BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/1228 Landtag 19. Wahlperiode 12.09.17 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE Pilotprojekt Beschäftigung in Bremerhaven - ja oder nein? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 02.08.2017 „Pilotprojekt Beschäftigung in Bremerhaven – ja oder nein?“ Die Fraktion DIE LINKE hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: Am 31.Mai und am 1.Juni 2017 berichteten der Weser-Kurier, die taz und die Nordsee -Zeitung übereinstimmend über ein neues „Pilotprojekt“ für Bremerhaven, das am 31.5.17 von der Agentur für Arbeit auf einer Pressekonferenz vorgestellt worden sei. Inhalt des „Pilotprojekts“ sei es, dass Langzeitarbeitslose unentgeltlich bei privaten Unternehmen arbeiten, bei fortgesetztem Leistungsbezug, aber ohne jede zusätzliche Aufwandsentschädigung. Alle drei Medien zitieren wörtliche Äußerungen von Vertreter *innen der Agentur und des Jobcenters Bremen („Wir machen Bremen zum Pilotstandort “, „Dort [in den Betrieben] können sie als eine Art Handlanger den Arbeitsprozess in Firmen unterstützen“ usw.) Bis zu 3.000 Menschen könnten in Bremerhaven so beschäftigt werden. Das Pilotprojekt, das nur in zwei Städten in ganz Deutschland starten werde, sei gemeinsam von der Agentur Bremen-Bremerhaven und der Bundesagentur entwickelt worden. Auf Nachfrage der Bundestagsfraktion der LINKEN in der Fragestunde des Bundestags am 28.Juni 2017 erklärte die Bundesregierung (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) hingegen: „Das in der Frage erwähnte Pilotprojekt gibt es nach Auskunft der Geschäftsführung des Jobcenters Bremerhaven sowie des Senats [sic] für Wirtschaft, Arbeit und Häfen der Freien Hansestadt Bremen nicht. Auch die in der Berichterstattung erwähnten Abstimmungen zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Bezug auf eine Umsetzung eines Projektes in Bremerhaven haben dementsprechend nicht stattgefunden.“ Auf die Frage, wie die Bundesregierung zu diesem Pilotprojekt und seinem Ansatz stehe, Erwerbslose „de facto zu vollständig unentgeltlicher Arbeit zu drängen“, antwortete die Bundesregierung: „Die Bundesregierung lehnt Projekte ab, die gegen geltendes Recht verstoßen. Das umfasst auch die geltenden Regelungen zur Zumutbarkeit im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch .“ (Fragestunde des Deutschen Bundestages am 28. Juni 2017, BT- Drucksache 18/12876, Fragen Nr. 35 und 36 der Abgeordneten Frau Sabine Zimmermann , DIE LINKE) Wir fragen den Senat: 1. Hat Ende Mai 2017 eine Pressekonferenz der Agentur für Arbeit Bremen- Bremerhaven stattgefunden und wurde auf dieser über ein neues Pilotprojekt Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 für Bremerhaven berichtet? Waren die Jobcenter Bremen und Bremerhaven an der Pressekonferenz beteiligt? Wer hat für die Jobcenter bzw. für die Agentur daran teilgenommen? 2. Hat die Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven oder die Jobcenter Bremen bzw. Bremerhaven daneben oder darüber hinaus in irgendeiner anderen Weise der Presse über ein solches Pilotprojekt bzw. seine Planung berichtet oder Auskunft gegeben? Welches war der Inhalt dieser Mitteilung? 3. Hat es Gespräche zwischen der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven und der Bundesagentur und/oder dem zuständigen Bundesministerium über ein solches Pilotprojekt gegeben? Waren die beiden Jobcenter daran beteiligt? 4. Wann, in welcher Weise und mit welchem Inhalt war der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen bzw. seine Behörde seitens der Agentur für Arbeit Bremen- Bremerhaven und/oder seitens der Jobcenter über dieses arbeitsmarktpolitische Vorhaben informiert worden? 