BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/1448 Landtag 19. Wahlperiode 12.12.17 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE Tendenziöse und rechtswidrige Einschätzung linker Gruppierungen im Bremischen Verfassungsschutzbericht 2016 Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 1 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 7. November 2017 „Tendenziöse und rechtswidrige Einschätzung linker Gruppierungen im Bremischen Verfassungsschutzbericht 2016“ Die Fraktion DIE LINKE hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: „Der aktuelle Bremer VS-Bericht, der am 16. Juni 2017 vorgelegt wurde, nimmt gegenüber dem Vorjahr eine deutlich verschärfte Einschätzung linker Gruppierungen vor. So werden namentlich die Interventionistische Linke und die Rote Hilfe plötzlich explizit als „gewaltorientiert“ bezeichnet: „Die Ortsgruppe der linksextremistischen Gruppierung ‚Interventionistische Linke‘ (IL) gehört zu den aktiven Gruppierungen der gewaltorientierten linksextremistischen Szene Bremens.“ „Die Rechts- und Hafthilfeorganisation ‚Rote Hilfe e.V.‘ (RH) ist eine gewaltorientierte linksextremistische Gruppierung.“ Im Bericht des Vorjahres wurden beide Gruppierungen nicht als „gewaltorientiert“ bezeichnet. Der Bundes-VS-Bericht unterscheidet sich in der Einstufung beider Gruppierungen zwischen 2015 und 2016 nicht, keine von beiden wird vom Bundesinnenministerium als „gewaltorientiert“ bezeichnet. Auch aus der Beschreibung der Aktivitäten beider Gruppierungen im Bremischen VS- Bericht 2016 erschließt sich die Zuschreibung der „Gewaltorientierung“ nicht: - Zur IL wird die Organisationsgeschichte wiedergegeben sowie aus dem „Zwischenstandspapier“ von 2014 zitiert. - Zur Roten Hilfe heißt es im Text: „Die RH sieht ihren Arbeitsschwerpunkt in der finanziellen und personellen Unterstützung von Angehörigen aus dem ‚linken‘ Spektrum, die von ‚staatlicher Repression‘ betroffen sind. Zu ihren Aufgaben gehören die Gewährung von Rechtshilfe, die Vermittlung von Anwälten an Szene-Angehörige, die Beihilfe zu Prozesskosten und Geldstrafen sowie die Betreuung von ‚politischen Gefangenen‘. Die dabei entstehenden Kosten werden aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert.“ Die Rote Hilfe hat deshalb verwaltungsgerichtlich gegen die Titulierung als „gewaltorientiert“ geklagt. Das Verwaltungsgericht Bremen hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2017 dem Senator für Inneres die Verbreitung des Verfassungsschutzberichtes per einstweiliger Anordnung untersagt, soweit die Rote Hilfe weiterhin als „gewaltorientiert“ bezeichnet wird. Die Einstufung als „gewaltorientiert“ sei nicht hinreichend definiert, nachvollziehbar und auf Tatsachen gestützt. In der Begründung des Verwaltungsgerichtes heißt es: „Aus dem Verfassungsschutzbericht geht nicht einmal ansatzweise hervor, aufgrund welcher tatsächlichen Anhaltspunkte der Antragssteller [Anm.: die Rote Hilfe] der „gewaltorientierten“ linksextremistischen Szene zuzuordnen wäre“. Damit hat das Landesamt für Verfassungsschutz nicht zum ersten Mal fragwürdige Informationen verbreitet. Schon im Jahresbericht 2015 wurde eine Brandstiftung auf dem Gelände des Polizeireviers Bürgerpark im Kapitel „Militante Aktionen“ der linken Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 Szene abgehandelt, obwohl die Polizei selbst – in der Sitzung der Deputation für Inneres am 14.01.2016 – einen politisch motivierten Hintergrund nicht annahm. Wir fragen den Senat: 1. Welche gewalttätigen Aktivitäten der Interventionistischen Linken Bremen im Berichtsjahr 2016 sind dem Senator für Inneres bekannt? 2. Welche gewalttätigen Aktivitäten der Roten Hilfe Bremen im Berichtsjahr 2016 sind dem Senator für Inneres bekannt? 