BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/1154 Landtag 19. Wahlperiode 25.07.17 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU Arbeitsassistenzen im Land Bremen gemäß UN- Behindertenrechtskonvention zufriedenstellend durch die Ausgleichsabgabe finanziert? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 30. Mai 2017 „Arbeitsassistenzen im Land Bremen gemäß UN-Behindertenrechtskonvention zufriedenstellend durch die Ausgleichsabgabe finanziert?“ Die Fraktion der CDU hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: „Die UN-Behindertenrechtskonvention beschreibt in Artikel 27 das Recht behinderter Menschen auf gleichberechtigte Arbeit. Dieses Recht schließt insbesondere auch die Möglichkeit ein, seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können. Ein wichtiges Instrument in der Erfüllung dieses Anspruchs ist die aus der Ausgleichsabgabe finanzierte Arbeitsassistenz (s. Neuntes Sozialgesetzbuch). Arbeitgeber sind nach § 77 SGB IX – je nach Größe des Betriebs – dazu verpflichtet eine bestimmte Anzahl an Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen zur Verfügung zu stellen. Sollten Arbeitgeber die ihnen zugemessene Anzahl an Plätzen nicht erreichen, müssen sie eine Ausgleichsabgabe zahlen, für dessen Erhebung das jeweilige Integrationsamt zuständig ist. Dabei ist es unerheblich, warum der Arbeitgeber nicht in der Lage ist, ein entsprechendes Angebot vorzuhalten. Die Ausgleichsabgabe wird dann wiederum dafür eingesetzt, schwerbehinderten Menschen die Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen und Mehrausgaben, etwa für die Gestaltung des Arbeitsplatzes , finanzieren zu können. Aus dem Produktgruppencontrolling für das 4. Quartal 2016 (PPL. 31 Arbeit) geht hervor, dass aus der Rücklage „Ausgleichsabgabe “ in 2016 1,3 Millionen entnommen wurden. Gleichzeitig wird hervorgehoben, dass die derzeit bestehende Rücklage von immer noch rund 5,3 Millionen Euro bis zum Jahr 2018 vollständig abgebaut sein soll. In Anbetracht des Mittelabflusses im Jahr 2016, von denen sogar 0,3 Millionen nicht benötigt wurden, erscheint dieser Abbau innerhalb des Jahres 2017 wenig realistisch. Ein weiteres wichtiges Instrument zur Integration schwerbehinderter Menschen in den Arbeitsmarkt ist die sogenannte Arbeitsassistenz. Für behinderte Menschen mit erheblichem Unterstützungsbedarf ist sie eine Grundvoraussetzung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Voraussetzung zur Gewährung einer Arbeitsassistenz nach §102 Abs. 4 SGB IX ist die Feststellung der notwendigen Leistung einer arbeitsplatzbezogenen Unterstützung. Dies bestätigt auch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin -Brandenburg aus dem Jahr 2011 (Az. OVG 6 B 1.09).Darin heißt es: „Der in § 102 Abs. 4 SGB IX gewährte Anspruch ist der Höhe nach durch den Begriff der Notwendigkeit begrenzt. Notwendig in diesem Sinne sind diejenigen Kosten, die entstehen, um den Bedarf für eine Arbeitsassistenz zu decken, die - dem Zweck der Regelung entsprechend - den behinderungsbedingten Unterstützungsbedarf bei der Bewältigung des beruflichen Alltags ausgleicht.“ (Rn 18). Dementsprechend haben die Integrationsämter die Pflicht, die Arbeitsassistenzen anhand tatsächlich notwendiger Bedarfe zu gewähren. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 Wir fragen den Senat: 1. Wie viele Betriebe zahlen aktuell für wie viele Plätze die Ausgleichsabgabe nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB IX? Zum Vergleich: Wie viele Betriebe zahlten die Ausgleichsabgabe für wie viele Plätze im Jahr 2012? 2. Wie ist die Höhe der laufenden jährlichen Einnahmen, wie die der Ausgaben des Integrationsamtes? 