— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 19. Wahlperiode Drucksache 19 / 111 (zu Drs. 19/56) 13. 10. 15 Mitteilung des Senats vom 13. Oktober 2015 Radikalisierung durch religiös motivierten Extremismus im Land Bremen Die Fraktion der CDU hat unter Drucksache 19/56 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet. Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt: I. Radikalisierte Jugendliche und Erwachsene 1. Wie viele Jugendliche (bis 21 Jahre) und Erwachsene (differenziert nach Geschlecht), die ihren Wohnsitz im Land Bremen haben oder hatten oder sich hier tatsächlich aufhalten, sind den staatlichen Behörden und Einrichtungen als radikalisierte Salafismus-Anhänger oder entsprechende, durch die Berufung auf eine bestimmte extremistische Religionsauslegung motivierte , Radikale (unter Nennung auch der Anzahl einschlägig Vorbestrafter ) – einschließlich einer möglichen Dunkelziffer – bekannt? In Bremen werden durch das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) 360 Personen der salafistischen Szene zugerechnet. Eine exakte Bezifferung des salafistischen Personenpotenzials ist aufgrund von strukturellen Besonderheiten der Szene schwierig. So weisen zahlreiche salafistische Personenzusammenschlüsse keine festen Strukturen auf. Insgesamt ist das Altersspektrum sehr heterogen, wobei der Schwerpunkt bei beiden Geschlechtern zwischen Anfang und Ende 20 Jahren liegt. Hierzu ist anzumerken , dass eine Speicherung durch den Verfassungsschutz rechtlich erst ab 16 Jahren erfolgen darf. Über Einzelheiten wird die Parlamentarische Kontrollkommission detailliert und fortlaufend unterrichtet. 2. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Organisation bzw. den Organisationsgrad solcher Jugendlicher und Erwachsener im Land Bremen? Seit 2011 sind die salafistischen Bestrebungen offizielles Beobachtungsobjekt des LfV. Eine Zuordnung von Personen und Personenstrukturen zu einem Personenzusammenschluss und ihre nachfolgende Einordnung als Träger salafistischer Bestrebungen ist möglich, sofern Erkenntnisse vorliegen, dass sich die Personen über Moscheebesuche, Internetaktivitäten oder persönliche Kontakte salafistischem Gedankengut zuwenden und/oder dieses aktiv verbreiten. Träger salafistischer Bestrebungen sind Objekte, d. h. Vereine , Moscheen, Dachverbände, Internetseiten und Verlage, Personenzusammenschlüsse sowie Einzelpersonen. Gegenwärtige hauptsächliche Träger salafistischer Bestrebungen in Bremen sind im Verfassungsschutzbericht als Beobachtungsobjekte aufgeführt. Weitere, teilweise hiervon unabhängige Einzelspuren, unterliegen ebenfalls der Bearbeitung durch das LfV. 3. Welche Erkenntnisse hat der Senat über Motive von Frauen aus Bremen und Bremerhaven sich zu radikalisieren bzw. in ein radikalisiertes Umfeld einzutreten, insbesondere durch Ehevermittlung? Sowohl die Erkenntnisse aus der Radikalisierungsforschung wie auch der praktischen Deradikalisierungsarbeit haben gezeigt, dass es keinen signifikanten Unterschied bei den Gründen für eine Radikalisierung zwischen männlichen und weiblichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen gibt. Diese reichen von der Suche nach Identität und Sinn im Leben, innerfa- — 2 — miliären Problemen und dem Bedürfnis nach Halt und Orientierung sowie (gefühlten) Diskriminierungserfahrungen, über ideologische Verblendung und einer naiven Vorstellung von einer besseren Welt bis hin zu dem Wunsch Gewaltphantasien ausleben zu können. Der Aspekt der Ehevermittlung spielt hierbei zunächst eine untergeordnete Rolle. 4. Welche Erkenntnisse hat der Senat hinsichtlich öffentlicher Auftritte von sogenannten Hasspredigern im Land Bremen seit 2010 bzw. des Zusammenspiels von salafistischen Hasspredigern und der sogenannten RapperSzene , die zur Verbreitung extremistischen Gedankenguts im vorbeschriebenen Sinne beitragen? Seit 2010 hat es in Bremen einen öffentlichen Auftritt der salafistischen Prediger Pierre Vogel und Sven Lau gegeben. Über diesen ist im Verfassungsschutzbericht 2014 ausführlich berichtet worden. Über Verbindungen zur „Rapper-Szene“ liegen den Behörden keine Erkenntnisse vor. 5. Welche präventiven und repressiven rechtlichen Möglichkeiten eines Einschreitens stehen gegen das Auftreten einer sogenannten Scharia-Polizei (wie z. B. in Wuppertal) nach bundes- bzw. landesrechtlichen Vorgaben zur Verfügung? In Wuppertal traten im September 2014 salafistische Aktivisten im Eingangsbereich von Spielhallen und Gastwirtschaften an Besucher heran und forderten islamische Bürger auf, von Glücksspiel und Alkoholgenuss abzulassen . Zugleich warben sie mit Visitenkarten für den Besuch einer örtlichen Moschee. Dabei trugen sie Signalwesten mit der Aufschrift „Shariah Police“ und gelbe Schilder mit Piktogrammen gegen Alkohol, Glücksspiel, Musik, Pornografie, Drogen und Prostitution unter der Aufschrift „Shariah Controlled Zone“. In Bremen hat es bislang keinen Fall dieser Art gegeben. Bei einem entsprechenden Vorfall in Bremen würde in der dann vorliegenden Fallkonstellation geprüft, ob die jeweilige Handlung des Einzelfalls einen gesetzlichen