3. Über welche sonstigen Erkenntnisse zur Tätigkeit der IL Bremen bzw. der Roten Hilfe Bremen verfügt der Senator für Inneres, die eine Einschätzung beider Organisationen als „gewaltorientiert“ rechtfertigen? 4. Hat sich zwischen dem Berichtsjahr 2015 und dem Berichtsjahr 2016 nach Auffassung des Senats die politische und praktische Orientierung und Tätigkeit der IL Bremen bzw. der Roten Hilfe Bremen verändert, oder auf welcher Grundlage hat sich die Einschätzung des Senats zu beiden Organisationen gewandelt? 5. Ist es üblich, dass eine verschärfte, von den Vorjahresberichten und den Bundesberichten abweichende Einstufung von Organisationen im VS-Bericht vorgenommen wird, ohne dass dazu irgendein nachvollziehbarer Beleg genannt wird? 6. Welche Kriterien muss nach Auffassung des Senats eine Organisation erfüllen, um als „gewaltorientiert“ eingestuft zu werden? 7. Warum wird die Rote Hilfe auch in der überarbeiteten Fassung des VS-Berichtes weiterhin im Kapitel „Strukturen und Gruppierungen des gewaltorientierten Linksextremismus“ geführt, obwohl das Verwaltungsgericht den Senator für Inneres per einstweiliger Anordnung verpflichtet hat, diese Bezeichnung in Bezug auf die Rote Hilfe zu unterlassen? 8. Welche Schlussfolgerungen zieht der Senator für Inneres aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes für die zukünftige Öffentlichkeitsarbeit des LfV in Bezug auf die Zuschreibung „gewaltorientiert“ sowie die Auswahl der im VS-Bericht genannten Gruppierungen? 9. Soll im kommenden VS-Bericht für das Berichtsjahr 2017 erneut eine Definition der Gruppen Interventionistische Linke und Rote Hilfe als „gewaltorientiert“ vorgenommen werden? 10. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE heißt es: „Auf Initiative des Bundesministers des Innern und in Ansehung der aktuellen Entwicklung haben sich die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder im Jahr 2010 auf die Erstellung eines „Bundeslagebilds gewaltorientierter Linksextremismus“ verständigt. Sowohl die inhaltlichen und definitorischen Fragestellungen als auch die daraus resultierenden Erkenntnisse und Bewertungen wurden innerhalb des Verfassungsschutzverbundes abgestimmt.“ (Drucksache 17/6832). a) Verwenden die Landesämter für Verfassungsschutz demnach auch aktuell eine einheitliche Definition, daraus resultierende Erkenntnisse und Bewertungen in Bezug auf bestimmte Gruppierungen? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 b) Ist die Definition der Gruppen Interventionistische Linke und Rote Hilfe bundesweit einheitlich geregelt, und wenn nein: Inwiefern weicht Bremen von den Einschätzungen des gemeinsamen Lagebildes ab?“ Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung Der Senator für Inneres berichtet in seinen Verfassungsschutzberichten über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Im Fokus des Verfassungsschutzes im Phänomenbereich „Linksextremismus“ steht dabei der gewaltorientierte Teil der linksextremistischen Szene. Die Ortsgruppen der Gruppierung „Interventionistische Linke“ und des Vereins „Rote Hilfe“ sind seit Jahren Bestandteil dieser gewaltorientierten linksextremistischen Szene. Als gewaltorientiert gelten nicht nur Bestrebungen, die Gewalt anwenden, sondern auch diejenigen, die Gewaltanwendungen befürworten, sie vorbereiten oder unterstützen. Die Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) zu diesen beiden Gruppierungen hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert. Die Geschehnisse rund um den G20-Gipfel Anfang Juli 2017 in Hamburg bestätigen erneut die Richtigkeit dieser Bewertung und unterstreichen die bedeutende Rolle, die beide Gruppierungen für die gewaltorientierte linksextremistische Szene bundesweit haben: Die „Interventionistische Linke“, deren erklärtes Ziel die Zusammenführung von gewaltbefürwortenden Linksextremisten und gewaltablehnenden Nichtextremisten ist, band auch gewaltbereite Akteure in ihre Protestaktivitäten ein. Von den massiven gewalttätigen Auseinandersetzungen von Linksextremisten mit der Polizei distanzierte sie sich zu keinem Zeitpunkt. Auch die „Rote Hilfe e.V.