BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/1160 Landtag 19. Wahlperiode 25.07.17 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU Wie viele Suizide finden in Bremen statt? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion CDU vom 14. Juni 2017 „Wie viele Suizide finden in Bremen statt? Die Fraktion der CDU hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: „Menschen, die den Freitod wählen, sehen oft keinen anderen Ausweg mehr, als ihr Leben selbst zu beenden. Sie hinterlassen Familien, Freunde und Kollegen, die sich fragen, warum der geliebte Mensch freiwillig aus dem Leben geschieden ist. Die Frage nach dem Warum umtreibt die Angehörigen. Hätte man etwas merken müssen? Inwiefern hätte die betroffene Person der Hilfe bedurft? Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Suizide hat die Polizei im Land Bremen in den Jahren 2014, 2015 und 2016 bearbeitet? 2. Welches Geschlecht hatten die Suizidalen in Prozentzahlen? 3. In welchem Alter wurde der Suizid begangen (aufgeteilt nach Bremen und Bremerhaven )? 4. Welche Erkenntnisse hat der Senat zu den Motiven des Suizids (Beziehungskrisen , Krankheit, familiäre Probleme)? 5. Welche Handlung der Betroffenen führte zum Tod? 6. An welchen Orten fanden die Suizide statt? 7. Aus welchem sozialen Hintergrund stammten die Betroffenen? 8. Welche Nationalität hatten die Suizidalen (aufgeteilt nach Bremen und Bremerhaven )? 9. Welche Erkenntnisse hat der Senat zu früheren Suizidversuchen? 10. Liegen dem Senat Informationen zu Erkrankungen der Betroffenen vor, sowohl physischer, als auch psychischer Natur? 11. In wie vielen Fällen wurde der Betroffene bereits ärztlich und/oder psychologisch behandelt? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 12. Inwieweit ist dem Senat bekannt, dass sich der Betroffene vor seinem Freitod in einer Klinik aufgehalten hat? 13. Welche Präventionsmaßnahmen hält der Senat zur Hilfe von Suizid-Gefährdeten für erforderlich?“ Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Suizide hat die Polizei im Land Bremen in den Jahren 2014, 2015 und 2016 bearbeitet? Die Anzahl der von den Polizeien im Land Bremen bearbeiteten Suizide ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Vollendete Suizide 2014 2015 2016 Bremen 77 66 57 Bremerhaven 28 41 50 2. Welches Geschlecht hatten die Suizidalen in Prozentzahlen? Der Prozentuale Anteil der Geschlechter ist der nachstehenden Tabelle zu entnehmen . Bremen Bremerhaven Geschlecht in % 2014 2015 2016 2014 2015 2016 Männl. 68 78 62 71 54 58 Weibl. 32 22 38 29 46 42 3. In welchem Alter wurde der Suizid begangen (aufgeteilt nach Bremen und Bremerhaven)? Zur besseren Lesbarkeit der Tabelle wurden Altersklassen von jeweils 10 Jahren gebildet. Bremen Bremerhaven 2014 2015 2016 2014 2015 2016 unbekannt 2 0 2 0 0 0 0-9 1 0 0 0 0 0 10-19 2 3 1 1 3 4 20-29 7 6 8 6 11 8 30-39 11 6 7 3 9 13 40-49 10 8 6 4 9 7 50-59 11 11 4 6 4 8 60-69 9 9 10 3 1 4 70-79 12 12 10 2 2 4 80-89 7 7 7 2 2 2 90-99 5 3 2 1 0 0 100- 0 1 0 0 0 0 Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 4. Welche Erkenntnisse hat der Senat zu den Motiven des Suizids (Beziehungskrisen , Krankheit, familiäre Probleme)? Hierzu werden keine Daten erhoben. Es wird daher auf die Erfahrungen und Erkenntnisse der Sachbearbeiter für Todesursachenermittlungen zurückgegriffen. Motive einer Selbsttötung sind immer sehr individuell und vielfältig. Oftmals bleiben Motive und suizidale Absichten der Suizidanten im Vorhinein unerwähnt. Sie können daher auch nicht vollständig ermittelt werden. Die am häufigsten ermittelten Gründe für einen Suizid sind Krankheiten (organisch/ psychisch), die den Betroffenen in eine für ihn aussichtslose Position gebracht haben. Hierbei spielt häufig auch das Alter der betroffenen Person bzw. die Schwere der Krankheit eine Rolle. Nachrangig sind Beziehungsprobleme in Partnerschaften und Familie als Motiv zu nennen. 