3. Wie entwickelten sich die Rücklagen der Ausgleichsabgabe seit 2012? 4. Für welche Maßnahmen wurden die Rücklagen aus der Ausgleichsabgabe im Jahr 2016 verwendet? Ist es richtig, dass die Rücklagen bis zum Jahr 2018 vollständig abgebaut werden sollen? Wenn ja, anhand welcher konkreten Maßnahmen soll das geschehen und warum ist nicht geplant, wenigstens eine geringe Rücklage zu erhalten ? Wenn nein, wie soll mit den Rücklagen verfahren werden? 5. Wie bewertet der Senat mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention die Begleitung von Menschen mit einer Schwerbehinderung in den ersten Arbeitsmarkt seit 2012? Hält der Senat weitere Maßnahmen für notwendig? Wenn ja, mit welchen Steuerungsmaßnahmen? Wenn nein, warum nicht? 6. Wie viele Arbeitsverhältnisse mit Arbeitsassistenz werden in Bremen von wem gefördert ? Für wie viele dieser Arbeitsverhältnisse gibt es zudem eine Assistenz für die Arbeitswege, nach welchen Kriterien wird diese den Betroffenen zugestanden? (Antwort bitte nach öffentlichem Dienst und anderen Arbeitgebern und nach Art der Tätigkeit aufschlüsseln) a) Während einer Ausbildung? b) Nach einer Ausbildung? 7. Welche Stundenanteile haben die bislang genehmigten Arbeitsassistenzen an der Gesamtarbeitszeit eines Assistenznehmers? Wenn es in der Zumessung der Stunden bei den Betroffenen Unterschiede gibt, anhand welcher Kriterien werden diese begründet ? (Bitte aufschlüsseln nach öffentlichem Dienst und anderen Arbeitgebern) 8. Welche bundesgesetzlichen Vorgaben gibt es für die Arbeitsassistenzen und wie werden diese auf Landesebene umgesetzt? 9. Gibt es für den Einsatz von Arbeitsassistenzen eine Handlungsanweisung des Senats an das Integrationsamt? Wenn ja, was sind die Vorgaben dieser Anweisung? Wenn nein, nach welchen Vorgaben handelt das Integrationsamt? Inwieweit sind diese Vorgaben bindend und geeignet die bundesgesetzlichen Vorgaben tatsächlich umzusetzen ? 10. Von wem und nach welchen Vorgaben wird der Assistenzbedarf festgestellt und gibt es einen Unterschied zwischen Ausbildungszeiten und sich anschließenden Arbeitsverhältnissen ? Wenn ja, kommt es dadurch zu unterschiedlichen Ergebnissen in der Zuerkennung der Höhe des Assistenzbedarfs? Wie wird dieser bei einem gleichbleibenden Schwerbehindertenstatus begründet? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 11. Welche Kosten entstehen im Integrationsamt durch die Arbeitsassistenzen und wie ist deren Finanzierung perspektivisch gedeckt? (Antwort bitte nach öffentlichem Dienst und anderen Arbeitgebern aufschlüsseln) 12. Gibt es schwerbehinderte Menschen, denen die ihnen zugebilligten Assistenzstunden offensichtlich nicht ausreichen um ihre Arbeit angemessen verrichten zu können? a) Gibt es derzeit Antragsverfahren, Widersprüche oder Klagen, die im Zusammenhang mit Leistungen für notwendige Arbeitsassistenzen stehen? (bitte nach Art des Verfahrens aufschlüsseln). b) Innerhalb welcher Frist werden Anträge auf Kostenübernahme notwendiger Arbeitsassistenzen entschieden? 13. Werden Leistungen unter Vorbehalt einer Verzichtserklärung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist zurückgehalten? Wenn ja, warum? 14. Wie erfolgt die Sicherung von Arbeitsplätzen und Arbeitsverhältnissen bei Widersprüchen gegen die unzureichende Höhe der zugebilligten Arbeitsassistenzstunden im Hinblick auf die langen Verfahrenszeiten bis zu endgültigen Entscheidungen? Wurden Vorschussbescheide erlassen die von der beantragten Leistung zur Sicherung des Arbeitsplatzes abweichen? Wenn ja, mit welcher Begründung?“ Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Betriebe zahlen aktuell für wie viele Plätze die Ausgleichsabgabe nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB IX? Zum Vergleich: Wie viele Betriebe zahlten die Aus-gleichsabgabe für wie viele Plätze im Jahr 2012? Die nachfolgenden Zahlen basieren auf der statistischen Erfassung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA); die BA erhebt die Daten im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach § 80 Abs. 2 SGB IX. Die Zahlen für das Jahr 2016 werden von der BA im April 2018 vorgelegt werden; die aktuellsten Zahlen, die verfügbar sind, beziehen sich auf das Jahr 2015. 2012 (Land Bremen) 2015 (Land Bremen) Beschäftigungspflichtige Arbeitgeber i.S.v. § 71 SGB IX 1.484 1.606 Beschäftigungspflichtige Arbeitgeber i.S.v. § 71 SGB IX, die die Beschäftigungsquote nicht erfüllen und gem. § 77 SGB IX abgabepflichtig sind 1.157 1.296 Unbesetzte (nicht mit schwerbehinderten oder mit gleichgestellten Menschen besetzte) Pflichtarbeitsplätze 2.818 3.071 Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 5 2. Wie ist die Höhe der laufenden jährlichen Einnahmen, wie die der Ausgaben des Integrationsamtes? In den nachfolgenden Übersichten werden die Einnahmen (Tabelle 1) und die Ausgaben (Tabelle 2) aufgezeigt. Hinsichtlich der im Land erhobenen Einnahmen ist zu beachten , dass diese der Freien Hansestadt Bremen nicht im vollen Umfang zur Verfügung stehen. Neben der alle Integrationsämter treffenden anteilsmäßigen Abführung an den beim BMAS geführten Ausgleichsfonds gehört Bremen im Rahmen eines Ausgleichs unter den Integrationsämtern zu den Gebern. (1) Verfügbare unterjährige Mittel der Ausgleichsabgabe (Angaben in Tausend Euro) Ist Prognose 2015 2016 2017 2018 Einnahmen Erhebung Ausgleichsabgabe für das Vorjahr (einschließlich Erstattungen ) 7.657 7.629 8.000 8.000 Zuweisung von Bundesmitteln aus dem Ausgleichsfonds zur Abwicklung von Bundesprogrammen 0 465 465 465 Abführungen Abführung an den Ausgleichsfonds beim BMAS1 1.344 1.441 1.596 1.600 Abführung im Rahmen des Ausgleichs unter den Integrationsämtern 2 1.256 1.371 1.600 1.900 Saldo (Einnahmen / Abführungen) (= unterjährig verfügbare Mittel, ohne Mittel der Rücklage; zur Rücklage siehe Frage 3) 5.057 5.282 5.269 4.965 1 Gesetzliche Grundlage: § 77 Abs. 6 S. 1 SGB IX. 2 Die Freie Hansestadt Bremen ist im Rahmen dieses nach § 77 Abs. 6 S. 2 SGB IX vorgesehenen Ausgleichs Zahler-Land. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 6 (2) Jährliche Ausgaben des Integrationsamtes (Angaben in Tausend Euro) Ist (Stand: 31.12.2016) Prognose 2015 2016 2017 2018 1 Leistungen zur Förderung des Arbeits- und Ausbildungsplatzangebots für schwerbehinderte Menschen (§ 14 Abs. 1 Ziff. 1 Schwerbehinderten- Ausgleichsabgabeverordnung, SchwbAV) 850 864 630 535 2 Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben , einschließlich der Durchführung von Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen (§ 14 Abs. 1 Ziff. 2 SchwbAV) 4.409 3.992 4.620 4.454 Davon Leistungen für Arbeitsassistenz i.S.v. § 102 Abs. 4 SGB IX 351 230 310 360 3 Leistungen für Einrichtungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben (§ 14 Abs. 1 Ziff. 3 SchwbAV) 6 429 0 0 4 Leistungen zur Durchführung von Forschungs - und Modellvorhaben auf dem Gebiet der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben, sofern ihnen ausschließlich oder überwiegend regionale Bedeutung zukommt oder beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales beantragte Mittel aus dem Ausgleichsfonds nicht erbracht werden konnten (§ 14 Abs. 1 Ziff. 4 SchwbAV) 431 530 408 314 5 Maßnahmen der beruflichen Orientierung (§ 14 Abs. 1 Ziff. 5 SchwbAV) 342 433 220 45 6 Leistungen aus Mitteln des Ausgleichsfonds , die das Integrationsamt Bremen i.R.d. Umsetzung von Bundesprogrammen administriert 110 41 