BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/1271 Landtag 19. Wahlperiode 17.10.17 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE Entschädigung und Rehabilitierung der Opfer des § 175 StGB - Umsetzung in Bremen Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft ... Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 09. September 2017 „Entschädigung und Rehabilitierung der Opfer des §175 StGB – Umsetzung in Bremen“ Die Fraktion DIE LINKE hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: Am 22. Juli 2017 ist das Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen (kurz StrRehaHomG) und zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Kraft getreten. Es sieht vor, dass strafrechtliche Verurteilungen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen aufgrund des früheren strafrechtlichen § 175 StGB pauschal aufgehoben und die Verurteilten finanziell entschädigt werden. Das Gesetz umfasst Strafurteile, die nach 1945 in beiden deutschen Staaten ergingen. Die Verurteilten erhalten wegen des durch die Verurteilung oder die strafgerichtliche Unterbringungsanordnung erlittenen Strafmakels eine Entschädigung von 3 000 € je aufgehobener Verurteilung plus 1 500 € je angefangenem Jahr. Diese gesetzliche Regelung war überfällig. Deutschland sendet damit national und international ein Signal gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. Da die Betroffenen sich in einem hohen Alter befinden, ist es wichtig, dass ihnen schnell zu ihrem Recht verholfen wird. Wir fragen den Senat: 1. Wie viele Männer sind nach § 175 StGB seit 1945 im Land Bremen verurteilt worden? 2. Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung die betroffenen Opfer des §175 StGB dabei unterstützen, ihre Verfolgung nachweisen zu können? 3. Welche Maßnahmen (juristische, politische und finanzielle) hat das Land Bremen bislang zur Rehabilitierung der während der Nazi-Diktatur verfolgten Homosexuellen unternommen ? Welche Maßnahmen sind geplant? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft - 2 - “...“} 4. Plant der Senat, die gesellschaftliche Aufarbeitung des Themas der Homosexuellenverfolgung in der Bundesrepublik aktiv zu fördern? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? 5. Wie bewertet der Senat die Ungerechtigkeit, mit der viele nach § 175 StGB verurteilte Menschen bei der Berechnung ihrer Rentenansprüche konfrontiert sind, da sie oftmals durch ihre Haftzeit geringere Ansprüche erwerben konnten? Welche Maßnahmen erachtet der Senat für sinnvoll, um dieser Ungerechtigkeit zu begegnen? Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Männer sind nach § 175 StGB seit 1945 im Land Bremen verurteilt worden? Die Zahl der Verurteilten ergibt sich aus der als Anlage 1 beigefügten Tabelle. Die Verurteilungen können nur bis 1969 angegeben werden. Es handelt sich um 842 Verurteilungen . Ab 1970 wurde die Einzelnorm § 175 StGB nicht mehr in der Strafverfolgungsstatistik ausgewiesen. Frage 2: Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung die betroffenen Opfer des §175 StGB dabei unterstützen, ihre Verfolgung nachweisen zu können? Durch § 1 des am 22.07.2017 in Kraft getretenen Gesetzes zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen (StrRehaHomG) wurden Verurteilungen und Unterbringungsanordnungen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen, die nach dem 08.05.1945 erfolgt sind, pauschal aufgehoben, sofern die Handlungen nicht eine Person unter 16 Jahren betrafen oder einen anderen Straftatbestand erfüllten. Für die Feststellung, dass ein Urteil auf diese Weise aufgehoben ist, ist nach § 3 StrRehaHomG die Staatsanwaltschaft zuständig. Diese stellt dem Verurteilten oder nach dessen Tod seinen Angehörigen auf Antrag eine entsprechende Rehabilitierungsbescheinigung aus, die sodann genutzt werden kann, um beim Bundesamt für Justiz einen Antrag auf Entschädigung zu stellen. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft - 3 - “...