BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/1415 Landtag (zu Drs. 19/1265) 19. Wahlperiode 28.11.17 Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktion der FDP Bauzeitüberschreitungen führen zu Mehrkosten und Verzögerungen – Wann kommt der Hafentunnel in Bremerhaven? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 1 Mitteilung des Senats an die Bremische Bürgerschaft (Landtag) vom 28.11.2017 „Bauzeitüberschreitungen führen zu Mehrkosten und Verzögerungen – Wann kommt der Hafentunnel in Bremerhaven?“ (Große Anfrage der Fraktion der FDP vom 11.10.2017) Die Fraktion der FDP hat folgende Große Anfrage an den Senat gerichtet: Nach aktuellen Meldungen wird der Betrieb des Hafentunnels in erst im Jahr 2020 aufgenommen werden. Dies stellt eine Verzögerung um ein Jahr dar. Ursächlich für die Verzögerungen sind laut Medienberichten Probleme bei der Abdichtung gegen Wasser sowie viele weitere kleinere Verzögerungen. Daneben habe es auch Änderungen bei den gesetzlichen Vorgaben gegeben, die ebenfalls zu einer Verzögerung führen könnten . Zusätzlich wird intern bereits mit Mehrkosten gerechnet. Für das Projekt wurden ursprünglich 171 Millionen Euro veranschlagt. Im Sommer 2014 wurde die Summe auf 180 Millionen Euro erhöht. Im März 2017 wurde dann erneut eine Kostensteigerung auf 183 Millionen Euro bekannt. Der Bund zahlt 120 Millionen Euro der Kosten. Weiterhin gibt die Hafenwirtschaft 15 Millionen Euro hinzu. Die restlichen Kosten werden vom Land Bremen und von der Stadt Bremerhaven getragen. Das Land trägt dabei 80 Prozent die Stadt Bremerhaven 20 Prozent der Restkosten. Sollten nun weitere Kosten durch die Verzögerung entstehen, würden diese im obigen Verhältnis auf das Land Bremen und die Stadt Bremerhaven verteilt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Wir fragen den Senat: 1. Inwieweit ist es zutreffend, dass durch die Verzögerungen beim Bau des Hafentunnels dieser erst 2020 für den Verkehr freigegeben werden kann? 2. Welche konkreten Gründe gibt es für diese Verzögerung (bitte jeweils die einzelnen Verzögerungsgründe mit Ursache tabellarisch auflisten)? 3. Welche gesetzlichen Vorgaben haben sich seit Baubeginn geändert und welche weiteren gesetzlichen Änderungen erwartet der Senat im weiteren Verlauf des Bauvorhabens? 4. Mit welchen einzelnen Maßnahmen der Gegensteuerung hat die BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH versucht, die Problematik der Zeitüberschreitung in den Griff zu bekommen? 5. Mit welchem konkreten Fertigstellungstermin rechnet der Senat derzeit? 6. Inwiefern führt die Verzögerung bei der Fertigstellung des Hafentunnels zu zusätzlichen Kosten und in welcher Größenordnung? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 7. Inwieweit ist die Haftungsfrage bei Zusatzkosten und Bauverzögerungen vertraglich mit den Auftragsnehmern geregelt? 8. Ist eine erneute Überprüfung der Wirtschaftlichkeit des Projekts bedingt durch den späteren Termin der Inbetriebnahme vorgesehen? Falls nein, warum nicht? 9. Wie sehen die finanziellen Folgen der Bauzeitenüberschreitung aus, wenn einerseits die dadurch bedingten Mehrkosten und andererseits die Einnahmen aus Vertragsstrafen seitens der externen dritten Dienstleister gegenübergestellt werden? 10. Inwieweit enthält die Vereinbarung mit der Hafenwirtschaft, die die Übernahme von 15 Millionen Euro der Kosten für den Bau des Tunnels absichert, Regelungen, die in irgendeiner Form diesen Beitrag gefährden können (etwa durch die zeitliche Verzögerung)? Vorbemerkung: Das Projekt Hafentunnel Cherbourger Straße wurde auf Grundlage des nach abschließendem Urteil des Verwaltungsgerichtes Bremen rechtskräftigen Planfeststellungsbeschlusses im Jahr 2013, der gesicherten Finanzierung und der vorliegenden Bewilligungsbescheide begonnen. Mit Stand 30.06.2017 sind Baumittel in Höhe von 92,666 Mio. EUR verausgabt worden. Der Magistrat Bremerhaven als Vorhabenträgerin der Baumaßnahme ist grundsätzlich zur baulichen Fertigstellung der Maßnahme gemäß Planfeststellungbeschluss verpflichtet . Mit der Gesamtprojektsteuerung wurde die Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung (BIS) beauftragt. Baulastträger der Maßnahme nach der Fertigstellung ist die Stadt Bremerhaven. Dieses vorangestellt werden die Fragen wie folgt beantwortet: 1. Inwieweit ist es zutreffend, dass durch die Verzögerungen beim Bau des Hafentunnels dieser erst 2020 für den Verkehr freigegeben werden kann? Zum Beginn der Realisierungsphase im Herbst 2013 nach rechtskräftigem Planfeststellungsbeschluss wurde als geplanter Inbetriebnahmetermin Januar 2019 durch die Vorhabenträgerin genannt. Dieser Termin wird nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht zu halten sein. Insofern wird Stand heute von einer Verkehrsfreigabe im Januar 2020 ausgegangen . 