5. Gibt es derzeit irgendwelche Überlegungen, Planungen, Vorhaben, Absprachen oder Absichten, ein derartiges Pilotprojekt in Bremerhaven oder in Bremen aufzulegen? Wenn ja, welche und mit welchem Inhalt? 6. Wie erklärt und bewertet der Senat den Widerspruch zwischen den lokalen Ankündigungen über ein bevorstehendes entsprechendes Beschäftigungsprojekt, und der dazu gegensätzlichen Auskunft des Jobcenters Bremerhaven und des Ressorts gegenüber dem Bundesministerium? 7. Teilt der Senat die Einschätzung der Bundesregierung, dass ein solches Pilotprojekt in der beschriebenen Form (Einsatz von Erwerbslosen in Betrieben ohne Aufwandsentschädigung, aber unter Sanktionsandrohung) illegal wäre? Wenn nein, warum nicht? Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: Nach Auskunft der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven stellt der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen der Beantwortung der Kleinen Anfrage folgende Hinweise voran: Am 9. Januar 2017 stattete der Vorsitzende des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit (BA), Herr Detlef Scheele, Bremerhaven einen Besuch ab, bei dem er sich durch Vertreter des Jobcenters Bremerhaven und der Agentur für Arbeit Bremen- Bremerhaven über die besonderen Problemlagen in Bremerhaven unterrichten ließ. Im Verlauf des Termins wurden Überlegungen angestellt, wie man mit einem Pilotprojekt der Langzeitarbeitslosigkeit in Bremerhaven entgegenwirken könne. Zudem wurde im Rahmen eines Antrittsbesuches von Herrn Dr. von Einem, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven bei der Bremerhavener Stadträtin für Soziales, Frau Dr. Schilling, am 16.05.17 über die Mög- Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 lichkeiten einer Förderung Bremerhavens zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit im Rahmen eines Sonderprogrammes gesprochen. 1. Hat Ende Mai 2017 eine Pressekonferenz der Agentur für Arbeit Bremen- Bremerhaven stattgefunden und wurde auf dieser über ein neues Pilotprojekt für Bremerhaven berichtet? Waren die Jobcenter Bremen und Bremerhaven an der Pressekonferenz beteiligt? Wer hat für die Jobcenter bzw. für die Agentur daran teilgenommen? Nach Information der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven hat am 31.05.17 die reguläre Arbeitsmarktpressekonferenz der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven zum Berichtsmonat Mai stattgefunden. Neben Herrn Dr. von Einem und dem Pressesprecher der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven, Herrn Jörg Nowag, hat auch die Geschäftsführerin des Jobcenters Bremen, Frau Susanne Ahlers, als Expertin für das Thema „Langzeitarbeitslosigkeit“ an der Pressekonferenz teilgenommen. Auf der Pressekonferenz hat Herr Dr. von Einem auf Basis von Vorinformationen aus der Zentrale der BA und der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen (RD NSB) sowie der Bundespressekonferenz der BA zu den Überlegungen hinsichtlich eines Projektes für Langzeitarbeitslose in Bremerhaven berichtet. Nach Informationen der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven ging der Pressekonferenz in Bremen die Berichterstattung des Münchner Merkur vom 31.05.17 unmittelbar voraus, in der Herr Scheele bereits über die Vorstellungen der BA zu einer Umsetzung eines Sozialen Arbeitsmarktes zitiert wurde. 