5 220 Gesamtausgaben (Zeilen 1 – 6) 6.148 6.289 5.883 5.568 Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 7 3. Wie entwickelten sich die Rücklagen der Ausgleichsabgabe seit 2012? Hinweis: Es gibt lediglich eine Rücklage im Bereich Ausgleichsabgabe. Darunter zu verstehen sind Mittel der Ausgleichsabgabe des Landes, die nicht verausgabt worden sind. Die Rücklage tritt somit zu den jährlich erhobenen Abgaben als grundsätzlich verfügbarer Betrag hinzu. Im Jahr 2012 hatte die Rücklage im Land Bremen ihren Höchststand erreicht. Seither wird die Rücklage kontinuierlich reduziert. Hintergrund ist in erster Linie eine gezielte Förderung von Integrationsprojekten sowie ein starkes Engagement des Integrationsamtes im Bereich Modell- und Forschungsvorhaben, aber auch die bisherige Ausstattung des Arbeitsmarktprogramms Plus. Angaben in Tausend Euro jeweils zum 31.12. des bezeichneten Jahres: Ist Prognose 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Entnahme 0 792 1226 1091 1007 614 603 733 733 733 Stand Rücklage 9.720 8.928 7.702 6.611 5.604 4.990 4.387 3.654 2.921 2.188 4. Für welche Maßnahmen wurden die Rücklagen aus der Ausgleichsabgabe im Jahr 2016 verwendet? Ist es richtig, dass die Rücklagen bis zum Jahr 2018 vollständig abgebaut werden sollen? Wenn ja, anhand welcher konkreten Maßnahmen soll das geschehen und warum ist nicht geplant, wenigstens eine geringe Rücklage zu erhalten? Wenn nein, wie soll mit den Rücklagen verfahren werden? Die Verwendung der Mittel der Ausgleichsabgabe im Jahr 2016 wird in der Antwort auf Frage 2 dargestellt. Die Mittel der Rücklage gehen darin auf; sie sind für das gesamte Leistungsspektrum der Ausgleichsabgabe einzusetzen. Die Rücklage soll nicht vollständig, sondern bis auf eine notwendige Liquiditätsreserve abgebaut werden. Dies erfolgt jedoch nicht bis 2018, sondern noch darüber hinaus, wie der Prognose der Entwicklung des Rücklagenabbaus (Antwort auf Frage 3) entnommen werden kann. Die Ausgleichsabgabe wird vom Integrationsamt jeweils für das vorhergehende Jahr erhoben. Das kann erst erfolgen, wenn die Arbeitgeber die zur Berechnung der Abgabe erforderlichen Angaben gemacht haben; ihnen ist dafür jeweils Zeit bis zum 31.03. eines Jahres eingeräumt (§§ 77 Abs. 4 S. 1, 80 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Um auch im ersten Quartal (kontinuierlich) Förderleistungen ausreichen zu können, bedarf das Integrationsamt somit einer Reserve. Diese Reserve sollte nach Auffassung des Integrationsamtes einen Betrag in Höhe von 1,5 Mio. Euro nicht unterschreiten . Zum 31.12.2016 hat die Rücklage noch rund 5,6 Mio. Euro betragen. Um einen weiteren Abbau der Rücklage zu gewährleisten, plant das Integrationsamt insbesondere folgende Fördermaßnahmen ein: Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 8 - Sicherstellung der Finanzierung der laufenden Kosten hinsichtlich der geschaffenen Zielgruppenarbeitsplätze in Integrationsprojekte. - Förderung von rund 15 zusätzlichen Zielgruppenarbeitsplätzen in neuen oder erweiterten Integrationsprojekten pro Jahr; - Fortführung und Anpassung des Arbeitsmarktprogramms Plus ab 2018; - Verstetigung des derzeitigen Modellprojektes Budget für Arbeit im Rahmen der neuen gesetzlichen Regelung mit Teilfinanzierung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe ; - Bereitstellung von Mitteln zur Teilfinanzierung von Maßnahmen der Berufsorientierung für schwerbehinderte Schülerinnen und Schüler. 