Straftatbestand erfüllt. Das Auftreten der „Shariah Police“ könnte beispielsweise als Amtsanmaßung gemäß § 132 Strafgesetzbuch (StGB) einzustufen sein. Danach wird bestraft „wer unbefugt sich mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befasst oder eine Handlung vornimmt, welche nur Kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf“. Daneben könnten im Einzelfall weitere Straftatbestände in Betracht kommen, wie beispielsweise eine Nötigung gemäß § 240 StGB oder Verstöße gegen das Versammlungsgesetz . Darüber hinaus könnten neben den repressiven Maßnahmen zur Strafverfolgung auch präventive Maßnahmen nach dem Bremischen Polizeigesetz ergriffen werden, um der Gefahr des „Streife gehens durch die Sharia-Police“ für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entsprechend und zeitnah zu begegnen. II. Erkenntnisse über paramilitärische bzw. terroristische Aktivitäten radikalisierter Jugendlicher und Erwachsener im In- und Ausland Die zur Beantwortung der in der Großen Anfrage gestellten Fragen erforderlichen Daten – soweit staatsanwaltliche Verfahren angesprochen sind – werden weder in der Fachanwendung der Staatsanwaltschaft (web.sta) statistisch erfasst noch liegen sie dem Justizressort vor. Eine Beantwortung dieser Fragen würde daher eine Einzelfallauswertung sämtlicher seit dem Geschäftsjahr 2010 bei der Staatsanwaltschaft Bremen eingegangenen Ermittlungsverfahren erfordern , in denen politisch motivierte Straftaten in Betracht gekommen sind. Dies ist mit einem vertretbaren personellen Verwaltungsaufwand nicht zu leisten. Lediglich die Ermittlungsergebnisse aus den hier geführten Verfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a StGB können teilweise zur Beantwortung der Fragen herangezogen werden. 1. Wie viele radikalisierte Jugendliche und Erwachsene haben sich seit 2010 nach Kenntnis des Senats aus dem Land Bremen zum Zweck der Ausbildung in sogenannten Terrorcamps, der Beteiligung an kriegerischen Auseinandersetzungen oder der sonstigen Unterstützung terroristischer Vereinigungen , ins Ausland begeben bzw. befinden sich zurzeit zu einem dieser Zwecke noch im Ausland oder sind nach Deutschland zurückgekehrt? — 3 — Gegen 18 Personen wurden bzw. werden Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Bremen wegen des Verdachts einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a StGB oder der Beihilfe hierzu geführt, in denen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beschuldigten sich im Ausland befinden bzw. andere Personen ihnen zur Ausreise Hilfe geleistet haben. Im Jahr 2014 wurden vier Ermittlungsverfahren gegen neun männliche Personen geführt. Im Jahr 2015 sind bislang drei Verfahren gegen sieben männliche und zwei weibliche Personen eingeleitet worden. Im Jahr 2014 ist eine männliche Person in die Bundesrepublik zurückgekehrt , wobei die Ermittlungen hierzu ergeben haben, dass die Person das angestrebte Ausbildungslager in Syrien nicht erreicht hatte, sondern auf dem Weg dorthin in der Türkei festgehalten und in die Bundesrepublik Deutschland zurückgeschoben wurde. Gegen vier Beschuldigte hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen beendet , da hinreichende Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Beschuldigten in Syrien ums Leben gekommen sind. Im Jahr 2015 sind bislang drei männliche Personen zurückgekehrt und zwei Personen erstmalig aus Syrien in die Bundesrepublik eingereist, bei denen Ermittlungen zu möglichen Straftaten in Syrien zu führen sind. Das Verfahren ist dem Generalbundesanwalt durch die Staatsanwaltschaft Bremen zur weiteren Prüfung und Entscheidung zugeleitet worden. Eine Person konnte bei der Einreise in die Bundesrepublik festgenommen werden und befindet sich seither in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen hat insoweit der Generalbundesanwalt übernommen. Zwei weitere männliche Personen wurden auf dem Weg in das angestrebte Ausbildungslager in Syrien noch in der Türkei festgenommen und sind zwischenzeitlich in die Bundesrepublik Deutschland zurückgeschoben worden. 2. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat darüber vor, wegen wie vieler extremistisch motivierter, insbesondere gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit sowie die Glaubensfreiheit von Menschen und/oder die Staatlichkeit Deutschlands oder anderer Staaten oder die Herabwürdigung der Herkunft und ethnischen Zugehörigkeit von Menschen gerichteter Straftaten im Sinne des oben dargestellten Rahmens (mit Angabe des jeweiligen Straftatbestand) von deutschen bzw. bremischen Ermittlungs- bzw. Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Ermittlungs- bzw. Strafverfahren eingeleitet , durchgeführt und zum Abschluss gebracht wurden? Im Zusammenhang mit den Kampfhandlungen auf dem Gebiet Syriens sind bei der Staatsanwaltschaft Bremen keine Strafverfahren im angefragten Sinn geführt worden. 