“ trägt mit ihrer Unterstützung von linksextremistischen Straf- und Gewalttäter insbesondere im Zuge von solchen Demonstrationen sowohl in politischer als auch finanzieller Hinsicht in hohem Maße zur Stabilisierung der gewaltorientierten linksextremistischen Szene bei. Der Verein identifiziert sich nicht nur mit der ideologischen Zielsetzung der linksextremistischen Straftäter, sondern insbesondere auch mit deren Durchsetzung mittels Anwendung von Gewalt auch gegen Personen, wenngleich er selbst nicht gewalttätig agiert. Bei der Darstellung extremistischer Bestrebungen im Verfassungsschutzbericht ist generell zu beachten, dass es sich um eine offene Berichterstattung handelt, die in gebotener Kürze erfolgt. Ausführlich unterrichtet das LfV die Parlamentarische Kontrollkommission über extremistische Aktivitäten und Strukturen in Bremen. Die Brandstiftung an mehreren Polizeifahrzeugen in Bremen-Schwachhausen im Jahr 2015 ordnet das LfV in eine Reihe von „militanten Aktionen“ im Begründungszusammenhang „Antirepression“ ein, auch weil der überführte Täter dem LfV als Angehöriger der linksextremistischen Szene bekannt ist. Ein Widerspruch zur polizeilichen Bewertung besteht nicht, da Polizei und Verfassungsschutz unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen. 1. Welche gewalttätigen Aktivitäten der Interventionistischen Linken Bremen im Berichtsjahr 2016 sind dem Senator für Inneres bekannt? Die bundesweite linksextremistische Organisation „Interventionistische Linke“, der die Bremer Ortsgruppe seit 2014 angehört, bemüht sich seit Jahren darum, die Handlungsfähigkeit der linksextremistischen Szene durch die Zusammenführung linksextremistischer und nichtextremistischer Akteure und Gruppierungen in Aktionen, Bündnissen und Kampagnen zu erhöhen. Diese Akteure und Gruppierungen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer ideologischen oder politischen Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 Ausrichtung voneinander, sondern auch in ihrer Einstellung zu Gewalt, die von Ablehnung bis Befürwortung reicht. Mit bewusst vage gehaltenen Formulierungen bezüglich des Ablaufes und des Ziels einer Veranstaltung sowie mit einer jeweils spektrenübergreifenden Mobilisierung gelang es der „Interventionistische Linke“ bei Großereignissen in den vergangenen Jahren wiederholt, innerhalb ihres Aktionsrahmens autonomen Gruppierungen einen Raum für gewalttätige Angriffe auf die Polizei zu bieten. Deutlich wurde diese Strategie zuletzt beim G20-Gipfel Anfang Juli 2017 in Hamburg, bei der sich die „Interventionistische Linke“ zu keinem Zeitpunkt von den schweren gewaltsamen Ausschreitungen distanzierte, die sich Linksextremisten über mehrere Tage mit der Polizei lieferten. Im Vorfeld des G20- Gipfels erklärte die „Interventionistische Linke“ -Vertreterin Emily Laquer, die zugleich als Pressesprecherin des „Block G20“-Bündnis fungierte, im Interview mit „Zeit online“ hierzu: „Ich möchte die Opposition auf der Straße organisieren, um stattdessen die Bilder unserer Einigkeit und Vielfältigkeit um die Welt zu schicken. Unser gemeinsamer Ausdruck ist bunt, und auch Schwarz – also die Autonomen – ist ein Teil von bunt. (…) Erfolgreiche soziale Bewegungen sind immer eine Mischung aus vielen Aktionen. Auch wenn Leute dabei sind, die eine andere Strategie haben als wir, sind sie trotzdem Teil der Bewegung.