5. Wie bewertet der Senat mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention die Be-gleitung von Menschen mit einer Schwerbehinderung in den ersten Arbeitsmarkt seit 2012? Hält der Senat weitere Maßnahmen für notwendig? Wenn ja, mit welchen Steuerungsmaßnahmen? Wenn nein, warum nicht? Der Senat tritt für eine inklusive Arbeitswelt ein. Daher begrüßt der Senat in besonderer Weise das Engagement, das vom Integrationsamt in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der Förderung von Integrationsprojekten (§ 132 SGB IX) gezeigt worden ist. Seit dem Jahr 2012 hat sich die Zahl der Integrationsprojekte von 4 auf 14 vervielfacht . Außerdem hebt der Senat mit Blick auf die Arbeit des Integrationsamtes positiv die Auflage, Förderung und Nachhaltung der Modellprojekte - „JobBudget“ und - „Budget für Arbeit“ hervor. Diese Modellprojekte und die Umsetzung des Bundesmodellprojektes „Initiative Inklusion“ gehen über das Regelgeschäft des Amtes hinaus. Der Senat wünscht, dass das Integrationsamt seine proaktive Rolle bei der Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben fortsetzt. Der Senat sieht, dass in den vergangenen Jahren neben den traditionellen Förderschwerpunkten des Integrationsamtes („Begleitende Hilfen“, die als Einzelleistungen an Arbeitgeber/innen oder Arbeitnehmer/innen ausgestaltet sind) aufgrund gesetzlicher Neuerungen in größerem Umfang eine dauerhaft angelegte Förderung von Strukturen (Stichworte: Integrationsprojekte, Budget für Arbeit, Berufsorientierung) hinzugetreten ist. Da die gesetzlichen Aufgaben zugenommen haben, zeigt der Umstand, dass das Integrationsamt seit einiger Zeit im Jahr mehr ausgibt, als es einnimmt, tendenziell eine Unterfinanzierung. Dies kann zwar zur Zeit noch durch Entnahmen aus der Rücklage bzw. über die Zuweisungen aus dem Ausgleichsfonds kompensiert werden. Es ist aber absehbar, dass mittelfristig keine ausreichende Grundlage für eine ausreichende Finanzierung der Förderleistungen auf dem gegenwärtigen Niveau gegeben ist. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 9 Der Senat begrüßt es, dass das Integrationsamt in diesem Jahr eine „Strategie zur Verwendung der Ausgleichsabgabe im Land Bremen bis 2021“ mit einer mittelfristigen Planung vorlegen wird. Darin werden künftige Förderschwerpunkte beschrieben. Der Senat erwartet, dass Aufbau und Verstetigung von Integrationsprojekten weiterhin einen Schwerpunkt der Leistungen des Integrationsamtes ausmachen. 6. Wie viele Arbeitsverhältnisse mit Arbeitsassistenz werden in Bremen von wem ge-fördert? Für wie viele dieser Arbeitsverhältnisse gibt es zudem eine Assistenz für die Arbeitswege, nach welchen Kriterien wird diese den Betroffenen zugestanden? (Ant-wort bitte nach öffentlichem Dienst und anderen Arbeitgebern und nach Art der Tätigkeit aufschlüsseln) a) Während einer Ausbildung? Zur Arbeitsassistenz in der Zuständigkeit der Integrationsämter gehört nicht die Assistenz bei betrieblicher, schulischer und überbetrieblicher Ausbildung. b) Nach einer Ausbildung? Dem Senat liegen lediglich Zahlen über die Förderung von Arbeitsassistenz im Sinne von § 102 Abs. 4 SGB IX durch das Integrationsamt vor. Zwar sind die Leistungen des Integrationsamtes auch auf diesem Gebiet subsidiär gegenüber den Leistungen der Rehabilitationsträger; über Zahlen hinsichtlich der Förderung von Arbeitsassistenz durch die Rehabilitationsträger im Land Bremen verfügt der Senat jedoch nicht. Zahl der Arbeitsverhältnisse im Land Bremen, bei denen das Integrationsamt aus Mitteln der Ausgleichsabgabe eine Arbeitsassistenz im Sinne von § 102 Abs. 4 SGB IX fördert (Stand: 2016): 1 2 3 4 Arbeitsverhältnisse mit Arbeitsassistenz in Förderung durch Integrationsamt Bremen Davon (Spalte 1): öffentlicher Arbeitgeber Davon (Spalte 1): anderer (nichtöffentli - cher) Arbeitgeber Davon (Spalte 1): weibliche Assistenznehmerinnen Land Bremen 37 16 21 21 Stadt Bremen 34 15 19 19 Stadt Bremerhaven 3 