sodass man davon ausgehen kann, dass 100 % der Verpfleger diese Standards kennen und umsetzen. 3. Welche Kenntnisse hat der Senat über die Herkunft von Produkten aus Massentierhaltung , die in öffentlichen Einrichtungen des Landes Bremen angeboten werden? Auch hierzu liegen dem Senat keine belastbaren Kenntnisse vor, weil hierüber keine Dokumentation geführt wird. Hinsichtlich der Kennzeichnung von Fleischund Milcherzeugnissen bestehen darüber hinaus keine gesetzlichen Verpflichtungen zur Angabe der Haltungsform der Tiere des landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebs . Entsprechende Regelungen gibt es lediglich für Eier. Ansonsten erfolgen die Angaben zur Tierhaltung auf freiwilliger Basis oder aufgrund der eingegangenen Selbstverpflichtung zu einer kontrollierten und artgerechten Tierhaltung , wie sie beispielsweise von „Bioland“, „Demeter“ oder „Naturland“ praktiziert werden. 4. Welche Pläne verfolgt der Senat, kurzfristig den Bezug von Produkten aus Massentierhaltung in öffentlichen Einrichtungen zu senken, und langfristig vollständig auf Produkte aus artgerechter Haltung umzustellen? Es wird geprüft, ob der Aspekt der Herkunft von Lebensmitteln tierischen Ursprungs künftig im Rahmen der Ausschreibungsverfahren für die Vergabe von Aufträgen zur Gemeinschaftsverpflegung verstärkt Berücksichtigung finden kann, um die Sensibilität für Nutztierhaltungen im Allgemeinen und die Ausrichtung auf bestimmte Einkaufsmöglichkeiten zu stärken.