BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/1156 Landtag 19. Wahlperiode 25.07.17 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD Gefahr durch alkoholisierte Radlerinnen/Radler? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 13. Juni 2017 „Gefahr durch alkoholisierte Radlerinnen/Radler?“ Die Fraktion der SPD hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: „Die Gefahren, die der Konsum von Alkohol birgt, werden in vielen Alltagssituationen unterschätzt . So manche/r Autofahrer/-in steigt nach feuchtfröhlichen Feiern gern auf das Fahrrad um, in der irrigen Annahme, dass so der Besitz der Fahrerlaubnis ungefährdet ist. Doch auch auf unmotorisierten Rädern gilt längst eine Promillegrenze. Diese ist allerdings nicht so niedrig angesetzt wie für Autofahrer/-innen. Der Gesetzgeber argumentiert bei diesen unterschiedlichen Regelungen mit einem geringeren Gefährdungspotenzial von Radfahrer /-innen gegenüber den Führer/-innen von PKWs oder LKWs aufgrund deutlich niedriger Geschwindigkeiten. Doch bereits ab einem Promillewert von 0,5 macht sich der Alkohol im Körper bemerkbar. Ab dieser Grenze lassen Konzentration und Aufmerksamkeit nachgewiesen deutlich nach. Auch Fahrrad fahren unter Alkoholeinfluss führt im schwersten Fall zum Führerscheinentzug. Weitere mögliche Sanktionen: Strafverfahren, Punkte in der Verkehrssünderdatei des Kraftfahrt -Bundesamtes in Flensburg, die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) oder ein Fahrverbot wegen Alkohols sind gegebenenfalls möglich. Schon bei einem Alkoholwert von 0,3 Promille kann es bei auffälliger Fahrweise oder einem Unfall für Radler/-innen zu einer Strafanzeige kommen. Bei unauffälliger Fahrweise gilt aber beim Radverkehr die deutlich höhere Promillegrenze 1,6 mit folgenden möglichen Sanktionen: 3 Punkte, Anordnung einer MPU, Bußgeld in Höhe von bis zu einem Monatsgehalt. Während sich die Grenzwerte für KFZ-Fahrer/-innen seit den 1950er Jahren mehrfach geändert haben, sind diese für Radfahrer/-innen unverändert geblieben. Das ist angesichts der Verkehrsentwicklung längst nicht mehr zeitgemäß. Verkehrsgerichtstag und ADFC fordern daher schon seit längerer Zeit eine Senkung der Promillegrenzen. Betrunkene Radfahrer/-innen leben gefährlich. Aber sie werden selten bestraft. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie haben sich in den vergangenen fünf Jahren die Zahlen von Verkehrsunfällen (bitte getrennt für Bremen und Bremerhaven auflisten) entwickelt, bei denen alkoholisierte Radfahrer-/innen beteiligt waren? 2. Hält der Senat die Annahme für richtig, dass das Unfallrisiko für Radfahrer/-innen durch ein Absenken der Promillegrenze deutlich minimiert werden könnte? 3. Hält der Senat die Forderung des ADFC für zielführend, nach der der Gesetzgeber einen zusätzlichen Gefahrengrenzwert von 1,1 Promille als Bußgeldtatbestand in das Straßenverkehrsgesetz aufgenommen werden sollte? 4. Hält der Senat die derzeit geltende Rechtsauffassung, nach der ein Fahrradunfall unter Alkoholeinfluss nur eine Ordnungswidrigkeit und keinen Straftatbestand darstellt, für ausreichend?“ Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie haben sich in den vergangenen fünf Jahren die Zahlen von Verkehrsunfällen (bitte getrennt für Bremen und Bremerhaven auflisten) entwickelt, bei denen alkoholisierte Radfahrer-/innen beteiligt waren? In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Anzahl der Verkehrsunfälle in Bremen und Bremerhaven, bei denen alkoholisierte Pedelec- oder RadfahrerInnen als VerursacherInnen beteiligt waren, wie folgt entwickelt: Dies entspricht in den Stadtgemeinden dem nachfolgend genannten, prozentualen Anteil an der Gesamtzahl der Verkehrsunfälle. Jahr Gesamtzahl der Verkehrsunfälle mit Beteiligung RadfahrerInnen, Stadtgemeinde Bremen Davon Anteil der alkoholisierten VerursacherInnen in Prozent (gerundet ) Gesamtzahl