3. Inwieweit werden nach Kenntnis des Senats Straftaten im vorbeschriebenen Sinne, welche entweder in Deutschland oder durch Deutsche oder durch Ausländer, die sich regelmäßig in Deutschland aufhalten, im Ausland begangen wurden, in der Statistik der Strafverfolgungsbehörden in einer gesonderten Rubrik erfasst und ausgewiesen? Verfahren der angesprochenen Art werden nicht gesondert erfasst. Sie können allein über den Tatbestand des § 89a StGB ermittelt werden. Allgemeine Straftaten oder eine mögliche Volksverhetzung gemäß § 130 StGB werden nicht mit einem gesonderten Attribut „religiös motivierter Extremismus “ erfasst. Originäre Staatsschutzdelikte werden nicht in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst, sondern fließen seit 2001 über den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) in das Lagebild „politisch motivierte Kriminalität“ ein. Das Ziel ist die mehrdimensionale Erfassung und Auswertung u. a. Tat-, Täter- und Opfermerkmalen . So sollten z. B. einzelne Sachverhalte unter verschiedenen Gesichtspunkten (wie z. B. Deliktsqualität, subjektiver Tathintergrund, die objektive thematische Zuordnung einer Tat bzw. deren mögliche internationale Dimension oder extremistische Ausprägung) analysiert werden können . — 4 — Die Fallzahlen der politisch motivierten Kriminalität werden von den Polizeibehörden der Länder erhoben und über die Landeskriminalämter dem Bundeskriminalamt zur bundesweiten Erfassung und Auswertung übermittelt . Die Auswertung erfolgt jährlich anhand der Zahlen des jeweils zurückliegenden Kalenderjahres. Sobald die Jahreszahlen vorliegen, werden die wesentlichen bundesweiten Zahlen mit einer ersten Analyse zur Entwicklung durch Pressemitteilung des Bundesministers des Innern veröffentlicht. Straftaten mit extremistischem Hintergrund werden gesondert ausgewiesen . 4. Ist dem Senat bekannt, welcher Nationalität die Beschuldigten der vorgenannten eingeleiteten und abgeschlossenen Ermittlungs- bzw. Strafverfahren seit 2010 angehörten, und welcher Anteil hatte bzw. wie viele der Beschuldigten deutscher Staatsangehörigkeit hatten einen Migrationshintergrund ? Von den 18 Personen, gegen die Ermittlungen wegen des Verdachts einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a StGB oder der Beihilfe hierzu geführt wurden, haben neun Personen die deutsche Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund, drei Personen die türkische Staatsangehörigkeit und zwei Personen die syrische Staatsangehörigkeit. Weiterhin hat jeweils eine Person die polnische, kroatische und die serbische Staatsangehörigkeit. 5. Welche Erkenntnisse hat der Senat über den Einsatz (elektronischer) Medien bei Aufruf zu bzw. Vorbereitung und Begehung von Auslandsstraftaten oder entsprechenden Straftaten, die in Deutschland mit Strafe belegt sind? Eine koordinierte Auswertung jihadistischer Internetpropaganda erfolgt über das Gemeinsame Internetzentrum (GIZ) in Berlin. Im Internet publizierte Videos und Propagandamagazine terroristischer Gruppierungen spielen bei der Rekrutierung von jungen Menschen eine wichtige Rolle. Diese sind zunehmend professionell aufbereitet und multilingual . Die elektronischen Medien sind für die Akteure und Unterstützer des sogenannten Islamischen Staates zu einem wichtigen Propagandainstrument geworden. Internetgestützte (soziale) Netzwerke werden in professioneller Art und Weise insbesondere zur Mobilisierung von Unterstützern genutzt. Ziel der Aktivitäten ist die Verbreitung einer gewaltbereiten salafistischen Ideologie, sowie Verherrlichung der Ziele des IS durch im Internet gestreute Video- und Bildpropaganda. Durch die Ausrufung des „Kalifats“ in den durch die IS kontrollierten Gebiete ist die Anziehungskraft auf radikalisierte Personen – auch aus Bremen – deutlich gewachsen, was sich an der Zahl der Ausreisen und Ausreiseversuche zeigt. Mit der Verbreitung von Video-Botschaften wird regelmäßig dafür geworben, sich auf den Weg in die Kampfgebiete in Richtung Syrien/Irak zu machen, um dort für den IS gegen „Ungläubige“ zu kämpfen. Die durch Videoveröffentlichungen verbreiteten grausamen Hinrichtungen von westlichen Geiseln sollen zudem eine abschreckende Wirkung im Westen erzielen. Im August 2015 wurde durch die Terrororganisation Islamischer Staat ein Droh-Video veröffentlicht. Das Video zeigt zwei deutsche und österreichische Dschihadisten in der syrischen Stadt Palmyra. Sie rufen ihre „Brüder und Schwestern“ in Deutschland und Österreich auf, ihnen in den Dschihad zu folgen, oder die „Ungläubigen“ in Deutschland zu töten. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel wird in dem Video explizit genannt . Dann erschießen beide selbst zwei am Boden kniende Gefangene. III. Erkennung von und Umgang mit Rückkehrern 1. In welcher Weise werden Erkenntnisse zum religiös motivierten Extremismus bzw. zum Salafismus, insbesondere unterhalb der verfassungsschutzrechtlichen Beobachtungsschwelle, im Land Bremen regelmäßig zwischen zuständigen Stellen gebündelt und landesintern bzw. mit anderen Ländern und dem Bund im Sinne einer Gefährdungslageeinschätzung abgestimmt bzw. ausgetauscht? Zwischen den beteiligten Ressorts wurde in Bezug auf die Prävention von religiös begründeter Radikalisierung eine Vernetzung etabliert. Hierfür sind — 5 — in den jeweiligen Ressorts zuständige Ansprechpartner benannt, miteinander vernetzt und Meldewege vereinbart worden. Das Ziel ist eine gegenseitige möglichst frühzeitige Unterrichtung über mögliche Fälle. Besteht die Einschätzung , dass eine mögliche Gefährdungslage vorliegt, wird diese mit den zuständigen Stellen umgehend erörtert und es werden gemeinsam nächste Handlungsschritte abgestimmt. 