— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 920 Kleine Anfrage der Fraktion SPD vom 16. April 2013 Umsetzung von Gender-Budgeting für Zuwendungen Die Haushalts- und Finanzpolitik ist der entscheidende finanzielle Ansatzpunkt für die Strategie des Gender-Mainstreamings, die in der EU für sämtliches Verwaltungshandeln verbindlich ist. Gender-Mainstreaming verfolgt das Ziel, die gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen und Männern bei allen Entscheidungen und Prozessen öffentlichen Handelns konkret zu berücksichtigen. Um die Zielsetzung der Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, ist es mit Blick auf die Haushalts- und Finanzpolitik notwendig, öffentlich finanzierte Programme, Angebote und Fördermaßnahmen auf ihre geschlechtsspezifische Wirkung hin zu untersuchen und die Mittelvergabe entsprechend anzupassen. Diese Dimension der Mittelvergabe wird unter dem Begriff des Gender-Budgeting zusammengefasst, den der Europarat wie folgt definiert: „Gender-Budgeting ist eine Anwendung von Gender-Mainstreaming im Haushaltsprozess. Es beinhaltet eine geschlechtsbasierte Bestandsaufnahme der Haushalte, die eine Genderperspektive auf allen Ebenen des Haushaltsprozesses einschließt und die Einnahmen und Ausgaben umverteilt, um die Geschlechtergleichstellung zu fördern.“ Gender-Budgeting beschränkt sich somit nicht nur auf die Analyse von Haushaltensentscheidungen, sondern nimmt auch Einfluss auf die Haushaltsplanungen, um bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern zu beseitigen und damit zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beizutragen. Basis für die Umsetzung dieser Grundsätze innerhalb der bremischen Verwaltung einschließlich der institutionellen Zuwendungen ist der am 18. November 2009 vom Senat beschlossene Leitfaden zum Gender-Budgeting, dessen Vorgaben mit Beschluss vom 21. September 2010 auf den Bereich der Projektförderungen ausgedehnt wurden . Alle Verwaltungen im Land Bremen sind damit verpflichtet, Zuwendungen auf ihre Geschlechtergerechtigkeit hin zu prüfen und zu gestalten. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie bewertet der Senat die Umsetzung von Gender-Budgeting in der Verwaltung des Landes Bremen, insbesondere bezogen auf a) die Einbeziehung der verschiedenen Ressorts, b) die genderrelevanten Veränderungen von Finanzmitteln, c) gegebenenfalls noch bestehende Probleme und d) erreichte Fortschritte in der Realisierung von Geschlechtergerechtigkeit? 2. Welche Auswirkungen hat die 2010 beschlossene Anwendung des Leitfadens zum Gender-Budgeting auf den Bereich der Zuwendungen a) hinsichtlich Art und Umfang von Förderungen, b) bezogen auf die Struktur der Zuwendungsempfänger und -zwecke sowie c) mit Blick auf die Realisierung von mehr Geschlechtergerechtigkeit? 3. Welche Auswirkungen hat die Anwendung von Gender-Budgeting bei Zuwendungsvergaben auf die Förderrichtlinien, und wo besteht in dieser Hinsicht Nachholbedarf ? — 2 — 4. Werden die Prinzipien des Gender-Budgeting aktuell von allen zuwendungsgebenden Stellen berücksichtigt, und wo sieht der Senat gegebenenfalls Verbesserungsbedarf ? 5. Welche konkreten Schritte plant der Senat, um die bei der beschlossenen Umsetzung von Gender-Budgeting in der bremischen Verwaltung und insbesondere bei der Zuwendungsvergabe noch bestehenden Probleme möglichst bald zu beheben? 