BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/1093 Landtag (zu Drs. 19/1028) 19. Wahlperiode 06.06.17 Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Anpassung der Mittelweser nicht aus den Augen verlieren! Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Mitteilung des Senats an die Bremische Bürgerschaft (Landtag) vom 6. Juni 2017 „Anpassung der Mittelweser nicht aus den Augen verlieren!“ (Große Anfrage der Fraktion vom 25.04.2017) Die Fraktion der CDU hat folgende Große Anfrage an den Senat gerichtet: „Der bedarfsgerechte Ausbau der Mittelweser liegt im bremischen Interesse. Für die bremischen Häfen und die dort ansässigen verladenden Unternehmen ist eine stärkere Integration der Binnenschifffahrt in die Logistikketten von großer Bedeutung. Auch unter verkehrlichen und ökologischen Gesichtspunkten ist eine Verlagerung von Gütertransporten auf die Binnenschifffahrt sinnvoll. Im März 2017 haben 25 Unternehmen und 10 Verbände unter Federführung des Wirtschaftsverbands Weser e.V. eine gemeinsame Stellungnahme zum Mittelweserausbau veröffentlicht. Darin fordern sie eine zeitnahe Realisierung der gemäß Verwaltungsabkommen zwischen dem Bund und dem Land Bremen noch ausstehenden und planfestgestellten Baumaßnahmen. Dazu zählen insbesondere die Umsetzung von neun ursprünglich geplanten Uferrückverlegungen sowie die Engpassbeseitigung im südlichen Abschnitt der Mittelweser. Durch den vom Bundesverkehrsministerium geplanten Verzicht auf diese planfestgestellten Baumaßnahmen müssten für Großmotorgüterschiffe (GMS; Länge: 110 m) auf einer Länge von insgesamt fast 50 km (ca. 36 Prozent) des Schifffahrtweges Begegnungsverbote angeordnet werden. In den Verwaltungsabkommen zwischen dem Bund und dem Land Bremen aus den Jahren 1987 und 1997 wurden die Begegnungseinschränkungen für das GMS aber auf 24 Prozent der Strecke begrenzt. Für beladene Europa-Schiffe (Länge: 85 m; Abladetiefe: 2,5 m) sollen nun auf einer Strecke von mind. 16 km Begegnungsverbote gelten; ursprünglich war ein uneingeschränkter Begegnungsverkehr für Europa- Schiffe vorgesehen. Das Bundesverkehrsministerium plant, diese Einschränkungen durch Nachtfahrten und einen 24 Stundenbetrieb der Schleusen zu kompensieren. Wir fragen den Senat: 1. Inwiefern wird sich die Ankündigung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, neun planfestgestellte Uferrückverlegungen an der Mittelweser nicht mehr auszuführen, auf den Ausbau der Mittelweser auswirken? Inwiefern ist der Senat der Auffassung, dass mit dieser „Basisvariante“ ein wirtschaftlicher Verkehr mit Europa-Schiffen und GMS möglich sein wird? 2. Wie beurteilt der Senat die Tatsache, dass es nur an der Mittelweser auf langen Strecken Einbahnverkehre geben soll, während es auf den Wasserstraßen Elbe-Seiten-Kanal, Mittelland-Kanal, Dortmund-Ems-Kanal sowie den weiteren bedeutenden Binnenwasserstraßen in Deutschland vergleichbare Einbahnstrecken nicht gibt? 3. Wie bewertet der Senat die praktische Umsetzbarkeit von Nachtfahrten und Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 Nachtschleusungen auf der Mittelweser unter betriebswirtschaftlichen, nautischen und Sicherheitsgesichtspunkten? 