2. Hat die Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven oder die Jobcenter Bremen bzw. Bremerhaven daneben oder darüber hinaus in irgendeiner anderen Weise der Presse über ein solches Pilotprojekt bzw. seine Planung berichtet oder Auskunft gegeben? Welches war der Inhalt dieser Mitteilung? Nach Informationen der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven gab es auf Basis der Online Berichterstattung am selben Tag Nachfragen der Nordseezeitung, der Weser Wirtschaft und der Jungen Welt. Referiert wurde der gleiche Inhalt wie von Herrn Dr. von Einem am Morgen vorgetragen. Die Antwort der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven an die Junge Welt hatte folgenden Wortlaut: „Sehr geehrte Frau , vielen Dank für Ihre Anfrage. In der Berichterstattung der TAZ vom 1. Juni, „Wer Hartz IV bezieht, soll auch was tun“, tauchen neben richtigen leider auch missverständliche und falsche Darstellungen auf über ein von der Bundesagentur für Arbeit geplantes Projekt gegen Langzeitarbeitslosigkeit. Ich möchte diese Aspekte im Folgenden kurz darstellen: Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 1. Richtig ist, dass trotz eines anhaltend guten Arbeitsmarktes und vieler offener Stellen zu wenig Langzeitarbeitslosen die Beschäftigungsaufnahme gelingt . Die Bundesagentur für Arbeit möchte daher in Regionen, in denen die Betroffenheit von Langzeitarbeitslosigkeit besonders groß ist, neue Ansätze zur Beschäftigungsaufnahme umsetzen. Bremen und Bremerhaven sind besonders betroffen: So waren im Mai 2017 im Land Bremen 15.749 Personen länger als ein Jahr arbeitslos gemeldet (43,5% aller gemeldeten Arbeitslosen ), davon 4.237 Personen bereits mehr als vier Jahre. Die Daten für die Städte Bremen und Bremerhaven habe ich Ihnen als Anlage beigefügt . Daher ist es natürlich naheliegend, dass beide Orte sich um die Teilnahme an einem geplanten Projekt zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit bewerben. 2. Wie die Taz berichtet, basieren die Überlegungen zu diesem Projekt auf bisherigen Erfahrungen. Je länger Menschen ohne Beschäftigung sind, umso schwerer ist es, ihnen Zugänge in Arbeit zu ermöglichen. Veraltete Qualifikationen spielen eine Rolle, Vorurteile von Arbeitgebern, gesundheitliche Probleme, aber auch die fehlende Praxis, sich in einen täglichen Arbeitsablauf zu integrieren. Vor allem für diese Menschen, die bei der Aufnahme von Arbeit mehrere Hürden nehmen müssen, sind die geplanten öffentlich geförderten Beschäftigungsmöglichkeiten gedacht. 3. Nicht richtig ist allerdings die Taz-Darstellung, dass Projektteilnehmer „entgeltfrei “ oder umsonst arbeiten sollen. Dies ist nicht geplant und wurde auch nicht so angekündigt. 4. Tatsache ist, dass die konkreten Details, wie diese öffentliche Beschäftigung ausgestaltet werden soll, noch nicht feststehen. Darauf wurde in der Pressekonferenz am 31.5. in Bremen auch hingewiesen. Die TAZ berichtet beispielsweise, der Start für das Projekt in Bremerhaven sei Anfang 2018. Richtig ist, aber – und so wurde es auch ausgeführt -, dass ein Start frühestens 2018 möglich sei. Diese Prognose beruht auf der Erfahrung, wie schnell frühestens die offenen praktischen Fragen zu lösen sind. Bei dem Pressegespräch am 31.5. nahm neben der Taz auch ein Vertreter des Weser -Kurier teil. Hier wird der Planungscharakter des Projektes deutlicher herausgestellt: http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-wirtschaft_artikel,-bremerhaven-kaempftgegen -langzeitarbeitslosigkeit-_arid,1606599.html Ich bedaure, Ihnen zum heutigen Tag noch keine weiteren Details mitteilen zu können. Sollte sich der Informationsstand ändern, komme ich gerne auf Sie zu.“ Zudem gab es nach Informationen der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven auf Basis der Berichterstattung von TAZ und Weser Kurier eine Anfrage eines Assistenten einer Bundestagsabgeordneten, welche mit gleichem Wortlaut wie an die Junge Welt beantwortet wurde. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 5 3. Hat es Gespräche zwischen der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven und der Bundesagentur und/oder dem zuständigen Bundesministerium über ein solches Pilotprojekt gegeben? Waren die beiden Jobcenter daran beteiligt? Die Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven hat mitgeteilt, dass nur die Zentrale in Nürnberg Gespräche mit dem zuständigen Bundesministerium führt. Welche Gespräche der Vorstand zu der Thematik geführt haben mag, könne von der hiesigen Agentur für Arbeit nicht beurteilt werden. Direkte Gespräche von Agentur für Arbeit Bremen -Bremerhaven und den Jobcentern Bremen und Bremerhaven mit dem Bundesministerium habe es nicht gegeben. Auch Gespräche zwischen hiesiger Agentur und der Bundesagentur für Arbeit hat es nicht gegeben. 4. Wann, in welcher Weise und mit welchem Inhalt war der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen bzw. seine Behörde seitens der Agentur für Arbeit Bremen- Bremerhaven und/oder seitens der Jobcenter über dieses arbeitsmarktpolitische Vorhaben informiert worden? Am 7.4 2017 fand der Antrittsbesuch der Vorsitzenden der Geschäftsführung der RD NSB, Frau Bärbel Höltzen-Schoh bei Senator Günthner statt. Ein Thema war die besondere Betroffenheit Bremerhavens von Langzeitarbeitslosigkeit und die Ankündigung des BA-Vorstandsvorsitzenden, Herrn Scheele, ein Pilotprojekt in Bremerhaven auf den Weg bringen zu wollen. Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen ist darüber hinaus weder seitens der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven noch der Jobcenter über dieses arbeitsmarktpolitische Vorhaben informiert worden, da auch die Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven erst anlässlich des Termins am 7.4.2017 von der Konkretisierung des Vorhabens erfahren hat. 5. Gibt es derzeit irgendwelche Überlegungen, Planungen, Vorhaben, Absprachen oder Absichten, ein derartiges Pilotprojekt in Bremerhaven oder in Bremen aufzulegen? Wenn ja, welche und mit welchem Inhalt? Über den in den vorstehenden Antworten dargestellten Sachstand hinaus sind dem Senat keine Überlegungen, Planungen, Vorhaben, Absprachen oder Absichten seitens der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven bekannt. 6. Wie erklärt und bewertet der Senat den Widerspruch zwischen den lokalen Ankündigungen über ein bevorstehendes entsprechendes Beschäftigungsprojekt, und der dazu gegensätzlichen Auskunft des Jobcenters Bremerhaven und des Ressorts gegenüber dem Bundesministerium? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 6 Der Senat war an lokalen Ankündigungen über ein bevorstehendes Projekt nicht beteiligt . Anlässlich der Antwort auf die mündliche Frage der MdB Sabine Zimmermann hat sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) an den Senator für Wirtschaft , Arbeit und Häfen gewandt. Der in der Vorbemerkung der Fraktion DIE LINKE zu dieser Kleinen Anfrage zitierte Satz der Antwort zu Frage Nr. 35 in der Fragestunde des Deutschen Bundestages entspricht der Auskunft, die der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen nach eigener Kenntnis und Rücksprache mit dem Jobcenter Bremerhaven dem BMAS seinerzeit mitgeteilt hat. 7. Teilt der Senat die Einschätzung der Bundesregierung, dass ein solches Pilotprojekt in der beschriebenen Form (Einsatz von Erwerbslosen in Betrieben ohne Aufwandsentschädigung, aber unter Sanktionsandrohung) illegal wäre? Wenn nein, warum nicht? Der Senat stellt fest, dass sich die Bundesregierung nicht wie in Frage 7 dargestellt auf „ein solches Pilotprojekt in der beschriebenen Form (Einsatz von Erwerbslosen in Betrieben ohne Aufwandsentschädigung, aber unter Sanktionsandrohung)“ bezieht. Die Antwort der Bundesregierung lautete vielmehr: „Die Bundesregierung lehnt Projekte ab, die gegen geltendes Recht verstoßen. Das umfasst auch die geltenden Regelungen zur Zumutbarkeit im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.“ Der Senat teilt diese Auffassung. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-1228 VB Pilotprojekt Beschäftigung in Bremerhaven - ja oder nein? 20170912 KA Pilotprojekt Beschäftigung in Bremerhaven