1 2 2 Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 10 Wegeassistenz (Assistenz auf dem Weg Wohnung - Arbeitsstelle) gehört grds. nicht zur Zuständigkeit der Integrationsämter gem. § 102 Abs. 4 SGB IX. Eine Unterstützung bei der Bewältigung des Arbeitsweges kann vom Integrationsamt über § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Kraftfahrzeughilfeverordnung (KfzHV) gefördert werden. Sachlich zuständig ist das Integrationsamt aber nur, wenn kein Rehabilitationsträger zu dieser Leistung verpflichtet ist. Das bedeutet letztlich, dass das Integrationsamt für Beamte und Selbstständige in diesem Bereich eintritt, sofern sie keine Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben. Mit Stand vom Juni 2016 fördert das Integrationsamt in drei Fällen eine solche Unterstützung bei der Bewältigung des Arbeitsweges. 7. Welche Stundenanteile haben die bislang genehmigten Arbeitsassistenzen an der Gesamtarbeitszeit eines Assistenznehmers? Wenn es in der Zumessung der Stunden bei den Betroffenen Unterschiede gibt, anhand welcher Kriterien werden diese begründet? (Bitte aufschlüsseln nach öffentlichem Dienst und anderen Arbeitgebern) Aus der nachfolgenden Übersicht ergeben sich die Stundenanteile der vom Integrationsamt genehmigten Arbeitsassistenzen: 1 2 3 4 Vom Integrationsamt Bremen geförderte Stundenzahl (pro Woche), die von der Assistenz geleistet wird Arbeitsassistenzen, die das Integrationsamt Bremen fördert (insgesamt) Davon (Spalte 2): Arbeitsassistenzen bei öffentlichen Arbeitgebern Davon (Spalte 2): Arbeitsassistenzen bei anderen Arbeitgebern 1 Stunde (oder weniger ) 10 6 4 2 Stunden 0 0 0 3 Stunden 2 0 2 4 Stunden 2 0 2 5 Stunden 2 1 1 6 Stunden 1 0 1 7 Stunden 0 0 0 8 Stunden 1 0 1 9 Stunden (u mehr) 19 9 10 Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 11 Der durchschnittliche Anteil der vom Integrationsamt geförderten Stunden der notwendigen Arbeitsassistenz betrug in 2016 ca. 19,35 % der Gesamtarbeitszeit der Assistenznehmer . Hierbei ist zu beachten, dass auch Kostenübernahmen für den Ferndolmetschdienst Telesign für gehörlose Menschen im Rahmen der Arbeitsassistenz gefördert werden. Wie es zu Unterschieden in der Zumessung der Stunden kommt, ist in der Antwort auf Frage 10 beschrieben; ein Zusammenhang mit der Zuordnung des Arbeitgebers besteht dabei nicht. Die Kriterien ergeben sich aus den rechtlichen Grundlagen; dazu gehört auch die in der Antwort auf Frage 9 bezeichnete Verwaltungsvorschrift. 8. Welche bundesgesetzlichen Vorgaben gibt es für die Arbeitsassistenzen und wie werden diese auf Landesebene umgesetzt? Für die Arbeitsassistenzen gelten folgende Vorgaben des Bundesrechts: - SGB IX (geltende Fassung): §§ 33 Abs. 8 Ziff. 3, 77 Abs. 5, 102 Abs. 4, 108 (Von der Verordnungsermächtigung des § 108 SGB IX hat die Bundesregierung bis zum heutigen Tag keinen Gebrauch gemacht.) - SGB IX (neue Fassung, ab 01.2018): §§ 49 Abs. 8 Ziff. 3, 160 Abs. 5, 185 Abs. 5, 191 - Schwerbehindertenausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV): §§ 17 Abs. 1a, 18 Die Integrationsämter in den Ländern haben diese bundesgesetzlichen Vorgaben unmittelbar zu beachten; einer Umsetzung in Landesrecht bedarf es dazu grundsätzlich nicht. 