6. Beabsichtigt der Senat die Anwendung von Gender-Budgeting bei der Vergabe von Zuwendungen künftig a) im Zuwendungsbericht zu dokumentieren, b) die Zielerreichung zu evaluieren und c) den im vierten Fortschrittsbericht zum Gender-Mainstreaming für 2012 angekündigten Bericht zeitnah zu veröffentlichen? Sybille Böschen, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD D a z u Antwort des Senats vom 22. Mai 2013 Vorbemerkung Gender-Budgeting, d. h. die geschlechtergerechte Verwendung öffentlicher Mittel, ist ein fester Bestandteil der bremischen Haushaltspolitik. Dies gilt auch für den Bereich der Zuwendungen. Der erhebliche Umfang der Zuwendungen – das Gesamtvolumen aller haushaltsfinanzierten Zuwendungen betrug im Jahr 2011 insgesamt 285 Mio. ‡ – macht es erforderlich, auch den Zuwendungsbereich unter Genderaspekten zu betrachten. Der Senat hatte deshalb am 21. September 2010 beschlossen, das Regelwerk zu Gender-Budgeting im institutionellen Zuwendungsbereich auf die Projektförderungen auszudehnen. Die Ressorts werden darüber hinaus im Zusammenhang mit den Eckwertbeschlüssen des Senats aufgefordert, Gender-Budgeting bereits bei der Haushaltsaufstellung einzuhalten . Zu diesem Zweck sollen die Ressorts analysieren, wie Budgetentscheidungen wirken und ob sie der Gleichstellung dienen oder diese behindern. Die Umsetzung der Gender-Budgeting-Vorgaben innerhalb der bremischen Verwaltung und bei der Gewährung von Zuwendungen obliegt den einzelnen Ressorts und kann nur dezentral erfolgen. Gender-Budgeting ist ein stetiger Prozess. Die bei der Haushaltsaufstellung beteiligten Fachdeputationen und parlamentarischen Ausschüsse können im Rahmen ihrer Tätigkeiten diesen Prozess unterstützen. 1. Wie bewertet der Senat die Umsetzung von Gender-Budgeting in der Verwaltung des Landes Bremen, insbesondere bezogen auf a) die Einbeziehung der verschiedenen Ressorts, b) die genderrelevanten Veränderungen von Finanzmitteln, c) gegebenenfalls noch bestehende Probleme und d) erreichte Fortschritte in der Realisierung von Geschlechtergerechtigkeit? Da die Beantwortung der Fragen 1 a) bis d) ineinander greift, werden die Fragen zusammen beantwortet. Der Senat setzt die geschlechtergerechte Analyse der öffentlichen Haushalte sukzessive um. Die Mittelvergabe erfolgt in Teilen bereits nach den Vorgaben zum Gender-Budgeting. In Bereichen, die durch die Wahrnehmung hoheitsbedingter Aufgaben geprägt und die Steuerungsmöglichkeiten damit eingeschränkt sind, werden die ver- — 3 — bleibenden Spielräume – insbesondere bei der Zuwendungsvergabe (siehe Antwort zu Frage 2) – nach und nach genutzt. Obwohl die Verwaltung aufgrund von Ressourceneinsparungen und damit einhergehenden Neuordnung von Aufgaben große Herausforderungen zu bewältigen hat, ist es gelungen, die Genderperspektive in die Entscheidungsabläufe zu implementieren. Um im Rahmen des Produktgruppencontrollings über „genderrelevante Veränderungen “ berichten zu können, müssen hierfür konkrete Ziele definiert und mit Hilfe von Kennzahlen messbar gemacht werden. Im aktuellen Haushaltsaufstellungsverfahren besteht nach Nummer 2.2 der Richtlinien zur Aufstellung der Haushalte die Bitte, bei der Ermittlung der Haushaltsansätze sowie bei der Beschreibung von Zielen und der Bildung von Kennzahlen im Produktgruppenhaushalt geschlechterspezifische Aspekte zu berücksichtigen. 