5. Welche Handlung der Betroffenen führte zum Tod? Die von den Betroffenen ausgeführten Handlungen sind vielfältig und werden häufig auch in Kombinationen ausgeführt. Beispielhaft können Intoxikationen, Beibringen von Stich- oder Schnittverletzungen, Blockade der Atmung, Sprung aus großer Höhe, Überrollen durch einen Zug, Erschießen und elektrischer Strom genannt werden. 6. An welchen Orten fanden die Suizide statt? Die Örtlichkeit eines Suizids hängt von der Art desselben ab. Menschen, die sich strangulieren/ erhängen oder selbst verletzen, tun dies überwiegend in häuslicher Umgebung oder an anderen vertrauten Orten; ist für den Suizid eine bestimmte Örtlichkeit notwendig, so wird ein geeigneter Ort vom Suizidanten ausgewählt (Schienenabschnitt, hohes Gebäude in der Nähe, welches frei zugänglich ist etc.). 7. Aus welchem sozialen Hintergrund stammten die Betroffenen? Diese Daten werden statistisch nicht erfasst. Die Darstellung zur Motivlage lässt aber vermuten, dass der soziale Hintergrund keine wesentliche Rolle spielt. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 5 8. Welche Nationalität hatten die Suizidalen (aufgeteilt nach Bremen und Bremerhaven )? Die betroffenen Nationalitäten werden in der nachfolgenden Tabelle in alphabetischer Reihenfolge dargestellt. Bremen Bremerhaven 2014 2015 2016 2014 2015 2016 bosnisch 1 bulgarisch 1 deutsch 65 55 49 21 30 39 eritreisch 1 französisch 1 griechisch 1 irakisch 1 japanisch 1 kasachisch 1 lettisch 1 österreichisch 1 1 polnisch 2 1 4 1 rumänisch 1 1 schweizerisch 1 serbisch 1 staatenlos 1 syrisch 1 türkisch 1 1 1 1 1 unbekannt 6 4 4 5 3 4 weiß-russisch 2 1 1 9. Welche Erkenntnisse hat der Senat zu früheren Suizidversuchen? 10. Liegen dem Senat Informationen zu Erkrankungen der Betroffenen vor, sowohl physischer, als auch psychischer Natur? 11. In wie vielen Fällen wurde der Betroffene bereits ärztlich und/oder psychologisch behandelt? 12. Inwieweit ist dem Senat bekannt, dass sich der Betroffene vor seinem Freitod in einer Klinik aufgehalten hat? Daten zu den Fragen 9 bis 12 werden statistisch nicht erfasst. 13. Welche Präventionsmaßnahmen hält der Senat zur Hilfe von Suizid- Gefährdeten für erforderlich?“ Der Senat hält die nachfolgend nicht abschließend genannten Hilfs- und Präventionsmaßnahmen für ausreichend. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 6 Der Suizidprävention wurde in den vergangenen Jahren erhöhte Aufmerksamkeit zuteil. Dies zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2014 erstmals einen Suizidpräventionsbericht veröffentlichte, der den Forschungsstand zu suizidalem Verhalten und Möglichkeiten vorbeugender Intervention resümierte. Suizidprävention ist häufig ein Bestandteil der Behandlung von Depressionen und der Aufklärung über das Thema. Depression und Suizid sind eng miteinander verbunden . In Bremen schlägt sich das gewachsene Problembewusstsein etwa in öffentlichen Veranstaltungen und Beratungsangeboten des 2008 gegründeten Bremer Bündnisses gegen Depression (BBgD) nieder, bei denen auch das Thema Suizidprävention einen Schwerpunkt bildet. Zum InitiatorInnenkreis des „Bremer Bündnisses gegen Depression" gehören: • das Klinikum Bremen Ost • das Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP), am Fachbereich 11 der Universität Bremen • das Ameos -Klinikum Dr. Heines • die Psychotherapeutenkammer Bremen Weitere Kooperationspartner sind