4. Wie bewertet der Senat die Aussagen betroffener Reedereien, Speditionen und Umschlagunternehmen in der gemeinsamen Stellungnahme vom März 2017 (veröffentlicht vom Wirtschaftsverband Weser e.V.), dass es aufgrund der geplanten Beschränkungen beim Schiffsverkehr auf der Mittelweser aus betriebswirtschaftlichen und logistischen Gründen nicht möglich ist, Großmotorgüterschiffe auf der Mittelweser einzusetzen? Inwiefern sieht der Senat das beabsichtigte Ziel der Ausbaumaßnahme in diesem Fall als erreicht an? 5. Wie hoch sind die Mittel, die der Bund und das Land Bremen bislang in den Ausbau der Mittelweser investiert haben? Wie hoch wären die Kosten für den Bund und für das Land Bremen für die vom Wirtschaftsverband Weser e.V. geforderten zusätzlichen Ausbaumaßnahmen zur Erreichung des ursprünglichen Ausbauziels laut Verwaltungsvereinbarung? 6. Wie hoch ist aktuell der Zahlungsrückstand Bremens gegenüber dem mit dem Bund vereinbarten Finanzierungsanteil von einem Drittel der bisher getätigten Investitionen? Bis wann plant der Senat, diesen Zahlungsrückstand abzubauen? 7. Wie ist der Stand der Verhandlungen über das Angebot des Bundes, auf die noch ausstehenden Zahlungen Bremens zu verzichten, wenn Bremen im Gegenzug die Unterhaltungsmaßnahmen an den Nebenflüssen der Weser übernimmt? Wie hoch schätzt der Senat die jährlichen Kosten dieser Unterhaltungsmaßnahmen? 8. Welche Ziele und welche Strategie verfolgt der Senat im Hinblick auf den Umfang und den Zeitplan für den weiteren Ausbau der Mittelweser?“ Der Senat beantwortet die Große Anfrage wie folgt: 1. Inwiefern wird sich die Ankündigung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, neun planfestgestellte Uferrückverlegungen an der Mittelweser nicht mehr auszuführen, auf den Ausbau der Mittelweser auswirken? Inwiefern ist der Senat der Auffassung, dass mit dieser "Basisvariante“ ein wirtschaftlicher Verkehr mit Europa-Schiffen und GMS möglich sein wird? Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat in den vergangenen Jahren parallel zum kontinuierlichen Ausbau der Mittelweser und dem Neubau der Schleusen in Dörverden und Minden im Rahmen einer Verkehrssimulation und einer Probefahrt überprüft, welche Maßnahmen in welcher Reihenfolge am besten geeignet sind, um das angestrebte Ausbauziel der Mittelweser für GMS-Verkehre zu erreichen. Dabei wurde aufgezeigt, dass die Umsetzung aller gemäß Planfeststellungsbeschluss noch ausstehenden Uferrückverlegungen nur Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 einen marginalen Einfluss auf die Gesamtpassagedauer hat. Die damit zu erreichende Wartezeiteinsparung liegt laut BMVI im Minutenbereich. Der überwiegende Teil der Wartezeiten entsteht dagegen durch die prognostizierte steigende Anzahl von Schiffen vor den Schleusen und in den südlichen, vom aktuellen Planfeststellungsbeschluss nicht betroffenen und dementsprechend nicht für das GMS ausgebauten Flussabschnitten (Minden-Landesbergen). Vor diesem Hintergrund hat das BMVI entschieden, die vollständige Umsetzung des planfestgestellten Zustandes mit den verbliebenen Uferrückverlegungen, die als nicht wirtschaftlich eingestuft werden, zunächst zurückzustellen (Basisvariante). Nach Aussage des BMVI ist diese Basisvariante in Kombination mit einer geplanten Ausweitung der Schleusenbetriebszeiten geeignet, für die bestehenden und zusätzlich auch für GMS-Verkehre eine Stabilisierung der Gesamtpassagedauer zu erreichen. Zur Optimierung des Schleusenbetriebs beabsichtigt der Bund bis 2019 eine neue, zentrale Schleusen-Betriebszentrale zu bauen. Zudem hat das BMVI zugesichert, je nach Verkehrsentwicklung weitere Maßnahmen an der Mittelweser umzusetzen. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen (FHB) geht auf Basis der Aussagen des BMVI davon aus, dass zukünftig regelmäßig planbare Verkehre mit den gegenüber heute deutlich größeren Schiffseinheiten wettbewerbsfähiger sein können. Gleichwohl hat die Freie Hansestadt Bremen das BMVI gebeten, die noch ausstehenden Uferrückverlegungen noch einmal wohlwollend zu prüfen. 2. Wie beurteilt der Senat die Tatsache, dass es nur an der Mittelweser auf langen Strecken Einbahnverkehre geben soll, während es auf den Wasserstraßen Elbe-Seiten-Kanal, Mittelland-Kanal, Dortmund-Ems- Kanal sowie den weiteren bedeutenden Binnenwasserstraßen in Deutschland vergleichbare Einbahnstrecken nicht gibt? Aufgrund von naturschutzfachlichen Gründen war ein derartiger Ausbau der Mittelweser, der vom Binnenschifffahrtsgewerbe ebenso wie von der FHB ursprünglich angestrebt worden war, planungsrechtlich nicht durchsetzbar. Aus diesem Grund haben der Bund und die FHB keine Vereinbarung zum uneingeschränkten Verkehr mit Europaschiffen auf der gesamten Mittelweser im Verwaltungsabkommen geschlossen. 3. Wie bewertet der Senat die praktische Umsetzbarkeit von Nachtfahrten und Nachtschleusungen auf der Mittelweser unter betriebswirtschaftlichen, nautischen und Sicherheitsgesichtspunkten? Ein 24-Stunden-Betrieb würde laut Verkehrssimulation des Bundes zu deutlichen Fahrtzeitverkürzungen gegenüber dem Ist-Zustand führen. Ein solcher Betrieb mit Nachtfahrten und Nachtschleusungen wird vom Gewerbe derzeit jedoch nicht angestrebt. Nachtfahrten und Nachtschleusungen auf der Mittelweser werden deshalb von der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung nicht aktiv verfolgt. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 4. Wie bewertet der Senat die Aussagen betroffener Reedereien, Speditionen und Umschlagunternehmen in der gemeinsamen Stellungnahme vom März 2017 (veröffentlicht vom Wirtschaftsverband Weser e.V.), dass es aufgrund der geplanten Beschränkungen beim Schiffsverkehr auf der Mittelweser aus betriebswirtschaftlichen und logistischen Gründen nicht möglich ist, Großmotorgüterschiffe auf der Mittelweser einzusetzen? Inwiefern sieht der Senat das beabsichtigte Ziel der Ausbaumaßnahme in diesem Fall als erreicht an? Festzustellen ist, dass sich die Bewertungen des BMVI und des Wirtschaftsverbandes Weser bezüglich der künftigen Nutzbarkeit der Mittelweser für Großmotorgüterschiffe unterscheiden. Das BMVI geht gestützt auf eine Verkehrssimulation und eine Probefahrt davon aus, dass ab 2017 verlässliche GMS Verkehre auf der Mittelweser möglich sein werden, wohingegen der Wirtschaftsverband Weser von „Beschränkungen beim Schiffsverkehr auf der Mittelweser“ ausgeht. Siehe hierzu auch Antworten zu Frage 1 und 3. Sofern sich die Bewertung des BMVI in der Praxis bestätigt und zukünftig regelmäßig planbare Verkehre mit den gegenüber heute deutlich größeren Schiffseinheiten wettbewerbsfähiger sein können, sieht der Senat einen wichtigen Meilenstein im Hinblick auf das vertraglich vereinbarte Ausbauziel als erreicht an. 5. Wie hoch sind die Mittel, die der Bund und das Land Bremen bislang in den Ausbau der Mittelweser investiert haben? Wie hoch wären die Kosten für den Bund und für das Land Bremen für die vom Wirtschaftsverband Weser e.V. geforderten zusätzlichen Ausbaumaßnahmen zur Erreichung des ursprünglichen Ausbauziels laut Verwaltungsvereinbarung? Das Land Bremen hat bisher 22,5 Mio. € für die Anpassungsmaßnahmen der Mittelweser gezahlt. Auf Seiten des Bundes liegen die Kosten bei rd. 115 