“ Zum Ende des Interviews antwortete Laquer auf den Einwand der Journalistin, dass es bislang kein Bekenntnis der „Interventionistische Linke“ zur Gewaltfreiheit gäbe: „Ich will in einer Linken sein, die undogmatisch ist. Wir wollen immer prüfen, welches der gerade strategisch richtige Weg ist. (…) Wenn man es ernst meint mit der Vision des guten Lebens für alle, muss man auch etwas dafür riskieren. Das funktioniert nicht, wenn sich alle immer nur an die Regeln halten.“ (Interview von Sigrid Neudecker mit Emily Laquer: G20-Gipfel. „Ein abgebranntes Auto ist immer noch Sachbeschädigung. „Zeit online“, 27.04.2017) In einem in der „tageszeitung“ Anfang Juli 2017 veröffentlichten Kommentar zur Gewalt beim G20-Gipfel positionierte sich Laqeur wie folgt: „Wie käme ich also dazu, Menschen das Recht abzusprechen, sich zu wehren und sich aufzulehnen? Ihnen vorzuschreiben, auf welche Weise sie ihrer Wut und Empörung Ausdruck verleihen dürfen? Vor wem muss ich mich rechtfertigen, wenn in Hamburg irgendwer eine Schreibe einwirft? (…) Und deshalb muss ich immer wieder auf die Gewaltfrage antworten: Nein, ich unterwerfe mich nicht. Nein, ich distanziere mich nicht. Ich weigere mich, harmlos zu sein.“ (Kommentar von Emily Laquer: Eine verlogene Diskussion. Trump wirft Bomben, aber Linke sollen sich von jedem Steinwurf distanzieren. „tageszeitung“, 05.07.2017) Auch nach Beendigung des G20-Gipfels bekräftigte die „Interventionistische Linke“ ihre Position, sich nicht von den schweren gewalttätigen Ausschreitungen zu distanzieren: „Ja, zu den Bildern des Widerstandes gehören auch jene, bei denen Menschen der Kragen geplatzt ist, bei denen sie sich gewehrt haben (…): Es waren nicht unsere Aktionen. (…) Aber wir können und wollen die Feuer der Freitagnacht nicht aus dem Ausnahmezustand lösen, in dem sie stattfanden. Wenn die Polizei über Tage hinweg Menschen drangsaliert, schlägt und verletzt, sich wie eine Besatzungsarmee aufführt (…), dann bleibt irgendwann die spontane Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 5 Antwort nicht aus. Wir haben schon vorher gesagt, dass wir uns nicht distanzieren werden und dass wir nicht vergessen werden, auf welcher Seite wir stehen.“ („Interventionistische Linke“: Die rebellische Hoffnung von Hamburg, Internetseite der „Interventionistische Linke“, 12.07.2017) Die „Interventionistische Linke“ sieht ihre Aufgabe und ihre Position in der linksextremistischen Szene darin, eine Scharnierfunktion zwischen Gewalt befürwortenden Linksextremisten und Gewalt ablehnenden Nichtextremisten einzunehmen. Dazu lehnt sie einerseits die Distanzierung von Gewalt ab und arbeitet mit gewalttätigen Akteuren und Gruppierungen zusammen. Andererseits vermeidet sie ein offenes Bekenntnis oder Aufrufe zur Anwendung von Gewalt, weil sie damit ihre als notwendig erachtete Zusammenarbeit mit Nichtextremisten aufgeben müsste, die Gewalt ablehnen und meist auch die Zusammenarbeit mit Straf- und Gewalttätern. Insbesondere wegen ihrer Gewalt befürwortenden Einstellung gilt die „Interventionistische Linke“ als gewaltorientiert. 2. Welche gewalttätigen Aktivitäten der Roten Hilfe Bremen im Berichtsjahr 2016 sind dem Senator für Inneres bekannt? Der Verein „Rote Hilfe“, zu der die Bremer Ortsgruppe zählt, beschreibt sich selbst als „strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation“. Er unterstützt Straf- und Gewalttäter sowohl in politischer als auch finanzieller Hinsicht, z.B. gewährt er Rechtshilfe, vermittelt Anwälte oder übernimmt in Teilen Anwalts-, Prozesskosten und Geldstrafen. Darüber hinaus betreut der Verein rechtskräftig verurteilte Straftäter während ihrer Haft mit dem Ziel der Erreichung ihrer dauerhaften Bindung an die linksextremistische Szene. Die Strafverfolgung von Linksextremisten sieht der Verein als „politische Verfolgung“ und unterstellt der Justiz und dem Staat die willkürliche Unterdrückung von Kritikern und Oppositionellen. Die parlamentarische Gesetzgebung und sämtliche darauf basierenden Amtshandlungen von Justiz oder Polizei sieht der Verein z.B. als Herrschaftssicherung der Machthabenden, wenn er die Anti-Terror- Gesetze als „Feindstrafrecht“ beschreibt: „Hier zeigt sich der Charakter von Antiterrorgesetzen: Sie sind Feindstrafrecht. Strafrecht, das für Gegner*innen der bürgerlichen Ordnung geschaffen wurde, für die die Regeln einer ‚normalen‘ Prozessführung und Ermittlung nicht mehr gelten.“ („Sonderausgabe der Roten Hilfe“ zum „18.03.2014 Tag der politische Gefangenen“, Beilage in „junge Welt“, 05.03.2014) Nach den schweren Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 wird auf der Internetseite „18maerz.de“, laut Impressum eine Internetseite der „Rote Hilfe e.V.“ und verlinkt von der Seite rote-hilfe.de, mit Blick auf politisch Verantwortliche, Beamte und Richter gedroht: „Nur wenn ihr alle anfangt euch selbst präzise an die Gesetze zu halten mit denen ihr uns immer droht, versucht uns das Leben noch schwerer zu machen als es sowieso ist, habt ihr längerfristig eine Chance das Ganze unbeschadet zu überstehen, denn wie ihr sehen könnt gibt es Mittel und Wege die euch nicht gefallen werden, weil sie ernsthaft wehtun können. (…) Und nein wir trachteten euch „noch nicht“ nach dem Leben, aber da Farbbeutel und Entgleisungen nichts verändern werden wir uns auch um das Eigentum eines „tatsächlich“ Verantwortlichen für eine Maßnahme kümmern. Wenn man dann plötzlich keine Scheiben mehr in den Fenstern in seiner Wohnung / seinem Haus hat, weil man seine Macht missbraucht hat, tut es im eigenen Geldbeutel weh und wird nicht wie bei öffentlichen Gebäuden von der Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 6 Allgemeinheit bezahlt.“ (Internetseite „18maerz.de“: „Welcome to hell – the next step“, 21.08.2017) In einem weiteren Artikel heißt es auf der Internetseite „18maerz.de“ unter der Überschrift „G20 – Event, Herausforderung, politische Arena“: „Zu den Auseinandersetzungen nur soviel: Einige demolierte Straßenzüge sind ein umgefallener Sack Reis im Vergleich zur unerträglichen täglichen Gewalt der G20-Staaten. Es ist sicher nicht unsere Aufgabe, uns empört in Distanzierungen zu verstricken, wo es doch eigentlich darum gehen muss, nach den Ursachen der Gewalt zu fragen und die Organisierung des Widerstands voranzubringen. Ja, es war richtig, dass die Bullen am Eindringen in das Stadtviertel gehindert werden konnten. (…) Dass es durchaus organisierte GenossInnen gab, die der insurrektionalistischen Zerstörungswut und enthemmten Alkoholrandale an einigen Stellen Einhalt gebieten konnten und mit gezielten Aktionen gegen Symbole der Herrschenden vorgegangen sind, ist wichtig zu erwähnen. Leider sind die organisierten linken Strukturen aber nicht stark genug gewesen, das Bild der Auseinandersetzungen vor allem zu späterer Stunde maßgeblich zu bestimmen. Dennoch: Dass die Bullen über mehrere Stunden hinweg die Kontrolle über ein Stadtviertel verloren haben, dass sie den Riot nicht verhindern, sondern lediglich auf einen Teil der Stadt beschränken, konnten, ist ein Ausdruck ihrer organisatorischen Schwäche und den zumindest zeitweise starken Barrikaden an den richtigen Stellen.