u.a. die Ärztekammer Bremen, das Gesundheitsamt , der Hausärzteverband, die Gesellschaft für ambulante psychiatrische Dienste, das Netzwerk Selbsthilfe, die Landesvereinigung für Gesundheit Bremen, die Kinder- und JugendlichenpsychiaterInnen, die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse , Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie und die Psychotherapeutenvereinigung . Das Bündnis führt verschiedene öffentliche Veranstaltungen durch und berät Betriebe und Verbände. Persönliche Hilfeangebote in Bremen werden im Rahmen der allgemeinen Hilfestrukturen für Menschen, die sich in psychisch-sozialen Notsituationen befinden, vorgehalten. So bieten bei psychischen Krisen und psychiatrischer Erkrankung die Sozialpsychiatrischen Dienste der Gesundheitsämter Bremen und Bremerhaven telefonische Beratung und Vor-Ort-Hilfe. Für Kinder, Jugendliche und Eltern gibt es bei akuten Krisen auch Unterstützung durch die Erziehungsberatungsstellen des Amtes für Soziale Dienste und die KIPSY (Kinder- und Jugendpsychiatrische Beratungsstelle und Institutsambulanz). In der Suizidprävention spielt auch die Telefonseelsorge eine besondere Bedeutung , die zu jeder Tages- und Nachtzeit unter den bundeseinheitlichen Telefonnummern 0800-1110111 und 0800-1110222 kostenlos eine anonyme telefonische Beratung anbietet. Beratungsangebote speziell für Kinder und Jugendliche sind unter der Rufnummer 0800-1110333 verfügbar. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 7 Im Netzwerk Selbsthilfe Bremen-Nordniedersachsen e.V. sind zurzeit 10 Selbsthilfegruppen (neun Gruppen in Bremen, eine in Bremerhaven) für Menschen mit Depressionen organisiert. Überregionale Angebote bieten Beratung über das Internet. Hierzu zählt die Mailund Chatberatung der Telefonseelsorge. Speziell an junge Menschen in Suizidgefahr richtet sich die vom Arbeitskreis Leben (AKL) Freiburg entwickelte und seit 2012 gemeinsam mit dem Deutschen Caritasverband angebotene Mailberatung „U25 Deutschland“. Die Beratung erfolgt hier durch gleichaltrige Ehrenamtliche („Peers“), die hierzu von professionellen hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgebildet und regelmäßig fachlich begleitet werden. Ein ähnliches Konzept der Peer-Beratung per Mail verfolgt die vom AKL Reutlingen/Tübingen gegründete „Youth-Life-Line“. Ebenfalls an Jugendliche und junge Erwachsene richtet sich das Angebot des Berliner Verbunds „neuhland“, bei dem sich Betroffene für Einzel- und Expertenchats anmelden können. Ferner stellt der sorgfältige und sensible Umgang bei der öffentlichen Berichterstattung über Suizide einen relevanten Aspekt der Prävention dar. Sowohl die Persönlichkeitsrechte des Suizidenten als auch der Respekt vor den Angehörigen, gebietet eine zurückhaltenden Berichterstattung. Vor allem besteht aber die Gefahr , dass Personen die sich in einem extremen emotionalen Krise oder einen psychischen Ausnahmezustand befinden, Berichterstattungen, die zu einer Identifikation mit dem Suizidenten bzw. seiner Handlung führen, als Impuls für einen eignen Suizidversuch erfahren. Deshalb orientieren sich zum Beispiel die meisten Medien an den Richtlinien des deutschen Presserates, der eine zurückhaltende Berichterstattung bei Selbsttötungen verlangt und viele Medien weisen im Zusammenhang mit dieses Bericht auf Beratungs- und Hilfsangebote hin. Der Senat hält einen solchen respektvollen und sensiblen Umgang mit dem Thema insbesondere im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit für sinnvoll und wichtig. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-1160 VB Wie viele Suizide finden in Bremen statt? 20170725_1_KA Suizide in Bremen