2. Welche konkreten Gründe gibt es für diese Verzögerung (bitte jeweils die einzelnen Verzögerungsgründe mit Ursache tabellarisch auflisten)? Neben den mehrjährigen Verzögerungen in der Planungsphase seit 2006 (Verzögerungen im Zuge der Vorplanungsphase / Variantenbewertung, Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss, etc.) erklären sich die Verzögerungen in der Bauphase ab Ende 2013 wie folgt: Mit der Beauftragung eines Minderkostennachtrages (NA 2) „Baugrubenvariante Trockenaushub“ wurde das ursprüngliche Bauende für das Hauptgewerk Tunnel vom 20.06.2018 auf 31.10.2018 verschoben (ca. 4 Monate). Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 Die Verzögerungen durch technische Probleme in der Ausführung hinsichtlich der nicht hinreichend dichten Baugrube Baudock 19 schlagen mit mindestens vier Monaten auf den Endtermin durch. Diese Verzögerungen gehen unstrittig zu Lasten des Auftragnehmers für das Hauptgewerk Tunnel (ARGE Hafentunnel). Die darüber hinaus gehenden Verzögerungen sind ebenfalls auf Bauablaufstörungen im Hauptgewerk Tunnel zurückzuführen. Die einzelnen Ursachen und die Auswirkungen der einzelnen Störungen sind allerdings zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer strittig. Insofern können die jeweiligen Anteile an der Gesamtverzögerung von voraussichtlich 12 Monaten zum heutigen Tag nicht abschließend bewertet werden. 3. Welche gesetzlichen Vorgaben haben sich seit Baubeginn geändert und welche weiteren gesetzlichen Änderungen erwartet der Senat im weiteren Verlauf des Bauvorhabens? Maßgeblich für die Realisierung des Hafentunnels sind der Planfeststellungsbeschluss sowie die einschlägigen Gesetze, Regelwerke und Empfehlungen. Wesentlich sind z.B. die neuen Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln (RABT), welche in ihrer jeweils aktuellsten Fassung zu berücksichtigen sind und den aktuellsten Stand der Technik auch im Hinblick auf Tunnelsicherheit darstellen. Darüber hinaus tritt ab den 01.01.2018 ein neues Bauvertragsrecht in Kraft. 4. Mit welchen einzelnen Maßnahmen der Gegensteuerung hat die BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH versucht, die Problematik der Zeitüberschreitung in den Griff zu bekommen? Gegensteuerungsmaßnahmen wurden und werden durch die BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH kontinuierlich untersucht, geprüft und im Ergebnis unter Berücksichtigung der Projektkosten und der rechtlichen und bauvertraglichen Rahmenbedingungen ggf. ergriffen. Eine Ausweitung der zur Verfügung stehenden täglichen Arbeitszeit (zurzeit Mo.‐Fr., 7‐20 Uhr) kommt z.B. nicht in Betracht, da die genannten Arbeitszeiten planfestgestellt sind. Eine diesbezügliche Änderung des Planfeststellungsbeschlusses wird aufgrund geänderter Betroffenheiten der Anlieger keine Aussicht auf Erfolg haben. 5. Mit welchem konkreten Fertigstellungstermin rechnet der Senat derzeit? Der Senat geht zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer Inbetriebnahme des Hafentunnels im Januar 2020 aus. Im Hinblick auf die ursprüngliche Planung entspricht dies einer Verzögerung von einem Jahr. 6. Inwiefern führt die Verzögerung bei der Fertigstellung des Hafentunnels zu zusätzlichen Kosten und in welcher Größenordnung? Von Seiten des Auftragnehmers ARGE Hafentunnel liegen in Bezug auf Bauablaufstörungen konkrete Forderungen in Höhe von ca. 6,317 Mio. EUR vor. Unabhängig davon werden weitere Kostensteigerungen i. H. v. 6,086 Mio. EUR prognostiziert . Insgesamt führt dies zu einer Erhöhung der prognostizierten Baukosten von 12,403 Mio. EUR (Stand 30.06.2017). Dies sind 6,9 % mehr als die 2014 veranschlagten 179,719 Mio. EUR. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 Zusätzlich werden auch alle Risiken kostenmäßig bewertet, die bereits erkannt wurden, aber vertraglich noch nicht abgesichert sind oder vertraglich anders interpretiert werden, z. B. Mehrkostenanmeldungen der Auftragnehmer. Diese werden derzeit mit ca. 4,7 Mio. EUR bewertet (+2,6 %). Darüber hinaus kommt es durch die Projektverzögerung auch zu höheren Planungskosten . Gegenwärtig wird von Gesamtplanungskosten von insgesamt ca. 36,316 Mio. EUR ausgegangen. Das bedeutet eine Kostensteigerung i. H. v. 7,616 Mio. EUR im Vergleich zu den ursprünglich kalkulierten Planungskosten i. H. v. 28,7 Mio. EUR. 7. Inwieweit ist die Haftungsfrage bei Zusatzkosten und Bauverzögerungen vertraglich mit den Auftragsnehmern geregelt? Unabhängig von generellen gesetzlichen Regelungen (z.B. Schadenersatzansprüche nach BGB) bestehen konkrete bauvertragliche Regelungen bezüglich der schuldhaften Überschreitung der Vertragstermine (z.B. 1.000 EUR pro Werktag bis zu einer Höhe von max. 5% der Rechnungssumme). 8. Ist eine erneute Überprüfung der Wirtschaftlichkeit des Projekts bedingt durch den späteren Termin der Inbetriebnahme vorgesehen? Falls nein, warum nicht? Bedingt durch den späteren Termin der Inbetriebnahme ist eine erneute Überprüfung der Wirtschaftlichkeit nicht unmittelbar abzuleiten. Allerdings sind gemäß der Verwaltungsvorschriften zu § 7 der Landeshaushaltsordnung bei Maßnahmen, die sich über mehr als zwei Jahre erstrecken, und in sonstigen geeigneten Fällen nach individuell festzulegenden Laufzeiten oder zu Zeitpunkten, an denen abgrenzbare Ergebnisse oder Teilrealisierungen einer Maßnahme zu erwarten sind, begleitende Erfolgskontrollen durchzuführen. Die begleitende Erfolgskontrolle umfasst grundsätzlich eine Zielerreichungskontrolle , eine Wirkungskontrolle und eine Wirtschaftlichkeitskontrolle. Aufgrund der bekannt gewordenen Kostensteigerungen wird das weitere Vorgehen zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit des Projektes zwischen den Beteiligten zurzeit abgestimmt. 9. Wie sehen die finanziellen Folgen der Bauzeitenüberschreitung aus, wenn einerseits die dadurch bedingten Mehrkosten und andererseits die Einnahmen aus Vertragsstrafen seitens der externen dritten Dienstleister gegenübergestellt werden? Die Folgen können noch nicht abschließend bewertet werden. Es ist allerdings abzusehen , dass mögliche Vertragsstrafen die Gesamtsumme der Mehrkosten (aus geänderten Leistungen, zusätzlichen Leistungen und Bauablaufstörungen) nicht kompensieren werden. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 5 10. Inwieweit enthält die Vereinbarung mit der Hafenwirtschaft, die die Übernahme von 15 Millionen Euro der Kosten für den Bau des Tunnels absichert, Regelungen , die in irgendeiner Form diesen Beitrag gefährden können (etwa durch die zeitliche Verzögerung)? Bei der Vereinbarung mit der Hafenwirtschaft handelt es sich um eine dreiseitige Vereinbarung zwischen der Freien Hansestadt Bremen, der Stadt Bremerhaven und dem Verein Hafenanbindung Bremerhaven e.V., welche am 18.12.2012 vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geschlossen worden ist, um den Finanzierungsanteil der Hafenwirtschaft in Höhe von 15 Mio. EUR an den Baukosten sicherzustellen. Hierbei wird ein anteiliger Betrag in Höhe von 13 Mio. EUR durch ein Darlehen zwischenfinanziert, für das die Freie Hansestadt Bremen in Höhe von 14,9 Mio. EUR bürgt. Die Refinanzierung des Darlehens erfolgt in der Weise, dass nach Fertigstellung des Tunnels von den Frachtführenden Nutzungsentgelte über einen Zeitraum von mehreren Jahren erhoben werden. Der Vertrag sieht Rückzahlungen an den Verein Hafenanbindung Bremerhaven e. V. vor, sollte die Baumaßnahme nicht, oder nicht vollständig durchgeführt werden. Als nicht vollständige Durchführung gilt auch wenn der Tunnel nicht bis Ende 2020 in Betrieb genommen ist. Die drei Vertragsparteien haben die Möglichkeit Anpassungen vorzunehmen. Dies wird auch wahrgenommen. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-1415 VB Bauzeitüberschreitungen führen zu Mehrkosten und Verzögerungen – Wann kommt der Hafentunnel in Bremerhaven? 20171128_GA_Bauzeitüberschreitungen