BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/1555 Landtag 19. Wahlperiode 27.02.18 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kosten für den Unterhalt von Lesum und Wümme Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 15.12.2017 „Kosten für den Unterhalt von Lesum und Wümme“ Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: Die Bundeswasserstraßen Ober- und Mittelweser leisten als Transportwege einen wichtigen Beitrag zur Entlastung des Straßennetzes. Die Bundeswasserstraße Mittelweser ist als Hinterland-Verbindung von Bedeutung für die bremischen, aber auch die niedersächsischen Unterweserhäfen. Die Verantwortung für den Ausbau und die Unterhaltung von Bundeswasserstraßen liegt grundsätzlich beim Bund. Bremen ist aufgrund der hohen Bedeutung für die Hafenwirtschaft und damit korrespondierender vertraglicher Beziehungen gleichwohl am laufenden Ausbauprogramm beteiligt. Im Rahmen dieses Programms wird neben dem Neubau von Schleusen in Dörverden und Minden ein Planfeststellungsbeschluss mit diversen strombaulichen Maßnahmen wie Ufer-Rückverlegungen und ähnlichem verfolgt und seit Jahren kontinuierlich umgesetzt. Bremen hat bislang etwa 22,5 Millionen Euro für den Mittelweser-Ausbau zwischen Minden und Bremen beigesteuert, der Zahlungsrückstand an den Bund beträgt derzeit ca. 23 Millionen Euro. Der Bund hat sich im Jahr 2012 bereit erklärt, den weiteren Ausbau finanziell zu tragen und Bremen aus der anteiligen Finanzierung zu entlassen. Sollte Bremen dem Vertrag mit dem Bund über die weitere Finanzierung des Mittelweser-Ausbaus zustimmen, könnten die ausstehenden 23 Millionen Euro erlassen werden. Dafür müsste Bremen künftig die Finanzierung des Unterhalts von Wümme und Lesum tragen, deren Status als Bundeswasserstraßen künftig auf den Status von Landeswasserstraßen herabgestuft werden soll. Die von Bremen zu übernehmenden Unterhaltungsmaßnahmen an den Nebenflüssen der Weser und die damit verbundenen jährlichen Unterhaltungskosten sind nun Gegenstand der noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen. Die Wümmeufer sind vermehrt von Erosionen bedroht. Laut europäischer Wasserrahmenrichtlinie müssen Gewässer in einen guten ökologischen Zustand versetzt werden. Die finanzielle Unterhaltung von Flüssen und ihrer Ufer ist kostenintensiv. Auf der Basis einer Verwaltungsvereinbarung der Bundesländer Niedersachsen und Bremen sowie der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes ist ein länderübergreifender integrierter Bewirtschaftungsplan (IBP) Weser für die Gebiete des Weserästuars, die Teil des europäischen Schutzgebietsnetzes NATURA 2000 sind, der Unterweser und ihrer Nebenflüsse Lesum und Wümme erarbeitet worden. Ästuar-Nebengewässer an Elbe, Weser und Ems sind von hohem ökologischem Wert bzw. verfügen über besondere Entwicklungspotentiale. Ihre ökologische Wirkung reicht bis weit in die großen Flussmündungen hinein. Sie bilden zentrale Achsen im aquatischen Biotopverbund und spielen eine bedeutende Rolle für die Zielerreichung im Kontext der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Der Fokus ist auf Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 diejenigen Ästuar-Nebengewässer zu legen, die zugleich Teil von NATURA 2000 sind und für die aus Sicht des Naturschutzes ein vordringlicher Handlungsbedarf gegeben ist. Das am 1. Februar 2017 vom Bundeskabinett beschlossene Bundesprogramm ‚Blaues Band Deutschland’ bildet eine gute Grundlage für die Umsetzung gewässerbezogener Maßnahmen, die zur Zielerreichung der WRRL und für den anzustrebenden guten Erhaltungszustand gemäß NATURA 2000 unverzichtbar sind. Wir fragen den Senat: 1. Welche Unterhaltsmaßnahmen werden an Lesum und Wümme bisher durchgeführt? 