2. Durch welche Maßnahmen stellt der Senat sicher, dass Beteiligte an der Vorbereitung oder Durchführung von Auslandsstraftaten den Sicherheitsbehörden in Bremen und Bremerhaven bekannt sind, dass eine Ausreise ausgeschlossen ist und dass bei einer Wiedereinreise in das Land Strafverfolgungsmaßnahmen bzw. bei entsprechender Schwere der Tat auch (vorübergehende ) Festnahmen möglich sind? In den Ermittlungsverfahren werden unverzüglich nach Vorliegen der Voraussetzungen gerichtliche Haftbefehle erwirkt, zu denen auch europäische Haftbefehle erlassen werden. Die Vollstreckung erfolgt sodann durch nationale und internationale Fahndungsmaßnahmen. Personen, die beabsichtigen , in die Kampfgebiete Syrien/Irak auszureisen, um sich dort beispielsweise der Terrororganisation Islamischer Staat anzuschließen bzw. aus Syrien/Irak zurückkehren, stehen im besonderen Fokus der Sicherheitsbehörden . Am konkreten Einzelfall orientiert werden u. a. gefahrenabwehrende Maßnahmen u. a. nach dem Polizeigesetz, strafprozessuale Maßnahmen, ausländerrechtliche Maßnahmen und ordnungsrechtliche Maßnahmen durchgeführt . Eine zentrale Rolle nimmt dabei das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) ein. Wesentlich für den Erfolg des GTAZ ist die Kooperation zwischen nachrichtendienstlichen und polizeilichen Institutionen und Akteuren. Voraussetzung für deren Kooperation unter einem Dach war die Einrichtung von zwei getrennten Säulen, nämlich in Form der nachrichtendienstlichen und der polizeilichen Informations- und Analysestelle. Neben der aktuellen Fallbearbeitung sowie der Gefahrenprognose werden auch mittel- bzw. längerfristige Analysen erstellt. Die Stärkung behördenübergreifender Zusammenarbeit sowie die Intensivierung der Kooperation mit Vertretern der Strafverfolgung schaffen zudem eine Kultur des Vertrauens, die unabdingbar ist für die frühzeitige Erkennung und Abwehr von Gefahren. 3. Gibt es zwingende rechtliche Gründe, die dagegen sprechen, bei im Ausland inhaftierten Straftätern im oben genannten Sinne regelmäßig auf das Hinwirken auf eine Auslieferung nach Deutschland zu verzichten? Die Staatsanwaltschaft ist gehalten, den Strafanspruch des Staates durchzusetzen . Hierzu gehört auch unverzichtbar die Prüfung, ob eine Auslieferung in die Bundesrepublik anzuregen ist, um nach deutschem Recht strafbare Handlungen zu verfolgen. Unverzichtbar ist dies insbesondere bei deutschen Staatsangehörigen und bei erheblichen Straftaten, die in der Bundesrepublik Deutschland strafbar sind. 4. Inwieweit kann eine behördlich bekannte Radikalisierung einer Person einer möglichen Einbürgerung entgegengehalten werden bzw. zur Versagung derselben führen oder Grundlage für den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit sein? Sind aufgrund von Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden tatsächliche Anhaltspunkte vorhanden, die die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt, die gegen die freiheitlich -demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, ist eine Einbürgerung gemäß § 11 Nr. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) ausgeschlossen. Dies gilt auch bei Bestrebungen, die eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Entsprechende Bestrebungen in der Vergangenheit stehen einer Einbürgerung nur dann nicht entgegen, wenn der — 6 — Einbürgerungsbewerber glaubhaft machen kann, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung solcher Bestrebungen abgewandt hat. Eine vollzogene Einbürgerung kann innerhalb von fünf Jahren nach § 35 StAG zurückgenommen werden, wenn der Einbürgerungsbewerber aufgrund der von ihm in der Vergangenheit verfolgten extremistischen Bestrebungen eine unrichtige Erklärung zur Anerkennung des Rechts- und Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit seiner Einbürgerung abgegeben hat. Die deutsche Staatsangehörigkeit ist grundgesetzlich geschützt (Artikel 16 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz [GG]); sie darf nicht entzogen werden. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bedarf einer gesetzlichen Grundlage. IV. Früherkennung und Prävention Zur Schaffung eines Präventionsnetzwerks gegen die Radikalisierung von muslimischen Jugendlichen wurde ein ressortübergreifendes Konzept in Bremen erstellt, für dessen Ausarbeitung erfahrende Akteure aus den Bereichen Soziales und Inneres, Vertreter der islamischen Religionsgemeinschaften, Vertreter aus Schulleitungen der Sekundarstufen I und II sowie Experten aus der Bildungsbehörde einbezogen wurden. Die Federführung zur Umsetzung des Präventionskonzepts liegt bei der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport. Die Geschäftsführung hat der Senator für Inneres übernommen. Das Konzept berücksichtigt u. a. folgende Aspekte: a) Entwicklung von Leitlinien zur Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen für Mitarbeiter verschiedener Behörden und Institutionen, die in Kontakt mit jungen Menschen stehen; b) Schaffung von gegebenenfalls mehrsprachigen und mobilen Beratungsmöglichkeiten für Angehörige, Jugendliche und zivilgesellschaftliche Akteure ; c) Vernetzung dieser Akteure und Festlegung von Ablaufketten für auffällige Jugendliche. 