2. Welche Auswirkungen hat die 2010 beschlossene Anwendung des Leitfadens zum Gender-Budgeting auf den Bereich der Zuwendungen a) hinsichtlich Art und Umfang von Förderungen, b) bezogen auf die Struktur der Zuwendungsempfänger und -zwecke sowie c) mit Blick auf die Realisierung von mehr Geschlechtergerechtigkeit? Da die Beantwortung der Fragen 2 a) bis c) ineinander greift, werden die Fragen zusammen beantwortet. Der Senat hat am 21. September 2010 den Beschluss gefasst, den Leitfaden zur Umsetzung von Gender Budgeting über den institutionellen Bereich hinaus (Beschluss des Senats vom 17. November 2009) auch für Projektförderungen anzuwenden . Gemäß dem Leitfaden ist Gender-Budgeting in das gesamte Zuwendungsverfahren (von der Antragsstellung bis zur Verwendungsnachweisprüfung) zu integrieren und auf Basis der vom Zuwendungsempfänger vorgelegten Daten eine Bestandsanalyse vorzunehmen. Die Durchführung der Datenerhebung ist erforderlich, wenn es sich nicht um eine gezielte Fördermaßnahme für ein Geschlecht handelt. Nach den Rückmeldungen der Ressorts wird der Leitfaden zur Umsetzung von Gender-Budgeting im Zuwendungswesen (institutionelle Förderungen und Projektförderungen ) sukzessive in den Zuwendungsbereich implementiert. Das Regelwerk findet für Projektförderungen aufgrund des Beschlusses des Senats vom 21. September 2010 erst für die Förderperiode ab 2011 Anwendung. Die Zuwendungsnehmer werden bereits mit der Antragstellung auf die Beachtung von genderspezifischen Anforderungen aufmerksam gemacht und berücksichtigen diese im Rahmen ihrer Strukturen. Der Leitfaden schafft damit auf Zuwendungsnehmer und Zuwendungsgeberseite mehr Bewusstsein für einen geschlechtergerechten Mitteleinsatz. Die Erreichung der im Zuwendungsbescheid vorgegebenen Ziele wird im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfungen bzw. Erfolgskontrolle geprüft. Für einzelne Bereiche werden zwar bereits Daten und Statistiken erhoben. Eine systematische Datenanalyse für den gesamten Zuwendungsbereich ist jedoch mangels flächendeckender Datenerhebung nicht möglich. 3. Welche Auswirkungen hat die Anwendung von Gender-Budgeting bei Zuwendungsvergaben auf die Förderrichtlinien, und wo besteht in dieser Hinsicht Nachholbedarf ? Für die im Aufbau befindliche Zuwendungsdatenbank ZEBRA Bremen ist geplant , einen Bereich für die Erhebung von Gender-Budgeting relevanten Daten ressortübergreifend bereitzustellen, aus dem heraus Daten und Statistiken zur Auswertung, Analyse und Berichtswesen generiert und zur Verfügung gestellt werden können. Nach den sehr arbeitsintensiven Analysen der Datenerhebungen muss in Abstimmung mit den zuständigen Gremien entschieden werden, ob ein Änderungsbedarf in den Zielsetzungen der Zuwendung oder sogar in Förderichtlinien erforderlich ist. — 4 — Um die regelmäßige Evaluierung der Förderrichtlinien weitergehend zu optimieren , wird im Rahmen der Überarbeitung der Verwaltungsvorschriften zu § 44 Landeshaushaltsordnung, vergleichbar der Regelungen in anderen Bundesländern , eine generelle Befristung von Förderrichtlinien geprüft (vergleiche hierzu auch Antwort zu Frage 6 b]). 4. Werden die Prinzipien des Gender-Budgeting aktuell von allen zuwendungsgebenden Stellen berücksichtigt, und wo sieht der Senat gegebenenfalls Verbesserungsbedarf ? In welchem Umfang die Prinzipien des Gender-Budgeting von den zuwendungsgebenden Stellen berücksichtigt werden, ergibt sich aus der Beantwortung der Frage 2. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 3 verwiesen. 