2. In welcher Höhe fallen jährlich Kosten für die Unterhaltung dieser beiden Nebenflüsse an? 3. Wer trägt bisher diese Unterhaltskosten? 4. Aus welchem Grund hat Bremen sich damals bereit erklärt, den Ausbau der Mittelweser zu finanzieren, obwohl es sich bei der Weser um eine Bundeswasserstraße handelt und daher eigentlich in die finanzielle Verantwortung des Bundes fällt? 5. In welchem ökologischen Zustand befinden sich Lesum und Wümme? 6. Wie schätzt der Senat Einflüsse wie Klimawandel, eine mögliche Weservertiefung und Tidenerhöhungen für Lesum und Wümme ein und mit welchen zusätzlichen Folgekosten rechnet der Senat? 7. In welcher Relation zu den Kosten des Unterhalts von Lesum und Wümme stehen die weiteren Ausbaukosten der Mittelweserabschnitte, die noch nicht realisiert wurden? 8. Wie bewertet der Senat das Bundesprogramm ‚Blaues Band Deutschland’ und eine mögliche Finanzierung des Unterhalts der beiden Nebenflüsse durch dieses Bundesprogramm? Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Unterhaltsmaßnahmen werden an Lesum und Wümme bisher durchgeführt? Durch das Wasser- und Schifffahrtsamt Bremen werden bisher folgende Unterhaltungsmaßnahmen an der Lesum durchgeführt: • Uferdeckwerke an beiden Ufern kontrollieren und unterhalten, d.h. Fehlstellen mit Wasserbausteinen auffüllen • Die Fahrwassersohle regelmäßig peilen (4x / Jahr) • Uferbewuchs kontrollieren und im Sinne der Verkehrssicherungspflicht Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 unter Beachtung naturschutzfachlicher Grundsätze bearbeiten • Sommerdeiche und Uferbauwerke kontrollieren und funktionsfähig unterhalten • Gewässerkundliche Pegel betreiben, kontrollieren und funktionsfähig unterhalten • Private und gewerbliche Bootsanleger auf Einhaltung der Auflagen aus den Strom- und Schifffahrtspolizeilichen Genehmigungen kontrollieren Durch das Wasser- und Schifffahrtsamt Bremen werden bisher folgende Unterhaltungsmaßnahmen an der Wümme durchgeführt: • Uferdeckwerke vor den scharliegenden Deichstrecken kontrollieren und unterhalten, d.h. Fehlstellen mit Wasserbausteinen auffüllen • Drei Versuchsstrecken mit ingenieurbiologischer Ufersicherung kontrollieren und unterhalten • Uferbewuchs kontrollieren und im Sinne der Verkehrssicherungspflicht unter Beachtung naturschutzfachlicher Grundsätze bearbeiten • Sommerdeiche und Uferbauwerke kontrollieren und funktionsfähig unterhalten • Gewässerkundliche Pegel betreiben, kontrollieren und funktionsfähig unterhalten 2. In welcher Höhe fallen jährlich Kosten für die Unterhaltung dieser beiden Nebenflüsse an? Nach Angaben der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung betragen die Unterhaltungskosten für Lesum und Wümme jährlich rund 178.000 €. 3. Wer trägt bisher diese Unterhaltskosten? Die Unterhaltungskosten werden vom Eigentümer der Flüsse, der Wasser-und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, in diesem Fall dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Bremen, getragen. 4. Aus welchem Grund hat Bremen sich damals bereit erklärt, den Ausbau der Mittelweser zu finanzieren, obwohl es sich bei der Weser um eine Bundeswasserstraße handelt und daher eigentlich in die finanzielle Verantwortung des Bundes fällt? Mit Beschluss vom 15.06.1965 hatte sich der Senat in Übereinstimmung mit den grundsätzlichen Auffassungen der Regierungen der anderen Länder zu einer Kostenbeteiligung entschlossen, weil nur auf diese Art und Weise der Bund bewogen werden konnte, ein großzügiges Binnenwasserstraßenprogramm im nordwestdeutschen