“} Für die Bearbeitung von Anträgen, die Verurteilungen betreffen, die im Land Bremen erfolgt sind, oder von inzwischen im Land Bremen wohnhaften Verurteilten wurden bei der Staatsanwaltschaft Bremen zwei Sonderdezernate geschaffen. Die zuständigen Dezernenten sind für die Erteilung der Rehabilitierungsbescheinigungen verantwortlich. Für die Feststellung, dass ein nunmehr aufgehobenes Urteil ergangen ist, genügt nach § 3 Abs. 2 StrRehaHomG die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller. Diese kann durch eidesstattliche Versicherung des Verurteilten erfolgen. Die Abnahme dieser Versicherungen an Eides statt nach § 3 Abs. 2 StrRehaHomG ist den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern der Rechtsantragsstelle der Staatsanwaltschaft als besondere Dienstobliegenheit übertragen worden. Frage 3: Welche Maßnahmen (juristische, politische und finanzielle) hat das Land Bremen bislang zur Rehabilitierung der während der Nazi-Diktatur verfolgten Homosexuellen unternommen ? Welche Maßnahmen sind geplant? Strafrechtliche Verurteilungen aufgrund einvernehmlicher homosexueller Handlungen, die in der Zeit zwischen dem 28.06.1935 und dem 08.05.1945 auf Grundlage der in diesem Zeitraum geltenden Fassung der §§ 175, 175a StGB erfolgt sind, wurden bereits durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhGÄndG) vom 23.07.2002 aufgehoben. Auch insoweit waren von den Staatsanwaltschaften auf entsprechende Anträge hin Rehabilitierungsbescheinigungen auszustellen. Durch eine zum 01.09.2004 erfolgte Änderung der Richtlinien der Bundesregierung über Härteleistungen an Opfer von nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen im Rahmen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) vom 7. März 1988 wurde den Betroffenen zudem ein Anspruch auf Entschädigung eröffnet. Das Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen (StrRehaHomG) vom Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft - 4 - “...“} 22.07.2017 enthält vor diesem Hintergrund keine weiteren Regelungen bezüglich der während des Nationalsozialismus ergangenen Urteile. Frage 4 Plant der Senat, die gesellschaftliche Aufarbeitung des Themas der Homosexuellenverfolgung in der Bundesrepublik aktiv zu fördern? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Der gesellschaftlichen Aufarbeitung des Themas Homosexuellenverfolgung in der Bundesrepublik steht der Senat positiv gegenüber. Zur Gleichstellung und zum Schutz der Rechte von LSBTTIQ (Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transsexuell, Transgender, Intersexuell , Queer) hat der Senat in dieser Legislaturperiode den Schwerpunkt auf die Umsetzung des Landesaktionsplans gegen Trans-, Homo- und Interphobie unter dem Motto „Auf Diskriminierung entschlossen reagieren!“ gesetzt. Ausstrahlungen auf das Thema Homosexuellenverfolgung können in dem Zuge folgen. In diesem Zusammenhang ist das Ziel, für homo-, trans- und interphobe Tendenzen zu sensibilisieren. Dies gilt grundsätzlich und besonders in der jüngeren Generation, die die Zeit der Homosexuellenverfolgung nicht miterlebt hat. Eigene Maßnahmen darüber hinaus sind derzeit nicht geplant. Frage 5: Wie bewertet der Senat die Ungerechtigkeit, mit der viele nach § 175 StGB verurteilte Menschen bei der Berechnung ihrer Rentenansprüche konfrontiert sind, da sie oftmals durch ihre Haftzeit geringere Ansprüche erwerben konnten? Welche Maßnahmen erachtet der Senat für sinnvoll, um dieser Ungerechtigkeit zu begegnen? Die Entschädigung und Rehabilitierung der Opfer des § 175 StGB ist in erster Linie ein Akt der Wiedergutmachung erlittenen staatlichen Unrechts und damit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Senat erkennt auf Bundesebene einen Regelungsbedarf. Eine Lösung könnte sich an dem Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz) vom 23.06.1994 orientieren. Die gesetzliche Rentenversicherung wäre in diesem Fall insoweit betroffen, als Haftzeiten wie rentenversicherungsrechtliche Zeiten gewertet werden könnten . Die daraus der gesetzlichen Rentenversicherung entstehenden Mehraufwendungen wären allerdings zu finanzieren. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Frage 1 Wie viele Männer sind nach § 175 StGB seit 1945 im Land Bremen verurteilt worden? Jahr Anzahl der VU 1950 36 1951 49 1952 58 1953 32 1954 41 1955 30 1956 50 1957 51 1958 49 1959 51 1960 56 1961 66 1962 47 1963 45 1964 41 1965 42 1966 37 1967 31 1968 19 1969 11 Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-1271 VB Entschädigung und Rehabilitierung der Opfer des § 175 StGB - Umsetzun in Bremen 20171017 KA Entschädigung und Rehabilitierung... 20171017 KA Entschädigung und Rehabilitierung... 20171017 KA Entschädigung und Rehabilitierung_Anlage Tabelle1