1. Wie werden Radikalisierung und Extremismus an Schulen thematisiert? Zwischen den beteiligten Ressorts wurde in Bezug auf die Prävention von religiös begründeter Radikalisierung eine Vernetzung etabliert (siehe Antwort zu Frage III. 1.). In der Schule spiegeln sich gesellschaftliche Entwicklungen und somit haben die Schulen im Land Bremen einen erhöhten Bedarf an fachlicher und pädagogischer Unterstützung, um Handlungssicherheit im Umgang mit menschenrechts - und demokratiefeindlichem Verhalten von Jugendlichen zu gewinnen. Insofern spielt dieses Thema häufig zunächst schulintern eine Rolle, z. B. wenn es darum geht, ein Leitbild für die Schule zu entwickeln oder anzupassen. Im Rahmen der Qualitätssicherung sind alle Schulen verpflichtet, Schulprogramme zu erstellen. Dies soll unter Einbeziehung aller betroffenen Gruppierungen und unter Berücksichtigung von geschlechtsdifferenzierten Perspektiven mit dem Ziel geschehen, die Partizipationsmöglichkeiten im Schulleben im Sinne einer programmatischen Selbstverpflichtung jeder Schule zu verankern. Damit kann davon ausgegangen werden, dass „Radikalisierung “ und „Extremismus“ an den Schulen thematisiert werden. Um auf diesem Weg Unterstützung zu erhalten und somit Handlungssicherheit im schulischen Alltag zu erlangen, greifen die Schulen auf die in Punkt IV. 2. genannten Angebote des Landesinstituts für Schule Bremen (LIS) zu. In der alltäglichen unterrichtlichen Arbeit kann und wird das Thema „Extremismus“ in den verschiedensten Fächern behandelt. So gehört es beispielsweise in den Fächern Politik, Geschichte, Religion und European Studies zu den verbindlichen Inhalten, wird jedoch auch in anderen Fächern wie dem Fremdsprachenunterricht, Geografie u. a. altersgerecht und situationsangemessen behandelt. Dazu gehört nicht nur die direkte Behandlung des Themas „Extremismus“ im Unterricht, sondern auch die Beteiligung an geeigneten außerschulischen Aktionen. Hier sind u. a. Wettbewerbe zu nennen, bei denen Bremer Schulen auch immer wieder Bundespreise — 7 — gewinnen. Veranstaltungen wie die „Nacht der Jugend“ zeugen vom hohen Engagement und breiten Interesse der Schülerinnen und Schüler im Land Bremen. Die steigende Anzahl der Schulen, die die Bezeichnung „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ tragen dürfen, kennzeichnet die Bedeutung der Auseinandersetzung mit Fragen des „Extremismus“ und der „Radikalisierung “ für alle an Schule Beteiligten. Die Zertifizierung und Qualitätsentwicklung der Bremer „Europa-Schulen“ und der „UNESCO-Projektschulen“ spielt ebenfalls eine tragende Rolle, da an diesen Schulen das Thema „Vielfalt“ beständig verankert und damit Teil ihres Leitbilds ist. Verschiedene Modellvorhaben in der ästhetischen Bildung (z. B. Theaterprojekte, „Dance 4 life“) fördern die Entwicklung von Toleranz und die Sprach- und Wahrnehmungsfähigkeit als basale Lebenskompetenzen in einer demokratischen Gesellschaft. Mithilfe von Sozialtrainings arbeiten zahlreiche Bremer Schulen daran, radikalem Verhalten die Begründung zu entziehen. Auch hier ist die Anzahl der Programme und Initiativen hoch und werden von Bremer Schulen intensiv genutzt. In Bremerhaven werden in den Bildungsplänen die Themen Radikalisierung und Extremismus nicht explizit ausgewiesen, werden aber situativ in den infrage kommenden Fächern in der Mittel- und Oberstufe integrativ mit unterrichtet. 2. Durch welche Maßnahmen werden insbesondere Lehr- und Ausbildungskräfte sowie Jugendämter in der Erkennung von Anzeichen, die auf eine Radikalisierung hindeuten, geschult? Zur Schulung der Fachkräfte haben in der Vergangenheit mehrere Fachtage und zentrale Fortbildungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedenen Behörden und Institutionen, die mit den oben genannten Themen Berührungspunkte aufweisen (z. B. Lehrerinnen/Lehrer, Sozialarbeiterinnen /Sozialarbeiter aus der schulischen und außerschulischen Jugendarbeit , Polizistinnen und Polizisten etc.) stattgefunden. Sie erfolgten durch qualifiziertes Personal, wie z. B. die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter von kitab1), des Landesamtes für Verfassungsschutz und der Polizei. Es wurde Ende 2014 in einer ressortübergreifenden Expertenrunde ein Konzept „Eckpunkte im Umgang mit menschenrechts- und demokratiefeindlichem Verhalten von Jugendlichen in Bremer Schulen“ erarbeitet, das als Handlungsgrundlage für konkrete Unterstützungsmaßnahmen gegenüber den Bremer Schulen genutzt wird. Entsprechend bietet das LIS beständig bedarfsorientierte Fortbildungen an, die die Gefahr von radikalisierten Verhaltensweisen bei Schülerinnen und Schülern thematisieren, und führt auf breiter