5. Welche konkreten Schritte plant der Senat, um die bei der beschlossenen Umsetzung von Gender-Budgeting in der bremischen Verwaltung und insbesondere bei der Zuwendungsvergabe noch bestehenden Probleme möglichst bald zu beheben ? Auf die Beachtung des „Leitfadens zur Umsetzung von Gender-Budgeting im Zuwendungswesen (institutionelle Förderungen und Projektförderungen)“ wird in den Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der Haushalte und im Rahmen der jährlichen Berichterstattung über die Zuwendungen hingewiesen. Darüber hinaus besteht im aktuellen Haushaltsaufstellungsverfahren nach Nummer 2.2 der Richtlinien zur Aufstellung der Haushalte die Bitte, bei der Ermittlung der Haushaltsansätze sowie bei der Beschreibung von Zielen und der Bildung von Kennzahlen im Produktgruppenhaushalt geschlechterspezifische Aspekte zu berücksichtigen. Die Zielsetzung und Folgen einer fachpolitischen und haushaltsfinanzierten Maßnahme ist daraufhin zu untersuchen, ob sie die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten von Männern und Frauen berücksichtigen. Ziele und Folgen sind geschlechterdifferenziert und gleichstellungsorientiert darzustellen . Soweit im Haushaltsvollzug Veränderungen gegenüber dem Haushaltsplan vorgenommen werden, ist gemäß den Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der Haushalte in allen geeigneten Fällen auf die Aspekte des Gender-Budgeting einzugehen. In Bezug auf die weitergehende Optimierungen der systematischen Datenanalyse und der Evaluierung von Förderrichtlinien wird auf die Ausführungen zu Ziffer 3 verwiesen. 6. Beabsichtigt der Senat, die Anwendung von Gender-Budgeting bei der Vergabe von Zuwendungen künftig a) im Zuwendungsbericht zu dokumentieren, b) die Zielerreichung zu evaluieren und c) den im vierten Fortschrittsbericht zum Gender-Mainstreaming für 2012 angekündigten Bericht zeitnah zu veröffentlichen? a) Im Rahmen des jährlichen Zuwendungsberichts werden nach einheitlichen Kriterien Daten zu den Förderungen des jeweiligen Jahres aufbereitet. Die Berichtsstruktur hat sich seit dem erstmaligen Erstellen kontinuierlich weiterentwickelt . Im Zuwendungsbericht 2010 wurden erstmals alle Förderungen , also auch die Projektförderungen unter 5 000 ‡ im Einzelfall dargestellt . Eine inhaltliche Analyse der gewährten Zuwendungen – u. a. im Hinblick auf die Anwendung von Gender-Budgeting – würde den Rahmen des Zuwendungsberichtes überschreiten. Im Übrigen würde sich die Bearbeitungszeit deutlich verlängern. Unabhängig davon kann – gegebenenfalls auch im Rahmen des Produktgruppencontrollings – nur über die „Fortschritte des Gender-Budgeting“ berichtet werden, wenn hierfür klare (konkrete) Ziele definiert und mit Hilfe von Kennzahlen messbar gemacht werden. — 5 — b) Nach dem „Leitfaden zur Umsetzung von Gender Budgeting im Zuwendungswesen (institutionelle Förderungen und Projektförderungen)“ in Verbindung mit den Verwaltungsvorschriften zu § 44 Landeshaushaltsordnung ist die Erreichung der im Zuwendungsbescheid vorgegebenen Ziele im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfungen bzw. Erfolgskontrolle zu prüfen . Eine weitergehende Evaluation findet zurzeit nicht statt (siehe Antwort zu Frage 3). Daneben wird im Rahmen der Überarbeitung der Verwaltungsvorschriften zu § 44 Landeshaushaltsordnung eine generelle Befristung von Förderrichtlinien geprüft (siehe Antwort zu Frage 3). c) Der vierte Fortschrittbericht zur Umsetzung von Gender-Mainstreaming in der bremischen Verwaltung wird derzeit von der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe erstellt. Eine Beschlussfassung im Senat wird in den nächsten Monaten erfolgen, nachdem noch ausstehende Ergänzungen einzelner Ressorts eingegangen sind und die Ressortabstimmung abgeschlossen ist. Druck: Anker-Druck Bremen