BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/1144 Landtag 19. Wahlperiode 04.07.17 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE Neonazistische Gruppierung „Identitäre Bewegung“ und sogenannte neu-rechte Netzwerke in Bremen Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 1 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 23.05.2017 „Neonazistische Gruppierung „Identitäre Bewegung“ und sog. neu-rechte Netzwerke in Bremen“ Die Fraktion DIE LINKE hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: „In Bremen treten seit einiger Zeit Mitglieder der „Identitären Bewegung“ (IB) mit propagandistischen Aktionen in Erscheinung. Die deutsche Sektion der IB ist hervorgegangen aus neonazistischen Organisationen wie der „Heimattreuen Deutschen Jugend“, die wegen ihrer Wesensverwandschaft zur HJ seit 2009 verboten ist. Die IB ist eine straff geführte Kaderorganisation, die insbesondere Jugendliche rekrutieren will (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-04/identitaere-bewegungrechtsextremismus -neonazis-mitglieder). Enge und explizite Kontakte unterhält die IB zur Jugendorganisation der AfD, der „Jungen Alternative“ (JA). Der stellvertretende Vorsitzende der Bremer JA betreibt etwa ein Internetforum, in dem die Nutzer im Rahmen einer Umfrage mehrheitlich die ehemaligen Ostgebiete von Polen „zurückfordern“. Auf Youtube und bei Facebook betreibt der AfD-Nachwuchspolitiker Angebote, in denen die enge Verzahnung der Partei mit rechten Bewegungen wie der IB gefordert und eine „vaterländische Erhebung“ in Aussicht gestellt wird, die „das ganze Land von der linken Diktatur des Geistes bereinigen könnte“. Ein anderes Video trägt den Titel „Republik? Nein. Monarchie? Ja!“, in dem parlamentarische Wahlen abgelehnt werden. Auch der Vorsitzende der Bremer JA sympathisiert mit der IB, verwendet ihre Insignien und trägt entsprechende Kleidung der neonazistischen Gruppierung. Die Identitäre Bewegung wird vom Landesamt für Verfassungsschutz und vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Öffentlich wird im Umfeld dieser sog. neu-rechten Organisationen eine hohe Affinität zu Schusswaffen zur Schau gestellt. Wir fragen den Senat: 1. Welche Informationen hat der Senat über die IB in Bremen bezüglich inhaltlicher Ausrichtung, Aktionsformen, Organisationsstruktur und personellem Potenzial? 2. Ist es zutreffend, dass die Bremer IB-Gruppierung im Jahr 2013 von einschlägig bekannten und vorbestraften Neonazis gegründet wurde? 3. Inwiefern hat sich die personelle und organisatorische Struktur der IB in Bremen seitdem verändert? 4. Welche Rolle innerhalb der IB Deutschland und zu länderübergreifenden IB- Organisationsstrukturen nehmen die Bremer Kader ein? 5. In welchem Verhältnis steht die IB-Bremen zur AfD und insbesondere zur „Jungen Alternative“? 6. Gibt es organisatorische oder personelle Überschneidungen zwischen IB, JA einerseits und (anderen) Organisationen oder Parteien, die vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden? 7. Wie bewertet der Senat die oben beschriebenen Parallelen und personellen Überschneidungen zwischen JA und IB? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 8. Wie bewerten die Sicherheitsbehörden das Forum „deutschepatrioten.de“ und die Kanäle „DunkleEule“ bei Youtube und bei Facebook, die offensichtlich vom stellvertretenden Bremer JA-Vorsitzenden betrieben werden? 9. Verfügen Mitglieder oder Menschen aus dem sympathisierenden Umfeld der IB über waffenrechtliche Erlaubnisse (Waffenbesitzkarte)? Wenn ja: a) wie viele Waffen haben diese Personen aktuell? b) Gibt es seitens des Innenressorts Pläne, Mitgliedern von IB und JA die Waffenbesitzkarten zu entziehen? 10. Gegen wie viele Mitglieder der IB und der JA werden aktuell Ermittlungsverfahren geführt, wie viele von ihnen sind wegen welchen Delikten vorbestraft? 11. Über wie viele Mitglieder der IB und der JA werden im Landesamt für Verfassungsschutz personenbezogene Akten geführt? 12. Welche Informationen hat der Senat über die Gruppierung „Loyale Patrioten“? Gibt es personelle oder organisatorische Überschneidungen zur IB und zur JA?“ Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Informationen hat der Senat über die IB in Bremen bezüglich inhaltlicher Ausrichtung, Aktionsformen, Organisationsstruktur und personellem Potenzial? Antwort auf Frage 1: Die rechtsextremistische Gruppierung „Identitäre Bewegung Bremen“ (IBB) ist Teil der bundesweiten Gruppierung „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD). Die 2012 gegründete IBB trat anfangs mit verschiedenen Aktionen in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Die Beteiligung von Rechtsextremisten an der Gruppierung führte zu öffentlicher Kritik, die wiederum bewirkte, dass die Aktivitäten der Gruppierung in den folgenden Jahren beinahe zum Erliegen kamen, u.a. weil sie keine neuen Anhänger rekrutieren konnte. Sämtliche Versuche der personellen und organisatorischen Neustrukturierung scheiterten zunächst, erst im November 2016 gelang es der IBB erneut, ihre Aktivitäten fortzusetzen. Unter den Aktivisten befinden sich stets Personen, die zuvor in anderen rechtsextremistischen Organisationen aktiv waren, wie z.B. der rechtsextremistischen „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) oder deren Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN). Das Mitgliederpotenzial der IBB bewegt sich derzeit im unteren zweistelligen Bereich. In den vergangenen Monaten veranstaltete die Gruppierung mehrere Propaganda- Aktionen in Bremen, so verteilten ihre Aktivisten Flugblätter auf dem Weihnachtsmarkt und führten Transparentaktionen durch, u.a. vor dem Gewerkschaftshaus Bremen, der Dienststelle des Senators für Inneres, in den Wallanlagen und auf dem Segelschiff „Alexander von Humboldt“. Die „Identitären“ nutzen vorwiegend das Internet und soziale Medien als Organisations- und Kommunikationsplattformen; dort versuchen sie, mit professionell aufbereiteten Aktionen ihre fremden- und islamfeindlichen Positionen öffentlichkeitswirksam zu verbreiten. Ideologisch argumentieren die „Identitären“ mit dem Konzept des Ethnopluralismus, wonach Migrationsprozesse die ethnokulturelle Identität eines jeden Volkes bedrohten. Die Identität könne lediglich durch die Trennung der Völker bewahrt werden. Die „Identitären“ betonen, dass sich die Menschen nicht aufgrund ihrer Rasse, sondern Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 aufgrund kultureller, regionaler und geografischer Faktoren voneinander unterschieden. 2. Ist es zutreffend, dass die Bremer IB-Gruppierung im Jahr 2013 von einschlägig bekannten und vorbestraften Neonazis gegründet wurde? Antwort auf Frage 2: An der Gründung der Bremer Gruppierung im Jahr 2012 beteiligten sich überwiegend Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum. Unter ihnen waren auch Personen, zu denen strafrechtliche Erkenntnisse vorliegen. 3. Inwiefern hat sich die personelle und organisatorische Struktur der IB in Bremen seitdem verändert? Antwort auf Frage 3: Siehe Antwort zu Frage 1. 4. Welche Rolle innerhalb der IB Deutschland und zu länderübergreifenden IB-Organisationsstrukturen nehmen die Bremer Kader ein? Antwort auf Frage 4: Die IBB ist ebenso wie die zahlreichen anderen, lokal oder regional verankerten Facebook-Gruppierungen in die informell organisierte Gruppierung IBD eingebunden. Die Rolle der einzelnen Gruppierungen besteht zum einen in der Rekrutierung neuer Anhänger. Zum anderen haben ihre Aktivisten die Aufgabe, die Propaganda in sozialen Netzwerken zu verbreiten und in die Öffentlichkeit zu tragen. 5. In welchem Verhältnis steht die IB-Bremen zur AfD und insbesondere zur „Jungen Alternative“? Antwort auf Frage 5: In der Presseberichterstattung des „Weser-Kurier“ (22.06.2017) und „Radio Bremen“ (22.06.2017) wurde öffentlichkeitswirksam, dass sich Funktionäre der JA Bremen auch an einer Demonstration der Identitären Bewegung am 17.06.2017 in Berlin beteiligt haben. Im Rahmen der Beobachtung des Phänomenbereichs Rechtsextremismus erlangte das LfV zudem Kenntnis über Kontakte von Aktivisten der rechtsextremistischen Gruppierung IBB zu Mitgliedern der Landesverbände von AfD und JA. Das LfV prüft derzeit, welche Auswirkung diese Erkenntnisse bei der Bewertung der JA haben und wird die Parlamentarische Kontrollkommission über diese und die daraus abzuleitenden Maßnahmen unterrichten. 