Basis Programme und Fortbildungen durch, um das soziale Miteinander an den Schulen positiv zu gestalten und radikales Verhalten zu unterbinden . Hier können beispielhaft die Maßnahmen „Mediation mit interkultureller Kompetenz“, „Konfliktbearbeitung in der Schule – Schulentwicklung und Gewaltprävention“ in Kooperation mit der Bürgerstiftung sowie die Arbeit im Bereich der Mobbingprävention in Zusammenarbeit mit der Techniker Krankenkasse (TK), dem Lidice-Haus u. a. genannt werden. Auch Fragen des religiös motivierten Extremismus spielen in den Maßnahmen des LIS seit geraumer Zeit eine wichtige Rolle. Neben zahlreichen Fortbildungen u. a. zu den Themenbereichen Religion, Antisemitismus und Islam, werden z. B. Fachtage zum Thema „Islamismus und Salafismus“ (der nächste Fachtag „Salafismus und Islamophobie als Herausforderung in der Schule“ findet im November 2015 statt) sowie Tagungen zur „Demokratie in der Einwanderungsgesellschaft“ (eine überregionale Tagung fand am 21./22. September 2015 statt) durchgeführt. In Kooperation mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung in Hamburg (LI Hamburg ) startet das LIS im Februar 2016 ein Pilotprojekt für Lehrerinnen und Lehrer in der Berufseingangsphase mit dem Titel „An den Grenzen der Toleranz . . .? Umgang mit kulturell oder religiös gefärbten Situationen in der Schule“. ––––––– 1) „kitab“ ist ein Wort arabischen Ursprungs und wird für Bücher im Allgemeinen und für DAS Buch im Besonderen, also für den Koran, verwendet. Damit soll der Begriff als symbolischer Begriff religiöser Aufklärung verstanden werden. — 8 — Das LIS bietet im Kontext Erinnerungskultur Fortbildungen für Lehrkräfte an, die auf die Vermittlung mehrperspektivischen Erinnerns ausgerichtet sind und somit auch die Bereiche Radikalisierung und Extremismus im Fokus haben. Auch hier wird regelmäßig mit Kooperationspartnern zusammengearbeitet , wofür folgende Angebote beispielhaft stehen: — „Zwischentöne – Materialien für das globalisierte Klassenzimmer: Gesellschaftliche Vielfalt im Unterricht sichtbar machen“. Fortbildung in Kooperation mit dem Georg-Eckert-Institut und dem Verein „ufuq – Jugendkultur, Medien und politische Bildung in der Einwanderungsgesellschaft “. — „Seid bereit! – Immer bereit! Eine Kindheits- und Jugendgeschichte der DDR“. Schulinternes Fortbildungsangebot mit einer Zeitzeugin und Pädagogin aus der ehemaligen DDR. — „Unterrichten mit dem Bamberger-Film „Aufgeben? Niemals!“ von Eike Besuden“. Praktische Hinweise und Unterrichtsmaterial zum Dokudrama ; sowie weitere regelmäßige Fortbildungen zu aktuellen themenbezogenen Kinofilmen. In Bremerhaven wurden im Rahmen der Pädagogischen Woche im Frühjahr dieses Jahres vom Lehrerfortbildungsinstitut für die Bremerhavener Lehrkräfte folgende Fortbildung angeboten: „Jugendkulturen zwischen Islam und Islamismus“ zum Umgang mit Fragen von Religion und Identität in der Präventionsarbeit. Hierzu wird im Frühjahr 2016 ein Folgeangebot aufgelegt . Darüber hinaus fand in Zusammenarbeit mit dem Verein „reset“, Beratung und Begleitung bei der Loslösung vom Rechtsextremismus im Land Bremen, eine Informationsveranstaltung für die Schulleitungsmitglieder der Sekundarstufe I statt. Das Amt für Jugend, Familien und Frauen arbeitet in der Arbeitsgruppe „Religiös begründete Radikalisierung“ bei der Senatorin für Soziales, Jugend , Frauen, Integration und Sport mit. 3. Welche besonders gekennzeichneten bzw. einfach zu erkennenden, wirksamen Wege (z. B. persönliche Ansprechpartner, Hotlines, E-Mail/Internet) bestehen insbesondere für Lehr- und Ausbildungskräfte, Träger von Moscheevereinen sowie Jugendsozialarbeiter, aber auch sonstige Privatpersonen , insbesondere mögliche Aussteiger, um Hinweise auf religiös motivierte , extremistische bzw. radikale Aktivitäten an die zuständigen Stellen (gegebenenfalls auch vertraulich, d. h. ohne Angaben zur eigenen Person) weiterzugeben ? Seit September 2012 ist das Beratungsnetzwerk kitab, in Trägerschaft des Vereins zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit (VAJA e. V.) im norddeutschen Raum aktiv. Es ist eines von vier Partnern eines bundesweiten Beratungsnetzwerks, gefördert durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Das Beratungsangebot richtet sich an Eltern und Angehörige von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich offenbar „extremistisch -islamistischen Organisationen“ zuwenden, an die Betroffenen selber, sowie an Fachkräfte aus dem pädagogischen Bereich. Ziel ist das gemeinsame Suchen nach Wegen, um fehlendes Vertrauen und kooperative Haltungen wieder zurück zu erlangen und eine Stärkung innerhalb ihres familiären Umfelds zu erreichen. Im Bereich der Aufklärungs- und Informationsarbeit ist kitab Ansprechpartner für alle, die Fragen zu islamischen und islamistischen Organisationen und deren Handeln und Vorgehensweisen haben. Ziel ist der Abbau möglicher Ängste und Vorurteile und eine Unterstützung bei der Einschätzung von unübersichtlichen Situationen. Außerdem stellt kitab aktuelle Materialien zum Themenkomplex bereit. Personell ist kitab mit zwei durch