9. Gibt es für den Einsatz von Arbeitsassistenzen eine Handlungsanweisung des Senats an das Integrationsamt? Wenn ja, was sind die Vorgaben dieser Anweisung? Wenn nein, nach welchen Vorgaben handelt das Integrationsamt? Inwieweit sind diese Vorgaben bindend und geeignet die bundesgesetzlichen Vorgaben tatsächlich umzusetzen? Der die Fachaufsicht führende Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen hat das Integrationsamt angewiesen, die „Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX“ (Stand: 15.04.2014, veröffentlicht auf der Homepage des Amtes für Versorgung und Integration Bremen, im Folgenden: „BIH-RL Arbeitsassistenz“) zugrunde zu legen ; die bezeichnete BIH-Empfehlung hat damit im Land Bremen den Rang einer das Amt bindenden Verwaltungsvorschrift. Dies dient insbesondere einer dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechenden Verwaltungspraxis und bietet den Sachbearbeitern /innen eine Handreichung für eine Vielzahl von Fragen, die weder Gesetz- noch Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 12 Verordnungsgeber näher ausgestaltet haben. Der berücksichtigungsfähige Stundensatz von Assistenzkräften ist zwischenzeitlich auf 21,15 Euro angehoben worden. 10. Von wem und nach welchen Vorgaben wird der Assistenzbedarf festgestellt und gibt es einen Unterschied zwischen Ausbildungszeiten und sich anschließenden Arbeitsverhältnissen? Wenn ja, kommt es dadurch zu unterschiedlichen Ergebnissen in der Zuerkennung der Höhe des Assistenzbedarfs? Wie wird dieser bei einem gleichbleibenden Schwerbehindertenstatus begründet? Der Bedarf von notwendiger Arbeitsassistenz wird von der Technischen Beraterin des Integrationsamtes nach den BIH-RL Arbeitsassistenz festgestellt. Die zuständige Bezirkssachbearbeitung im Integrationsamt bewertet dies rechtlich und setzt eine Förderung um. Es gibt Unterschiede zwischen Ausbildungszeit und einem Arbeitsverhältnis, die auch in die individuelle Feststellung eines Assistenzbedarfs einfließen. So unterscheiden sich grundsätzlich Arbeitsaufgaben während einer Ausbildung von Arbeitsaufgaben im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, und zwar nach Inhalt und Umfang. Daher kann sich der Assistenzbedarf während einer Ausbildungszeit von dem Assistenzbedarf im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses unterscheiden; das gilt unabhängig davon, dass sich an dem Schwerbehindertenstatus nichts ändern mag. Besonderheiten des Einzelfalls sind zu berücksichtigen. Die Bedarfsermittlung der notwenigen Arbeitsassistenz wird deshalb immer für den konkreten Einzelfall vorgenommen, eine pauschale Aussage ist nicht möglich. Dabei werden stets alle aktuellen Gegebenheiten wie z. B. mögliche bauliche Maßnahmen, technische Hilfsmittel, organisatorische Regelungen, voraussichtliche Dauer der Tätigkeit , Arbeitsaufgabe sowie die anerkannte(n) Behinderung(en) des schwerbehinderten Menschen berücksichtigt. 11. Welche Kosten entstehen im Integrationsamt durch die Arbeitsassistenzen und wie ist deren Finanzierung perspektivisch gedeckt? (Antwort bitte nach öffentlichem Dienst und anderen Arbeitgebern aufschlüsseln) Zu den entstehenden Kosten der Arbeitsassistenz siehe Antwort zu Frage 2. Im Jahr 2016 sind von den Ausgaben des Integrationsamtes Bremen für Arbeitsassistenzen auf den Bereich öffentlicher Arbeitgeber rund 41 % und auf den Bereich anderer (nicht-öffentlicher) Arbeitgeber rund 59 % entfallen. Der Übersicht in der Frage 2 ist auch zu entnehmen, dass das Integrationsamt in der Prognose der Aufwendungen für Leistungen der Arbeitsassistenz von steigenden Kosten und wachsendem Bedarf ausgeht. Deren Finanzierung ist im Rahmen der Planungen berücksichtigt und gesichert. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 13 12. Gibt es schwerbehinderte Menschen, denen die ihnen zugebilligten Assistenz -stunden offensichtlich nicht ausreichen, um ihre Arbeit angemessen verrichten zu können? Nach der BIH-RL Arbeitsassistenz sollen im Interesse einer selbständigen Arbeitsausführung zur Vermeidung oder Verringerung des Assistenzbedarfs alle anderen Maßnahmen nach dem SGB IX sowie die vorrangigen Leistungen ausgeschöpft werden. Dazu gehören insbesondere - die dem Fähigkeitsprofil der Menschen mit Schwerbehinderung entsprechende Auswahl des Arbeitsplatzes (ggf. Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz) § 81 Abs. 4 SGB IX, - die behinderungsgerechte Organisation, Einrichtung und Ausgestaltung des Arbeitsplatzes einschließlich der Arbeitsabläufe, - die auf die individuellen Fähigkeiten abgestimmte berufliche Ausbildung und Einarbeitung, ggf. Jobcoachinq, - Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung, - durch den Arbeitgeber sichergestellte personelle Unterstützung durch eiqene Mitarbeiter. Weiterhin sieht die BIH-RL Arbeitsassistenz vor, dass in der Regel ein Unterstützungsbedarf von bis zu 4 Stunden (bei 8-stündiger Arbeitszeit des Assistenznehmers) erbracht werden soll. Diese Voraussetzungen prüft das Integrationsamt in jedem Einzelfall unter Beachtung des eingeräumten Ermessensrahmens. Dabei wirkt das Integrationsamt auf eine passgenaue Ausgestaltung und Einrichtung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes hin, damit die Assistenznehmer die benötigten Hilfen erhalten und möglichst selbständig ihre Arbeit angemessen verrichten zu können. Dem Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen sind Einzelfälle bekannt, in denen schwerbehinderte Menschen vortragen, dass sie sich mit den ihnen zugebilligten Assistenzstunden nicht einverstanden erklären. a) Gibt es derzeit Antragsverfahren, Widersprüche oder Klagen, die im Zusammenhang mit Leistungen für notwendige Arbeitsassistenzen stehen? (bitte nach Art des Verfahrens aufschlüsseln). Aktuell gibt es im Integrationsamt drei offene Antragsverfahren auf Leistungen für notwendige Arbeitsassistenz. Derzeit ist beim Integrationsamt ein Widerspruch im Zusammenhang mit Leistungen für notwendige Arbeitsassistenz anhängig. Außerdem besteht derzeit in drei Klageverfahren ein Zusammenhang mit Arbeitsassistenz. b) Innerhalb welcher Frist werden Anträge auf Kostenübernahme notwendiger Arbeitsassistenzen entschieden? Anträge auf Leistungen für notwendige Arbeitsassistenz werden in der Regel innerhalb von vier bis acht Wochen beschieden. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 14 13. Werden Leistungen unter Vorbehalt einer Verzichtserklärung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist zurückgehalten? Wenn ja, warum? In dieser Weise geht das Integrationsamt nicht vor, da die Antragsteller zumindest einen Anspruch auf die vom Integrationsamt im Ursprungsbescheid bewilligte Höhe der Leistung haben. 14. Wie erfolgt die Sicherung von Arbeitsplätzen und Arbeitsverhältnissen bei Wider-sprüchen gegen die unzureichende Höhe der zugebilligten Arbeitsassistenzstunden im Hinblick auf die langen Verfahrenszeiten bis zu endgültigen Entscheidungen? Wurden Vorschussbescheide erlassen die von der beantragten Leistung zur Siche-rung des Arbeitsplatzes abweichen? Wenn ja, mit welcher Begründung?“ Da die Antragsteller zumindest einen Anspruch auf die vom Integrationsamt im Ursprungsbescheid bewilligte Höhe der Leistung haben, werden während eines Widerspruchsverfahrens bzw. eines Klageverfahrens Vorschüsse im Sinne des § 42 SGB I in Höhe der bewilligten Leistung ausgezahlt. Begründet werden solche Bescheide damit, dass dem Grund nach auf die beantragte Leistung ein Anspruch besteht, die genaue Höhe der Leistung aber noch nicht rechtskräftig festgestellt werden konnte. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-1154 VB Arbeitsassistenzen im Land Bremen gemäß UN-Behindertenrechtskonvention zufriedenstellend durch die Ausgleichsabgabe finanziert? 20170725_1_KA Arbeitsassistenzen im Land Bremen Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 30. Mai 2017