Raum in Angriff zu nehmen und die Schifffahrt für den Güterverkehr zu stärken. Diese Haltung Bremens wurde durch den Beschluss des Senats vom 14. Dezember 1981 zum Abschluss einer Vorvereinbarung zum Verwaltungsabkommen zwischen dem Bund und Bremen über die Anpassung der Mittelweser für das 2,50 m abgeladene Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 Europaschiff bestätigt. In der Sitzung vom 28.09.1988 begrüßte die Bürgerschaft (Landtag) die mit dem Bund erzielte Einigung zur Anpassung der Mittelweser und stimmte der Unterzeichnung des Verwaltungsabkommens zur Anpassung der Mittelweser zwischen Bremen und dem Bund zu. 5. In welchem ökologischen Zustand befinden sich Lesum und Wümme? Die Lesum ist aufgrund ihrer Nutzung als Bundeswasserstraße und der damit verbundenen Ausbaumaßnahmen als erheblich verändertes Gewässer nach § 28 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) eingestuft. Somit gilt für sie nach § 27 WHG das Bewirtschaftungsziel des guten ökologischen Potenzials. Derzeit erreicht die Lesum das Bewirtschaftungsziel nicht, die aktuelle Einstufung im Bewirtschaftungsplan 2015-2021 ist das unbefriedigende ökologische Potenzial (4 Potenzialklassen: gut und besser, mäßig, unbefriedigend, schlecht). Bei einer differenzierten Betrachtung der einzelnen untersuchten biologischen Qualitätskomponenten erreichen die Fische ein mäßiges ökologisches Potenzial und die wirbellosen, auf dem Gewässerboden lebenden Tiere (Makrozoobenthos) sowie die Pflanzen im Gewässer und am Ufer (Makrophyten) ein unbefriedigendes Potenzial. Insgesamt ist die schlechteste biologische Qualitätskomponente für die Einstufung verantwortlich. Insbesondere der unnatürlich hohe Tidenhub durch die Weserausbauten macht die Lesum zu einem extremen Lebensraum, der schwer besiedelbar ist. Die Wümme ist bis zur Borgfelder Brücke eine sonstige Wasserstraße im Eigentum des Bundes. Aufgrund der eigentlich guten Gewässerstrukturen (ausgedehnte Röhrichtbestände und natürliche Mäandrierung) wurde die Wümme im Bereich Bremen trotz des unnatürlich hohen Tidenhubs durch den Weserausbau als natürliches Gewässer eingestuft. Die Wümme erreicht das Bewirtschaftungsziel des guten ökologischen Zustands noch nicht. Die aktuelle Einstufung im Bewirtschaftungsplan 2015-2021 ist der unbefriedigende ökologische Zustand (5 Zustandsklassen: sehr gut, gut, mäßig, unbefriedigend und schlecht), die Fische haben bereits den guten Zustand erreicht, Makrozoobenthos und Makrophyten sind aber in einem unbefriedigenden Zustand. Haupthindernis für die Zielerreichung ist auch hier der unnatürlich hohe Tidenhub. 6. Wie schätzt der Senat Einflüsse wie Klimawandel, eine mögliche Weservertiefung und Tidenerhöhungen für Lesum und Wümme ein und mit welchen zusätzlichen Folgekosten rechnet der Senat? Die Auswirkungen des Klimawandels für Bremen und die bremischen Gewässer wurden sehr umfangreich im Rahmen des Projektes „nordwest2050 - Perspektiven für klimaangepasste Innovationsprozesse in der Metropolregion Bremen-Oldenburg“ analysiert. Eine regionale Verwundbarkeitsanalyse hat insgesamt aufgezeigt, dass der Klimawandel in der Metropolregion Bremen-Oldenburg voraussichtlich zumindest in einer mittelfristigen Perspektive (2050) beherrschbar sein wird. Im Sektor „Wasserwirtschaft und Hochwasserschutz“ wird die Verwundbarkeit für Wassermanagement (Marsch und Geest), für den Gewässerschutz und für die Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 5 Sicherung von Wasserressourcen sowie für den Binnenhochwasserschutz und für die Siedlungswasserwirtschaft als gering bis mittel eingestuft. Das beruht zum einen auf der für die Region vergleichsweise moderat ausfallenden Klimaänderungen (mit Ausnahme von Extremereignissen), aus der eher gering bis mittel hohe Auswirkungen resultieren. Zum anderen wird die regionale gesellschaftliche Anpassungskapazität als mittel bis hoch eingeschätzt. Eine Vertiefung der Unterweser hätte eine weitere Tidenerhöhung für Lesum und Wümme zur Folge. Der Ausbau der Mittelweser hat hingegen keinen Einfluss auf die Wasserstände von Lesum und Wümme. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in Rahmen des Klageverfahrens gegen die Unter- und Außenweservertiefung in seinen Hinweisbeschlüssen vom 11. Juli 2013 die Umweltverträglichkeitsprüfungen für die Nebenflüsse der Weser als fehlerhaft bezeichnet. Seitdem arbeitet die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes als Träger des Vorhabens an der Beseitigung dieser Fehler. Dieser Vorgang ist noch nicht abgeschlossen. Der Senat kann daher zum jetzigen Zeitpunkt keine belastbaren Aussagen und Kostenschätzungen zu eventuellen Wechselwirkungen zwischen einer möglichen Weservertiefung und Tideerhöhungen für den Flussbereich Lesum und Wümme treffen. Der Tidenhub in Lesum und Wümme stellt aber schon heute eine der wesentlichen Herausforderungen bei der Erreichung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie dar. 7. In welcher Relation zu den Kosten des Unterhalts von Lesum und Wümme stehen die weiteren Ausbaukosten der Mittelweserabschnitte, die noch nicht realisiert wurden? Die weiteren Kosten für die Herstellung des planfestgestellten Ausbauzustandes der Mittelweser werden sich laut aktuellem Finanzbedarfsplan der GDWS auf insgesamt rd. 55 Mio. € belaufen. Da der Bund und Bremen beabsichtigen, die abgeschlossenen Verträge zur finanziellen Beteiligung Bremens an Maßnahmen an der Mittelweser für beendet zu erklären, ist davon auszugehen, dass sich Bremen an den oben genannten Kosten nicht mehr beteiligt. Davon abgesehen wären bei der Betrachtung der Unterhaltungskosten ebenfalls die Kosten der Unterhaltung für weitere Gewässer, Anlagen und Bauwerke ggf. zu berücksichtigen. 8. Wie bewertet der Senat das Bundesprogramm ‚Blaues Band Deutschland’ und eine mögliche Finanzierung des Unterhalts der beiden Nebenflüsse durch dieses Bundesprogramm? Das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ bietet eine Zukunftsperspektive für die Wasserstraßen des Bundes, die nicht mehr für den Gütertransport benötigt werden. Die Zielsetzungen des Bundesprogramms sind dabei mit den Zielsetzungen der Länder, z.B. nach der Wasserrahmenrichtlinie, in Einklang zu bringen. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 6 Die Länder sind für den Aufbau, die Funktionsfähigkeit und die rechtliche Sicherung des angestrebten Biotopverbunds, für den Vollzug von Naturschutzund Landschaftspflege, für den Wassertourismus und Wassersport, für wasserwirtschaftliche Aufgaben sowie für den vorsorgenden Hochwasserschutz zuständig. Sie nehmen bei der Umsetzung des Bundesprogramms „Blaues Band Deutschland“ eine zentrale Rolle ein, aus der sich perspektivisch eine Vielzahl von Entwicklungsmöglichkeiten ergeben. Bei der Erarbeitung von Entwicklungskonzepten für Nebenwasserstraßen und der Auswahl und Planung von Renaturierungsprojekten beabsichtigt der Bund eine enge Zusammenarbeit mit den Ländern sicherzustellen. Im Rahmen der Zielsetzungen des Bundesprogramms „Blaues Band Deutschland“ ist eine Finanzierung des Unterhaltes der beiden Nebenflüsse zu prüfen. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-1555 VB Kosten für den Unterhalt von Lesum und Wümme 20180227_KA_Kosten für den Unterhalt von Lesum und Wümme