den Bund finanzierten halben Stellen ausgestattet, die für die Bundesländer Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen zuständig sind. Der aktuelle Bewilligungszeitraum für dieses Projekt läuft bis zum 31. Dezember 2015. Für die Lehrerinnen und Lehrer im Land Bremen sind die Grundlagen des Verhaltens bei Krisensituationen in den sogenannten Notfallplänen darge- — 9 — legt. Diese werden bei Bedarf aktualisiert, erweitert und ergänzt. Darin sind auch die Kontaktdaten der jeweils zuständigen Stellen in Behörden aufgelistet . Das LIS steht über die unter 2. genannten Punkte hinaus für Beratungsanfragen aus den Schulen zur Verfügung. Diese Möglichkeit wird von Schulen intensiv genutzt. Unter anderen sind das „Kompetenzzentrum Interkulturalität in der Schule“, das Team „Schulkultur“ und der „Referent für Politische Bildung“ als Ansprechpartner für die Schulen zu nennen. Die Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ) werden durch Beratungsanfragen der Schulen mit der Symptomatik des religiös motivierten Extremismus zunehmend konfrontiert. Es handelt sich bislang zwar um vereinzelte Meldungen (fünf bis acht im Schulhalbjahr), die jedoch durch eine immense Problemtiefe gekennzeichnet sind. Es handelt sich in der Regel um Beratungsanfragen von Lehrkräften zum Umgang mit Verhaltensweisen und Wesensveränderungen einzelner Schülerinnen und Schüler. Die enge Zusammenarbeit mit externen Organisationen wie z. B. „kitab“, „ufuq“, der „Fachstelle für Gewaltprävention“ oder dem Projekt „Heroes“ erlaubt außerdem eine unkomplizierte Vermittlung an fachkompetente Beratungs - und Fortbildungsinstitutionen. 4. Durch welche Maßnahmen, Aufrufe und Äußerungen unterstützt der Senat öffentlich die Hilfe der Bevölkerung bei der frühzeitigen Erkennung möglicher Extremismus- bzw. Radikalenaktivitäten? Der Senat informiert die Öffentlichkeit jedes Jahr in dem Verfassungsschutzbericht über extremistische Bestrebungen im Land Bremen. Zusätzlich werden, gemäß dem ressortübergreifenden Präventionskonzept gegen religiös begründeten Extremismus und Islamfeindlichkeit, regelmäßig Mitarbeiter der bremischen Verwaltung, z. B. Lehrer und Polizisten, sowie Vertreter außerbehördlicher Institutionen, durch das LfV zu den Themen islamistische Radikalisierung und Präventionsmöglichkeiten geschult. Am 21. Mai 2015 nahmen Vertreter des LfV und der Bildungsbehörde an der öffentlichen Veranstaltung im Haus der Wissenschaft zum Thema „Religiös bedingter Extremismus und Präventionsmöglichkeiten“ als Podiumsteilnehmer teil. Im Zuge der Umsetzung des ressortübergreifenden Präventionskonzepts wird derzeit unter der Federführung der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport die Einrichtung einer Koordinierungsstelle „Prävention religiös begründeter Radikalisierung“ im Land Bremen vorangetrieben . Das Land Bremen wird, finanziert über Bundesmittel aus dem Programm „Demokratie leben! – Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“, das Demokratiezentrum Bremen, angesiedelt bei der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport, um eine Koordinierungsstelle zur „Prävention religiös begründeter Radikalisierung und Muslimfeindlichkeit“ erweitern. Die Stelle wird mit einem halben Beschäftigungsvolumen ausgestattet werden. Das Land Bremen beteiligt sich an diesem Projekt mit der erforderlichen Komplementärförderung in Höhe von 20 %. Die Koordinierungsstelle soll die Ausgangslage zum Themenkomplex in Bremen und Bremerhaven analysieren und aktuelle Untersuchungsergebnisse und Praxiserfahrungen zusammenstellen und zugänglich machen. Darüber hinaus soll die Koordinierungsstelle ressortübergreifend den fachlichen Diskurs zur Definition und zum Umfang mit dem Phänomen der religiös begründeten Radikalisierung unter Muslimen und dem Phänomen der Muslimfeindlichkeit unterstützen. Die Koordinierungsstelle soll die Schnittstelle zwischen Behörde, Jugendhilfe und zivilgesellschaftlichen wie religiösen Akteuren darstellen. Zentrale Aufgabe wird es sein, ein Netzwerk von Akteuren aufzubauen, die im Land Bremen Schnittstellen im Bereich der präventiven Arbeit mit jungen Menschen aufweisen. Die Koordinierungsstelle wird voraussichtlich Anfang 2016 ihre Arbeit aufnehmen können. Darüber hinaus werden in der Stadtgemeinde Bremen zwei über das Bundesprogramm „Demokratie leben – Gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ finanzierte Modellprojekte zur Radikalisierungsprä- — 10 — vention im Bereich des religiösen Extremismus durchgeführt. Die Projektlaufzeiten sind bis Ende 2019 vorgesehen. Seit Juni 2015 setzt der Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit (VAJA e. V.) das Projekt „JAMIL“ um. Zur Zielgruppe des Projekts zählen Jugendliche und junge Erwachsene im Altersspektrum von zwölf bis 23 Jahren, die in Stadtteilen und Schulen dadurch auffallen, dass sie Argumentationsmuster des Salafismus nutzen, um sich selbst gegenüber Dritten aufzuwerten. Da es sich hierbei um kein migrantisches, sondern um ein jugendspezifisches Phänomen handelt, ist die Zielgruppe gleichermaßen offen für