der Verkehrsunfälle mit Beteiligung RadfahrerInnen, Stadtgemeinde Bremerhaven Davon Anteil der alkoholisierten VerursacherInnen in Prozent (gerundet) 2012 1598 6% 253 6% 2013 1596 4% 235 7% 2014 1793 5% 269 5% 2015 1741 4% 234 5% 2016 1533 3% 210 7% Jahr Anzahl der Fälle, Stadtgemeinde Bremen Anzahl der Fälle, Stadtgemeinde Bremerhaven 2012: 93 14 2013: 70 16 2014: 81 14 2015: 73 11 2016: 53 15 Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2. Hält der Senat die Annahme für richtig, dass das Unfallrisiko für Radfahrer/-innen durch ein Absenken der Promillegrenze deutlich minimiert werden könnte? 3. Hält der Senat die Forderung des ADFC für zielführend, nach der der Gesetzgeber einen zusätzlichen Gefahrengrenzwert von 1,1 Promille als Bußgeldtatbestand in das Straßenverkehrsgesetz aufgenommen werden sollte? 4. Hält der Senat die derzeit geltende Rechtsauffassung, nach der ein Fahrradunfall unter Alkoholeinfluss nur eine Ordnungswidrigkeit und keinen Straftatbestand darstellt, für ausreichend? Antwort zu Frage 2 bis 4: Ein Radfahrer, der im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit am Straßenverkehr teilnimmt, macht sich wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB strafbar, auch wenn kein Unfall verursacht wird. Die Rechtsprechung nimmt absolute Fahruntüchtigkeit bei Radfahrern ab einer Blutalkoholkonzentration von etwa 1,6 Promille an. Ein Radfahrer, der im Zustand der relativen Fahruntüchtigkeit (also mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 Promille) einen Unfall verursacht, kann sich wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB strafbar machen. Außerdem kommen Körperverletzungsdelikte und andere Straftatbestände in Betracht. Nahezu die Hälfte der von Radfahrern verursachten Verkehrsunfälle in Bremen sind Wegeunfälle und ereignen sich somit ohne Beteiligung eines anderen Verkehrsteilnehmers. Unfallursächlich sind hier in der Hauptsache Fahrfehler, für die erfolgversprechende polizeiliche Ansätze nicht erkennbar sind. Der 53. Deutsche Verkehrsgerichtstag hat sich mit den Promillegrenzen für Radfahrer auseinandergesetzt und folgende Empfehlungen ausgesprochen: 1. Nach derzeitiger Rechtslage können sich Fahrradfahrer bei alkoholbedingter Fahrunsicherheit bereits ab einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,3 Promille nach § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) strafbar machen. Der dafür erforderliche Nachweis alkoholbedingter Fahrfehler ist in der Praxis häufig nur schwer zu führen. 2. Neueste rechtsmedizinische Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Fahrradfahrern im Bereich von 0,8 bis 1,1 Promille eine signifikante Zunahme von „groben“ Fahrfehlern auftritt. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Arbeitskreis dem Gesetzgeber die Schaffung eines Bußgeldtatbestandes, wie er in § 24 a StVG (0,5-Promille-Grenze) für Kraftfahrzeugführer vorhanden ist, für Fahrradfahrer aber bislang fehlt. 3. Eine deutliche Mehrheit des Arbeitskreises spricht sich nach bisher vorliegenden Erkenntnissen für einen Bußgeldtatbestand mit einem gesetzlichen Grenzwert von 1,1 Promille aus. 4. Es bedarf auch weiterhin einer umfassenden Bewertung der Gefährdung, die von alkoholisierten Fahrradfahrern ausgeht, insbesondere unter Einbeziehung aller vorhanden wissenschaftlichen Erkenntnisse. Der Senat teilt diesbezüglich die Empfehlungen des Deutschen Verkehrsgerichtstages und hält eine Anpassung im Sinne der Verkehrssicherheit für sinnvoll. Der Senat wird den Umgang des Bundesgesetzgebers und der betroffenen Fachministerkonferenzen mit den Empfehlungen aufmerksam beobachten, konstruktiv begleiten und ggf. prüfen, ob ergänzende Bremer Initiativen erforderlich sind. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-1156 VB Gefahr durch alkoholisierte Radlerinnen/Radler? 20170725_1_KA Gefahr durch alkoholisierte RadlerInnen