“ (Internetseite „18maerz.Artikel“: G20 - Event, Herausforderung, politische Arena, 21.08.2017 Mit seiner Einstellung nimmt der Verein eine stabilisierende Funktion innerhalb der gewaltorientierten linksextremistischen Szene ein, wenn er potenziellen linksextremistischen Gewalt- und Straftätern vor Begehung von Taten politische und finanzielle Unterstützung verspricht. Dabei unterstützt er nur solche Taten, die er als „politisch“ wertet. Entschuldigungen oder Distanzierungen der Täter von linksextremistischen Gewaltdelikten im Verfahren führen regelmäßig zu einem Entzug ihrer Unterstützung, hierzu zwei Beispiele: „Abgelehnt haben wir einen Unterstützungsantrag in einem Verfahren wegen Brandstiftung an Autos. Der Antragsteller hat die Vorwürfe eingeräumt, die Sache bereut und einen politischen Zusammenhang abgestritten. Das unterstützen wir nicht.“ („Rote Hilfe Zeitung“ 3/2011, S.7) „Während der Proteste gegen die EZB-Eröffnung in Frankfurt am Main (Hessen) äußerte ein Genosse seine Kritik am kapitalistischen System angeblich, indem er eine bereits lädierte Scheibe eintrat und mit Steinen warf. Es folgte eine Strafanzeige und Gerichtsverhandlung wegen Sachbeschädigung und versuchter schwerer Körperverletzung. Dabei gab er an, dass er bereits im Polizeigewahrsam zu der Erkenntnis gekommen sei, die falsche Protestform gewählt zu haben. Wir werten diese Einlassung als Distanzierung und übernehmen keine Kosten.“ („Rote Hilfe Zeitung“ 1/2017, S.6) Neben der Unterstützung von linksextremistischen Straf- und Gewalttätern solidarisiert sich der Verein auch mit terroristischen Bestrebungen: „Es macht die enorme Kraft und Anziehung der Roten Hilfe e.V. aus, dass wir es geschafft haben, all diese Spaltungen in der gemeinsamen Solidaritätsarbeit Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 7 zu überwinden. Und so werden Gefangene aus dem bewaffneten Kampf genauso unterstützt wie Totalverweigerer (solange dies notwendig war/ist) und gewaltfreie Blockierer.“ („Rote Hilfe Zeitung“ 3/2011, S.13) Als drei Mitglieder der linksextremistischen Gruppierung „militante gruppe“ (mg), die 2009 mehrere Brandanschläge auf Behörden verübte, wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind, erklärte die „Rote Hilfe e.V.“: „Die RH erklärt sich solidarisch mit den Verurteilten und fordert ‚(…) die sofortige Einstellung aller Verfahren und Observierungsmaßnahmen, die im Zusammenhang mit der militanten gruppe stehen. Weg mit dem Gummiparagrafen 129, 129a und 129b! Freiheit für alle politischen Gefangenen!“ (Internetseite von „scharf-unten“, 3. Dezember 2009)“ (Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 2009, S.191) Ihre Gewalt unterstützende und Gewalt befürwortende Einstellung, ihre Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols und ihre Sympathie für die linksterroristische Gruppierung „Rote Armee Fraktion“ (RAF) verdeutlicht die RH in einem 2013 veröffentlichten Artikel: „die rote armee fraktion war ein wichtiges und notwendiges projekt auf dem weg zur befreiung, ein projekt, in dem unschätzbare erfahrungen über den kampf in der illegalität gesammelt wurden: die raf hat bewiesen, dass der bewaffnete kampf hier möglich ist. dieses projekt, das konzept stadtguerilla ist gescheitert, raf und widerstand sind hier nicht durchgekommen. die gründe dafür sind bekannt und müssen für zukünftige bewaffnete projekte berücksichtigt und einbezogen werden. und ein projekt wird folgen … muss folgen – in welcher form auch immer. Nicht als kopie oder reproduktion der raf, das wäre fatal, politisch wie historisch falsch. aber als integraler bestandteil einer neu zu schaffenden sozialrevolutiönären, emazipatorischen organisation oder partei, denn „die waffe der kritik kann allerdings die kritik der waffen nicht ersetzen. die materielle gewalt muß gestürzt werden durch materielle gewalt“ („Rote Hilfe Zeitung“ 2/2013, S.35-40) Vor diesem Hintergrund gilt die „Rote Hilfe e.V.“ insbesondere ihrer Gewalt unterstützenden und Gewalt befürwortenden Einstellung wegen als gewaltorientiert. 