junge Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte. Das Team wird dort aktiv, wo bei jungen Menschen ein Bedarf nach einer intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik Islam und religiöser Orientierung erkennbar ist und bestehende Strukturen der Jugendarbeit diesen Bedarf nicht aufgreifen können. Ziel der Arbeit ist es, pädagogische Handlungsstrategien und entsprechende attraktive und überzeugende Gegenangebote für solche Jugendliche zu entwickeln, die mit extremen Interpretationen des Islam sympathisieren. Der Zugang zur Zielgruppe ergibt sich aus der Arbeit von VAJA mit Jugendlichen in verschiedenen Stadtteilen und Quartieren Bremens. Dabei ist eine enge Kooperation mit den bestehenden Regionalteams des VAJA gewährleistet. Die vorhandenen und das neu entwickelte Team bringen langjährige Erfahrungen darin mit, auf Jugendliche im öffentlichen Raum zuzugehen und diese zu „kontakten“. Der Kontakt findet nicht unter der Überschrift „Radikalisierungsprävention“ statt, sondern er bedient den von Jugendlichen beschriebenen Bedarf an sinnvoller Freizeitgestaltung und den natürlichen Drang der Jugendlichen, Gesprächsund Reflexionspartner in der Erwachsenenwelt zu haben. In der Arbeit mit den Jugendlichen kommen die Grundlagen der akzeptierenden Jugendarbeit zur Anwendung, die durch VAJA e. V. bereits langjährig erprobt sind und stadtweit Anwendung finden. Die Schura Bremen hat als Dachverband mit 25 muslimischen Mitgliedsgemeinden und Vereinen in Bremen einen unmittelbaren Zugang zu jungen Menschen muslimischen Glaubens. Die Moscheegemeinden sind in einer geeigneten Rolle, um von Radikalisierung bedrohten Jugendlichen eine alternative religiöse Orientierung entgegenzusetzen. Die Schura plant, das Projekt „Pro Islam“ sozialräumlich auf den Stadtteil Gröpelingen zu fokussieren. Ziel ist es, die bereits existierenden Strukturen und Erfahrungen in der Radikalisierungsprävention der dortigen Moscheegemeinde unter Einbindung weiterer Netzwerkpartner und der Zivilgesellschaft auszubauen und zu professionalisieren. Es geht darum, die Erfahrungen und Kenntnisse so zu erweitern, dass diese von anderen muslimischen Organisationen sowie von Regeleinrichtungen genutzt werden können. Eine Zusage auf die Interessenbekundung der Schura Bremen durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ ist bereits erfolgt. Zurzeit läuft die Antragstellung für dieses Modellprojekt. Nach erfolgter Bewilligung dieses Bundesprojekts wird sich die Stadtgemeinde Bremen mit der erforderlichen Komplementärförderung in Höhe von 20 % an den Kosten beteiligen. 5. Ist dem Senat die Arbeit des Hessischen Informations- und Kompetenzzentrums gegen Extremismus beim dortigen Innenministerium bekannt bzw. was spricht für oder gegen die Einrichtung einer entsprechenden Organisation im Land Bremen? Der Senator für Inneres ist Mitglied in der durch den Arbeitskreis (AK) IV eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Einrichtung eines länderübergreifenden Präventionsnetzwerks gegen Salafismus“. In dieser Arbeitsgruppe wurde die Rahmenkonzeption erarbeitet, auf der die Arbeit des Hessischen Informations- und Kompetenzzentrums gegen Extremismus basiert. Die dortigen Erkenntnisse sind, angepasst an den Bremer Kontext, in die Erstellung des ressortübergreifenden Präventionskonzepts gegen religiös begründete Radikalisierung und Muslimfeindlichkeit eingeflossen. Das Konzept befindet sich noch in der Umsetzung. Die bremischen Akteure sind darüber hinaus in Kontakt mit den Kompetenzzentren der anderen Bundesländer. So erfolgt ein Austausch mit den bereits gegründeten Kompetenzzentren in Hamburg, Niedersachen, NordrheinWestfalen und Hessen und auch unterschiedlichen Gremien. — 11 — Über die Pläne und Ressourcen, die u. a. die Bundesländer Berlin, Bayern und Baden-Württemberg in den derzeitigen Aufbau ähnlicher Strukturen investieren, sind hier ebenso bekannt. Mit der Einrichtung einer Koordinierungsstelle „Prävention religiös begründeter Radikalisierung“ geht Bremen weitere Schritte in ähnliche Strukturen. 6. Ist dem Senat bekannt, in wie vielen Fällen durch deutsche Behörden insgesamt bzw. insbesondere durch bremische Behörden eine Ausreisesperre verfügt bzw. Erkenntnisse weitergegeben wurden, welche zum Erlass einer Ausreisesperre führten? In den Jahren 2014 bis heute wurden in neun Fällen Ausreiseuntersagungen und in sieben Fällen Passentziehungen (deutsche Staatsbürger) verfügt. Ein Fall von Passentziehung wurde bereits 2008 verfügt. 7. Wie viele Stellen sind im Landesamt für Verfassungsschutz in den Jahren 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 insgesamt sowie insbesondere der Bekämpfung von Linksextremismus, Rechtsextremismus und religiös motiviertem Extremismus, insbesondere Salafismus, jeweils zugewiesen (gewesen)? Die Zielzahlen des Beschäftigungsvolumens des Landesamtes für Verfassungsschutz sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 Vollzeiteinheiten 40,2 37,7 36,1 35,1 46,0 Über nähere Einzelheiten unterrichtet der Senat die zuständigen Gremien der Bremischen Bürgerschaft in vertraulicher Sitzung. Druck: Anker-Druck Bremen