6. Gibt es organisatorische oder personelle Überschneidungen zwischen IB, JA einerseits und (anderen) Organisationen oder Parteien, die vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden? Antwort auf Frage 6: Siehe Antworten zu Fragen 1 und 5. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 7. Wie bewertet der Senat die oben beschriebenen Parallelen und personellen Überschneidungen zwischen JA und IB? Antwort auf Frage 7: Mit Besorgnis nimmt der Senat zur Kenntnis, dass die „Identitären“ mit ihrer subtil und populistisch formulierten Propaganda insbesondere in sozialen Netzwerken regelmäßig ein breites Spektrum an Personen erreichen. 8. Wie bewerten die Sicherheitsbehörden das Forum „deutschepatrioten.de“ und die Kanäle „DunkleEule“ bei Youtube und bei Facebook, die offensichtlich vom stellvertretenden Bremer JA-Vorsitzenden betrieben werden? Antwort auf Frage 8: Die Beiträge in den benannten Medien werden derzeit auf ihren Bezug zum Rechtsextremismus und mögliche strafrechtliche Relevanz hin überprüft. 9. Verfügen Mitglieder oder Menschen aus dem sympathisierenden Umfeld der IB über waffenrechtliche Erlaubnisse (Waffenbesitzkarte)? Wenn ja: a) wie viele Waffen haben diese Personen aktuell? b) Gibt es seitens des Innenressorts Pläne, Mitgliedern von IB und JA die Waffenbesitzkarten zu entziehen? Antwort auf Frage 9: Nach Auffassung des Senats ist bei Extremisten, deren Ziel in der Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung besteht, die charakterliche Eignung zum Führen von Waffen grundsätzlich in Frage zu stellen. Die Entwaffnung von Rechtsextremisten und die konsequente Anwendung des Waffenrechts hatte der Senator für Inneres bereits 2011 mit der Vorstellung des Maßnahmenkatalogs „7-Punkte-Plan“ als Ziel formuliert und umgesetzt. In Bezug auf sogenannte „Reichsbürger“ hat der Senator für Inneres die Waffenbehörden angewiesen, Waffenbesitzerlaubnisse zu versagen bzw. zu widerrufen. Der Senat strebt bei den Mitgliedern des Beobachtungsobjektes des Verfassungsschutzes „Identitäre Bewegung“ (IBB und IBD) ein vergleichbares Vorgehen wie bei den sogenannten „Reichsbürgern“ und Mitgliedern der NPD an. Der Senator für Inneres wird die Erlasslage dahingehend anpassen, dass grundsätzlich bei Rechtsextremisten und Mitgliedern von Organisationen die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, ein gleichgelagertes waffenrechtliches Vorgehen sichergestellt ist. 10. Gegen wie viele Mitglieder der IB und der JA werden aktuell Ermittlungsverfahren geführt, wie viele von ihnen sind wegen welchen Delikten vorbestraft? Antwort auf Frage 10: Dem Senat liegen keine Erkenntnisse darüber vor, gegen wie viele Aktivisten der IBB Ermittlungsverfahren geführt werden und wie viele von ihnen wegen welcher Delikte vorbestraft sind, da die Polizei keine entsprechenden Statistiken führt. Einzelpersonen der IBB sind in der Vergangenheit strafrechtlich in Erscheinung getreten, u.a. mit politisch motivierter Kriminalität und Gewaltdelikten. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 5 11. Über wie viele Mitglieder der IB und der JA werden im Landesamt für Verfassungsschutz personenbezogene Akten geführt? Antwort auf Frage 11: Derartige Informationen unterliegen einer besonderen Vertraulichkeit. Der Senator für Inneres berichtet darüber regelmäßig der Parlamentarischen Kontrollkommission in der Bremischen Bürgerschaft. 12. Welche Informationen hat der Senat über die Gruppierung „Loyale Patrioten“? Gibt es personelle oder organisatorische Überschneidungen zur IB und zur JA? Antwort auf Frage 12: In Bremen traten in der ersten Jahreshälfte 2017 vermeintliche „patriotische“ Gruppierungen mehrfach in Erscheinung, wie z.B. die Gruppierung „Loyale Patrioten Deutschland“. Die Gruppierungen fielen vor allem mit Provokationen gegenüber ihren „politischen Gegnern“ in sozialen Netzwerken auf. Ihre Aktivisten vertreten häufig fremdenfeindliche Positionen, indem sie z.B. Flüchtlinge pauschal als „Terroristen“ oder „Vergewaltiger“ diffamieren. Einzelne Aktivisten der IBB haben Kontakte zu Angehörigen dieser Gruppierungen. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-1144 VB Neonazistische Gruppierung „Identitäre Bewegung“ und sogenannte neu-rechte Netzwerke in Bremen 20170704 KA Identitäre Bewegung