Mio. €. Die Schleusenneubauten in Dörverden und Minden liegen in der Verantwortung des Bundes und sind deshalb nicht Bestandteil des Verwaltungsabkommens. Die letzte aktualisierte Kostenberechnung des Bundes für die nördlichen Flussabschnitte (Landesbergen-Hemelingen) stammt aus dem Jahr 2008 und weist veranschlagte Gesamtbaukosten in Höhe von 164,2 Mio. € aus. Aufgrund des Zeitablaufes ist zu erwarten, dass die vollständige Umsetzung der gemäß Planfeststellungsbeschluss verbleibenden Uferrückverlegungen erheblich kostenintensiver als bislang bekannt werden. Genaue Angaben hierüber liegen dem Senat nicht vor. Für die weitergehenden Forderungen des Wirtschaftsverbandes Weser e.V., hier insbesondere den Ausbau des südlichen Flussabschnittes (Minden-Landesbergen) liegen, da für diesen Teil bislang kein Planungsrecht besteht, ebenfalls keine aktuellen Kostenschätzungen vor. 6. Wie hoch ist aktuell der Zahlungsrückstand Bremens gegenüber dem Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 5 mit dem Bund vereinbarten Finanzierungsanteil von einem Drittel der bisher getätigten Investitionen? Bis wann plant der Senat, diesen Zahlungsrückstand abzubauen? Der aktuelle Zahlungsrückstand Bremens für den Ausbau des nördlichen Flussabschnittes (Landesbergen-Hemelingen) liegt bei rd. 23 Mio. €. Über den Abbau dieses Zahlungsrückstandes befinden sich der Bund und Bremen in Verhandlungen. 7. Wie ist der Stand der Verhandlungen über das Angebot des Bundes, auf die noch ausstehenden Zahlungen Bremens zu verzichten, wenn Bremen im Gegenzug die Unterhaltungsmaßnahmen an den Nebenflüssen der Weser übernimmt? Wie hoch schätzt der Senat die jährlichen Kosten dieser Unterhaltungsmaßnahmen? Die Verhandlungen zwischen dem Bund und Bremen zur Übernahme von Lesum und Wümme sowie Unterhaltungsverpflichtungen des Bundes im Tausch gegen den bereits bestehenden Zahlungsrückstand und die aus dem Verwaltungsabkommen abzuleitende weitere Zahlungsverpflichtung dauern noch an. Die von Bremen zu übernehmenden Unterhaltungsmaßnahmen an den Nebenflüssen der Weser und die damit verbundenen jährlichen Unterhaltungskosten sind Gegenstand der noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen. 8. Welche Ziele und welche Strategie verfolgt der Senat im Hinblick auf den Umfang und den Zeitplan für den weiteren Ausbau der Mittelweser? Bremen befindet sich mit dem Bund in Verhandlungen zur Anpassung des Verwaltungsabkommens, um das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel umzusetzen und den bremischen Finanzierungsbeitrag haushaltsentlastend verbindlich zu regeln. Das nach der Versuchsfahrt vom BMVI festgestellte Ergebnis, dass ein teilabgeladenes Großmotorgüterschiff die Mittelweser mit Einschränkungen im Begegnungsverkehr befahren kann, ist ein wichtiger Meilenstein. Im Falle der Umsetzung der verbleibenden Uferrückverlegungen im nördlichen Flussabschnitt geht Bremen davon aus, das dies nach der o.g. Anpassung des Verwaltungsabkommens in der alleinigen finanziellen Verantwortung des BMVI erfolgt. Da es laut Aussage des BMVI in den südlichen Flussabschnitten zukünftig zu längeren Wartezeiten kommen wird, sieht Bremen die vorrangige Notwendigkeit, die Anpassung des südlichen Flussabschnittes (Minden- Landesbergen) an das GMS planungsrechtlich abzusichern und umzusetzen. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-1093 VB Anpassung der Mittelweser nicht aus den Augen verlieren! 20170606_1_GA Anpassung der Mittelweser