3. Über welche sonstigen Erkenntnisse zur Tätigkeit der IL Bremen bzw. der Roten Hilfe Bremen verfügt der Senator für Inneres, die eine Einschätzung beider Organisationen als „gewaltorientiert“ rechtfertigen? Siehe Vorbemerkung sowie die Antworten zu Fragen 1 und 2. Die dort genannten Beispiele stellen dabei nur eine kleine Auswahl dar, um den Rahmen der Beantwortung nicht zu sprengen. Zu beachten ist dabei, dass ein Verfassungsschutzbericht kein Geschäftsbericht der jeweiligen extremistischen Gruppierung ist. Für die Bewertung von Gruppierungen werden daher auch Erkenntnisse vorheriger Jahre und aus der längerfristigen Entwicklung einer Gruppierung herangezogen. Ebenso ist die Betrachtung der Entwicklung einer Gruppierung auf Bundesebene äußerst relevant für die Bewertung der dazugehörigen, auf Landesebene aktiven Gruppierung. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 8 4. Hat sich zwischen dem Berichtsjahr 2015 und dem Berichtsjahr 2016 nach Auffassung des Senats die politische und praktische Orientierung und Tätigkeit der IL Bremen bzw. der Roten Hilfe Bremen verändert, oder auf welcher Grundlage hat sich die Einschätzung des Senats zu beiden Organisationen gewandelt? Die Bedeutung der „Interventionistische Linke“ sowie der „Rote Hilfe e.V.“ hat bundesweit tendenziell weiter zugenommen, da beide Gruppierungen von einem Mitgliederzuwachs profitierten. Während der „Interventionistische Linke“ 2015 etwa 700 Personen zuzurechnen waren, zählte die Gruppierung im Jahr 2016 bereits 800 Personen. Noch bemerkenswerter ist der Mitgliederzuwachs bei der „Rote Hilfe e.V“. Innerhalb nur eines Jahres wuchs der Verein um 1.000 Personen auf etwa 8.000 Mitglieder im Jahr 2016 an. Der erhebliche Mitgliederzuwachs in beiden Gruppierungen erhöht ihre Aktions- und Handlungsfähigkeit und spiegelt darüber hinaus ihre jeweilige Bedeutung innerhalb der linksextremistischen Szene wider. 5. Ist es üblich, dass eine verschärfte, von den Vorjahresberichten und den Bundesberichten abweichende Einstufung von Organisationen im VS-Bericht vorgenommen wird, ohne dass dazu irgendein nachvollziehbarer Beleg genannt wird? Die Bewertung beider Gruppierungen durch den Verfassungsschutz hat sich in den vergangenen Jahren nicht wesentlich verändert. Unterschiedliche Darstellungen in den Verfassungsschutzberichten sind rein redaktioneller Natur. 6. Welche Kriterien muss nach Auffassung des Senats eine Organisation erfüllen, um als „gewaltorientiert“ eingestuft zu werden? Als gewaltorientiert gelten nicht nur Bestrebungen, die Gewalt anwenden, sondern auch diejenigen, die Gewaltanwendungen befürworten, sie vorbereiten oder unterstützen. 7. Warum wird die Rote Hilfe auch in der überarbeiteten Fassung des VS- Berichtes weiterhin im Kapitel „Strukturen und Gruppierungen des gewaltorientierten Linksextremismus“ geführt, obwohl das Verwaltungsgericht den Senator für Inneres per einstweiliger Anordnung verpflichtet hat, diese Bezeichnung in Bezug auf die Rote Hilfe zu unterlassen? Die Frage der Darstellung der „Rote Hilfe e.V.“ im Verfassungsschutzbericht 2016 ist Gegenstand eines anhängigen Rechtsstreites. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist vom Senator für Inneres Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht eingelegt worden. Mit Blick auf dieses Verfahren nimmt der Senat an dieser Stelle keine Stellung zu seinem Verhalten, das unmittelbar den Streitgegenstand betrifft. 8. Welche Schlussfolgerungen zieht der Senator für Inneres aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes für die zukünftige Öffentlichkeitsarbeit des LfV in Bezug auf die Zuschreibung „gewaltorientiert“ sowie die Auswahl der im VS- Bericht genannten Gruppierungen? Siehe Antwort zu Frage 7. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 9 9. Soll im kommenden VS-Bericht für das Berichtsjahr 2017 erneut eine Definition der Gruppen Interventionistische Linke und Rote Hilfe als „gewaltorientiert“ vorgenommen werden? Siehe Antwort zu Frage 7. 10. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE heißt es: „Auf Initiative des Bundesministers des Innern und in Ansehung der aktuellen Entwicklung haben sich die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder im Jahr 2010 auf die Erstellung eines „Bundeslagebilds gewaltorientierter Linksextremismus“ verständigt. Sowohl die inhaltlichen und definitorischen Fragestellungen als auch die daraus resultierenden Erkenntnisse und Bewertungen wurden innerhalb des Verfassungsschutzverbundes abgestimmt.“ (Drucksache 17/6832). a) Verwenden die Landesämter für Verfassungsschutz demnach auch aktuell eine einheitliche Definition, daraus resultierende Erkenntnisse und Bewertungen in Bezug auf bestimmte Gruppierungen? Das Bundesamt und die Landesbehörden für Verfassungsschutz tauschen relevante Erkenntnisse aus und verwenden im Rahmen der föderalen Strukturen weitgehend einheitliche Definitionen. b) Ist die Definition der Gruppen Interventionistische Linke und Rote Hilfe bundesweit einheitlich geregelt, und wenn nein: Inwiefern weicht Bremen von den Einschätzungen des gemeinsamen Lagebildes ab? Die Erkenntnisse und Feststellungen des LfV bezüglich der beiden linksextremistischen Gruppierungen stimmen mit denen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) überein, so heißt es im „Jahresbericht 2016“: „Die „Interventionistische Linke“ bemüht sich in Bündnissen und Initiativen um eine kampagnenorientierte Zusammenführung linksextremistischer Akteure unterschiedlicher ideologischer Prägung zugunsten einer erhöhten Handlungsfähigkeit sowohl in Deutschland als auch in internationalen Kampagnen und Netzwerken. Die „Interventionistische Linke“ fungiert dabei als Scharnier zwischen militanten Gruppierungen und nichtgewaltorientierten Linksextremisten beziehungsweise nichtextremistischen Gruppen und Initiativen. Die Einstellung zur Gewalt ist taktisch geprägt, sie wird nicht grundsätzlich abgelehnt.“ (Bundesministerium des Inneren: Verfassungsschutzbericht 2016, S. 138) Die „Rote Hilfe e.V.“ definiert sich laut Satzung als eine „parteiunabhängige strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation“. Sie leistet Strafund Gewalttätern aus dem linksextremistischen Spektrum politische und finanzielle Unterstützung, beispielsweise bei anfallenden Anwalts- und Prozesskosten sowie bei Geldstrafen und Geldbußen. (…) Darüber hinaus betreut die „Rote Hilfe e.V.“ rechtskräftig verurteilte Straftäter während ihrer Haft, um diese weiter beziehungsweise stärker an die „Bewegung“ zu binden. Beispielsweise setzt sie sich für die Verbesserung ihrer Haftbedingungen ein, hält persönlichen Kontakt zu Inhaftierten und ermutigt sie zum „weiterkämpfen“. (Bundesministerium des Inneren: Verfassungsschutzbericht 2016, S. 129) Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 10 Die Bundesregierung beurteilt die „Rote Hilfe e.V.“ in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im Jahr 2010 wie folgt: „Die Gefangenenhilfsorganisation „Rote Hilfe e. V.“ (RH) ist keine humanitäre, auf die Resozialisierung von Straftätern ausgerichtete Solidaritätsorganisation. Ihr Ziel ist es vielmehr, gewaltbereite „Linke“ in ihrem Kampf gegen die bestehende Ordnung zu stützen und zu stärken. Dabei identifiziert sich die „Rote Hilfe e.V.“ nicht nur mit der ideologischen Zielsetzung der linksextremistischen Straftäter, sondern auch mit deren Durchsetzung mittels Ausübung von Gewalt auch gegen Personen.“ (BT-Drucks. 17/1484 S.2) Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-1448 VB Tendenziöse und rechtswidrige Einschätzung linker Gruppierungen im Bremischen Verfassungsschutzbericht 2016 20171212_1_KA linke Gruppierungen